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Pharmakologische Bestandteile einer Allgemeinnarkose

Im Dokument Perioperative Arzneibehandlung (Seite 13-54)

1 Einleitung

1.1 Allgemeiner Teil

1.1.1 Pharmakologische Bestandteile einer Allgemeinnarkose

Der Begriff „Allgemeinnarkose“ beschreibt das Herbeiführen eines Zustands, der

verschiedenste Eingriffe und Operationen ermöglicht. Dies beinhaltet eine Schaffung von optimalen Voraussetzungen sowohl für Patientinnen und Patienten als auch für

Chirurginnen und Chirurgen. Das aus dem Altgriechischen stammende Wort „Narkose“

bedeutet dabei so viel wie „In-Schlaf-Versetzen“ und beschreibt somit einen der Teilaspekte jeder Allgemeinnarkose, die Bewusstlosigkeit, welche auch als Hypnose bezeichnet wird. Als Synonym wird in der anästhesiologischen Literatur das Wort Vollnarkose beziehungsweise Allgemeinanästhesie verwendet, wobei der ebenfalls im Altgriechischen seinen Ursprung findende Begriff „Anästhesie“ die Empfindungslosigkeit während einer Narkose beschreibt und somit Bezug auf weitere Teilaspekte, nämlich die Schmerzfreiheit (Analgesie) und die Dämpfung vegetativer Reflexe, nimmt.

Schlussendlich ist noch die Muskelerschlaffung als Ziel der Allgemeinanästhesie zu nennen, welche den Zugang zum Operationsgebiet für die Operateurinnen und Operateure erleichtert. (1)

Daraus lässt sich nun ableiten, dass ein ideales Pharmakon möglichst alle dieser

Teilaspekte abdecken sollte, um den Anforderungen einer Allgemeinnarkose (Analgesie, Dämpfung vegetativer Reflexe, Hypnose und Muskelrelaxation) zu genügen.

Zusätzlich erwünschte Eigenschaften lassen sich durch Berücksichtigung von Pharmakokinetik und Pharmakodynamik erklären (2):

• Gute Steuerbarkeit

• Analgesie und Reflexdämpfung

• Große therapeutische Breite

• Keine Herz-Kreislauf-Belastung

• Keine Atemdepression

• Keine Histaminfreisetzung

• Keine Metabolisierung in der Leber

• Gute Venenverträglichkeit

• Gute Wasserlöslichkeit (2).

Ergänzen lässt sich diese Auflistung noch um den Anspruch möglichst großer Reversibilität. (3)

Diese Zusammenstellung lässt schon erahnen, dass es kaum möglich sein wird, bei der Einleitung und Aufrechterhaltung einer Allgemeinanästhesie auf eine einzelne Substanz allein zurückzugreifen. Vielmehr ist eine sinnvolle Kombination verschiedener Wirkstoffe aus den Bereichen der Analgetika, Hypnotika, Muskelrelaxantien sowie

kreislaufunterstützender Medikamente notwendig, deren Betrachtung auf den nächsten Seiten erfolgen soll.

1.1.1.1 Analgetika

Bei der Betrachtung der Analgetika haben sich verschiedene Möglichkeiten der Einteilung der einzelnen Wirkstoffe etabliert. So wurden initial zentral wirkende Analgetika von solchen mit peripherem Wirkort unterschieden, während man diese Systematik nun zugunsten der Trennung von Opioid- und Nichtopioidanalgetika zunehmend verlassen hat. (4,5)

Die im klinischen Alltag häufig synonym verwendeten Begriffe „Opioid“ und „Opiat“

lassen sich insofern voneinander abgrenzen, als dass man Arzneistoffe, welche im Opium enthalten sind, als Opiate bezeichnet. (1)

Hierzu zählen Pharmaka wie Morphin, welches den größten Anteil an natürlich

vorkommenden Alkaloiden im Opium ausmacht, ebenso wie Codein und Thebain. Auch die aus diesen natürlichen Vertretern der Opiate hergestellten halbsynthetischen Subtanzen werden je nach Quelle zu den Opiaten im engeren Sinne gezählt, während alle dem

Morphin ähnlichen Verbindungen ohne peptidische Struktur als Opiate im weiteren Sinne zusammengefasst werden. Zunehmend abgelöst werden diese Begrifflichkeiten der Opiate im engeren und weiteren Sinne durch den Überbegriff „Opioide“, der alle Substanzen, die an Opioidrezeptoren wirken, subsumiert. (4,5)

Dies beinhaltet die endogenen morphinartigen Substanzen ebenso wie die Opioidantagonisten. (6)

Als Nichtopioidanalgetika werden all jene Pharmaka bezeichnet, welche keine Wirkung auf die verschiedenen Opioidrezeptoren haben. Zusätzlich kann eine weitere Unterteilung abhängig vom fiebersenkenden und entzündungshemmenden Effekt sowie dem

Säurecharakter der einzelnen Wirkstoffe erfolgen, was schlussendlich zu den drei Gruppen einerseits der sauren antipyretisch-antiphlogistischen Analgetika, der nichtsauren

antipyretischen Analgetika und schlussendlich der Analgetika ohne antipyretisch-antiphlogistische Wirkung führt. (4)

Da diese letztgenannte Gruppe weder zur Einleitung einer Allgemeinnarkose noch zu deren Aufrechterhaltung eingesetzt werden kann und damit auch nicht zur Gruppe der intravenösen Anästhetika gezählt wird (6), werden sie in dieser Arbeit nicht diskutiert.

1.1.1.1.1 Opioidanalgetika

Um das Nebenwirkungsprofil und damit den Aspekt der sicheren Anwendbarkeit sowohl in der täglichen anästhesiologischen Arbeit als auch in besonderen Situationen wie etwa der präklinischen Narkoseeinleitung sinnvoll aufzuarbeiten, ist zuallererst ein

Grundverständnis der Wirkung der Opioidanalgetika von Nöten.

Besprochen werden sollen all jene Wirkstoffe, welche perioperativ sowohl im Rahmen der Einleitung einer Allgemeinanästhesie als auch zur Aufrechterhaltung einer solchen

eingesetzt werden können.

Bei Betrachtung aktueller anästhesiologischer Fachliteratur lassen sich folgende Opioide als relevant zur Durchführung der oben genannten Maßnahmen während der

Narkoseführung einstufen: Morphin, Fentanyl, Alfentanil, Sufentanil und Remifentanil.

Insbesondere dem Morphin als einzigem Vertreter der Opiate in der obigen Aufstellung kommt eine zunehmend geringe Bedeutung bei der Durchführung einer

Allgemeinanästhesie zu. (6)

Bei der Wirkung aller Opioide lassen sich zentrale von peripheren Angriffspunkten unterscheiden. Weiters können zur Betrachtung der Wirkmechanismen die einzelnen Rezeptoren herangezogen werden, über welche ein Effekt ausgelöst wird. (4,5)

Zu den drei für das klinisch-anästhesiologische Verständnis wichtigsten Rezeptoren zählen die μ-, κ-, und δ-Rezeptoren. Daneben werden in der Literatur auch noch ε- und

σ-Rezeptoren erwähnt. (7)

Der Hauptteil der gewünschten Effekte aber auch der im Anschluss zu besprechenden Nebenwirkungen wird über den μ-Rezeptor erzielt, dessen Benennung von der

hauptsächlich mit ihm interagierenden Substanz Morphin herrührt. (6)

Es folgt nun eine Betrachtung der unterschiedlichen Wirkungen, welche Rücksicht auf die unterschiedlichen Angriffspunkte nimmt.

Die für die anästhesiologische Praxis wichtigste Wirkung der Analgesie und der Sedierung wird auf der Ebene des Zentralnervensystems (ZNS) erzielt, und zwar sowohl im Bereich des Rückenmarks als auch supraspinal im Mittelhirn. Dabei wird einerseits die

Übertragung von Reizen an die für die Schmerzwahrnehmung wichtige Leitungsbahn

größten Teil über einen Agonismus am μ-Rezeptor in der Formatio reticularis im Hirnstamm. Weiters beschrieben wird eine euphorisierende Komponente, welche ihren Ursprung im Mittelhirn findet. (4,5)

Ob es zum Eintritt dieser Euphorie kommt und in welcher Intensität diese erfolgt, wird durch die Art der Applikation und die Geschwindigkeit, mit der das ZNS erreicht wird, bestimmt. (8)

Die zuletzt noch zu erwähnende Wirkung als Antitussivum hat im perioperativen Einsatz keine Bedeutung.

Der einzige peripher erzielte erwünschte Effekt einer Analgesie wird an peripheren Nervenendigungen erreicht, indem entzündungsfördernde Neuropeptide wie etwa die Substanz P nicht mehr freigesetzt und zur Schmerzwahrnehmung führende Reize nicht mehr weitergeleitet werden. (9)

Alle anderen perioperativ nicht erwünschten zentralen und peripheren Wirkungen werden im Zuge des Vergleichs der Nebenwirkungsprofile besprochen.

1.1.1.1.1.1 Morphin

1805 wurde von einem Apotheker namens Friedrich Wilhelm Sertürner eine

Zuschrift an Trommsdorffs Journal der Pharmacie geschickt, in welchem er von einem Wirkstoff im Opium schreibt, dessen Isolierung ihm gelungen sei. (10) Da das häufig auch als Morphium bezeichnete Morphin, dessen Name sich von Morpheus, der Gottheit der Träume, ableitet, somit als erstes Opioid aus dem Opium gewonnen wurde und die weitere

Entwicklung der synthetischen Opioid-Analgetika somit auf diesem aufbaut, soll am Anfang ein Einblick in dieses „Ur-Pharmakon“ gegeben werden. (4)

Dies geschieht trotz der Tatsache, dass es im perioperativen Setting und in der anästhesiologischen Praxis nur mehr gelegentlich Verwendung findet, da mit den synthetischen Opioiden Wirkstoffe mit höherer Affinität und Wirkstärke zur Verfügung stehen. (9)

Morphin wirkt zum größten Teil am μ-Rezeptor (zu einem geringen Teil auch am κ-Rezeptor) als reiner Agonist und erreicht eine analgetische therapeutische Potenz von 1.

Diese wird herangezogen, um die Wirkstärke unterschiedlicher Opioide miteinander vergleichbar zu machen. Wird Morphin oral verabreicht liegt die Bioverfügbarkeit bei ca.

20-25%. (5,6) Dies ist der Metabolisierung im First-Pass-Effekt in der Leber geschuldet und führt zur Notwendigkeit, Morphin oral dreifach höher zu dosieren als etwa bei intravenöser Gabe. (4) Die hohe Wasserlöslichkeit von Morphin führt zu einem großen Verteilungsvolumen durch Aufnahme in hydrophile Kompartimente wie die Muskulatur und das Vorliegen in überwiegend ionisierter Form zu einer schlechten Permeabilität der Blut-Hirn-Schranke. Nach Metabolisierung in der Leber und Konjugation mit

Glucuronsäure erfolgt die Ausscheidung über die Niere. (5,6)

Abbildung 1: Strukturformel Morphin (50)

1.1.1.1.1.2 Fentanyl

Fentanyl ist der erste zu besprechende Vertreter der synthetischen Opioide.

Dieses vom mittlerweile nur mehr gelegentlich verwendeten Pethidin abgeleitete Pharmakon ist chemisch mit den weiteren nachfolgenden synthetischen Opioiden Sufentanil, Alfentanil und Remifentanil, welche alle den 4-Anilinopiperidinopioiden zugerechnet werden, eng verwandt.

Die perioperativ in der Anästhesie

erwünschten Effekte der Analgesie und Sedierung erzielt Fentanyl wie auch Morphin über die Bindung an den μ-Rezeptor. Die über diesen Agonismus erreichte analgetische Potenz beträgt ungefähr 100, Fentanyl ist also ungefähr 100-mal stärker analgetisch wirksam als die Vergleichssubstanz, das „Ur-Pharmakon“ Morphin. (5,6)

Da Fentanyl die in der Einführung von einem „idealen“ Pharmakon geforderten

Eigenschaften des raschen Wirkeintritts und der guten Steuerbarkeit erfüllt, ist es eines der perioperativ am häufigsten eingesetzten Opioide. (5,9)

Nach intravenöser Verabreichung wird Fentanyl zu ungefähr 85% an Proteine gebunden.

Im Gegensatz zu Morphin ist Fentanyl sehr lipophil, damit nur schlecht wasserlöslich und verteilt sich nach erfolgter Applikation sehr rasch in den Zielorganen sowie in Muskulatur und Fettgewebe, was zu einem Wirkeintritt nach wenigen Minuten führt. (11)

Der gewünschte Effekt einer starken Analgesie hält nach intravenöser (i.v.) Verabreichung zwischen 30 und 60 Minuten an, und die erwähnte Anhäufung in Muskulatur und

Fettgewebe führt zu einer langen Halbwertszeit (HWZ) von 3-12 Stunden. In der Leber kommt es durch Cytochrom-P450-Enzyme (CYP-Enzyme) zu einer Metabolisierung zum inaktiven Metaboliten Norfentanyl. Andere Möglichkeiten der Verabreichung sind

transdermale Systeme beziehungsweise orale Applikationsformen wie Lutscher, welche vor allem in der Therapie chronischer Schmerzen zur Anwendung kommen und den Vorteil einer wesentlich längerer Wirkdauer bieten. (4,5)

Abbildung 2: Strukturformel Fentanyl (51)

1.1.1.1.1.3 Alfentanil

Alfentanil ist ein Abkömmling des Fentanyl, gehört damit auch zu den synthetischen Opioiden und in die Klasse der 4-Anilinopiperidinopioide und ähnelt diesem daher in seiner Pharmakologie mit dem Unterschied eines schnelleren

Wirkeintritts und einer kürzeren

Wirkdauer. Fentanyl ist ungefähr 8-mal potenter als Alfentanil, was zu einer analgetischen Potenz von ca. 10-15 führt.

(12)

Der bereits erwähnte Unterschied des schnelleren Wirkeintritts von ungefähr 1,5 Minuten rührt von einer höheren Membranpermeabilität her, welche ihre Ursache im Vorliegen in überwiegend nichtionisierter Form hat. Dies führt zu einem schnelleren Erreichen des für die Wirkung notwendigen Agonismus am μ-Rezeptor. Durch die im Vergleich mit Fentanyl geringere Lipophilie kommt es zu einer weniger ausgeprägten Anreicherung im Fettgewebe und damit zu einem geringeren Verteilungsvolumen und das Risiko, dass bei repetitiver Verabreichung Nebenwirkungen durch Kumulation auftreten, fällt geringer aus.

Somit ergeben sich als Indikation für das heutzutage nicht mehr allzu häufig verwendete Alfentanil vor allem Operationen von geringer Dauer. (6)

Der Abbau erfolgt ähnlich dem Fentanyl durch Metabolisierung über hepatische CYP-Enzyme. (4)

Abbildung 3: Strukturformel Alfentanil (52)

1.1.1.1.1.4 Sufentanil

Wie das Alfentanil ist auch das Sufentanil ein Fentanyl-Abkömmling und besitzt eine analgetische Potenz von ca. 700-1000. (4)

Damit ist es das am stärksten wirksame perioperativ eingesetzte synthetische Opioid und in seiner Pharmakologie wie auch schon das Alfentanil dem Fentanyl sehr ähnlich. Der Wirkeintritt erfolgt nach ungefähr 2 Minuten, die Wirkung hält ca.

30 Minuten an und die kontextsensitive

HWZ, also die Verringerung der Konzentration einer Substanz um 50% nach Ende einer fortlaufenden Verabreichung, ist geringer als jene der beiden bereits besprochenen

Pharmaka Fentanyl und Alfentanil. Ursächlich für dieses Phänomen sind das im Vergleich zu Alfentanil sehr hohe Verteilungsvolumen von Sufentanil und die verglichen mit

Fentanyl geringere Kumulation, welche sich durch eine 93-prozentige Bindung an Plasmaproteine erklären lässt. Diese beiden Eigenschaften führen dazu, dass sich

Sufentanil für die fortlaufende perioperative Applikation mittels Perfusor wesentlich besser eignet als die beiden zuvor besprochenen Opioide. (6)

Die Tatsache, dass Sufentanil noch wesentlich lipophiler ist als Fentanyl, führt zur zügigen Entfaltung seiner Wirkung im ZNS, welche sich durch zeitgleiche Ableitung eines

Elektroenzephalogramms (EEG) während intravenöser Verabreichung darstellen lässt und zu messbaren Veränderungen sowohl in Amplitude als auch Frequenz führt. Sufentanil wird in der Leber metabolisiert, wobei zwei Metaboliten entstehen. Desmethylsufentanil und Norsufentanil konnten beide im Urin nachgewiesen werden: Ersteres ist in geringem Ausmaß pharmakologisch aktiv, ein Nachweis im Plasma gelang aber nicht. (13)

Nach intravenöser Applikation kommt es bei Sufentanil zu einem ausgeprägten „first-pass uptake“ in der Lunge. (14)

Abbildung 4: Strukturformel Sufentanil (53)

1.1.1.1.1.5 Remifentanil

In den 90er-Jahren kam es in den ersten Ländern zur Zulassung eines neuen Opioids, das wie Fentanyl, Alfentanil und Sufentanil ebenfalls in die Gruppe der Piperidin-Derivate gehört. Die Ziele der Entwicklung dieser synthetischen Opioide, welche sich mit der

vorangegangenen Beschreibung eines für perioperativ-anästhesiologische Zwecke idealen Pharmakons decken, waren:

Zunehmende Sicherheit und Wirkstärke

sowie ideale pharmakokinetische Eigenschaften im Sinne eines möglichst raschen Wirkeintritts und schneller Wirkbeendigung. Remifentanil erreicht diese Anforderungen durch seine Esterbindung und den daraus resultierenden Metabolismus über Hydrolyse durch im Blut und anderen Geweben vorkommende unspezifische Esterasen. In seinen pharmakodynamischen Eigenschaften gleicht es als μ-Rezeptoragonist den anderen bereits besprochenen Opioiden. (15)

Es besitzt eine analgetische Potenz von ungefähr 200, was es zum zweitpotentesten Opioid nach Sufentanil macht, und eine kontextsensitive HWZ von 3-4 Minuten, welche keine Abhängigkeit von der Dauer der Zufuhr aufweist. Dies führt zur hervorragenden intraoperativen Steuerbarkeit dieses Opioids. (1,4,5)

Mit einem Wirkeintritt kann, ähnlich zum Alfentanil, bereits nach ca. 1,5 Minuten gerechnet werden. Die Zeit bis zum Erreichen der maximalen Konzentration im Effektkompartiment Gehirn beträgt 1,6 Minuten. (6)

Insgesamt führen diese Eigenschaften dazu, dass dem anästhesiologischen Fachpersonal mit Remifentanil ein hervorragend titrierbares Opioid zur Verfügung steht, welches wie Sufentanil primär als kontinuierliche Infusion über eine Spritzenpumpe verabreicht werden sollte. (15)

Abbildung 5: Strukturformel Remifentanil (54)

1.1.1.2 Narkotika

Als zweiter zu besprechender pharmakologischer Teilaspekt einer Allgemeinanästhesie folgt nach den Ausführungen zu den unterschiedlichen, im anästhesiologischen Alltag zur Einleitung und Aufrechterhaltung der Vollnarkose eingesetzten Analgetika die Betrachtung der unterschiedlichen Narkotika.

Hierbei lassen sich Inhalationsnarkotika und Injektionsnarkotika unterscheiden, wobei die letzteren auch als intravenöse Narkotika bezeichnet werden. (3)

Wie in der Einleitung bereits erwähnt, wird auf Inhalationsnarkotika nicht näher

eingegangen, da das Ziel der Arbeit darin besteht, eine Zusammenschau aller unabhängig von der Art und Örtlichkeit der Operation sicher anwendbaren Pharmaka zu geben. Dies trifft auf Inhalationsanästhetika nicht zu, da für die Verwendung Verdampfersysteme notwendig sind, welche etwa in der Präklinik nicht zur Verfügung stehen.

Die Gruppe der Injektionsanästhetika bietet den Anästhesistinnen und Anästhesisten den Vorteil eines raschen Wirkbeginns, entzieht sich jedoch nach intravenöser Verabreichung dem Einfluss der Ärztinnen und Ärzte. Dies führt zur unbedingten Notwendigkeit, sich bereits vorab mit der Pharmakodynamik und -kinetik der unterschiedlichen Wirkstoffe auseinanderzusetzen, um etwaigen durch die eingeschränkte Steuerbarkeit auftretenden Nebenwirkungen vorzubeugen. (6)

Um über den sinnvollen Einsatz der unterschiedlichen Medikamente diskutieren zu können, folgt die Besprechung der pharmakologischen Eigenschaften der einzelnen intravenösen Narkotika, wobei die zu berücksichtigenden Nebenwirkungen analog zu den Analgetika separat diskutiert werden.

Dabei wird die in der Literatur übliche Unterteilung dieser Wirkstoffe in die Gruppen der Barbiturat- und Nichtbarbituratnarkotika berücksichtigt. Zur ersteren gehören die

Abkömmlinge der Barbitursäure, die letztere beinhaltet Pharmaka vieler unterschiedlicher Substanzgruppen. Den Medikamenten beider Gruppen ist gemein, dass der genaue

Mechanismus, über den die Wirkung der Hypnose erzielt wird, nicht zur Gänze bekannt ist. Eine relevante Rolle wird einem der wichtigsten hemmenden Überträgerstoffe im Gehirn, dem Neurotransmitter γ-Aminobuttersäure (GABA), zugesprochen, dessen Wirkung durch Verabreichung der nachfolgend besprochenen Pharmaka zunimmt. (6)

1.1.1.2.1 Barbiturat-Narkotika

Der Ursprung der Namensgebung der 1864 von Adolf von Bayer zum ersten Mal

hergestellten Barbitursäure ist bis heute nicht gänzlich bekannt. Während der zweite Teil der Bezeichnung vom zur Synthese benötigten Harnstoff (Urea) herrührt, dürfte eine gewisse Barbara vom Entdecker zur Namensgeberin gemacht worden sein. Ob Adolf von Bayer damit eine Freundin ehren oder seiner Mutter Barbara Freude bereiten wollte, ist nicht überliefert. (16)

Zu den Barbiturat-Narkotika werden zwei heutzutage noch verbreitete Wirkstoffe gezählt:

Thiopental und Methohexital. (3)

Beide leiten sich von der bereits erwähnten Barbitursäure ab, welche aufgrund ihres pKs-Werts von 4 und dem damit einhergehenden Vorliegen in beinahe zur Gänze dissoziierter Form nicht zur Überwindung der Blut-Hirn-Schranke im Stande und damit

pharmakologisch inaktiv ist. Die narkotische Wirkung wird durch Anfügen von Seitenketten am C 5-Atom erreicht. Dies führt zu einem höheren pKs-Wert, damit zu einem geringeren dissoziierten Anteil und somit zur Überwindung der Blut-Hirn-Schranke und dem Erreichen des Wirkorts. Im ZNS kommt es durch Anwesenheit der Barbiturate zu einer Inhibierung der neuronalen Übertragung. Erzielt wird dieser Effekt durch eine

Verstärkung der Wirkung von GABA am GABAA-Rezeptor beziehungsweise durch eine direkte Aktivierung des Rezeptors bei höheren Wirkstoffkonzentrationen. (17)

Die beiden Wirkstoffe Thiopental und Methohexital unterscheiden sich nicht nur durch die angehängten Seitenketten, sondern auch durch das Ersetzen des C2-Atoms der

Barbitursäure durch ein Schwefelatom, das Charakteristikum der Thiobarbiturate, zu welchen Thiopental zählt. Bei Methohexital findet sich an dieser Stelle wie bei der Ursprungssubstanz Barbitursäure ein Sauerstoffatom. Dies führt zur Bezeichnung Oxybarbiturat. Beiden Substanzen ist gemein, dass sie keine Analgesie hervorrufen und daher zur Narkoseeinleitung und -aufrechterhaltung mit entsprechenden Medikamenten kombiniert werden müssen. (6)

1.1.1.2.1.1 Thiopental

Narkotika aus der Gruppe der Barbiturate sind bereits seit mehreren Jahrzehnten im anästhesiologischen Alltag in Gebrauch.

Besonders Thiopental war bis zur Einführung von Propofol, welches im Kapitel der Nichtbarbiturat-Narkotika behandelt wird, das Standard-Hypnotikum und wird auch heutzutage noch eingesetzt.

Dabei liegt das Präparat als Racemat zweier unterschiedlich stark wirksamer Isomere vor, mit halber narkotischer

Wirkstärke der R-Form verglichen mit dem L-Isomer. (17)

Die bereits erwähnte Schwefelgruppe am C2-Atom der Barbitursäure führt zur Einteilung von Thiopental in die Gruppe der Thiobarbiturate. Seine Effekte entfaltet es innerhalb von 20-30 Sekunden nach Injektion über eine Verstärkung der Wirkung von GABA am

GABA-Rezeptor, was zu einer ausgeprägteren Inhibition der Übertragung zwischen Neuronen im ZNS führt. Der schnelle Wirkeintritt ist Folge einer allen Barbituraten gemeinsamen, ausgeprägten Lipophilie. Ungefähr 10 Minuten nach Verabreichen der Einleitungsdosis ist mit einem Abklingen der Narkose zu rechnen, für die Beendigung der Wirkung ist eine Umverteilung des Wirkstoffs vom ZNS in die Muskulatur und das Fettgewebe verantwortlich. Mit zunehmender Verstoffwechselung in der Leber kommt es zu einem weiteren Absinken der Thiopental-Konzentration im Blut, was zu einer

Verschiebung von im Fettgewebe gespeicherten Anteilen zurück ins Blut führt und damit unter Umständen zu einer verlängerten Wirkung im Sinne eines Überhangs. (6)

Dazu trägt auch das bei der Verstoffwechselung entstehende Pentobarbital bei, welches selbst mittellang wirkt. Vor allem bei fortdauernder Verabreichung steigt die Gefahr der Kumulierung, Thiopental sollte deswegen nur zur Einleitung verabreicht werden. (3)

Abbildung 6: Strukturformel Thiopental (55)

1.1.1.2.1.2 Methohexital

Wie Thiopental gehört auch Methohexital zur Gruppe der kurzwirksamen Barbiturat-Narkotika. Aufgrund des Sauerstoff-Atoms am C2-Atom gehört es zur Gruppe der Oxybarbiturate, gleicht dem

Thiopental aber in Bezug auf Wirkungen und Nebenwirkungen bis auf einige wenige Unterschiede. Methohexital zeichnet sich durch einen rascheren Wirkbeginn aus, weiters durch eine kürzere Wirkdauer und eine geringere

Kumulationsgefahr aufgrund des zügigeren Metabolismus in der Leber verglichen mit Thiopental. (6)

Mit einem Wirkeintritt kann 30 Sekunden nach intravenöser Verabreichung gerechnet werden und schon nach 4-7 Minuten kommt es aufgrund von Verteilungsphänomenen zum Nachlassen der Wirkung. Anders als Thiopental kann Methohexital durchaus über eine fortlaufende Infusion verabreicht und somit auch zur Narkoseaufrechterhaltung genutzt werden. Die hepatische Metabolisierung läuft wesentlich schneller ab und verhindert somit eine Anreicherung im Fettgewebe. (17)

Abbildung 7: Strukturformel Methohexital (56)

1.1.1.2.2 Nichtbarbiturat-Narkotika

Der Gruppe der Barbiturat-Narkotika mit den beiden Vertretern Thiopental und Methohexital soll nun eine Gegenüberstellung aller anderen in der aktuellen

Der Gruppe der Barbiturat-Narkotika mit den beiden Vertretern Thiopental und Methohexital soll nun eine Gegenüberstellung aller anderen in der aktuellen

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