Medienmitteilung
Analyse der Krankenkassen-Betriebsrechnungen
Die grossen Unterschiede bei den Ausgaben für Kundenwerbung beeinflussen die Prämien kaum
Die Krankenkassen stehen im Verdacht, mit Kundenwerbung die Prämien in die Höhe zu treiben. Eine Analyse von Comparis über die Jahre 2012 bis 2018 zeigt nun aber: Die Kosten für die Akquise machen nur einen Bruchteil der Prämie aus, nämlich 0,3 Prozent.
Pro versicherte Person betragen die gesamten Verwaltungskosten im Mittel 160 Franken pro Jahr. Davon sind 11.20 Franken Ausgaben für Kundenwerbung. «Die Akquisekosten sind ein Nebenkriegsschauplatz. Die echte Herausforderung ist: Die Kassen müssten konsequenter nach den im Krankenversicherungsgesetz verankerten Grundsätzen Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit vergüten», fordert Comparis- Krankenversicherungsexperte Felix Schneuwly.
Zürich, 26. Februar 2020 – Im Jahr 2018 gaben die 51 Krankenkassen in der Schweiz 58 Millionen Franken für Werbung und weitere 50 Millionen für Provisionen aus. Die diesen Januar von den beiden Krankenkassenverbänden Santésuisse und Curafutura initiierte
Branchenvereinbarung will unter anderem hier eingreifen und Provisionen für externe Vermittler in der Grundversicherung auf maximal 70 Franken begrenzen.
Der Online-Vergleichsdienst comparis.ch hat aus diesem Anlass die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) geprüften und publizierten Akquisekosten (Werbung und Provisionen) in der Grundversicherung über die Jahre 2012 bis 2018 analysiert.
Durchschnittlich 3.90 Franken Provisionskosten pro Versicherten
Im Mittel geben die Krankenkassen im Bereich Grundversicherung rund 160 Franken
(Medianwert) pro versicherte Person und Jahr für die Verwaltung aus. Das waren für die Jahre 2012 bis 2018 zwischen rund 4,5 und 5 Prozent des Prämienvolumens. Die Werbe- und Provisionsausgaben machen über die Jahre stabil rund 0,25 bis 0,3 Prozent des
Prämienvolumens pro Kasse aus.
2018 beliefen sich die Akquisekosten auf einen mittleren Betrag von 11.20 Franken pro
versicherte Person. Die viel kritisierten Provisionen beliefen sich auf 3.90 Franken pro Mitglied. 10 Prozent der Versicherten waren bei Kassen, die allerdings fast doppelt so viel ausgaben; nämlich 21.50 Franken für die gesamten Akquisekosten.
Grösse führt nicht zwingend zu tieferen Verwaltungskosten
Comparis hat ebenfalls untersucht, ob es einen Zusammenhang gibt zwischen der Grösse der Kasse, dem Mitgliederwachstum und der Höhe der Akquisekosten. Dazu wurden die
Gruppengesellschaften als Einheiten zusammengefasst.
Dabei zeigt sich kein systematischer Effizienzvorteil durch die Grösse. Gewichtet nach der Anzahl der Versicherten gehen sowohl die Ausgaben für die Verwaltung als auch jene für Werbung und Provisionen im Zeitraum 2012 bis 2018 bei den grössten 6 Kassen-Gruppen Assura. CSS, Groupe Mutuel, Helsana, Swica und Visana weit auseinander.
So gaben Visana- und die CSS-Gruppe 2018 im Mittel je 132 Franken pro versicherte Person für die Verwaltung aus, Helsana hingegen 240 Franken. Auch bei den Ausgaben für die
Kundenwerbung sind die Unterschiede beträchtlich. Die tiefsten Akquisekosten hatte die Assura
mit 3.40 Franken pro versicherte Person. Visana mit 20.80 Franken und Helsana mit 21.50 Franken gaben gut sechs Mal mehr aus.
Zwischen 2013 und 2018 führten die Kundenwachstumsrangliste an: Assura, Concordia, CSS, Sanitas, Swica und Visana. Hier sticht Assura besonders hervor. Obwohl Assura am stärksten wuchs, reduzierte der Discounter der Branche seine Werbe- und Provisionskosten zwischen 2012 und 2018 von 5.70 Franken auf 3.40 Franken pro versicherte Person. Ebenfalls Kunden
gewonnen hat die Visana. Sie erhöhte dafür aber ihre Akquiseausgaben am stärksten - von 12.40 Franken auf 20.80 Franken pro versicherte Person.
«Diese grosse Differenz zeigt, dass es verschiedenen Versicherern offenbar gelingt, mit sehr tiefen Akquisekosten wirkungsvoll neue Kunden zu gewinnen: Unsere Wechselquotenanalyse zeigt, dass immer noch die Prämienhöhe das wichtigste Wechselargument ist», sagt Comparis- Krankenkassenexperte Felix Schneuwly. Aufgrund des stark verbesserten Risikoausgleichs könne zudem nicht mehr der Versicherer mit den meisten gesunden Kunden die tiefsten Prämien
anbieten.
Hohe Akquisekosten bedeuten nicht hohe Prämien
Hohe Akquisitionskosten können, müssen aber nicht zu Wachstum führen: Neben den stark gewachsenen Helsana und Visana haben auch die KPT, die Glarner Krankenkasse, Rhenusana und Agrisano hohe Akquisekosten pro Mitgliederzuwachs. Diese Kassen sind aber im Schnitt nicht übermässig gewachsen. In dieser Gruppe betrugen 2018 die Werbe- und
Provisionsausgaben zwischen 19.80 Franken (Glarner) und 56 Franken (Agrisano).
Allerdings hatten diese Kassen trotz hoher Akquisekosten nicht die höchsten Prämien. Beim Standard- und Telmedmodell ist im Prämienvergleich 2018 einzig die Visana unter den teuersten 6 Kassen sowie die Helsana beim Standardmodell (Medianprämie für Erwachsene gewichtet nach Mitgliederzahl pro Kasse, ohne Unfall, alle Franchisestufen).
Standardversicherung (Medianprämien) Kassen mit höchstem Akquisekostenwachstum Kasse Jahr Versicherte Modell Prämie CHF
Glarner KK 2018 Erwachsene GV_OKP 315
Agrisano 2018 Erwachsene GV_OKP 351
Rhenusana 2018 Erwachsene GV_OKP 379
KPT 2018 Erwachsene GV_OKP 409
Helsana 2018 Erwachsene GV_OKP 418
Visana 2018 Erwachsene GV_OKP 428
Standardversicherung (Medianprämien) Kassen mit teuersten Prämien Kasse Jahr Versicherte Modell Prämie CHF KK Birchmeier 2018 Erwachsene GV_OKP 433
Sympany 2018 Erwachsene GV_OKP 432
Groupe Mutuel 2018 Erwachsene GV_OKP 431
Visana 2018 Erwachsene GV_OKP 428
Helsana 2018 Erwachsene GV_OKP 418
AMB 2018 Erwachsene GV_OKP 418
Hausarztmodell (Medianprämien) Kassen mit höchstem Akquisekostenwachstum
Kasse Jahr Versicherte Modell Prämie
CHF Rhenusana 2018 Erwachsene GV_Hausarzt 282 Agrisano 2018 Erwachsene GV_Hausarzt 305 Helsana 2018 Erwachsene GV_Hausarzt 330
KPT 2018 Erwachsene GV_Hausarzt 332
Visana 2018 Erwachsene GV_Hausarzt 342
Hausarztmodell (Medianprämien) Kassen mit teuersten Prämien
Kasse Jahr Versicherte Modell Prämie
CHF Groupe Mutuel 2018 Erwachsene GV_Hausarzt 366 Sympany 2018 Erwachsene GV_Hausarzt 365 Sumiswalder KK 2018 Erwachsene GV_Hausarzt 363 Sanitas 2018 Erwachsene GV_Hausarzt 348
Swica 2018 Erwachsene GV_Hausarzt 346
EGK-Gesundheitskasse 2018 Erwachsene GV_Hausarzt 343
Telmedmodell (Medianprämien) Kassen mit höchstem Akquisekostenwachstum Kasse Jahr Versicherte Modell Prämie CHF Agrisano 2018 Erwachsene GV_Telmed 262 Rhenusana 2018 Erwachsene GV_Telmed 276
Helsana 2018 Erwachsene GV_Telmed 315
KPT 2018 Erwachsene GV_Telmed 323
Visana 2018 Erwachsene GV_Telmed 360
Telmedmodell (Medianprämien) Kassen mit teuersten Prämien
Kasse Jahr Versicherte Modell Prämie
CHF
Visana 2018 Erwachsene GV_Telmed 360
Sumiswalder KK 2018 Erwachsene GV_Telmed 356
Sympany 2018 Erwachsene GV_Telmed 339
Groupe Mutuel 2018 Erwachsene GV_Telmed 338 CM Vallée d'Entremont 2018 Erwachsene GV_Telmed 330
AMB 2018 Erwachsene GV_Telmed 325
«Begrenzen nun die Branche und der Gesetzgeber die maximale Provision auf 70 Franken pro Neukunde, so wird das weder auf die Akquise-, noch auf die Verwaltungskosten noch auf die Grundversicherungsprämien insgesamt einen Einfluss haben», warnt Schneuwly. Der Grund: Die Branchenvereinbarung mit den Provisionen für externe Vermittler begrenzt nur einen Teil der Werbekosten. Der Wettbewerbsdruck werde deswegen nicht abnehmen. «Krankenversicherer, die wachsen wollen, werden andere Akquisitionskanäle ausbauen», ist er überzeugt.
Für Schneuwly ist aber auf jeden Fall klar: «Die Akquisekosten sind ein Nebenkriegsschauplatz.
Die echte Herausforderung ist der Leistungswettbewerb unter den Kassen, bei dem es um 95 Rappen eines jeden Prämienfrankens geht und nicht um die Akquisekosten, die 0,3 Rappen ausmachen.»
Die Kassen müssten die versicherten medizinischen Leistungen konsequenter nach den im Krankenversicherungsgesetz verankerten Grundsätzen Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit vergüten. «Das können sie mit den alternativen Versicherungsmodellen. Die Versicherer brauchen aber dort mehr Spielraum, um Versicherte, die mit einer koordinierten medizinischen Versorgung auf Effizienz und Qualität setzen, mit gerechteren Prämien zu belohnen», so Schneuwly.
Methodik
Comparis hat auf der Basis der vom Bundesamt für Gesundheit publizierten Betriebsrechnungen und Bilanzen der zugelassenen Krankenversicherer nach KVG die Verwaltungs- und
Akquisekosten für die Jahre 2012 bis 2018 untersucht. Krankenkassen, die zu einer
Gruppengesellschaft gehören, wurden unter dieser zusammengefasst. Die Daten wurden zudem nach Mitgliederzahl pro Kasse gewichtet.
Weitere Informationen:
Felix Schneuwly
Krankenkassen-Experte Telefon: 079 600 19 12 E-Mail: media@comparis.ch comparis.ch
In eigener Sache
Der Online-Vergleichsdienst Comparis setzt sich seit über 20 Jahren für den Wettbewerb unter den Krankenkassen ein. Denn es besteht in der Schweiz für keinen Akteur im Gesundheitswesen ein wirkliches Interesse an tieferen medizinischen Kosten. Einzig der Wettbewerb unter den Versicherern wirkt dämpfend auf den Kostenanstieg, indem sich jede Krankenkasse bemühen muss, die tiefst möglichen Prämien anzubieten. Comparis ist unabhängig und befürwortet deshalb auch die Idee, in einem Kanton das Einheitskassensystem pilotweise zu testen und zu
vergleichen, ob dieses effizienter und effektiver ist gegenüber dem heutigen privaten Grundversicherungsmodell.
Über comparis.ch
Mit über 100 Millionen Besuchen im Jahr zählt comparis.ch zu den meistgenutzten Schweizer Websites. Das Unternehmen vergleicht Tarife und Leistungen von Krankenkassen, Versicherungen, Banken sowie Telecom-Anbietern und bietet das grösste Schweizer Online-Angebot für Autos und Immobilien. Dank umfassender Vergleiche und Bewertungen bringt das Unternehmen Transparenz in den Markt. Dadurch stärkt comparis.ch die Entscheidungskompetenz der Konsumenten. Gegründet 1996 vom Ökonomen Richard Eisler beschäftigt das Unternehmen heute rund 180 Mitarbeiter in Zürich.