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Entscheidungen - Mangels Begründung unzulässige Verfassungsbeschwerden zum Einsatz von Vertrauenspersonen im Ermittlungsverfahren und Verwertung von Angehörigenäußerungen gegenüber V-Mann im Strafprozess bei Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung

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Academic year: 2022

Aktie "Entscheidungen - Mangels Begründung unzulässige Verfassungsbeschwerden zum Einsatz von Vertrauenspersonen im Ermittlungsverfahren und Verwertung von Angehörigenäußerungen gegenüber V-Mann im Strafprozess bei Zeugnisverweigerung in der Hauptverhandlung"

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- Bevollmächtigte:1. Rechtsanwälte Sieghart Ott und Kollegin, Kurfürstenstraße 22, München,

2. Rechtsanwälte Gerhard Strate und Kollege, Grindelallee 164, Hamburg,

3. Rechtsanwalt Dr. Edgar Weiler, Zur Hardt 31, Bad Schwalbach -

- Bevollmächtigter: Rechtsanwalt Dr. Gunter Widmaier, Herrenstraße 23, Karlsruhe -

BUNDESVERFASSUNGSGERICHT - 2 BVR 2017/94 -

- 2 BVR 2039/94 -

In den Verfahren über

die Verfassungsbeschwerden 1. des Herrn W...

gegen a) das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Juli 1994 - 1 StR 83/94 -, b) das Urteil des Landgerichts München I vom 21. Mai 1993 - Ks 122 Js

3887/91 - - 2 BVR 2017/94 -, 2. des Herrn L...

gegen a) das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 21. Juli 1994 - 1 StR 83/94 -, b) das Urteil des Landgerichts München I vom 21. Mai 1993 - Ks 122 Js

3887/91 - - 2 BVR 2039/94 -

hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die Richterin

Präsidentin Limbach und die Richter Hassemer, Broß

gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a BVerfGG in der Fassung der Bekanntma- chung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 1. März 2000 einstimmig be- schlossen:

Die Verfassungsbeschwerde-Verfahren werden verbunden.

Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur Entscheidung angenommen.

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5 Die Verfassungsbeschwerden betreffen vor allem die Frage, ob der Einsatz von

Vertrauenspersonen im Ermittlungsverfahren, der zur Erfassung von Äußerungen ei- ner zur Aussageverweigerung berechtigten Zeugin führte, nach deren Aussagever- weigerung in der Hauptverhandlung zu einem Beweisverwertungsverbot für das strafgerichtliche Urteil führt.

I.

Das Landgericht verurteilte die Beschwerdeführer jeweils wegen Mordes in Tatein- heit mit schwerem Raub zu lebenslanger Freiheitsstrafe, bei dem Beschwerdeführer zu 1. unter Bejahung der besonderen Schwere seiner Schuld.

Nach den Feststellungen des Landgerichts waren zwei Vertrauensleute von der er- mittelnden Polizeibehörde förmlich für den öffentlichen Dienst verpflichtet worden.

Sie hatten monatelang im Umfeld der beiden des Mordes verdächtigen Beschwerde- führer ermittelt und dabei das Vertrauen der Verlobten des Beschwerdeführers zu 2.

erworben. Diese äußerte sich eines Tages ungefragt gegenüber einem der Vertrau- ensleute zur Herkunft des Tatwerkzeugs aus dem Haushalt ihrer Familie. Sie erläu- terte ihre Bemerkung auf Nachfrage durch den Vertrauensmann. Diese Informatio- nen flossen durch die Vernehmung der Vertrauensleute als Zeugen in das gegen die Beschwerdeführer ergangene Urteil des Landgerichts ein, obwohl die Verlobte des Beschwerdeführers zu 2. als Zeugin in der Hauptverhandlung die Aussage verwei- gert hatte.

Das Landgericht und der Bundesgerichtshof sahen die Verwertung der Ausführun- gen der Zeugin gegenüber dem V-Mann der Polizei als rechtlich unbedenklich an.

Der Bundesgerichtshof (BGHSt 40, 211 ff.) schloss nicht nur die von den Beschwer- deführern befürwortete entsprechende Anwendung des § 252 StPO auf den Fall aus, dass V-Leute gezielt auf Beschuldigte in deren Umfeld eingesetzt werden und damit auch für die Ermittlungsbehörden erkennbar Personen betroffen werden können, die sich später auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen könnten. Er hielt es auch un- ter verfassungsrechtlichen Aspekten, insbesondere nach dem aus dem Rechts- staatsprinzip folgenden Grundsatz eines fairen Verfahrens nicht für angezeigt, die Äußerungen der Zeugin gegenüber den V-Leuten, deren Einsatz zur Aufklärung ei- nes Mordes er grundsätzlich für zulässig erachtet hat, nicht zu verwerten.

II.

Mit ihrer Verfassungsbeschwerde machen die Beschwerdeführer die Verletzung ih- rer Rechte aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 sowie Art. 6 Abs. 1 GG, der Beschwerdeführer zu 1. darüber hinaus aus Art. 2 Abs. 2, Art. 3 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 GG geltend. Vor allem wenden sie sich gegen den gezielten Einsatz von Vertrauenspersonen in ihrem Umfeld, der die Zeugin unter Missachtung ihres Zeug- nisverweigerungsrechts zu gerichtlich verwerteten Angaben veranlasst habe, und rü- gen deshalb einen Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens.

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10 III.

Die Verfassungsbeschwerden werden gemäß § 93a Abs. 2 BVerfGG nicht zur Ent- scheidung angenommen, weil sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben (vgl.

BVerfGE 90, 22 <24 ff.>). Sie sind unzulässig.

1. Soweit die Beschwerdeführer die heimliche Ausforschung ihres persönlichen Umfeldes durch Vertrauensleute rügen, entspricht die Verfassungsbeschwerde nicht den gemäß §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG an die Begründung einer Verfassungs- beschwerde zu stellenden Anforderungen.

a) Ein Beschwerdeführer hat danach nicht nur die Grundrechtsverletzung durch Be- zeichnung des angeblich verletzten Rechts und des die Verletzung enthaltenden Vor- gangs substantiiert und schlüssig darzulegen. Er ist weiterhin gehalten vorzutragen, inwieweit das gerügte Grundrecht durch die angegriffenen Maßnahmen verletzt ist (vgl. BVerfGE 99, 84 <87>).

b) Diesen Anforderungen werden die Verfassungsbeschwerden nicht gerecht. Sie legen nicht dar, inwiefern durch die Verurteilung der Beschwerdeführer unter Berück- sichtigung der von der Zeugin gegenüber dem V-Mann gemachten Angaben Grund- rechte oder grundrechtsgleiche Rechte verletzt worden sind. Zwar gehen die Verfas- sungsbeschwerden auf die auch verfassungsrechtlich bedeutsame Frage der Zulässigkeit eines gezielten Einsatzes von V-Personen im Umfeld von Beschuldigten ein, in dessen Zusammenhang eine Zeugin unter Missachtung ihres bestehenden Zeugnisverweigerungsrechts zu Angaben veranlasst worden ist. Sie zeigen damit auch eine Verletzung ihres Anspruchs auf ein faires rechtsstaatliches (Ermittlungs- )Verfahren auf. Denn das den Ermittlungsbehörden im Rahmen des erteilten Auftrags zuzurechnende Vorgehen der Vertrauensleute (vgl. BGH, StV 2000, S. 57 <61>) stellt sich nicht nur als eine rein passive Informationserlangung ohne Eingriffscharak- ter, sondern spätestens mit der Nachfrage bei der Zeugin nach ihrer spontanen Äu- ßerung als eine heimliche Befragung einer Aussageperson durch V-Personen und damit als eine Maßnahme dar, die jedenfalls ohne spezielle gesetzliche Ermächti- gungsgrundlage nicht zulässig war. Die darin liegende Missachtung des Vertrauens- verhältnisses zwischen einem Beschuldigten und seinen Angehörigen im Sinne des

§ 52 StPO enthält einen Verstoß gegen das Prinzip eines fairen Verfahrens, da der in verschiedenen Vorschriften des Strafverfahrensrechts garantierte Schutz eines An- gehörigenverhältnisses (vgl. §§ 52 Abs. 1 und 3, 97 Abs. 1, 100d Abs. 3 Satz 3, 252 StPO) in seinem Kernbestand zu den rechtsstaatlich unverzichtbaren Erfordernissen eines fairen Verfahrens zählt.

Die Beschwerdeführer versäumen es aber, sich mit der Frage auseinander zu set- zen, ob und gegebenenfalls welche Folgerungen aus diesem Verfahrensverstoß im Ermittlungsverfahren für die Berücksichtigung der dabei gewonnenen Erkenntnisse in der Hauptverhandlung zu ziehen sind. Lehnen Strafgerichte die Annahme eines Verwertungsverbots bezüglich im Ermittlungsverfahren gewonnener Erkenntnisse ab und berücksichtigen sie diese in ihrem strafgerichtlichen Urteil, muss ein Beschwer-

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15 gen - auf die Frage eingehen, ob und warum eine Beweisverwertung unzulässig ist

und inwiefern die Ablehnung eines Beweisverwertungsverbots seine verfassungs- rechtlich verbürgten Rechte beeinträchtigt. Dies setzt regelmäßig zwar auch eine Be- fassung mit dem der Beweisverwertung zugrunde liegenden Vorgang der Beweis- gewinnung voraus, weil seine Beurteilung - als rechtmäßig, als einfach-rechtlicher Verstoß gegen strafverfahrensrechtliche Vorschriften oder sogar als Eingriff in ver- fassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen - für die Annahme eines Beweisver- wertungsverbots von ausschlaggebender Bedeutung ist. Grundsätzlich ist es damit aber nicht getan, sich ausschließlich mit der Frage der Zulässigkeit oder Rechtmä- ßigkeit der Beweiserhebung auseinander zu setzen, weil sich allein daraus nicht oh- ne weiteres ein Beweisverwertungsverbot ableiten lässt, jedenfalls nicht feststeht, ob die Ablehnung eines Verwertungsverbots Verfassungsrecht verletzt.

Dies gilt umso mehr, als es feste verfassungsrechtliche Maßstäbe für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen von Verfassungs wegen ein Beweisverbot im Strafverfahren in Betracht kommt, in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht gibt (vgl. BVerfGE 44, 353 <370 ff.>; 56, 37 <50 f.>; 80, 367 <373 ff.>; vgl.

auch BVerfGE 85, 386 <395 ff.>).

2. Die weitere Beanstandung des Beschwerdeführers zu 1., er sei im Ermittlungs- verfahren unter Verletzung seiner Beschuldigtenrechte anfangs als Zeuge vernom- men worden, ist unzulässig. Der Beschwerdeführer hat die rechtzeitige Erhebung des von der Rechtsprechung (vgl. BGHSt 38, 214 <225 f.>; 39, 349 <352>; 42, 15

<22 ff.>) geforderten Widerspruchs gegen die Beweisverwertung in der tatrichterli- chen Hauptverhandlung nicht in seiner Revisionsbegründung dargelegt; er hat des- halb bereits keine zulässige Verfahrensrüge angebracht. Dadurch ist zugleich der Grundsatz der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde nicht gewahrt.

3. Die Rüge des Beschwerdeführers zu 1., es habe eine Täuschung des Beschwer- deführers zu 2. in einer Beschuldigtenvernehmung durch den Vorhalt seiner Aussage gegenüber einem Informanten der Polizei vorgelegen, genügt gleichfalls nicht den Begründungsanforderungen gemäß §§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG. Die entspre- chende Revisionsrüge wurde vom Bundesgerichtshof aus tatsächlichen Gründen als unbegründet bezeichnet. Die bloße Behauptung, diese Entscheidung sei nicht nach- vollziehbar, legt einen Grundrechtsverstoß nicht hinreichend dar.

4. Unsubstantiiert sind auch die Angriffe des Beschwerdeführers zu 1. auf die Be- weiswürdigung und die Annahme der besonderen Schwere seiner Schuld durch das Landgericht. Feststellungen zu Einzelheiten des Tatgeschehens und zu Indiztatsa- chen hat das Landgericht auf Zeugenaussagen und Sachbeweise gestützt. Die be- sondere Schwere der Schuld wurde mit Strafschärfungsgründen begründet. Darauf geht der Beschwerdeführer zu 1. nicht ein.

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).

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16 Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

Limbach Hassemer Broß

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1. März 2000 - 2 BvR 2017/94

Zitiervorschlag BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom

1. März 2000 - 2 BvR 2017/94 - Rn. (1 - 16), http://www.bverfg.de/e/

rk20000301_2bvr201794.html

ECLI ECLI:DE:BVerfG:2000:rk20000301.2bvr201794

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