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Neue Guideline zur ReisediarrhöEmpfehlungen zur Prävention und Therapie

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Je nach hygienischen Verhältnissen und endemischem Keim- spektrum im Gastland erkranken Touristen unterschiedlich häufig an Reisediarrhö. In den letzten Jahren gab es neue Erkenntnisse zu den akuten und chronischen Folgen, die mit der Reisediarrhö und deren Behandlung verbunden sind, sowie zu Antibiotikaresistenzen, die mit der Reisediarrhö und deren Selbstbehandlung durch die betroffenen Patienten assoziiert sind.

Ein international besetztes Expertenpanel, das von der Inter- national Society of Travel Medicine (ISTM) unterstützt wurde, erarbeitete kürzlich Empfehlungen zum Management der Reisediarrhö. Die Empfehlungen wurden – sofern mög- lich – entsprechend ihrer Stärke (starke Empfehlung/schwa- che Empfehlung) und entsprechend der Qualität der vorlie- genden Evidenz klassifiziert.

Als Grundlage für ihre Empfehlungen definierten die Exper- ten folgende Schweregrade der akuten Reisediarrhö:

mild: erträglicher Durchfall, der geplante Aktivitäten nicht durchkreuzt

moderat: störender Durchfall, der mit geplanten Aktivitä- ten interferiert

schwer: Durchfall, der den Patienten stark einschränkt oder die Umsetzung geplanter Aktivitäten unmöglich macht.

Bei Dysenterie (sichtbare blutige Beimengungen im Stuhl) liegt immer ein schwerer Durchfall vor. Dauern die Durch- fälle zwei Wochen oder länger an, besteht definitionsgemäss eine persistierende Diarrhö.

Empfehlungen zur Prophylaxe der Reisediarrhö

Eine antimikrobielle Prophylaxe sollte bei Reisenden nicht routinemässig durchgeführt werden (starke Empfehlung, niedrige/sehr niedrige Qualität der Evidenz).

Eine antimikrobielle Prophylaxe sollte bei Reisenden erwo- gen werden, bei denen eine Reisediarrhö mit einem hohen Risiko für gesundheitliche Komplikationen verbunden wäre (starke Empfehlung, niedrige/sehr niedrige Qualität der Evidenz).

Bismutsalicylat kann bei allen Reisenden zur Prävention der Reisediarrhö erwogen werden (starke Empfehlung, hohe Qualität der Evidenz).

Wenn eine Antibiotikaprophylaxe indiziert ist, wird Rifaxi- min empfohlen (starke Empfehlung, moderate Qualität der Evidenz).

Fluorchinolone werden zur Prophylaxe der Reisediarrhö nicht empfohlen (starke Empfehlung, niedrige/sehr niedrige Qualität der Evidenz).

Empfehlungen zur Therapie der milden Reisediarrhö

Eine antibiotische Therapie wird bei Patienten mit milder Reisediarrhö nicht empfohlen (starke Empfehlung, mode- rate Qualität der Evidenz).

Loperamid oder Bismutsalicylat können zur Behandlung der milden Reisediarrhö in Betracht gezogen werden (starke Empfehlung, moderate Qualität der Evidenz).

Empfehlungen zur Therapie der moderaten Reisediarrhö

Antibotika können zur Behandlung der moderaten Reise - diarrhö eingesetzt werden (schwache Empfehlung, mode- rate Qualität der Evidenz).

Fluorchinolone können zur Behandlung der moderaten Reisediarrhö verabreicht werden (starke Empfehlung, mo- derate Qualität der Evidenz). Anmerkung: Die Leitlinien- autoren verabschiedeten diese Empfehlung nicht einstim- mig. Denn gegen Fluorchinolone werden Resistenzen beob- achtet (doch besteht keine starke Evidenz, dass diese ausserhalb von Südostasien zu einem klinischen Versagen führen), und es besteht unter Fluorchinolonen ein gewisses

FORTBILDUNG

538

ARS MEDICI 12 | 2018

Neue Guideline zur Reisediarrhö

Empfehlungen zur Prävention und Therapie

Reisedurchfälle sind ein häufiges Problem, das zu erheblicher Morbidität führen und Pläne für Ferien- und Geschäftsreisen durchkreuzen kann. Eine aktuelle Leitlinie bietet klinisch relevante Empfehlun- gen zur Prävention und Therapie der Reisediarrhö.

Journal of Travel Medicine

Bei den meisten Reisenden mit milder Diarrhö kann die allei- nige Erhöhung der Flüssigkeitszufuhr oder aber die Gabe von Loperamid oder Bismutsalicylat als Therapiemassnahme ausreichen.

Die Datenlage spricht für die Effektivität einer antimikro - biellen Therapie bei den meisten Patienten mit moderater bis schwerer Reisediarrhö.

MERKSÄTZE

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Risiko für eine Dysbiose (Reduktion der Diversität der in- testinalen Mikrobiota) sowie für unerwünschte muskulo- skelettale Ereignisse, sodass erhebliche Unsicherheiten hin- sichtlich der Nutzen-Risiko-Bewertung dieser Substanz- klasse bestehen.

Azithromycin kann zur Behandlung der moderaten Reise- diarrhö gegeben werden (starke Empfehlung, hohe Quali- tät der Evidenz).

Rifaximin kann zur Therapie der moderaten Reisediarrhö eingesetzt werden (schwache Empfehlung, moderate Qua- lität der Evidenz). Anmerkung: Rifaximin sollte als empiri- sche Therapie der moderaten Reisediarrhö mit Vorsicht ein- gesetzt werden, wenn im Gastland oder auf der Reiseroute ein hohes Risiko besteht, dass der Reisende mit invasiven Keimen in Kontakt kommt.

Loperamid kann bei moderater oder schwerer Reisediarrhö als zusätzliche Therapie verabreicht werden (starke Emp- fehlung, hohe Qualität der Evidenz).

Loperamid kann als Monotherapie bei moderater Reise - diarrhö erwogen werden (starke Empfehlung, hohe Quali- tät der Evidenz).

Empfehlungen zur Therapie der schweren Reisediarrhö

Antibiotika sollten zur Behandlung der schweren Reisediar- rhö gegeben werden (starke Empfehlung, hohe Qualität der Evidenz).

Azithromycin wird zur Therapie der schweren Reisediar- rhö bevorzugt eingesetzt (starke Empfehlung, moderate Qualität der Evidenz).

Fluorchinolone können zur Therapie der schweren Reise - diarrhö ohne Dysenterie verabreicht werden (schwache Empfehlung, moderate Qualität der Evidenz).

Rifaximin kann zur Behandlung der schweren Reisediarrhö ohne Dysenterie verwendet werden (schwache Empfeh- lung, moderate Qualität der Evidenz).

Eine antibiotische Einmalgabe kann zur Behandlung der moderaten oder schweren Reisediarrhö eingesetzt werden (starke Empfehlung, hohe Qualität der Evidenz).

Empfehlungen zur Nachbeobachtung und Diagnostik

Eine mikrobiologische Untersuchung wird bei Reiserück- kehrern mit schweren oder persistierenden Symptomen empfohlen; dies gilt auch, wenn die empirische Therapie nicht zum Erfolg führt (starke Empfehlung, niedrige/sehr niedrige Qualität der Evidenz).

Eine molekulare Testung, die ein breites Spektrum klinisch relevanter Pathogene erfasst, wird bevorzugt, wenn die Kli- nik schnelle Ergebnisse erfordert oder wenn die Diagnose mithilfe anderer Tests nicht gesichert werden konnte (nicht klassifizierte Empfehlung). Anmerkung: Bisher wurden keine Studien publiziert, die belegen, dass diese Tests die Patientenergebnisse verbessern.

Weitere Konsensusstatements (nicht klassifiziert)

Es gibt keine ausreichende Evidenz, um den Einsatz kom- merziell verfügbarer Präbiotika oder Probiotika zur Prä- vention oder Therapie der Reisediarrhö zu empfehlen.

Studien über die Veränderungen des Darmmikrobioms bei Reisenden mit und ohne Diarrhö sind erforderlich, um Nut- zen und Risiken von aktuell verfügbaren und neuen präven- tiven, diagnostischen und therapeutischen Massnahmen zu klären.

Es besteht eine stufenweise ansteigende Assoziation zwi- schen Reise, Reisediarrhö und Antibiotikaeinsatz einerseits und dem Erwerb multiresistenter Bakterien andererseits.

Die Beratung vor der Reise sollte über dieses Risiko infor- mieren und gegen den Nutzen einer Antibiose abgewogen werden.

Tipps für die Beratung

Die meisten beziehungsweise alle Reisenden sollten Lopera- mid und ein Antibiotikum zur Selbstbehandlung erhalten.

Falls die Reise nach Südostasien führt, sollte Azithromycin verschrieben werden. In allen anderen Regionen kann ein Fluorchinolon, Azithromycin oder Rifaximin verwendet werden. (Cave: Falls Rifaximin zur Erstlinientherapie ein- gesetzt wurde, sollte bei Dysenterie oder fieberhaftem Durch - fall auch Azithromycin gegeben werden.)

Der Reisekandidat sollte darüber informiert werden, dass er vermehrt Flüssigkeit zu sich nehmen und gegebenenfalls Loperamid gegen Durchfall nehmen sollte, wenn die Diar- rhö nur mild ausgeprägt ist und seine Reiseaktivitäten nicht beeinträchtigt.

Falls der Durchfall zwar einige Auswirkungen hat, aber er- träglich ist, soll der Reisende mit der Einnahme von Lope- ramid beginnen und zur raschen Symptomlinderung die Einmalgabe eines Antibiotikums erwägen, wobei er sich über Nutzen und Risiken einer antibiotischen Behandlung bei moderater Reisediarrhö im Klaren sein muss.

Wenn der Durchfall so schwer ist, dass der Reisende bettlä- gerig ist oder das Hotelzimmer nicht verlassen kann, soll er mit der Antibiotikaeinnahme beginnen und zusätzlich Lo- peramid nehmen, wenn eine rasche Beschwerdebesserung erwünscht ist.

Der Reisende sollte wissen, dass es erforderlich sein kann, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn sich die Symptome trotz Selbstbehandlung nicht innerhalb von 24 bis 36 Stunden allmählich bessern.

Eine Prophylaxe sollte nur bei Hochrisikogruppen erwogen werden (wenn Grunderkrankungen bestehen oder die Art der Reise bzw. Aktivität hohe Anforderungen an die Leis- tungsfähigkeit stellt); Rifaximin ist in diesem Fall die erste Wahl, Bismutsalicylat stellt eine zweite Option dar.

Wenn Rifaximin zur Prophylaxe eingesetzt wird, sollte Azi- thromycin zusätzlich gegeben werden, falls eine «Durch- bruchtherapie» erforderlich werden sollte.

Andrea Wülker

Quelle: Riddle MS et al.: Guidelines for the prevention and treatment of tra- velers’ diarrhea: a graded expert panel report. J Travel Med 2017; 24 (Suppl 1):

S63–S80.

Interessenlage: Ein Teil der Autoren der referierten Leitlinie hat Honorare von verschiedenen Institutionen und Firmen erhalten. Die Entwicklung der Guideline wurde von der International Society of Travel Medicine Founda- tion und von der Rudin Foundation unterstützt.

FORTBILDUNG

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ARS MEDICI 12 | 2018

Referenzen

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