Der Weideanteil in der Sommerfütterung der Milchkühe nimmt zu, hauptsächlich weil Weidegras meist die kostengünstigste Futterquelle für Wiederkäuer ist. Die Weide steht andererseits im Ruf, nicht das geeignete Fütterungssystem für Hochleistungskühe zu sein. Eine effiziente Milchproduktion auf Weidebasis ist nicht so gut zu planen wie eine Produktion, die sich auf geerntete und konser- vierte Futtermittel stützt. Unkontrollierbare Faktoren wie das Klima spielen eine grössere Rolle. Bei der Wahl des Weidesystems hat der Landwirt die Wahl zwi- schen der Umtriebs- und der Kurzrasenweide. Bei beiden handelt es sich um intensive Nutzungssysteme mit hoher Tierbesatzdichte. Damit sind auch die Kernpunkte der Planung und Kontrolle dieselben:
Umtriebs- oder Kurzrasenweide für Milchkühe?
1. Grasbestände im optimalen Stadium beweiden 2. Qualitätsunterschiede im Saisonverlauf beachten 3. Ergänzungsfutter gezielt einsetzen
4. Hilfsmittel zur Kontrolle des Weidemanagements nutzen 5. Auch die persönliche Vorliebe darf eine Rolle spielen
ANDREAS MÜNGER
5 2002
CH-1725 Posieux T++41 26 4077 111 F++41 26 4077 300
info@rap.admin.ch www.rapposieux.ch
Eidgenössische Forschungsanstalt für Nutztiere
rap aktuell
2 . Q U A L I T Ä T S U N T E R S C H I E D E I M S A I S O N V E R L A U F B E A C H T E N
• Unterschiedliche Wachstumsbedingungen, der Wechsel der Stadien der verschiedenen Futter- pflanzen und Veränderungen in der botani- schen Zusammensetzung der Grasnarbe bewirken, dass sich über die Weidesaison der Nährstoffgehalt des Weide-
futters verändert.
• Eine Rolle spielt auch die Anhäufung von totem Pflanzenmaterial, die je nach Weidemanagement sehr unterschiedlich sein kann.
• Der Verlauf der Hauptnähr-
stoffe zeigt, dass die Unterschiede zwischen Umtriebs- und Kurzrasenweide nicht ins
Gewicht fallen; dies gilt auch für die Mineral- stoffe. Eine Ausnahme ist der Rohfasergehalt, der beim Kurzrasen häufiger unterhalb des Zielwertes von mindes- tens 15-18% anzutreffen ist und eine Beifütterung von Strukturfutter sinnvoll macht.
1 . G R A S B E S T Ä N D E I M O P T I M A - L E N S TA D I U M B E W E I D E N
Der Verzehr der Milchkuh auf der Weide steigt mit zunehmendem Grasangebot, das von der Fläche, der Grashöhe und der Narbendichte abhängt sowie mit zuneh- mender Nährstoffkonzentration, die wiederum mit dem Blattanteil zusammenhängt. Auch bei weniger tiefem Abgrasen - was mehr Weide- reste bedeutet - ist er höher. Anderseits sinkt bei hohen Weideresten die Verwertung des gewachsenen Futters, weil abgestorbenes Material sich anhäuft und die Produktivität der Grasnarbe zurückgeht. Je nach Dichte der Grasnarbe nähert sich ab 6 bis 8 cm Auf- wuchshöhe der Verzehr seinem Maximum, ab 15 bis 20 cm geht er wieder zurück.
Für Kurzrasenweiden werden 6 bis 8 cm Auf- wuchshöhe empfohlen. Bei der Umtriebsweide soll der Weidebeginn auf einem neuen Schlag bei etwa 15 cm erfolgen, der Wechsel der Parzelle bei 5 bis 10 cm.
Die Umtriebsweide erlaubt eine Steuerung des Futterangebotes durch die Anpassung der Parzellengrösse und der Dauer des Umtriebs beziehungsweise der Anzahl beweideter Parzel- len. Bei Kurzrasenweide wird das Grasangebot durch Anpassung der beweideten Fläche gesteu- ert, wobei als Zielgrösse die Höhe der Grasnarbe beobachtet wird. Bezüglich Leistungspotenzial unterscheiden sich die beiden Systeme kaum.
MILCHLEISTUNG BEI VERSCHIEDENEN
WEIDESYSTEMEN UNDBEIFÜTTERUNGS-
TYPEN(VERSUCHRAP 95-98)
14 16 18 20 22 24 26 28 30 32 34 36 38 40 42 44 15
17 19 21 23 25 27 29 31 33 35
Woche
kg ECM / Tag
Kurzrasenweide - Zufütterung Heu/Getreide Kurzrasenweide - Zufütterung Maissilage Umtriebsweide - Zufütterung Heu/Getreide Umtriebsweide - Zufütterung Maissilage
0 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18 20
20 40 60 80
Futterangebot Weide total (kg TS/Tag)
Verzehr (kg TS/Tag)
3. ERGÄNZUNGSFUTTER GEZIELT EINSETZEN
Mit der Ergänzungsfütterung zu Weide kann der Landwirt verschiedene Ziele verfolgen:
• Verbessern der Nährstoffversorgung für höher- leistende Kühe. Bei durchschnittlichem Verzehr und guter Qualität des Weide- grases kann die Kuh eine tägliche Milchleistung von 20 bis 25 kg auf der Weide produzieren. Höhere Leistun- gen müssen mit Kraftfutter gedeckt werden. Bis zu hohen Leistungen kann im
Allgemeinen ein energiebetontes Futter eingesetzt werden.
• Verbessern der Milchinhaltsstoffe, vor allem des Milchfettgehalts durch das Anbieten eines Strukturfutters, in der Regel Heu mittlerer bis guter Qualität.
• Ausgleichen von Schwan- kungen des Nährstoffan- gebotes auf der Weide.
Weil Angebot, Qualität und effektiver Verzehr des Weidegrases beträchtlich schwanken
können, hat Beifütterung einen stabilisierenden Einfluss auf den Laktationsverlauf und verbes- sert die Persistenz der Laktation. Es ist zu beachten, dass bei genügendem Weideange- bot jedes kg Beifutter ein kg Verzehr auf der Weide ersetzt; bei knapper Weide ist die Effizienz besser.
• Anbieten einer bezüglich der Nährstoffgehalte möglichst ausgeglichenen/bedarfsgerechten Ration, um die Stoffwechselbelastung zu verringern oder Nährstoffverluste zu vermeiden.
• Decken spezifischer Nährstoffmängel. Hier ist vor allem an die Mineralstoff- und Spurenele- mentversorgung zu denken.
Die Art der Beifütterung, zum Beispiel Maissilage oder die Kombination Dürrfutter und Getreide- mischung, hat nur geringe Auswirkungen auf die Leistung.
4 . H I L F S M I T T E L Z U R K O N T R O L L E D E S W E I D E M A N A G E M E N T S N U T Z E N Den Verzehr auf der Weide als Basis für die Beurteilung der Weideführung direkt zu verfol- gen, ist kaum möglich. Als indirekte Hilfsmittel bieten sich an:
• Kontrolle der Herdenleistung beziehungsweise der Persistenz: Sinnvoll ist der Vergleich mit einer vorgegebenen Leistungskurve mit guter Persistenz, wobei das mittlere Laktationssta- dium der Herde berücksichtigt wird. In Verbin- dung mit der Leistung kann auch der
Körperzustand oder das Gewicht der Tiere verfolgt werden.
15 0 40 80 120 160 200
20 25 30 35 40 45
Woche
g/kg TS
15 100 150 200 250
20 25 30 35 40 45
Woche
g/kg TS
15 100 150 200 250 300
20 25 30 35 40 45
Woche
g/kg TS
Rohfaser Rohprotein
Umtriebsweide Kurzrasenweide
Zucker
NÄHRSTOFFGEHALTE IM VERGLEICH DER WEIDE- SYSTEME (RAP 95-98)
• Zu empfehlen ist, unabhängig vom Weidesys- tem, der Strukturausgleich zu Beginn der Weidesaison und wiederum im Herbst. Ein Energieausgleich ist, wenn man das Verhältnis Rohprotein: Zucker ( = Leichtlösliche Kohlenhy- drate) als Massstab nimmt, am ehesten im Herbst angebracht.
BEREITS ERSCHIENEN
Nr. 1 Silierregeln für Grassilage
Nr. 2 Mykotoxinschäden beim Schwein vermeiden
Nr. 3 Mineralstoffversorgung der Milchkuh Nr. 4 Die Milchkuh auf die neue Laktation
vorbereiten
DIE NÄCHSTEN rap aktuell
Nr. 6, Juni 02 Fleischrinderrassen im Vergleich Nr. 7, Sept. 02 Fütterung und Fleischqualität
beim Schwein
Nr. 8, Dez. 02 Fütterung und Milchinhaltsstoffe
Herausgeber Eidg. Forschungsanstalt für Nutztiere (RAP), CH-1725 Posieux, Tel. 026 4077 111, Fax 026 4077 300, E-mail: info@rap.admin.ch Autor Andreas Münger, RAP, Tel. 026 4077 280, E-mail: andreas.muenger@rap.admin.ch Fotos Olivier Bloch, Andreas Münger, Archiv RAP Konzept /Redaktion Gerhard Mangold, RAP Design Jacques Berset Studio, Freiburg/Bern Druck MTL SA, Villars-sur-Glâne
rap aktuellkann bezogen werden bei: RAP-Bibliothek, 1725 Posieux, T 026 40 77 111, F 026 40 77 300, E-mail: info@rap.admin.ch. Sie finden rap aktuell auch unter: www.rapposieux.ch
Ab 100 Exemplaren Fr. 20.- pro 50 Stück
• Kontrolle der Weidereste: beim Kurzrasensys- tem global, bei der Umtriebsweide nach jedem Schlagwechsel. Sie sollten einen festgelegten Flächenanteil (z.B. 20 bis 30%) nicht über- schreiten und im Saisonverlauf nicht wesentlich zunehmen.
• Messung oder Schätzung der Grashöhe: auf der Kurzrasenweide in regelmässigen Abstän- den, auf der Umtriebsweide zu Beginn und am Ende der Beweidung einer Koppel. Dazu sind verbesserte Instrumente in der Entwicklung.
5 . A U C H D I E P E R S Ö N L I C H E V O R L I E B E D A R F E I N E R O L L E S P I E L E N
Die Unterschiede in der Leistungsfähigkeit der beiden Beweidungssysteme sind, unter guten futterbaulichen Bedingungen und bei gutem Management, gering. Deshalb können andere Aspekte bei der Wahl des Verfahrens den Aus- schlag geben:
• Betriebliche Voraussetzungen wie die Lage, Form und Topographie der Weideparzellen.
Kurzrasenweide bewährt sich bei stärker geneigten und heterogenen Schlägen weniger gut, weil die Tiere immer die besten Teilflächen bevorzugen.
• Hingegen ist in der Regel ihre Trittfestigkeit bei Kurzrasen etwas besser, weil die Grasnarbe dichter ist.
• Die Herde macht auf der Kurzrasenweide oft einen ruhigeren Eindruck.
• Der Aufwand für Zäunung, Auftriebswege und Tränkepunkte ist bei Kurzrasenweide tiefer.
• Das Kurzrasensystem wird bei zunehmender Herdengrösse rasch an seine Grenzen stossen, weil die notwendigen grossen, gleichmässigen Weideflächen nicht zur Verfügung stehen.
Dem Milchproduzenten, der mehr Kontrollmög- lichkeiten bevorzugt, dürfte die Umtriebsweide langfristig mehr zusagen, weil es einfacher sein wird, geeignete Managementinstrumente weiterzuentwickeln. Wer eher auf seine Erfah- rung und Beurteilungsgabe setzen will, kommt mit dem Kurzrasen gut zurecht.
Entscheidend ist nicht zuletzt, dass sich der Betriebsleiter für die Weide an sich und dann auch für ein bestimmtes System begeistern kann und bereit ist, die notwendige Beobachtungs- und Gedankenarbeit zu leisten.