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Archiv "Vorsorgemedizin: Krebsfrüherkennung bei Frauen" (01.06.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

EDITORIAL

Vorsorgemedizin:

Krebsfrüherkennung bei Frauen

Peter Sto II

Die 1971 eingeführte

„Krebsvorsorgeu ntersu- chung bei der Frau" — zu- nächst nur für das Genital- karzinom gedacht, dann er- weitert auf das Mammakar- zinom, auf maligne Haut- veränderungen, Untersu- chung auf Blut im Stuhl, Blutdruckmessung usw. — gerät in letzter Zeit in das Kreuzfeuer der Politik.

Kritiken

Kritisiert werden die man- gelhafte Resonanz in der Bevölkerung, die zu gerin- ge Beteiligung insbesonde- re der Risikogruppen, die unzuverlässigen Untersu- chungsmethoden, Interpre- tationsfehler, der zu gerin- ge Effekt, die zu hohen Ko- sten. Die Kritik kommt von Laien, aber auch von Ex- perten, die sich auf die vor- liegenden Statistiken stüt- zen oder auch nur theoreti- sche Erwägungen anstel- len.

Der „echte"

Vorsorgepatient Vor den Arzt tritt der ge- sunde Vorsorgepatient, ein

„krankheitsbewußter Ge- sunder". Er sucht nicht als Leidender, als homo pa- tiens, Hilfe. Er fordert als anspruchsberechtigter ho- mo impatiens querulans den umfassenden Einsatz von Untersuchungen. Zur

Zeit mag es noch eine Min- derheit sein, die dem „Rou- tine check up" größere Be- deutung beimißt als der Aussage des Hausarztes.

Patienten dieser Art ma- chen aber Befunde ohne Krankheitswert zur Grund- lage weiterer Ansprüche, fordern für sich weitere Un- tersuchungen, Kuraufent- halt, Medikamente oder auch nur mehr Beachtung durch die Umwelt.

Der skeptische Patient Auf der anderen Seite steht eine breite Masse von Mit- bürgern, die zu regelmäßi- gen Vorsorgeuntersuchun- gen nur schwer zu motivie- ren sind. Das Gefühl der Numerierung und der Auto- matisierung schreckt sie ebenso ab, wie die Besorg- nis, es könne etwas gefun- den werden, das Anlaß zu einer Veränderung der der- zeitigen Lebensgewohn-

heiten gibt. Der kranke Mensch erstrebt Gesund- heit und Befreiung von sei- nen Beschwerden, der ge- sunde erstrebt im allgemei- nen nicht Krankheit. Für den Gesunden ist aber schon die ärztliche Unter- suchung ein kleiner Schritt hinein in den Bereich Krankheit. Tatsächlich fal- len bei einem Drittel aller auf gynäkologischen Krebs- vorsorgeschein untersuch- ten Frauen gutartige, aber behandlungsbedürftige Lei- den an.

Der aufgeschlossene, aber uninformierte Patient Ein aufgeschlossener und gutwilliger Teil unserer Mit-

bürger nutzt die Möglich- keit der Vorsorgeuntersu- chung aus, hat aber durch- aus nicht immer ganz klar erkannt, daß hier ein Grob- filter passiert wird, der nicht alle Krebslokalisatio- nen erfassen kann. So dient der Ausstrich nur dem Collumkarzinom, nicht aber anderen Krebs- lokalisationen. Das Vertrau- en in die Breite und die Aussagekraft der Untersu- chungen ist demnach un- gerechtfertigt groß.

Auf die Bedeutung der Fa- milienanamnese, der erbli- chen Belastung, der Um- welteinflüsse und der

krebsfördernden Laster wird zu wenig hingewiesen.

Allerdings ergibt sich dar- aus eben nur ein Verdacht, der verunsichern und äng- stigen kann.

Die primäre, beim Men- schen selbst liegende Prä- vention ist kaum bekannt, vielleicht auch zu unbe- quem (siehe Rauchen).

Die Statistik

Hinsichtlich der statisti- schen Erfassung bei Unter- leibskrebs gibt es eine Ku- riosität: nur das auf Vorsor- geschein entdeckte bösarti- ge Leiden erreicht die Sta- tistik. Aus dem bedeutend größeren kurativen Bereich der Ärzteschaft erreicht die onkologische Meldung den KV-Computer nicht. Der Untersuchungsmodus ist aber bei der Patientin mit kurativem Schein und bei der Patientin mit Vorsorge- schein ganz gleich — er sollte es jedenfalls sein. Je- de gynäkologische Untersu-

1794 (76) Heft 22 vom 1. Juni 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Vorsorgemedizin

chung war seit Anfang die- ses Jahrhunderts nicht nur kurativ, sondern auch im- mer präventiv: sie bestimm- te auch die onkologische Belastung.

Die Teilnahme

Woran liegt es nun, daß wir nur einen Teil der berech- tigten Frauen erfassen, — etwa 30 Prozent — das so- gar mit rücklaufender Ten- denz? Möglicherweise han- delt es sich hier gerade

nicht um den Teil der Be- völkerung, der hinsichtlich der onkologischen Fahn- dung besonders bedeutsam ist: die Risikogruppe. Der Grund ist, daß wir mit der Vorsorgemedizin in einen Bereich eingetreten sind, in dem vom einzelnen Bürger neben Aufklärung weit mehr Verantwortungsbe- wußtsein, Bürgersinn, Pflichtgefühl und Rück- sichtnahme auf die Ge- samtheit verlangt werden muß, als dies in der kurati- ven Medizin je der Fall war.

Damit scheint der Wert der Freiwilligkeit einer Teilnah- me an Vorsorgeuntersu- chungen fraglich, minde- stens so fraglich wie der Versuch, die Steuerzahlung auf freiwilliger Basis zuzu- lassen. Sollte es so sein, daß die Vorsorge mit dem Wunsch nach hoher Beteili- gung sich ohne einen Ap- pell an den gesunden Men- schenverstand nicht errei- chen läßt? Erfordert sie milde Zwangsmaßnahmen, I> sei es durch die Einfüh- rung eines Gesundheitspas- ses, aus dem regelmäßige Untersuchungsdaten er- sichtlich sind,

> sei es durch die Über- nahme der vollen Kranken- hauskosten nur dann, wenn regelmäßige Vorsorgeun- tersuchungen nachgewie- sen werden,

I> sei es, daß Prämien für regelmäßige Teilnahme an der Vorsorgeuntersuchung am Ende eines Jahres aus- geworfen werden, also Prä- mien für eingesparte kurati- ve Kosten bei Behandlun- gen im Vorsorgesektor?

Klinische Statistiken weisen aus, daß die Radikalopera- tion beim Collumkrebs sel- ten geworden ist, weil im Früh-, besonders im Vorsta- dium einfacher und zurück- haltender operiert werden kann und wird. Das ist ein Erfolg der Früherkennung.

Allerdings sind die weit vor- angeschrittenen Stadien mit infauster Prognose nach wie vor mit bis 15 Prozent vertreten.

Die Kassen

Bei voller Ausnutzung des bestehenden Vorsorgepro- gramms dürften die Versi- cherungsträger mit einer Verringerung ihrer Kosten rechnen. Dies war der Grund, weswegen alle Krankenkassen uneinge- schränkt einem Vorsorge- programm bei der Frau zu- gestimmt haben.

Auch angesichts der aufge- tauchten Kritik sollten sie diesen Standpunkt beibe- halten, den erzieherischen Effekt dieser Maßnahme weiterhin anerkennen und für eine Ausbreitung der Untersuchung auf die Risi- kogruppen Sorge tragen.

Vorschläge

Es bietet sich an,.den be- drückenden Ausdruck

„Krebsvorsorgeuntersu- chung einmal pro Jahr"

durch eine „jährliche Ge- sundenuntersuchung" zu ersetzen. Und es bietet sich weiter an, den Bürger nicht ständig durch Schreckens- meldungen über die Bedro- hung seines Lebens in Pa- nik zu versetzen, wie dies u. a. durch Stichworte wie radioaktive Bedrohung, Umweltverseuchung, unbio- logische Ernährung, Krebs- tod usw. geschieht.

Widerstand gegen diese Bedrohungen heißt beim Krebs nicht nur, „primäre Prävention" betreiben, d. h.

gesund leben, sondern auch die sekundäre Präven- tion, d. h. die Früherken- nungs-Untersuchung auf sich zu nehmen. Da diese in der Frauenheilkunde op- timal möglich ist, können wir heute 50 Prozent aller Unterleibskrebse der Frau heilen, wobei beim fortge- schrittenen Krebs (Stadium IV: 15 Prozent der Patien- tinnen) nur 0 Prozent Hei- lung und bei früher Entdek- kung ( Stadium I: 40 Pro- zent der Patientinnen) 85 Prozent Heilung möglich sind. Bei Vorstadien etwa 20 Prozent der Patientin- nen) tritt eine Lebensbed- rohung erst gar nicht auf.

Professor Dr. med.

Peter Stoll

Direktor der Universitäts- Frauenklinik

Klinikum Mannheim der Universität Heidelberg 6800 Mannheim

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 22 vom 1. Juni 1984 (77) 1795

Referenzen

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