• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Hundert Jahre Gramfärbung" (17.02.1984)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Hundert Jahre Gramfärbung" (17.02.1984)"

Copied!
3
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

GESCHICHTE DER MEDIZIN

v

or hundert Jahren, am 15.

März 1884, veröffentlichte der dänische Arzt Hans Chri- stian Joachim Gram (1853-1938) seine Abhandlung „lieber die iso- lirte Färbung der Schizomyceten in Schnitt- und Trockenpräpara- ten." (1), hundert Jahre nach dem Tod des dänischen Naturwissen- schaftlers Otto Friedrich Müller (1730-1784), der als erster ver- sucht hatte, die bis dahin bekann- ten Bakterien systematisch zu ordnen.

Als Gram nach seiner Habilitation im Jahre 1883 von Kopenhagen nach Berlin reiste, kam er in die Hochburg der jungen Wissen- schaft von den Infektionskrank- heiten. Am Kaiserlichen Gesund- heitsamt in Berlin arbeiteten unter dem Direktor und geheimen Re- gierungsrat Dr. Struck die Herren Königlich Preussischen Stabsärz- te Dr. Th. Gaffky und Dr. Fr. A. J.

Loeffler — beide „commandirt als Hülfsarbeiter zum Kaiserlichen Gesundheitsamt" — und der ge- heime Regierungsrat Dr. R. Koch, die alle in die Geschichte der Bak- teriologie eingegangen sind. Kein Wunder also, daß Gram die heute nach ihm benannte Färbemetho- de während seines Studienaufent- haltes in Berlin entwickelte, der Stadt, in der ebenfalls im Jahre 1884 Friedrich August Johann Loeffler das Diphtheriebakterium entdeckte und Robert Koch seine entscheidende Arbeit über die Tu- berkulose abschloß.

Über die Entstehung seiner Fär- bemethode schreibt Gram: „Wie

bekannt giebt die Methode der isolirten Färbung der Tuberkelba- cillen von Koch und Ehrlich mit oder ohne Doppelfärbung sehr schöne Bilder, weil die Bacillen durch die Contrastwirkung sehr deutlich hervortreten.

Es wäre ja sehr wünschenswerth, wenn man eine ähnliche Methode für die isolirte Färbung der übri- gen Schizomyceten hätte, mit de- nen die Mikroscopiker Tag für Tag mehr und mehr sich beschäftigen.

Bei meinen Untersuchungen — äls Mitarbeiter des Herrn Dr. Fried- länder im Leichenhause des städ- tischen Krankenhauses in Berlin — hatte ich die Nachweisung der Kokken in Schnittpräparaten von den Lungen der Pneumoniker und der Versuchsthiere übernommen, und habe, wie es bereits von Friedländer in seiner Abhandlung über die Mikrokokken der Pneu- monie kürzlich erwähnt worden ist, auf experimentellem Wege ei- ne isolierte Färbung für die Pneu- moniekokken gefunden; d. h. eine Färbung, durch welche die Kerne und andere Gewebeelemente un- gefärbt bleiben, während die Kok- ken stark gefärbt hervortreten und daher viel leichter aufzufinden sind, während sie in den gewöhn- lichen Präparaten besonders bei den Pneumonien, wo sie sehr häufig in den Exudatzellen liegen, gar nicht zu sehen sind.

Weitere Untersuchungen über die Verwendbarkeit dieser Methode auch für andere Schizomyceten haben nach und nach herausge- stellt, daß diese Methode eine fast

Hundert Jahre alt und noch immer so unentbehrlich wie am ersten Tag — das trifft in der Medizin nur auf wenige Methoden zu. Die Gramfär- bung ist eine von ihnen. Mit ihrer Entdeckung wurde die stürmische Entwicklung bak- teriologischer Färbemetho- den vor hundert Jahren zu- kunftweisend abgeschlossen.

allgemeine Verwendbarkeit für al- le Sch izomyceten-Untersuchu n- gen in Schnitt- und Trockenpräpa- raten hat."

Grams Methode sollte zunächst der Lösung des Problems dienen, an dem damals noch alle Bakte- riologen arbeiteten, der Erfüllung des ersten Henle-Koch-Postulates für die Anerkennung einer Mikro- be als Krankheitsursache, näm- lich dem mikroskopischen Nach- weis des Erregers bei den Er- krankten oder bei den an der Krankheit Verstorbenen.

Färbemethoden, die man zur Dar- stellung der Zellen und anderer Gewebebestandteile schon hatte, mußten für die meisten Bakterien erst noch entwickelt werden.

Der Streit, ob z. B. die Tuberkulo- se eine Infektionskrankheit ist, konnte nur entstehen, weil bei den üblichen Färbemethoden der Pathologie von den Tuberkelbak- terien nichts zu sehen war.

Jakob Henle, einer von Robert Kochs Lehrern in Göttingen, hatte noch im Jahre 1840 den sicheren mikroskopischen Erregernach- weis für einen Zukunftstraum, dessen Erfüllung in absehbarer Zeit für unmöglich gehalten. In seinen „Pathologischen Untersu- chungen" schreibt er in dem Ab- schnitt „Von den Miasmen und Contagien und von den miasma- tisch-contagiösen Krankheiten":

„Wenn bei dem jetzigen Stand- punkte unsrer Hilfsmittel die Fra- ge von der Natur des Contagiums

Hundert Jahre Gramfärbung

Gerhard Troßmann

Hans Christian Joachim Gram entwickelte nicht nur eine

Färbemethode zur Darstellung von Bakterien, sondern entdeckte darüber hinaus das „färberische Verhalten" von Bakterien

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 7 vom 17. Februar 1984 (65) 431

(2)

sicher durch die Beobachtung zu lösen wäre, so wäre ein Beweis aus theoretischen Gründen, wie ich ihn hier versucht habe, über- flüssig und ein sehr unnöthiger Umweg." (2).

Aber vierzig Jahre nach Henles theoretischen Untersuchungen nahmen dann nicht alle Patholo- gen das ernst, was ihnen in deut- lichen Farben durchs Mikroskop gezeigt wurde.

Als Robert Koch am 24. März 1882 in der physiologischen Gesell-

schaft zu Berlin den Erreger der Tuberkulose demonstriert hatte, erregte er teilweise Heiterkeit in der medizinischen Welt. In seiner Abhandlung über „Die Aetiologie der Tuberkulose" (3) mußte er im Jahre 1884 immer noch feststel-

len: „ ... im Grossen und Ganzen gilt die Phthisis bei den Aerzten als eine von constitutionellen An- omalien ausgehende, nicht infec- tiöse Krankheit." Robert Koch be- gründete in dieser Arbeit noch- mals die Notwendigkeit, die Tu- berkelbakterien färberisch darzu- stellen:

Abbildung 1: Gram-positive Pneumokokken

Abbildung 2: Gram-negative Escherichia-Coli-Stäbchen

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Gramfärbung

432 (66) Heft 7 vom 17. Februar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

„Zunächst war festzustellen, ob in den erkrankten Theilen Formele- mente vorkommen, welche nicht zu den Bestandtheilen des Kör- pers gehören oder aus solchen hervorgegangen sind." Zwei Jah- re vorher hatte er in seiner ersten Abhandlung über „Die Aetiologie der Tuberculose" (4, schriftliche Ausarbeitung des am 24. März 1882 in der physiologischen Ge- sellschaft gehaltenen Vortrages) das Tuberkuloseproblem seiner Zeit folgendermaßen beschrie- ben: „Wenn die Zahl der Opfer, welche eine Krankheit fordert, als Massstab für ihre Bedeutung zu gelten hat, dann müssen alle Krankheiten, namentlich aber die gefürchtetsten Infectionskrank- heiten, Pest, Cholera u.s.w. weit hinter der Tuberculose zurückste- hen. Die Statistik lehrt, dass 1 /7 al- ler Menschen an Tuberculose stirbt und dass, wenn nur die mitt- leren productiven Altersklassen in Betracht kommen, die Tuberculo- se ein Drittel derselben und oft

mehr dahinrafft. Das Wesen der Tuberculose zu ergründen, ist schon wiederholt versucht, aber bis jetzt ohne Erfolg. Die zum Nachweis der pathogenen Micro- organismen so vielfach bewähr- ten Färbungsmethoden haben dieser Krankheit gegenüber im Stich gelassen, und die zum Zwecke der Isolierung und Züch- tung des Tuberkel-Virus ange- stellten Versuche konnten bis jetzt nicht als gelungen angese- hen werden, so daß Cohnheim in der soeben erschienenen neue- sten Auflage seiner Vorlesungen über allgemeine Pathologie ,den directen Nachweis des tuberculö- sen Virus als ein bis heute noch ungelöstes Problem' bezeichnen mußte."

Ohne mikroskopischen Erreger- nachweis waren weder weiterfüh- rende wissenschaftliche Untersu- chungen möglich — wie die Erre- gerzüchtung in Reinkultur — noch seuchenhygienische Maßnahmen durchsetzbar.

Welche Bedeutung neue Färbe- methoden für die damalige Bakte-

(3)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

FÜR SIE GELESEN Gramfärbung

riologie hatten, zeigt auch die Ei- le, mit der Paul Ehrlich seine bes- sere, von Robert Koch dann drin- gend zur Färbung der Tuberkel- bakterien empfohlene Methode entwickelt hat (5): „Als vor wenig Wochen Herr Regierungs-Rath Dr.

Koch seine hochbedeutsamen Untersuchungen über die Aetiolo- gie der Tuberculose, über den Ba- cillus der Tuberculose kund gab, mußte es allgemeine Pflicht sein, diese Erweiterung unserer Kennt- niss in diagnostischer und thera- peutischer Beziehung zu verwer- then."

Robert Koch hatte zur Differenzie- rung der Tuberkelbakterien den Farbstoff Vesuvin (= Bismarck- braun) verwendet, Ehrlich ver- wendete Säuren und entdeckte die Säurefestigkeit der Färbung bei den Tuberkelbakterien: „Die isolirte Tinction der Tuberculose- bacillen gelingt nun unter dem Einfluß des Vesuvin gar nicht oder nur sehr langsam, es ist erforder- lich Säuren anzuwenden und bin ich bald zur Anwendung starker, ich möchte sagen, heroischer übergegangen."

Gram wurde durch die Schwierig- keiten bei der Darstellung der Pneumokokken zur Entwicklung seiner Färbemethode inspiriert.

Außer einer besonderen Darstel- lungsmethode für Bakterien hatte er aber vor allem das färberische Verhalten der Bakterien entdeckt und sofort systematisch unter- sucht, das wir heute als „grampo- sitiv" und „gramnegativ" bezeich- nen: Nach Behandlung mit Lugol- scher Lösung geben manche Bak- terien ihren Farbstoff in Alkohol wieder ab, manche nicht.

Zur Entdeckung der differenzie- renden Wirkung gerade der Lu- golschen Lösung macht er die An- merkung: „Die Versuche rühren von der zufälligen Beobachtung her, daß An i I i n-Gentianaviolet- Präparate sich nach Behandlung mit Jod-Jodkaliumlösung in Alko- hol vollständig und schnell entfär- ben. Ich hatte nämlich versucht,

eine Doppelfärbung von Nieren- schnitten herzustellen mit blauen Kernen und braunen Harncylin- dern."

Die Eigenschaft der Bakterien, grampositiv oder gramnegativ zu reagieren, war für die damalige Bakteriologie noch von unterge- ordneter Bedeutung.

Gram kam es in erster Linie darauf an, eine Methode zu finden, mit der man Bakterien auf möglichst einfache, schnelle und sichere Art darstellen konnte.

Er sagt stolz: „Die Intensität der Färbung wird von keiner der bis- herigen Färbungsmethoden er- reicht."

Am Schluß seiner Abhandlung äu- ßert Gram den Wunsch: „Hoffent- lich wird diese Methode auch in den Händen anderer Untersucher sich als eine brauchbare bewäh- ren."

Dieser Wunsch ist in Erfüllung ge- gangen. Man kann über die Gram- färbung das Beste sagen, was man von einer hundert Jahre alten Färbemethode überhaupt sagen kann: Sie ist weiterhin die bedeu- tendste Färbemethode der klini- schen Bakteriologie.

Literatur

(1) C. Gram: Über die Fräbung der Schizomy- ceten in Schnitt- und Trockenpräparaten, Fort- schritte der Medicin, Berlin (1884) Bd. 2, Nr. 6, 185-189 —(2) J. Henle: Pathologische Untersu- chungen, Berlin 1840) (3) R. Koch: Die Aetio- logie der Tuberkulose, Mittheilungen aus dem Kaiserlichen Gesundheitsamt, Berlin (1884) Bd. 2, 1-88 — (4) R. Koch: Die Aetiologie der Tuberculose, Berliner Klinische Wochen- schrift (1882) Nr. 15, 221-230 — (5) Aus dem Verein für innere Medicin zu Berlin, Steno- gramm von Paul Ehrlichs Vortrag über seine Methode zur Färbung der Tuberkelbakterien, gehalten auf der Sitzung des Vereins für inne- re Medizin zu Berlin am 1. Mai 1882, Deutsche Medicinische Wochenschrift (1882) Bd. 8, 269-270

Anschrift des Verfassers:

Medizinaldirektor

Dr. med. Gerhard Troßmann Leiter des Staatlichen Gesundheitsamtes 8370 Regen

Phlebothrombose durch Skistiefel

Als Risikofaktoren für die Entste- hung von Venenthrombosen gilt auch heute noch die Virchowsche Trias: Trauma, körperliche Inakti- vität und Gerinnungsstörung. Dar- über hinaus können sportliche Leistungen auslösend wirken. So kennen wir die Effort-Thrombose (thrombose par effort), wie sie an den oberen und unteren Extremi- täten nach sportlichen Aktivitäten auftreten kann.

Typische Sportarten dabei sind Schwimmen, Tennisspielen, Handball und Gewichtheben.

In einer Kasuistik wurde jetzt von Schweizer Autoren über die Ent- stehung einer Phlebothrombose bei einem Skilehrer berichtet.

Nach einem Skitag ohne Sturz bzw. Verletzung trat ein Venen- verschluß im Bereich der Venae fibulares profundae auf. Die Thrombose begann unmittelbar am Skischuhrand, was einen kau- salen Zusammenhang nahelegt.

Die Autoren haben daraufhin eine Befragung bei zahlreichen sport- medizinischen Zentren und alpi- nen Sportzentren durchgeführt.

Es ergaben sich keine weiteren Hinweise auf ähnliche Vorfälle, so daß die Entstehung einer Phle- bothrombose durch Skischuhe eher eine Rarität zu sein scheint.

Der Berichterstatter erinnert aller- dings einen ähnlichen Fall aus der Gefäßsprechstunde: Bei einem 15jährigen Mädchen war nach ei- nem zweistündigen Ausritt eine Phlebothrombose aufgetreten.

Auch hier hat die Lokalisation der Thrombose direkt am Rand des Reitstiefels einen kausalen Zu- sammenhang nahegelegt.

dem

Schöbl, R.; Kocher, F., u. Vorburger, Ch.: Tiefe Beinvenenthrombose beim Skisport, Ein ka- suistischer Beitrag. Schweiz. med. Wschr. 113 (1983) 1402-1403, Ch. Vorburger, Med. Klinik, Kantonspital, CH-5404 Baden

434 (68) Heft 7 vom 17. Februar 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Wir haben bereits innerhalb der BLÄK eine neue Verwaltungsstruktur geschaf- fen, aber auch diese muss nun belebt werden.. BÄBL: Was heißt

Aus jenem Zweifel fand sich zunächst kein Ausweg, so daß B o u v a r d nur den nach 1781 angestellten Beobachtungen volles Gewicht bei- legte, indem er vorsichtig hinzufügte:

Dar- über hinaus sind wir bei gelegentlichem Schriftver- kehr immer sehr dankbar, wenn uns zur Ergänzung die Namen, Geburtsjahr und Adressen der jüngeren Generation angegeben

Patent, mit dem der stabile Kataster in Oesterreich ins Leben trat, erlassen wu rde : Der Gedanke, den hundertsten Ge d enktag dieser bedeutenden Schöpfung würdig zu

Die Evangelische Landes- schule zur Pforte in Meinerz- hagen ist ein allgemeinbilden- des Internatsgymnasium mit allen Fächerwahlmöglichkei- ten in der Mittel- und Ober- stufe,

Ein Meilenstein in der Firmen- und in der Medizirigeschichte war si- cherlich auch die Entdeckung der bakteriziden Wirkung von Sulfon- amiden eine Entdeckung, für die der

Dies wiederum war Anlaß dazu, daß das Bundesarbeitsministerium im Oktober 1951 den Entwurf eines Ge- setzes über die Regelung der Bezie- hungen zwischen Ärzten und

senärztlichen Selbstverwaltung in die RVO. Das zur einzigen Errechnungsart für die Gesamtvergütung erklärte Kopf- pauschale — errechnet aus den Aus- gaben der einzelnen Krankenkassen