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17. März 1984

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Heute auf Seite 3: Bismarck und Rußland (III)

U N A B H Ä N G I G E W O C H E N Z E I T U N G F Ü R D E U T S C H L A N D

Jahrgang 35 — Folge 11 Erscheint wöchentlich

Postvertrlebsstück.Gebühr bezahlt

17. März 1984

Landsmannschaft Ostpreußen e. V.

Parkallee 84/86, 2000 Hamburg 13

C5524C

Polen-Hilfe:

Ein Stein ins Wasser

Vorstoß von MdB Sauer löst interessante Reaktionen aus

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Helmut Sauer (Salzgitter), Landesvorsitzender der Schlesier in Niedersachsen sowie stellvertretender Landesvor- sitzender des dortigen BdV, hatte sich öffentlich gegen eine Unterstützung eines von westeuropä- ischen Bischofskonferenzen geplanten Hilfspro- gramms für die polnische Landwirtschaft durch Bundesmittel ausgesprochen.

Der Unionspolitiker begründete seine Haltung damit, daß ihm gesicherte Informationen vorlägen, wonach 50% der Mittel des vorgesehenen Hilfs- fonds an die Staatsgüter und landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften in Polen gehen sol- len und somit das Warschauer Militärregime einen direkten Zugriff auf die westlichen Hilfsgelder hätte.

Sauers Vorstoß hatte zu zahlreichen und sehr un- terschiedlichen Reaktionen in der breiten Öffent- lichkeit geführt. Wir berichteten darüber, daß vor allem der Fraktionsvorsitzende der CDU im Nie- dersächsischen Landtag, Werner Remmers, scharfe Kritik an den Äußerungen Sauers geübt hatte. Nach einer erst jetzt bekanntgewordenen Meldung der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung vom 22. Fe- bruar d. J. ging Remmers in seiner Kritik an Sauer sogar so weit, daß er äußerte, als Vertriebenen-Poli- tiker sei Sauer für eine derartige Kritik die „unge- eigneteste Figur".

Ebenfalls erst jetzt bekanntgeworden ist eine Meldung der Deutschen Tagespost vom 28.2.1984, wo der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz die Kritik Sauers an der Verteilung der Mittel des geplanten Hilfsfonds in Polen als „keineswegs neue Diffamierungskampagne" zurückgewiesen hat. Die heftige und sicher zum Teil auch polemische Kritik sowohl des CDU-Politikers Werner Remmers als auch des Sprechers der Deutschen Bischofskonfe- renz sorgte dafür, daß die gesamte Thematik nun- mehr in einer breiten Öffentlichkeit von verschie- denster Seite nach unterschiedlichsten Gesichts- punkten behandelt wurde.

Gegen „Maulkorb-Erlaß"

So übte die Vereinigung der Ost- und Mitteldeut- schen in der Niedersachsen-CDU ihrerseits heftige Kritik am CDU-Fraktionsvorsitzenden im Nieder- sächsischen Landtag. In einer vom Landesvorstand dieser Vereinigung einstimmig gefaßten Erklärung äußerte man Unverständnis darüber, daß Remmers seine Äußerungen aufgrund einer stark verkürzten Rundfunkmeldung gemacht hatte. Die CDU-Ver- einigung stellte sich eindeutig hinter ihren Landes- vorsitzenden Helmut Sauer und sprach ihr Mißfal- len darüber aus, daß Remmers Sauer überhaupt das Recht abgesprochen habe, sich als Vertriebenen- Sprecher zu diesem Themenkomplex zu äußern.

Dies grenze, so heißt es in der Erklärung der V. O. M.

in der Niedersachsen-CDU, an einen „Maulkorb- Erlaß" für einen maßgeblichen deutschlandpoliti- schen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.

Auch der sozialdemokratische Pressedienst

„PPP" befaßte sich in einer Meldung vom 21. Februar mit der von Werner Remmers in die Öffentlichkeit getragenen Auseinandersetzung und sieht die Ur- sachen für den Vorstoß Sauers tiefer liegen. Er ver- mutet hinter der Kritik Sauers den Ausbruch eines bereits lange schwelenden tiefen Dissenses zwi- schen der Amtskirche und den Landsmannschaf- ten. Sauer kritisiere indirekt den Papst wegen seiner Haltung in der Frage der Oder-Neiße-Grenze. In den Landsmannschaften, besonders aber in der landsmannschaftlichen Vertretung der Schlesier, herrsche Verbitterung darüber, daß der Papst bei seinem letzten Besuch in Polen auch den Annaberg aufgesucht und damit der kriegerischen Auseinan- dersetzung zwischen Polen und Schlesiern um Ge- bietsansprüche nach dem Ende des Ersten Welt- kriegs zugunsten der polnischen Seite einen offiziel- len anerkennenden Akzent verliehen habe.

Auch der WDR-Redakteur Franz Kusch beschäf- tigte sich in einem Kommentar mit dem Titel „Quer- schläge aus der Union" am 20. Februar mit den Äu- ßerungen Sauers. Kusch bezeichnete diese als

„Störfeuer aus Kreisen der Vertriebenenverbande und spricht ebenfalls wie der Sprecher der Deut- schen Bischofskonferenz von einer seltsamen A l - lianz mit jenen in Warschau, „denen die Sache aus ideologischen Gründen nicht paßt Auch Kusch vermutet hinter Sauers Vorstoß und der entspre- chenden Reaktion innerhalb der Union und der ka- tholischen Kirche weiterreichende Ursachen.

Der Kommentar macht deutlich, daß dahinter eine politisch motivierte Intention steckt, wobei die Absicht verfolgt wird, Vertriebenen-Politiker in- nerhalb der CDU/CSU als polenfeindlich darzustel- len, wenn er in seinem Kommentar verschweigt, daß sich Sauer keineswegs grundsätzlich gegen die Hilfsaktion für die polnische Landwirtschaft, son- dern vielmehr gegen die neuen Bedingungen wand- te, unter denen Warschau das Projekt zulassen will.

Journalistisches Bemühen, die von Sauer aufge- worfenen Fragen objektiv und mit Sachverstand zu behandeln, läßt eigentlich nur die Deutsche Tages- post erkennen. In ihrer Ausgabe vom 28. 2. veröf- fentlicht die katholische Tageszeitung einen Beitrag des polnischen Journalisten Macey Rybinski, der sich unter der Überschrift „Zwischen Ökonomie und Ideologie" eingehend mit der polnischen Landwirtschaft beschäftigt. Die Deutsche Tages- post weist in einem Vorspann zu diesem Beitrag ausdrücklich darauf hin, daß die Äußerungen Sau- ers für die Redaktion der Anlaß gewesen sind, sich einmal ausführlich mit dieser Thematik auseinan- derzusetzen. Der Beitrag von Macey Rybinski macht dann auch deutlich, wie recht Sauer mit sei- nen Befürchtungen hat. Mit eindrucksvollen Zahlen schildert der polnische Journalist die Unrentabilität der staatlichen polnischen Landwirtschaft und führt die hohe polnische Auslandsverschuldung sogar teilweise auf „in Kolchosen ertrunkene Gel- der" zurück. Wörtlich heißt es: „In Polen mehren sich heute besorgte Stimmen, die davor warnen, diese unrentablen und kostspieligen staatlichen Landwirtschaftsprojekte weiter zu unterstützen, da sich dadurch die Versorgungslage der Bevölkerung nur unwesentlich verbessern würde. Besorgt warnt man davor, daß der Staat seine ,Denkmal-Farmen' auch aus Mitteln jenes kirchlichen Fonds retten wolle, der zur Unterstützung der privaten polni- schen Landwirtschaft eingerichtet werden sollte."

Rybinski spricht sogar von Stimmen aus War- schau, daß geplant sei, allein 30 bis 50 Prozent der Stiftungssumme für die staatliche Landwirtschafts- industrie, also für den Bereich, der eine Zulieferrolle für die Landwirtschaft spielt, aufzuwenden und den Rest jeweils zu anteilig 50 Prozent auf die private und staatliche Landwirtschaft zu verteilen. Da- durch kämen letztlich der privaten Landwirtschaft nur 25 Prozent der Mittel aus dem Fonds zugute, der eingesetzt wurde, um gerade den privaten Sektor gegenüber dem staatlichen zu stärken.

Für die Macht des Systems?

Weiter heißt es in dem bemerkenswerten Beitrag:

„Durch den staatlichen Einfluß auf die Stiftungen haben die Geldgeber letztlich auch keinerlei Mög- lichkeit zu überprüfen, ob die aufgewandten Mittel wirklich ausschließlich für die Landwirtschaftsin- dustrie und für deren Aufgabe — Zulieferung z. B.

von Saatgut, Maschinenteilen, Reifen für die Land- wirtschaft — aufgewandt werden oder ob nicht doch Teile dieser Industrie für Armee und Polizei produzieren. Die hohen Aufwendungen für die Landwirtschaftsindustrie könnten, so mahnen be- sorgte Stimmen, an den Bedürfnissen der Privat- bauern vorbeigehen. Denn die private Landwirt- schaft braucht nicht schwere Traktoren, sondern ganz einfache Produktionsmittel. Ein weiteres Pro- blem ist, ob das Recht der Verteilung der Güter und Mittel allein dem Staat überlassen bleibt, der sicher- lich danach streben wird, seine Landwirtschaft und die Kolchosen zu bevorzugen. In den vergangenen Jahren sind 27 Mrd. Dollar an Krediten an Polen versickert. Regierungssprecher Jerzy Urban spricht davon, daß die polnische Landwirtschaftsindustrie zur völligen Gesundung 100 Mrd. Dollar benötige.

Doch bei jedem Kredit bleibt die Überlegung, kommt das Geld wirklich den produktiven Kräften zunutze oder wird nur die Macht des Systems abge- stützt?"

Bis heute ist weder von Werner Remmers noch vom Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz eine Reaktion auf diesen Beitrag des polnischen Journalisten Macey Rybinski zu vernehmen gewe- sen. Man muß daher die Frage aufwerfen, ob es den genannten unterschiedlichen Kritikern an Sauers Äußerungen wirklich um sachkundige Kritik ging, oder ob sich hinter diesen „Querschüssen" nicht wirklich ganz andere Beweggründe verbergen.

Es bleibt abzuwarten, wie bald jedermann wissen wird, daß Sauers Befürchtungen richtig gewesen sind. Maximilian Franke

Als „Run auf die DDR" k ö n n t e man fast die Reiselust bundesdeutscher Politiker nach Ost-Ber- lin bezeichnen. Im S t a a t s r a t s g e b ä u d e empfing Erich Honecker den FDP-Fraktionsvorsitzen- den Wolf gang Mischnick, den er zuletzt vor 11 Jahren mit Herbert Wehner zur Kaffeetafel am Werbellinsee gebeten hatte. Horst Ehmke besucht mit SPD-Parlamentariern die Volkskammer und die Leipziger Messe wird weiteren prominenten Politikern Gelegenheit bieten, G e s p r ä c h e zu führen Foto dpa

Das Spiel mit den Scheinfirmen

H . W . — In d i e s e n T a g e n z i e h t der F r ü h l i n g i n d i e d e u t s c h e n L a n d e — u n d w i e m a n m e i - n e n k ö n n t e , a u c h i n d i e d e u t s c h e P o l i t i k . G e - m e i n t s i n d die B e g e g n u n g e n z w i s c h e n d e n R e - p r ä s e n t a n t e n der b e i d e n S t a a t e n i n D e u t s c h - l a n d . O b das i n M i t t e l d e u t s c h l a n d errichtete S y s t e m „ D e u t s c h e D e m o k r a t i s c h e R e p u b l i k "

d i e s e n N a m e n rechtfertigt, sei dahingestellt.

D e u t s c h insofern, als d o r t D e u t s c h e leben, d e m o k r a t i s c h n u r i n der V o r s t e l l u n g s w e l t der R e g i e r e n d e n , u n d u n t e r „res p u b l i c a " , d e m G e m e i n w e s e n , sollte w o h l e i n Staat v e r s t a n - d e n w e r d e n , der n i c h t d e n S o n d e r i n t e r e s s e n der H e r r s c h e n d e n , s o n d e r n d e m a l l g e m e i n e n W o h l dient. Es m a g s i c h jeder s e i n e n e i g e n e n V e r s darauf m a c h e n , w a s es also m i t der D D R auf s i c h hat. In j e d e m F a l l e ist die D D R e i n G e - bilde, das aus der N i e d e r l a g e D e u t s c h l a n d s i m Z w e i t e n W e l t k r i e g v o n S t a l i n als e i n B o l l w e r k gegen d e n k a p i t a l i s t i s c h e n W e s t e n k o n z i p i e r t w u r d e m i t der Z i e l s e t z u n g , V o r h u t der s o z i a l i - s t i s c h e n K r ä f t e gegen W e s t e n u n d z u g l e i c h treuer V a s a l l des K r e m l u n d Sicherheitsfaktor für d e n K r e m l z u s e i n . E i n erprobter Sicher- heitsfaktor, w i e der E i n m a r s c h i n Prag unter Beweis gestellt hat. U n d selbst W a r s c h a u liegt z w i s c h e n O s t - B e r l i n u n d M o s k a u . . .

Ü b e r l a n g e J a h r z e h n t e ist diese D D R n i c h t a n e r k a n n t w o r d e n . D i e s o z i a l l i b e r a l e Regie- r u n g B r a n d t / G e n s c h e r hat d e n „ z w e i t e n deut- s c h e n Staat" erfunden u n d hoffähig g e m a c h t u n d a u c h d a unsere V e r b ü n d e t e n nicht deut- scher s i n d als die D e u t s c h e n selbst, erfreut s i c h die D D R heute a l l g e m e i n e r A n e r k e n n u n g u n d ist i n d e n i n t e r n a t i o n a l e n O r g a n i s a t i o n e n ver- treten.

D e r a n g e b l i c h „ k a l t e K r i e g " ist d e m „ f r e u n d - l i c h e n N e b e n e i n a n d e r " g e w i c h e n , u n d i n d i e - s e m Z e i c h e n b e w e g e n s i c h a u c h d i e P o l i t i k e r der derzeitigen K o a l i t i o n . M a n sieht H o r s t E h m k e m i t P a r l a m e n t a r i e r n seiner F r a k t i o n i n der V o l k s k a m m e r u n d k ö n n t e fast m e i n e n , hier sei sozusagen e i n G e g e n s t ü c k z u m Bundestag v o r h a n d e n . D a b e i besitzt diese V o l k s v e r t r e - tung der D D R k e i n e r l e i Einfluß auf die i n n e r p o - l i t i s c h e G e s t a l t u n g des L e b e n s i n M i t t e l - d e u t s c h l a n d u n d stellt l e t z t l i c h n u r die Stati- sten für die R e d e n , die v o n d e n m a c h t a u s ü - b e n d e n G e n o s s e n g e h a l t e n w e r d e n .

D i e D D R - S p i t z e w i r d m i t Behagen eine Ent- w i c k l u n g verfolgen, v o n der sie glaubt, d a ß damit i h r e n Z w e c k e n gedient werde. D i e Ziele der D D R s i n d w e i t g e h e n d b e k a n n t : es geht u m die Frage der d e u t s c h e n S t a a t s b ü r g e r s c h a f t , es geht u m d i e Erfassungsstelle i n Salzgitter, es geht u m v i e l e s andere u n d es geht v o r a l l e m u m K r e d i t e .

D i e R e p r ä s e n t a n t e n der B u n d e s r e p u b l i k h a b e n s i c h gerade auf d e m l e t z t g e n a n n t e n G e b i e t als k e i n e s w e g s z u g e k n ö p f t erwiesen u n d die Bereitstellung der e r w ü n s c h t e n (oder hinter vorgehaltener H a n d angedeuteten) M i l - l i o n e n d a r a n g e k n ü p f t , d a ß als G e g e n l e i s t u n g etwas für d i e M e n s c h e n i n D e u t s e h l a n d her- a u s k o m m e n m ü s s e . Es ist s i c h e r l i c h s c h l i m m , w e n n s i c h e i n R e g i m e jede a n s i c h selbstver- s t ä n d l i c h e h u m a n e L e i s t u n g erst i n S c h e i n e n b e z a h l e n läßt, aber w i l l m a n z u e i n e m Erfolg k o m m e n , w i r d m a n derartige K r ö t e n s c h l u c k e n m ü s s e n . D i e M e t h o d e a n s i c h je- d o c h richtet s i c h selbst.

Soweit h u m a n i t ä r e H i l f e w i r k l i c h für h u m a - n i t ä r e Z w e c k e v e r w a n d t w i r d u n d d e m W o r t v o n S t r a u ß , m a n b e t r e i b e a k t i v e O s t p o l i t i k ,

„ d a m i t unsere freiheitlichen G e d a n k e n a u c h dort d r ü b e n v e r b r e i t e t w e r d e n k ö n n e n " , e i n t a t s ä c h l i c h e r W e r t b e i k o m m t , w i r d m a n a n d e n v o n der D D R gesetzten K r i t e r i e n nicht v o r b e i k o m m e n . O b w i r uns m i t unseren Hoff- n u n g e n v e r r e c h n e n , das allerdings steht i n d e n Sternen.

D i e G e l d s o r g e n der D D R s i n d b e t r ä c h t l i c h u n d O s t - B e r l i n geht, u m diese Last z u m i n d e r n , eigenartige W e g e . S o hat der Bundestagsab- geordnete D r . C z a j a j ü n g s t die Bundesregie- r u n g gefragt, o b es zutreffe, „ d a ß d i e Beschaf- fung u n d der V e r s a n d v o n W a r e n , d e r e n A u s - fuhr aus der B u n d e s r e p u b l i k D e u t s c h l a n d i n die D D R u n d a n d e r e R W G - S t a a t e n aus S i - c h e r h e i t s g r ü n d e n v e r b o t e n ist, ü b e r k o m m u - nistische S c h e i n f i r m e n m i t Sitz i m In- u n d A u s - l a n d d u r c h g e f ü h r t w i r d , w o b e i e i n T e i l der G e - w i n n e v o n m e h r als 60 M i o . D M für d i e F i n a n - z i e r u n g der D K P V e r w e n d u n g findet, u n d w a s g e d e n k t die B u n d e s r e g i e r u n g gegebenenfalls zur G e w ä h r l e i s t u n g der S i c h e r h e i t . . . i n d i e - s e m Z u s a m m e n h a n g z u tun?"

C z a j a hatte s i c h h i e r b e i auf e i n e n r e d a k t i o -

(2)

um» u\\ J l i i M ' l l l H I I I J

t m O f i D r t u ß m b l Q ü 17. M ä r z 1984 — Folge 11 — Seite 2

nellen Beitrag i n der Tageszeitung „Die W e l t "

v o m 1. Februar 1984 bezogen, i n d e m ausge- führt worden war, d a ß die D D R mit v o n ihr ge- steuerten Firmen i n der Bundesrepublik D e u t s c h l a n d Zugang z u D e v i s e n sowie z u G ü - tern — gelegentlich Embargowaren — sucht, die die D D R - W i r t s c h a f t dringend b e n ö t i g t und d a ß sie mit diesen F i r m e n G e w i n n e erwirt- schaftet, aus denen e i n T e i l der mehr als 60 M i l - lionen aufgebracht wird, mit denen die S E D g e g e n w ä r t i g die „ D e u t s c h e K o m m u n i s t i s c h e Partei" (DKP) weitgehend finanziert.

N a c h d e m der Innenminister b e s t ä t i g t e , d a ß diese A n g a b e n i m Grundsatz zutreffen, m ö c h - ten w i r hieran keine weitere D i s k u s s i o n an- k n ü p f e n , sondern der Erwartung A u s d r u c k geben, d a ß die Bundesregierung aus erkann- ten Tatsachen entsprechende Folgerungen zieht. S i n n unserer politischen A r b e i t m u ß eben sein, zu e r m ö g l i c h e n , d a ß unsere freiheit- lichen G e d a n k e n auch d r ü b e n verbreitet wer- den k ö n n e n , u n d es gilt z u verhindern, d a ß die Bundesrepublik i n einen zweiten sozialisti- schen deutschen Staat umfunktioniert werden kann.

Andere

M e i n u n g e n

Ulf nc Ädic r Teilung

Ausreisewelle von DDR-Bürgern

Zürich — „Der Stacheldraht an der inner- deutschen Grenze dient heute dazu, d e m S E D - Regime die v o l l s t ä n d i g e A u s s c h ö p f u n g seiner m e n s c h l i c h e n Reserven i n der wirtschaftli- chen K r i s e z u g e w ä h r l e i s t e n , unter Einbezie- hung sogar derer, die nicht i m Lande b l e i b e n wollen. Das A b m e s s e n mit d e m T r o p f e n z ä h l e r sorgt dafür, d a ß die Preise stabil b l e i b e n . Es m u ß erlaubt sein, an das B e s c h ä m e n d e dieses H a n d e l n s z u erinnern."

Blick nach Westen:

Festigkeit als deutsches Gütezeichen

Nach dem Kohl-Besuch: Deutsch-amerikanische Beziehungen wurden weiter gefestigt

Deutsch-amerikanische Konsultationen über eu- ropäische und weltpolitische Fragen sind keine Selbstverständlichkeiten. Konrad Adenauer hat die deutsch-amerikanische Freundschaft begrün- det und sie in persönlichen und politischen Fragen unablässig gefestigt. Sie ist heute Kernstück der at- lantischen Gemeinschaft, wie die deutsch-französi- sche Freundschaft Kernstück der Europäischen Gemeinschaft ist.

In den 17 Monaten seiner Regierungszeit besuch- te Bundeskanzler Kohl das dritte Mal die Vereinig- ten Staaten von Amerika. Unter den führenden Bundeskanzlern waren es Ludwig Erhard und Kurt Georg Kiesinger, die geradezu mit entnervender Ignoranz behandelt wurden. Bei den ersten beiden Besuchen Kohls in den USA, glaubten die Medien, ihn am Rande notieren zu können. Ein Teil qualifi- zierte ihn als außenpolitischen Dilletanten ab. Die- ses Mal haben ihn auch jene Kreise und Kräfte der Politik, des Fernsehens und der Zeitungen ernst genommen, die man nahezu zu seinen Gegnern rechnen mußte.

Helmut Kohl hat für das Washington Ronald Reagans heute deshalb einen so hohen Stellenwert, weil er in der Frage der Raketen Wort gehalten hat.

Das hat in den USA imponiert, das hat ihm Ansehen verschafft. Festigkeit in jeder Form gilt auch in den USA als deutsches Gütezeichen.

Kohl signalisierte Reagan bereits vor seinem Be- such, daß er der Überzeugung sei, daß es an der Zeit sei, besonders nach Antritt Tschernenkos als neuer sowjetischer KP-Chef, direkt mit Moskau Verhand- lungen aufzunehmen. Dies entspräche auch den eu- ropäischen Interessen. Der Westen zeige, so hieß es in Washington, eine ausgestreckte Hand, in die die Sowjets nur einzuschlagen brauchten.

Präsident Reagan unterstrich die „starke Haltung und den Mut des Bundeskanzlers und der Bundes- regierung in der Durchführung des NATO-Doppel- beschlusses". Bundeskanzler Kohl betonte nach- drücklich, daß die deutsche Politik zu dem ausge- wogenen Konzept der atlantischen Verteidigung stände. Er gab Kissinger mit seiner Umstrukturie- rungsplanung amerikanischer Truppen in Europa eine klare Absage. In Europa dürfe kein Zweifel an

der amerikanischen militärischen Präsenz auf- kommen. Ein Nachlassen der Verteidigungsbemü- hungen des Westens würde dem sowjetischen Ziel der Neutralisierung Deutschlands und Europas Vor- schub leisten.

Reagan stimmte sowohl in der sicherheitspoliti- schen Analyse als auch mit den europäischen Ver- teidigungsanliegen des Kanzlers voll überein.

Ein schweres Thema waren die amerikanisch-eu- ropäischen Wirtschaftsbeziehungen. Ob die Ame- rikaner von der geplanten Erweiterung der Schutz- zollpolitik abgehen werden, ist auch nach den Ge- sprächen Kohls mit Mitgliedern des Senatskaum zu erwarten.

Auch die Hochzinspolitik, die der europäischen Wirtschaft mehr als Sorgen bereitet, dürfte im Jahr der Präsidentenwahl keine grundlegende Ände- rung erfahren.

Unerfreulich war der Versuch einer Inseraten- kampagne gegen die geplante Waffenlieferung an Saudi-Arabien. „Wird das Töten von Juden wieder zu einem deutschen Geschäft?" hieß es u. a. in den Schlagzeilen einiger Zeitungen. Der Bundeskanzler Strauß zur Leipziger Messe:

In der Tat haben diese Aktionen am Rande das

Klima nicht gestört. . Der Besuch Kohls wird von Politik und Publizistik

positiv registriert. Es sei Kohl gelungen, das in Wa- shington aufgekommene Mißtrauen gegenüber der europäischen Politik abzubauen. Der Kanzler habe Europas Interessen stärken können, ohne das atlan- tische Bündnis zu schwächen.

Reagan bescheinigte Bundeskanzler Kohl: „Nach nur 17 Monaten im Amt stehen Sie in vorderster Reihe der Führung in der westlichen Welt. Es gibt kaum eine Frage von internationaler Bedeutung, zu der Ihre Meinung nicht gehört und bei deren Beant- wortung Ihr Einfluß nicht empfunden würde."

In fast allen amerikanischen Kommentaren wird darauf hingewiesen, daß Helmut Schmidt ein für Amerika unangenehmer Kanzler gewesen sei, der sich weder mit Reagan noch mit Jimmy Carter ver- standen habe.

Das Echo für Kohl ist allgemein bemerkenswert.

Die „Washington Post", die konservativen Regie- rungen und Politikern, wie auch Reagan und Kohl, zumeist reserviert gegenübersteht, schrieb: „Hei-

Wanderer zwischen Welten:

Martin Niemöller f

Seine eigene Kirche war ihm in den letzten Jahren oft ein Ärgernis

Überflieger

Im Alter von 92 Jahren ist an seinem Wohnsitz in Wiesbaden Pastor Martin Niemöller verstorben.

Schon seit langem kränkelnd, machte er nicht mehr die Schlagzeilen, wie etwa in den Jahren, da er u. a.

selbst mit der Kölner Kabarettistin Trude Herr

„gegen den Atomtod" demonstrierte. Mit todern- stem Gesicht — und so todernst nahm er sich aller Aufgaben an, die er sich gestellt sah. Er war Marine- offizier und deutsch-nationaler Freikorpsführer, Kommandant eines U-Bootes und Pfarrer in Berlin- Dahlem zu der Zeit, da sich die Spaltung der evange- lischen Christen in die „Deutschen Christen" und in die „Bekennende Kirche" vollzog. Letztere hatte in Niemöller einen ihrer prominentesten Wortführer, der keineswegs mit seiner Meinung gegen das Re- gime hinter dem Berge hielt. Das wiederum brachte ihn ins Konzentrationslager, wo er als „besonderer Häftling des Führers" (was immer das auch gewesen sein mag) gehalten wurde. Als 1939 der Krieg aus- brach, stellte sich der ehemalige U-Boot-Komman- dant Niemöller zum Kampf mit der Waffe seinem Vaterland wieder zur Verfügung. Ein Ansuchen, von dem das Regime keinen Gebrauch machte.

Niemöller war ein schwieriger Mann, selbst für diejenigen, die glaubten, auf seiner Linie zu liegen.

Selbst als Präsident der Landeskirchen von Hessen

und auch als Präsident des Weltkirchenrates ver- mochten ihm seine Gläubigen nicht auf oft seltsa- men Wegen zu folgen.

Der Mann, der den Ersten Weltkrieg kämpfend erlebt hatte, nannte sich einen radikalen Pazifisten.

Das ging so weit, daßer „die Ausbildung zum Solda- ten die hohe Schule zum Berufsverbrecher" nannte, eine Äußerung, die ihn zahlreiche Anhänger koste- te. Er hielt nicht viel von der Bundesrepublik, die er als „in Rom gezeugt, in Washington geboren" be- zeichnete, was aber unsere Staatsführung nicht hinderte, ihm das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland zu verleihen. Er reiste in die Sowjetunion und nahm dort 1967 den von Stalin gestifteten Lenin-Friedenspreis entge- gen. Im Jahre 1980 stand er in den vorderen Reihen der Initiatoren des Krefelder Appells.

Mit seiner Kirche vermochte er nicht in Frieden zu leben. Es kursiert ein ihm zugeschriebenes Wort, er sei längst aus der evangelischen Kirche ausgetre- ten, wenn er nicht von ihr Pension beziehe. Und leben mußte schließlich der Mensch, der am Ende seines Leben bekannte, seine Kirche habe ihn oft mehr geärgert als Hitlers Konzentrationslager.

Trotz allem: Jetzt möge er seinen Frieden gefunden haben. H . O.

hat die Angriffe ruhig und mit großem Takt beant- wortet.

In einem Fernsehinterview wies der Kanzler dar- auf hin, daß in der Bundesrepublik die Verantwor- tung gegenüber Israel durchaus anerkannt werde.

Sie stehe aber der traditionellen Freundschaft mit der arabischen Welt gegenüber. Jeder, der sich mit der Geschichte beschäftige, wisse, daß Saudi-Ara- bien Israel nie angreifen werde. Kohl wies weiter darauf hin, daß er die einseitige Behandlung Deutschlands nicht verstehe, denn die größten Waf- fenlieferanten an Saudi-Arabien seien die USA sowie England und Frankreich. Der deutsche Bun- deskanzler blieb unberührt von dieser Kampagne, die eine direkte Einmischung in die deutsche Außenpolitik bedeute, was auch jüdische Ge- sprächspartner fairerweise bestätigten.

Zeichnung aus „Berliner Morgenpost"

mut Kohl erfreut sich einer größeren Harmonie mit einem US-Präsidenten als jeder andere bundes- deutsche Regierungschef seit den Zeiten Konrad Adenauers."

Kohl ist in amerikanischen Augen ein Regierungs- chef mit hohem, persönlichen Selbstbewußtsein, der den Wert der Bundesrepublik als Partner im At- lantischen Bündnis und im bilateralen Verhältnis zu den Vereinigten Staaten nicht unterschätzt und der nach der laufenden NATO-Nachrüstung jetzt auch amerikanische Pflichten sieht, beispielsweise die zur Konsultation der Partner bei der Konzipierung der amerikanischen Sicherheitspolitik.

Es ist gut, wenn die stärkste Nation im europäi- schen Bündnis über ein freundschaftliches Verhält- nis mit der stärksten Macht im atlantischen Bündnis verfügt. Hans Edgar Jahn

Medien: F ö r d e r u n g e n :

SFB stellt Ost-West-Journal ein Jugend-Kurzreisen in die DDR

Dftpraiöm&latt

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Kritik gefunden hat die Entscheidung des Sen- ders Freies Berlin (SFB), das „Ost-West-Journal", das einzige werktägliche Programm speziell für die Deutschen in der DDR, einzustellen. Fast fünfund- dreißig Jahre lang hatte die Sendung ihren unan- tastbaren Platz im SFB-Programm, zuletzt von Mon- tag bis Freitag von 19.05 bis 19.15 Uhr und in der Wiederholung kurz nach Mitternacht. Die Begrün- dung des Senders für die Einstellung des Journals, das sich — zum Beispiel mit Berichten über Wirt- schaftslage und -plane, neue Gesetze und Verord- nungen — bemühte, den Deutschen „drüben" ihren Alltag zu erleichtern, nennt die „Zeit" „ebenso hane- büchen wie beschämend": weil der SFB sein Vor- abend-Fernsehprogramm attraktiver machen will, muß dort die „Internationale Presseschau" Platz für ein neues „Tele-Journal" machen. Die Presseschau rutscht in den Hörfunk, das „Ost-West-Journal"

fällt weg. Verwundern muß, daß dies unter der In- tendanz von Lothar Löwe passiert. „Eigentlich ist Löwe genau der richtige Intendant, um dafür zu sor- gen, daß der SFB seinen besonderen deutschland- politischen Auftrag nicht vergißt. Als ARD-Korre- spondent wurde er aus der DDR ausgewiesen, nachdem er in einem Fernsehkommentar festge- stellt hatte, an der innerdeutschen Grenze würden die Menschen ,wie Hasen' totgeschossen. Als er dann später zum SFB-Chef gewählt wurde, mag sich mancher Journalist dort eingebildet haben, unter einem Intendanten Löwe würde die kritische DDR- Berichterstattung des bis weit in die DDR strahlen- den Westsenders eher intensiviert werden", schreibt die „Zeit". a. \y]

D i e Bundesregierung f ö r d e r t neuerdings a u c h e i n - bis z w e i t ä g i g e K u r z r e i s e n v o n J u - gend-, S c h ü l e r - u n d S t u d e n t e n g r u p p e n i n die D D R u n d n a c h O s t - B e r l i n . K u r z r e i s e n werden g e f ö r d e r t , d a m i t s i c h J u g e n d l i c h e aus eigener A n s c h a u u n g ü b e r d i e D D R u n d O s t - B e r l i n i n - formieren u n d d i e L e b e n s b e d i n g u n g e n der M e n s c h e n i n M i t t e l d e u t s c h l a n d kennenler- nen k ö n n e n . B u n d e s z u s c h ü s s e k ö n n e n erhal- ten:

• J u g e n d g r u p p e n mit T e i l n e h m e r n v o m v o l l - e n d e t e n 16. b i s z u m v o l l e n d e t e n 25. L e - bensjahr,

• S c h u l k l a s s e n ab d e m 9. Schuljahr,

• S t u d e n t e n g r u p p e n .

F ö r d e r u n g s a n t r ä g e m ü s s e n b e i d e n z u s t ä n - digen L ä n d e r b e h ö r d e n eingereicht werden;

ein V e r z e i c h n i s dieser B e h ö r d e n ist b e i m G e - samtdeutschen Institut i n Bonn e r h ä l t l i c h . Die F ö r d e r u n g u m f a ß t :

• F a h r t k o s t e n z u s c h u ß für d i e Hinfahrt z u m und die R ü c k f a h r t v o m n ä c h s t g e l e g e n e n G r e n z ü b e r g a n g i n die D D R ,

• p a u s c h a l e n F a h r t k o s t e n z u s c h u ß v o n 7 D M je T e i l n e h m e r für die Fahrt i n n e r h a l b der D D R u n d i n O s t - B e r l i n ,

• p a u s c h a l e n Z u s c h u ß v o n 5 D M je Tag und T e i l n e h m e r für d e n A u f e n t h a l t i n der D D R u n d O s t - B e r l i n . ß F.

(3)

17. M ä r z 1984 - F o l g e 11 - Seite 3

Jus Cftmtußfnblan Zeitgeschichte

U

m das D e u t s c h e R e i c h vor einer E i n k r e i - s u n g z u s c h ü t z e n u n d insbesondere, um n i c h t i n d i e f r a g w ü r d i g e ö s t e r r e i c h i s c h e B a l k a n p o h t i k h i n e i n g e z o g e n zu werden, setzte B i s m a r c k , n a c h R u ß l a n d s W e i g e r u n g das D r e i - K a i s e r - B ü n d n i s zu e r n e u e r n , auf e i n zweiseiti- ges d e u t s c h - r u s s i s c h e s G e h e i m a b k o m m e n . In erster L i n i e w o l l t e er d a m i t die s i c h a b z e i c h n e n - de f r a n z ö s i s c h - r u s s i s c h e A n n ä h e r u n g aufhal- ten. P o p u l ä r w a r d i e s e r S c h r i t t i n D e u t s c h l a n d n i c h t . D e r V e r t r a g ist ü b e r h a u p t n u r als Ele- ment der G e h e i m d i p l o m a t i e d e n k b a r gewe- sen, w e i l d i e a l l g e m e i n e S t i m m u n g i m R e i c h d a m a l s alles a n d e r e als r u ß l a n d f r e u n d l i c h war.

D e r p r e u ß i s c h e L a n d a d e l , der a m H o f i n B e r l i n e i n e n b e d e u t e n d e n E i n f l u ß hatte, war e b e n - s o w e n i g r u s s o p h i l w i e d i e M e h r h e i t der Offi- ziere der p r e u ß i s c h e n A r m e e . F ü r die p r e u ß i - s c h e n A g r a r i e r w a r der r u s s i s c h e G e t r e i d e - ü b e r s c h u ß e i n e s t ä n d i g e B e d r o h u n g der S c h u t z z ö l l e . D i e I n d u s t r i e l l e n w a r e n ä r g e r l i c h auf d e n Z a r e n , w e i l er d i e G e n e h m i g u n g zur E r r i c h t u n g v o n F a b r i k e n z u r ü c k g e w i e s e n hatte. Es e n t w i c k e l t e n s i c h a u c h S p a n n u n g e n z w i s c h e n D e u t s c h l a n d u n d R u ß l a n d auf d e m K a p i t a l m a r k t , was d i e F r a n z o s e n b e g r ü ß t e n , d e n n sie ö f f n e t e n ihre T ü r e n w e i t z u m A u f b a u engerer f r a n z ö s i s c h - r u s s i s c h e r F i n a n z i n t e r e s - sen. E i n s t ä r k e r e s Z u s a m m e n g e h e n z w i s c h e n d i e s e n b e i d e n L ä n d e r n k o n n t e aber für das R e i c h n u r k a t a s t r o p h a l e F o l g e n h a b e n u n d so

Das „ganz geheime Zusatzprotokoll"

k a m es z u j e n e m A k t , d e n der H i s t o r i k e r R u - d o l p h W a h l e i n m a l als „ d e n G i p f e l p u n k t m a - c h i a v e l l i s t i s c h e r G e h e i m d i p l o m a t i e " b e z e i c h - nete.

D e r a m 18. J u n i 1887 a b g e s c h l o s s e n e V e r - trag z w i s c h e n R u ß l a n d u n d d e m D e u t s c h e n R e i c h , der unter d e m N a m e n „ R ü c k V e r s i c h e - r u n g s v e r t r a g " i n d i e G e s c h i c h t e e i n g i n g , hatte u . a . folgenden W o r t l a u t :

„Art. 1: F ü r den Fall, d a ß eine der hohen v e r t r a g s c h l i e ß e n d e n Parteien sich mit einer dritten G r o ß m a c h t im Kriege befinden sollte, w i r d die andere eine wohlwollende Neutrali- tät bewahren und ihre Sorge darauf richten, den Streit ö r t l i c h zu begrenzen. Diese Bestim- mung soll auf einen Krieg gegen Ö s t e r r e i c h oder Frankreich keine Anwendung finden, falls dieser Krieg durch einen Angriff einer der hohen v e r t r a g s c h l i e ß e n d e n Parteien gegen eine dieser beiden letzteren M ä c h t e hervorgerufen ist.

Art. 2: Deutschland erkennt die geschicht- lich erworbenen Rechte R u ß l a n d s auf der Balkanhalbinsel an und insbesondere die R e c h t m ä ß i g k e i t seines vorwiegenden und entscheidenden Einflusses in Bulgarien und Ostrumelien...

Art. 3: Die beiden H ö f e erkennen den euro- p ä i s c h e n und gegenseitig bindenden Charak- ter des Grundsatzes der S c h l i e ß u n g der Meer- engen des Bosporus und der Dardanellen a n . . . "

N o c h p i k a n t e r w a r das „ g a n z g e h e i m e Z u - s a t z p r o t o k o l l " , i n d e m es h i e ß : „In dem Falle, d a ß Seine M a j e s t ä t der Kaiser von R u ß l a n d sich in die Notwendigkeit versetzt sehen soll- te, zur Wahrung der Interessen R u ß l a n d s selbst die Aufgabe der Verteidigung des Zu- ganges zum Schwarzen Meer zu ü b e r n e h m e n , verpflichtet sich Deutschland, seine wohlwol- lende N e u t r a l i t ä t zu g e w ä h r e n und die M a ß - nahmen, die Seine M a j e s t ä t für notwendig hal- ten sollte, um den S c h l ü s s e l seines Reiches in der Hand zu behalten, moralisch und diploma- tisch zu u n t e r s t ü t z e n . "

Es ist oft gefragt w o r d e n , was hat d i e s e r V e r - trag d e n D e u t s c h e n e i n g e b r a c h t . D e n R u s s e n w u r d e freie H a n d i n B u l g a r i e n gelassen u n d ihr Zugriff auf die M e e r e n g e n n i c h t m e h r i n Frage gestellt. U n d das D e u t s c h e R e i c h ? D e r G e w i n n für B i s m a r c k u n d D e u t s c h l a n d lag d a r i n , d a ß das G e s a m t s y s t e m der e u r o p ä i s c h e n V e r t r ä g e i m G l e i c h g e w i c h t b l i e b ! D e r r u s s i s c h - f r a n z ö s i - s c h e n A n n ä h e r u n g w a r vorerst E i n h a l t gebo- ten.

R u n d 40 T a g e n a c h d e m A b s c h l u ß des V e r - trages n a h m B i s m a r c k e i n e n B e s u c h des ö s t e r - r e i c h i s c h e n K a i s e r s F r a n z - J o s e p h I. b e i K a i s e r W i l h e l m I. a n l ä ß l i c h dessen A u f e n t h a l t s i n G a s t e i n z u m A n l a ß , s e i n e m M o n a r c h e n n o c h e i n m a l die P r o b l e m a t i k dieses V e r t r a g e s zu er- l ä u t e r n . In s e i n e m i n V a r z i n a m 28. J u l i 1887 e n t s t a n d e n e n B e r i c h t m a c h t er d e n greisen W i l h e l m darauf a u f m e r k s a m , d a ß der V e r t r a g a b s o l u t e r G e h e i m h a l t u n g u n t e r l i e g e n m ü s s e , da K a i s e r A l e x a n d e r III. sonst b e f ü r c h t e n m ü s s e , d a ß i h m der A b s c h l u ß i n der ö f f e n t h - c h e n M e i n u n g s e i n e s L a n d e s u n d i n der star- k e n p a n s l a w i s t i s c h e n P a r t e i g r o ß e n S c h a d e n z u f ü g e n k ö n n e . D e r V e r t r a g w e r d e v o n D e u t s c h l a n d „ n u r i m S i n n e des F r i e d e n s u n d n i e m a l s z u m S c h a d e n Ö s t e r r e i c h s " v e r w e n - det D i e b e i d e n s e p a r a t e n V e r t r a g e mit O s t e r - r e i c h u n d R u ß l a n d , so a r g u m e n t i e r t er, „ v e r - m ö g e d e r e n E u e r e pp. g e g e n w ä r t i g einerseits

„ D e r Lotse v e r l ä ß t das Schiff Zeichnung aus dem „Punch" (März 1890)

Bismarck und Rußland (III)

Der RückVersicherungsvertrag vom 18. Juni 1887

V O N U W E G R E V E

m i t Ö s t e r r e i c h u n d andererseits mit R u ß l a n d defensiv v e r b u n d e n s i n d u n d d a h e r das Inter- esse h a b e n , d e n F r i e d e n a u c h z w i s c h e n Ö s t e r - r e i c h u n d R u ß l a n d n a c h w i e v o r z u erhalten, b i l d e n e i n e n Ersatz für den abgelaufenen u n d an der W e i g e r u n g des K a i s e r s A l e x a n d e r , m i t Ö s t e r r e i c h d i r e k t z u paktieren, gescheiterten D r e i - K a i s e r v e r t r a g ; der F o r m n a c h e i n e n m i n - destens e b e n s o w i r k s a m e n " .

D e n Effekt des „ R ü c k v e r s i c h e r u n g s v e r t r a - ges" e r l ä u t e r t er so: „ W i r s t e h e n d a n n für die n ä c h s t e n d r e i Jahre, auf w e l c h e unser russi-

a m 1. F e b r u a r 1890 n i c h t z u m ersten M a l e d u r c h s e i n gerades u n d aufrechtes W e s e n auf- gefallen, e i n beweglicher M a n n , der als Infante- rist z w i s c h e n 1883 u n d 1888 die A d m i r a l i t ä t er- folgreich geleitet hatte; eine P e r s ö n l i c h k e i t v o n k l a r e m d u r c h s i c h t i g e n C h a r a k t e r u n d i n - nerer Einfachheit, der d e m Ruf zur K a n z l e r - schaft F o l g e leistete, w i e es der Geschichtsfor- scher S c h n e i d e w i n e i n m a l a u s d r ü c k t e , „im V e r t r a u e n auf s e i n e n p a t r i o t i s c h e n W i l l e n , seine A r b e i t s k r a f t , L e r n f ä h i g k e i t u n d das aus s e i n e n J a h r e n , s e i n e n f r ü h e r e n S t e l l u n g e n u n d

d e n letzten J a h r e n v o n B i s m a r c k s K a n z l e r - schaft deutete s i c h eine v e r s t ä r k t e A n n ä h e - rung z w i s c h e n F r a n k r e i c h u n d R u ß l a n d an. D i e w a c h s e n d e p a n s l a w i s t i s c h e Partei i m Z a r e n - reich, die a u c h i n der P u b l i z i s t i k u n d D i p l o m a - tie gut v e r t r e t e n war, k ä m p f t e für eine V e r b r ü - d e r u n g der b e i d e n Staaten gegen Ö s t e r r e i c h - U n g a r n u n d D e u t s c h l a n d . Solange jedoch A l e x a n d e r III. auf den deutsch-russischen V e r - trag baute, k o n n t e n sie s i c h nicht durchsetzen.

D e r v o n C a p r i v i a m A n f a n g seiner K a n z - lerschaft ausgesprochene V e r z i c h t auf eine V e r - l ä n g e r u n g des „ R ü c k V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g e s "

m u ß t e d e n Z a r e n aber fast z w a n g s l ä u f i g auf die f r a n z ö s i s c h e K a r t e setzen lassen. So hat die E n t s c h e i d u n g , d e n G e h e i m v e r t r a g nicht z u er- neuern, das k o m p l i z i e r t e e u r o p ä i s c h e Sicher- h e i t s b ü n d n i s - S y s t e m z u u n g u n s t e n D e u t s c h - lands v e r ä n d e r t . Es w u r d e jene K o a l i t i o n gebo- ren, aus der — w e n n a u c h erst fast e i n V i e r t e l - jahrhundert s p ä t e r — der Erste W e l t k r i e g ent- stand.

D a ß B i s m a r c k selbst diese Gefahren ahnte, sehen w i r a n s e i n e n V e r s u c h e n , d o c h n o c h mit E n g l a n d i n e i n besseres E i n v e r n e h m e n z u k o m m e n , m i t j e n e m E n g l a n d , das aufgrund seiner B a l a n c e - P o l i t i k g e g e n ü b e r den e u r o p ä i - s c h e n Festlandstaaten k a u m als F r e u n d z u g e w i n n e n war u n d das z u d e m i n der deutschen K o l o n i a l p o l i t i k eine schwere K o n f r o n t a t i o n e m p f a n d . Z w e i m a l ist der R e i c h s k a n z l e r n o c h k u r z v o r d e m E n d e seiner p o l i t i s c h e n Lauf- b a h n an E n g l a n d herangetreten. A m 22. N o - v e m b e r 1887 v e r s u c h t e er S a l e s b u r y i n e i n e m Brief für e i n e n O r i e n t - D r e i b u n d zu g e w i n n e n . A u s d e m Inhalt geht d e u t l i c h hervor, d a ß die D e u t s c h e n eine F ü h l u n g n a h m e m i t E n g l a n d z w e c k s eines d i r e k t e n B ü n d n i s s e s w ü n s c h t e n . D o c h die e n g l i s c h e F ü h r u n g w o l l t e d i e s e n W i n k n i c h t verstehen.

A m 11. J a n u a r 1889 gab B i s m a r c k e i n e n E r l a ß an d e n d e u t s c h e n Botschafter Graf H a t z - feld w e i t e r u n d forderte i h n auf, offiziell e i n B ü n d n i s z u beantragen. Graf H e r b e r t Bismarck fuhr darauf h i n in geheimer M i s s i o n n a c h L o n - don, u m m i t S a l e s b u r y direkt zu v e r h a n d e l n . Er k a m m i t d e m E r g e b n i s n a c h Hause, d a ß der e n g l i s c h e A u ß e n m i n i s t e r z w a r die Idee für r i c h t i g halte, die R e g i e r u n g des L a n d e s jedoch v o n der aura p o p u l a r i s a b h ä n g i g sei u n d die e n g l i s c h e D e m o k r a t i e das B ü n d n i s e b e n n i c h t w o l l e . U m so w i c h t i g e r b l i e b für B i s m a r c k das R u ß l a n d - B ü n d n i s , an d e m er f e s t h j ^ j j ü b e r alle J a h r e seiner P o l i t i k , o b w o h l es a m - S e h l u ß mit d e m M i t t e l m e e r - A b k o m m e n k o l l i d i e r t e , in d e m s i c h E n g l a n d , Ö s t e r r e i c h u n d Italien zur A u f r e c h t e r h a l t u n g des Status q u o g e g e n ü b e r F r a n k r e i c h u n d R u ß l a n d z u s a m m e n g e s c h l o s - sen hatten u n d das s i c h gerade gegen jene V e r s u c h e R u ß l a n d s richtete, K o n s t a n t i n o p e l u n d die M e e r e n g e n z u beherrschen, die i m

„ R ü c k V e r s i c h e r u n g s v e r t r a g " d e m Z a r e n zuge- s t a n d e n w u r d e n .

V e i t V a l e n t i n hat s p ä t e r diesen W i d e r - s p r u c h als „ E r m a t t e n u n d S c h w a n k e n der A u ß e n p o l i t i k i n B i s m a r c k s S p ä t z e i t " k o m m e n - tiert. E r w i r d d a m i t d e m R e i c h s k a n z l e r nicht gerecht, d e n n was hier als S c h w a n k e n w i r k e n k a n n , war n i c h t s anderes als der verzweifelte V e r s u c h , das R e i c h v o r einer E i n k r e i s u n g u n d e i n e m M e h r f r o n t e n k r i e g z u b e w a h r e n . D e n n seit 1871 lautete das oberste G e b o t seiner P o l i - tik: F r i e d e n i n E u r o p a . Er widersetzte s i c h des- h a l b a u c h a l l e n V e r s u c h e n , die schwierige

Der Glaube, daß England als Bündnispartner gewonnen werden könne, spielte bei Wilhelm II. eine große Rolle

scher V e r t r a g abgeschlossen ist, i n d e m V e r - h ä l t n i s , d a ß w i r Ö s t e r r e i c h beistehen, falls es v o n R u ß l a n d angegriffen w i r d ; d a ß w i r aber n e u t r a l b l e i b e n , w e n n R u ß l a n d v o n Ö s t e r r e i c h angegriffen w ü r d e . In dieser S t e l l u n g liegt eine starke N ö t i g u n g für die b e i d e n a n d e r e n K a i - s e r m ä c h t e , u n t e r e i n a n d e r F r i e d e n z u h a l - ten . . . D e r Haupteffekt unseres d e u t s c h - r u s s i - s c h e n V e r t r a g e s b l e i b t für uns i m m e r der, d a ß w i r d r e i J a h r e h i n d u r c h die Z u s i c h e r u n g h a b e n , d a ß R u ß l a n d n e u t r a l bleibt, w e n n w i r v o n F r a n k r e i c h angegriffen w e r d e n . E i n e n A n - griff F r a n k r e i c h s auf D e u t s c h l a n d infolge i n n e - rer f r a n z ö s i s c h e r Z u s t ä n d e u n d V o r g ä n g e halte i c h n a c h w i e v o r für die n ä c h s t l i e g e n d e W a h r s c h e i n l i c h k e i t einer F r i e d e n s s t ö r u n g i n E u r o p a ; v i e l w a h r s c h e i n l i c h e r als die eines r u s s i s c h e n Orientkrieges.'1

A l s B i s m a r c k zwangsweise seine S t e l l u n g als R e i c h s k a n z l e r verlassen m u ß t e , a t m e t e n v i e l e K r e i s e i n D e u t s c h l a n d auf. D e r A b g a n g des g r ö ß t e n e u r o p ä i s c h e n Staatsmannes des

19. J a h r h u n d e r t s erzeugte bei d e n Z e i t g e n o s - sen k a u m eine E r s c h ü t t e r u n g . V i e l e , die in der i n n e r e n Politik — etwa i m K u l t u r k a m p f , bei der A u s e i n a n d e r s e t z u n g u m die S c h u t z z ö l l e oder u m das Sozialistengesetz — gegen d e n R e i c h s k a n z l e r g e s t a n d e n hatten, ä u ß e r t e n offen ihre G e n u g t u u n g . S e i n N a c h f o l g e r L e o v o n C a p r i v i hatte an dessen E n t l a s s u n g k e i - n e r l e i S c h u l d . A l s k o m m a n d i e r e n d e r G e n e r a l ides X . A r m e e k o r p s w a r er d e m n e u e n K a i s e r

d e m F l e i ß e seines L e b e n s m i t g e b r a c h t e M a ß v o n E i n s i c h t e n " .

D i e s e r M a n n war gerade recht aus der S i c h t W i l h e l m IL, der selbst s t ä r k e r i n die A u ß e n p o - l i t i k u n d i n die G e s c h i c k e D e u t s c h l a n d s e i n z u - greifen g e d a c h t e als sein G r o ß v a t e r w o l l t e u n d s e i n V a t e r , der u n g l ü c k l i c h e F r i e d r i c h III., k o n n t e . G e g e n ü b e r G e n e r a l E m i l v o n A l b e d y l l soll W i l h e l m I. e i n m a l B i s m a r c k s A u ß e n p o l i t i k m i t e i n e m Z i r k u s s p i e l m i t fünf K u g e l n v e r g l i - c h e n h a b e n . Z u so h o h e n a u ß e n p o l i t i s c h e n F ä h i g k e i t e n gelangte C a p r i v i nicht. E r be- f ü r c h t e t e , d a ß eine V e r l ä n g e r u n g des „ R ü c k - versicherungsvertrages" z u s c h w e r e n V e r - w i c k l u n g e n m i t Ö s t e r r e i c h - U n g a r n , d e m H a u p t p a r t n e r i n der A u ß e n p o l i t i k , f ü h r e n k ö n n t e . U n d so w u r d e der a m 18. J u n i 1890 aus- laufende V e r t r a g m i t Petersburg nicht e r n e u - ert! M i t s c h u l d i g a n dieser E n t w i c k l u n g war aber a u c h der junge K a i s e r W i l h e l m II. selbst, für d e n das R e i c h so fest u n d stark d a z u s t e h e n s c h i e n , d a ß es s o l c h k o m p l i z i e r t e r B ü n d n i s s y - steme nicht m e h r b e d ü r f e . A u c h der G l a u b e , d a ß E n g l a n d infolge seiner f a m i l i ä r e n B i n d u n - gen als B ü n d n i s p a r t n e r b a l d g e w o n n e n wer- d e n k ö n n e , s p i e l t e b e i W i l h e l m II. eine g r o ß e R o l l e .

N o c h heute s p e k u l i e r e n H i s t o r i k e r u n d P u - b l i z i s t e n i n der Frage, h ä t t e das R u ß l a n d b ü n d - nis auf die D a u e r Bestand gehabt oder nicht?

E i n e A n t w o r t , die der Z e i t gerecht w e r d e n w i l l , m u ß v o r s i c h t i g formuliert w e r d e n : S c h o n i n

B ü n d n i s l a g e der D e u t s c h e n d u r c h e i n e n Prä- v e n t i v k r i e g n a c h irgendeiner Seite, i n s b e s o n - dere aber g e g e n ü b e r F r a n k r e i c h , e n t s c h e i - d e n d z u verbessern. Er k ä m p f t e für die E r h a l - tung der a l l g e m e i n e n W e h r p f l i c h t u n d für die S t ä r k u n g der A r m e e , er b e k a n n t e s i c h z u m P r i n z i p der A b s c h r e c k u n g , aber er war sich der N o t w e n d i g k e i t der E r h a l t u n g des Friedens i m m e r b e w u ß t : „ D e n n jeder K r i e g , auch der siegreiche K r i e g , ist i m m e r ein g r o ß e s U n g l ü c k für das L a n d , das i h n f ü h r t .. . " (26. 6. 1884 i m Reichstag).

U n d h ä t t e n seine N a c h f o l g e r jenen E r l a ß v o m 3. M a i 1888 an d e n d e u t s c h e n Botschafter i n W i e n s i c h hinter d e n S p i e g e l gesteckt, d a n n w ä r e n s p ä t e r e K o n f l i k t e m i t R u ß l a n d — v i e l - leicht — a u s g e b l i e b e n : „ S e l b s t der g ü n s t i g s t e A u s g a n g des K r i e g e s w ü r d e n i e m a l s die Z e i - setzung der H a u p t m a c h t R u ß l a n d zur F o l g e haben, w e l c h e auf d e n M i l l i o n e n e i g e n t l i c h e i R u s s e n griechischer K o n f e s s i o n beruht. D i e s e w ü r d e n , a u c h w e n n d u r c h V e r t r ä g e getrennt, i m m e r s i c h ebenso s c h n e l l w i e d e r z u s a m m e n - finden, w i e die T e i l e eines zerschnittenen Q u e c k s i l b e r k ö r p e r s . D i e s e s u n z e r s t ö r b a r e R e i c h , stark d u r c h sein K l i m a , seine W ü s t e n u n d seine B e d ü r f n i s l o s i g k e i t , w i e d u r c h d e n V o r t e i l , nur eine s c h u t z b e d ü r f t i g e G r e n z e z u haben, w ü r d e n a c h seiner N i e d e r l a g e unser geborener u n d r e v a n c h e b e d ü r f t i g e r G e g n e r bleiben, genau wie das heutige F r a n k r e i c h i m

W e s t e n i s t . . . " E N D E

(4)

Politik

£ o s £ f l i n t u 6 m b l a l t 17 M ä r z 1984 — Folge 11 — Seite 4

Am Rande bemerkt:

Herrn Windelen

ernst nehmen!

„Die DDR glaubte bisher, die Äuße- rungen von Herrn Windelen nicht so ganz ernst nehmen zu müssen", schreibt das SED-Organ „Neues Deutschland"im Februar — Reaktion auf die Entschlie- ßung des Bundestages zur Deutsch- landpolitik, die einmal mehr die Wie- dervereinigung Ziel deutscher Politik nennt und auf Grundgesetz, Deutsch- landvertrag, Ostverträge, Briefe zur Deutschen Einheit, Bundestagsent- schließung vom Mai 1972, Grundlagen- vertrag und Verfassungsgerichtsent- scheidungen als die für die Rechtslage Deutschlands entscheidenden Doku- mente Bezug nimmt. Heinrich Winde- len, dem für seinen Einsatz für Deutsch- land zu danken ist, spricht für die ganze Bundesregierung, wenn er die Wieder- vereinigung, wenn er das Selbstbe- stimmungsrecht für alle Deutschen for- dert — ja, er spricht für das ganze deut- sche Volk.

Heinrich Windelen hat, der SED sei diese Rede zur aufmerksamen Lektüre empfohlen, im Namen der Deutschen auch in Washington gesprochen, als er sagte: „Genau besehen ist die Teilung Europas eine Folgeerscheinung. Die Ur- sache der Teilung liegt im Vordringen der Sowjetunion bis nach Mitteleuropa, bis zur Elbe, sowie in der Tatsache, daß die Sowjetunion ihr Gesellschafts- und Herrschaftssystem den unterworfenen Ländern auferlegt hat."

„Die Sowjetunion", erklärte der Bun- desminister weiter, „widerstreitet der po- litischen Kultur dieser Länder, die dem europäisch-abendländischenKulturkreis angehören, behindert ihre Entwicklung, verwehrt ihnen Unabhängigkeit. Das Ergebnis sind Diktaturen — abgestuft in ihrer Wirksamkeit —, aber doch Dik- taturen, die die Gesellschaft insgesamt wie den einzelnen bedrängen und un- terdrücken und den Verkehr mit der Außermelt kanalisieren und beschrän- ken. MW einem Wort: Was dort fehlt, ist die Freiheit, sind die Menschen- und Bürgerrechte, die politische Haupt- und Grundidee der europäischen, der west- lichen Zivilisation — wir wissen, was wir der amerikanischen Revolution ver- danken."

Die SED tut gut daran, Heinrich Win- delen ernst zu nehmen, ihn, der für die Deutschen in Ost und West die Stimme erhebt. B. F.

Parteien:

Kein Zurück in die Weltanschauungspartei

Die SPD sucht ein neues Programm—Verabschiedung wohl Ende dieses Jahrzehnts

Die Sozialdemokratie, die in ihrer 120jährigen Geschichte lediglich vier Grundsatzprogramme be- schlossen hat — Gotha 1875, Erfurt 1891, Heidel- berg 1925 und Godesberg 1959 — ist auf der Suche nach einem neuen Programm. Es soll wahrschein- lich Ende dieses Jahrzehnts verabschiedet werden und für die heute 950 000 Mitglieder den Weg in das Jahr 2000 weisen. Die „Grundwertekommission"

des Parteivorstandes unter Vorsitz des früheren Kirchentagspräsidenten Erhard Eppler und des Ber- liner Politologieprofessors Richard Löwenthal hat Leitlinien vorgelegt, die sozusagen die Themen für das fünfte Parteiprogramm nennen. Ob es zu einem offiziellen Auftrag kommt, ein neues Parteipro- gramm zu entwerfen, entscheidet Mitte Mai der SPD-Parteitag in Essen.

Die unter dem Thema .Godesberg heute" vorge- legten 45seitigen Leitlinien geben einen interessan- ten Aufschluß über die Lage der Partei, die ohne

"Godesberg" 1959 ein Jahrzehnt später nicht die Regierungsverantwortung übernommen hätte, und die nun erneut in der Opposition auf der Suche nach ihrer Identität ist. Gustav Heinemann hatte 1959 entscheidenden Anteil daran, daß die SPD den klas- sischen Boden der Weltanschauungspartei verließ und sich dem politischen Handeln als „vorletztem Handeln" verschrieb, also keinen Anspruch mehr auf den Menschen selbst erhob. Diese Grundhal- tung wird in den neuen Leitlinien durchgehalten.

Mit Erhard Eppler und dem Bochumer Theologie- professor Günter Brakelmann gehören der Grund- wertekommission zwei renommierte evangelische Christen an. Gleiches gilt für die katholische Kirche, deren Mitglieder Heinz Rapp — auch im Zentral- komitee der deutschen Katholiken (ZdK) vertreten

— und Oppositionsführer Hans-Jochen Vogel in der Kommission sitzen.

In den „Allgemeinen Feststellungen" des 45seiti- gen Papiers heißt es u. a.: „Die SPD ist und bleibt politische Heimat für Menschen verschiedener Glaubenshaltungen und Überzeugungen. Der de- mokratische Sozialismus ist kein Religionsersatz, sondern Anleitung zu politischem Handeln." Ziel eines neuen Parteiprogramms ist es, über das Pro- gramm von Godesberg hinauszuführen, Fragen der sich rasch ändernden Welt aufzunehmen und sie in Ziele für die SPD umzuformulieren. Dabei spielt die , Frage des Menschenbildes eine zentrale Rolle —

wie in den früheren Programmen auch. Die Eppler- sche Kommission schlägt deshalb vor, das Thema in der Präambel des neuen Programms aufzunehmen, läßt aber offen, ob man ihm nicht auch ein eigenes Kapitel einräumt. Über die inhaltliche Aussage ist noch kein Konsens erzielt worden. Im Papier heißt es dazu: „Solche Kernaussagen zum Menschen müßten ausgehen von der Würde des Menschen, in der sich Grundwerte und Grundrechte treffen, von der aus sich Grundwerte wie Grundrechte entfalten lassen. Es müßten aber auch die Fehlbarkeit und Unvollkommenheit des Menschen sowie seine Lernfähigkeit und Entwicklungsfähigkeit zugrun- degelegt werden. Der Würde des Menschen läßt

Aussiedler:

Forschungsberichte über Friedland

Eine Niederlassung in Niedersachsen gilt als bevorzugt

N i e d e r s a c h s e n ist für A u s s i e d l e r ein belieb- tes Land. Z u diesem Resultat k o m m e n interna- tional anerkannte Wissenschaftler der For- schungsgesellschaft für das W e l t f l ü c h t l i n g s - p r o b l e m (A W R — A s s o c i a t i o n For T h e Study Of The W o r l d Refugee Problem), Deutsche Sektion e. V . , i n zwei Ergebnisberichten, die am Donnerstag Vertretern des N i e d e r s ä c h s i - schen M i n i s t e r i u m s für Bundesangelegenhei- ten i m Grenzdurchgangslager Friedland ü b e r - geben wurden.

In den A b h a n d l u n g e n z u F l ü c h t l i n g s f r a g e n , die unter d e m T i t e l „Die A u s s i e d l e r i n der Bundesrepublik Deutschland" erschienen sind, haben der Herausgeber Prof. Dr. Dr. H a n s H a r m s e n u n d seine M i t a r b e i t e r unter ande- rem i n den J a h r e n 1976 bis 1979 das Schicksal u n d den weiteren Lebensweg v o n i m G r e n z - durchgangslager Friedland a n k o m m e n d e n A u s s i e d l e r n untersucht. A u s d e m For- schungsvorhaben, das auch die N i e d e r s ä c h s i - sche Landesregierung finanziell u n t e r s t ü t z t hat, geht hervor, d a ß 12,3 Prozent der A u s s i e d - ler i n diesen J a h r e n n a c h ihrer Erstverteilung in die einzelnen B u n d e s l ä n d e r ihren W o h n s i t z nach N i e d e r s a c h s e n verlegt haben. D a n a c h steht N i e d e r s a c h s e n i n der Beliebtheitsskala ganz oben. D i e g r ö ß t e Z a h l der A u s s i e d l e r wechselte v o n N o r d r h e i n - W e s t f a l e n i n unser Bundesland.

Die Schaffung eines „ e i g e n e n H e i m e s " ver- folgten die in Niedersachsen lebenden A u s - siedler zielstrebiger als die i n anderen Bundes- l ä n d e r n lebenden. So hatten v o n den i n N i e - dersachsen aufgenommenen A u s s i e d l e r n i m zweiten J a h r n a c h ihrer A n k u n f t schon 95,5

Prozent eine eigene W o h n u n g . Das lag ü b e r d e m Bundesdurchschnitt v o n 91,9 Prozent.

Ü b e r W o h n u n g s e i g e n t u m v e r f ü g t e n i m v i e r - ten Jahr n a c h der A n k u n f t insgesamt 12 Pro- zent der i n N i e d e r s a c h s e n l e b e n d e n A u s s i e d - ler. D e r B u n d e s d u r c h s c h n i t t lag hier b e i 8,2 Prozent.

Wie ANDERE es sehen:

sich nur Rechnung tragen, wenn der Mensch als Na- turwesen und als Individuum in der Gemeinschaft wahrgenommen und ernstgenommen wird." Hinter diesen als Überlegung formulierten Sätzen wird der Ansatz Epplers deutlich, daß die Frage Mensch- Umwelt zu den zentralen Zukunftsfragen zählt. Fra- gen übrigens, die in dieser Deutlichkeit 1959 noch nicht gestellt wurden. Gleiches gilt für das Verhält- nis zur Dritten Welt, wo sich die Grundüberzeugun- gen der von Willy Brandt geleiteten Nord-Süd- Kommission niederschlagen sollen.

Nicht ausdiskutiert hat die Grundwertekommis- sion auch die wichtige Frage nach der Sicherung des Friedens. Allerdings ist man sich einig, daß die For- derung nach Frieden sich nicht mehr wie im Godes- berger Programm auf die Feststellung beschränken darf, daß „der Krieg kein Mittel der Politik" sein dürf- te. Vielmehr regt die Kommission an, ein solches Kapitel unter den Grundsatz der „Heidelberger Thesen" von 1959 zu stellen: „Der Weltfriede wird zur Lebensbedingung des technischen Zeitalters"

(1 Heidelberger These). Noch nicht ausdiskutiert wurde die Frage nach der Friedenssicherung sowie nach dem Verhältnis von Staat und Kirche. Einig- keit herrscht in folgender Aussage: „Die SPD bejaht, daß Kirchen und Religionsgemeinschaften von ihrem Glauben und ihrer Ethik her die Politik des Gesetzgebers und der politischen Parteien kritisch begleiten und somit gleichberechtigt mit anderen gesellschaftlichen Kräften an der demokratischen Willensbildung teilnehmen." Nicht scheuen sollte man sich, so meint die Grundwertekommission, auch das Thema Sterbehilfe aufzugreifen, „zumin- dest in dem Sinne, daß der Umgang mit Krankheit und Tod von Tabus befreit werden sollte".

Es wird ein „spannender Prozeß" sein, wenn der Essener Parteitag für ein neues Programm grünes Licht gibt, das dem demokratischen Sozialismus zum Ziel verhelfen soll: „Sozialismus ist konsequent zu Ende gedachte Demokratie. Sozialismus ist die Anwendung der Demokratie auf Gesellschaft und Wirtschaft." K. Rüdiger Durth

Bevölkerung:

2030 nur noch 38 Mill. Bundesbürger

Bericht der Bundesregierung—Allein 7 Mill. Ausländer bereits im Jahr 2000

Von gegenwärtig rund 57 Millionen Deutschen in der Bundesrepublik und Berlin (West) wird es im Jahre 2000 noch 52 Millionen und im Jahre 2030 nur noch 38,3 Millionen geben. Dies geht aus einem jetzt veröffentlichen Bericht der Bundesregierung über die Bevölkerungsentwicklung hervor.

Der ausländische Bevölkerungsanteil wird dem Bericht zufolge von jetzt 4,53 Millionen auf sieben Millionen im Jahre 2000 anwachsen. Im Familien- bereich wird geschätzt, daß rund zehn Prozent der Bevölkerung ledig bleiben und etwa 25 Prozent der nach 1970 geschlossenen Ehen geschieden werden.

Etwa 20 Prozent der Ehen werden kinderlos bleiben, 19 Prozent werden einKind, 45 Prozent zwei Kinder, 36 Prozent drei und mehr Kinder haben. Auf dem Arbeitsmarkt wird mit einen hohen Angebotsüber- schuß für „tendenziell alle Qualifikationen" gerech- net. Ab 1990 bis zum Ende des Jahrhunderts sei mit einem rückläufigen deutschen Erwerbspersonen- angebot zu rechnen. Bei unveränderter Geburten- häufigkeit des Jahres 1977 würde nach geltendem Recht für die Rentenversicherung eine Beitragssatz- erhöhung von derzeit 18,5 Prozent auf 35 Prozent im Jahre 2035 erforderlich sein. Bei einem unveränder- ten Beitragssatz von 18,5 Prozent müßte andernfalls das Brutto-Rentenniveau um etwa die Hälfte ge- senkt werden.

Erhebliche Auswirkungen wird die demographi- sche Entwicklung auf dem Bildungssektor haben.

Nach neueren Schätzungen würden bis 1990 vor- aussichtlich bis zu 150000 Lehramtskandidaten keine Beschäftigung im Schuldienst finden. Die Bundeswehr werde 1994 nur 152000 Wehrpflichti- ge zur Verfügung haben gegenüber einem Bedarf von 225 000. Bei Bundeswehr, Polizei, Bundesgrenz- schutz und Zivilschutz würden dann etwa 100000 Mann fehlen.

Im ländlichen Raum werde die Zahl der Jugendli- chen von 2,9 Millionen im Jahr 1978 auf 2,2 Millio- nen im Jahre 2000 sinken. Nur eine „jahrgangsüber- greifende" Unterrichtung in Grundschulen könne unzumutbar lange Schulwege vermeiden. Im Kul- turwesen werde sich wegen der Verringerung des Besucherpotentials möglicherweise eine Zusam- menlegung von Theatern, Opern und Bibliotheken nicht vermeiden lassen.

Frühere Befürchtungen, die Familie könne als In- stitution durch die geringere Bevölkerungszahl ge- fährdet werden, hätten nach neueren Untersuchun- gen keine Grundlage. Mit dem steigenden Anteil alter Menschen an der Bevölkerung, von denen ein großer Teil allein leben werde, werde ein Ausbau der ambulanten sozialen Dienste und der Hilfen für die Familien, die alte Menschen versorgen, not- wendig werden.

Zur Ausländerpolitik heißt es, die 1,22 Millionen Staatsangehörigen der EG-Mitgliedsländer in der Bundesrepublik würfen keine besonderen Proble- me auf. In der Ausländerpolitik lasse sich die Bun- desregierung von den Grundsätzen der Integration der auf Dauer hier lebenden Ausländern, der Beibe- haltung des „ Anwerbestopps" und der Unterbindung illegaler Einreise und Beschäftigung leiten. „Sie wird sicherstellen, daß 1986 kein weiterer Zuzug von türkischen Arbeitnehmern aufgrund des Asso- ziierungsabkommens (des Beitritts der Türkei zur EG, d. Verf.) erfolgt." Der Mißbrauch des Asylrechts werde unterbunden werden.

Verläßliche Aussagen über den Einfluß der Be- völkerungsentwicklung auf die Wirtschaft könnten nicht gemacht werden. Auf dem Wohnungsmarkt werde es trotz rückläufiger Bevölkerung wegen der steigenden Zahl der Haushalte zu einer verstärkten Nachfrage kommen. Ein Abbau der Verwaltung komme erst nach dem Jahr 2000 in Betracht.

A. W.

Kirche:

Sieh mal, noch eine Schiangel Zeichnung aus .Hamburger Abendblatt"

Gegen die Thesen der Frau Solle

Bischof Stoll weist Kritik zurück

Für unberechtigt hält der Leitende Bischof der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands, D. Karlheinz Stoll (Schleswig), die Kritik der Hamburger Theologin Dorothee Solle an der Bundesrepublik Deutschland. Frau Solle hatte als einzige Deutsche vor der Weltkirchenkonferenz im Sommer 1983 in Vancouver referiert und dabei die Bundesrepublik als „militaristisch" bezeichnet.

Dazu Stoll in einem Interview mit dem Flensburger Tageblatt: „Man wird alles Mögliche über die Bun-

desrepublik sagen können, aber daß sie militari- stisch sei, ganz gewiß nicht..." Im Blick auf Äuße- rungen Sölles zu Dritte-Welt-Fragen erklärte der Bischof, sie habe den Eindruck erweckt, zu wissen, wie die Probleme zu lösen seien. Wenn man ihr Re- ferat lese, müsse man aber feststellen: „Wirkliche Lösungsmöglichkeiten hat sie nicht". Frau Solle halte er „keineswegs für den einzigen Ausweis für die Theologie des Ökumenischen Rates der Kir- chen". Man müsse vielmehr Bedenken anmelden, daß der Weltkirchenrat die EKD und ihre Gliedkir- chen nicht vor der Einladung Dorothee Sölles ge- fragt habe. Die umstrittene Theologin hat einen Lehrauftrag am Theologischen Fachbereich der Hamburger Universität. Auf die Frage, warum die Nordelbische Kirche Frau Sölles Lehrauftrag nicht beanstandet habe, erklärte der Bischof, die Kirche werde bei der Erteilung von Teilzeit-Lehraufträgen nicht gefragt. Grundsätzlich halte er auch ein Nein für problematisch. Man müsse sich fragen, ob „es nicht viel besser ist, daß eine Theologie dieser Art die Möglichkeit hat, sich innerhalb der freien theo- logischen Forschung zu äußern, denn auf diese Weise kann man sich mit ihr auseinandersetzen".

Frau Solle habe „zweifellos ein Gespür für religiöse und theologische Fragestellungen, die allgemein Not bereiten". Es sei berechtigt, solche Fragestel- lungen zu diskutieren. Schwierig werde es, wenn man eine Theologie daraus ableite, wie Frau Solle es tue.

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