• Keine Ergebnisse gefunden

Handelnde Phantasie - phantastisches Handeln

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Handelnde Phantasie - phantastisches Handeln"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Handelnde Phantasie - phantastisches Handeln Die Phantasie strebt keinen versöhnten Endzustand an, sie ist unversöhnlich wie jedes verletzte Gefühl.

Der gesellschaftliche Zusammenhang, sofern er nicht er­

fahrbar ist, kann nur gedacht oder nur phantasiert werden.

Die Phantasie ist dasjenige Organ, welches einsetzt bei Zusammenhängen, die noch nicht oder nicht mehr oder überhaupt nicht erfahrbar sind: denn es ist charakteristisch für alle Phantasie, daß sie beschreiben kann, was nie er­

fahren worden ist.

(Elisabeth Lenk)

Für die dezentrale Kulturarbeit ist ein Kulturbegriff grundlegend, der besagt, d a ß die „Aneignung von Kul­

tur" „existentieller Bestandteil d e r Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit" ist (zit. aus: Kultur in K r e u z b e r g , . . . , Arbeitspapier, hrsg. vom Kunstamt Kreuzberg, M ä r z 1983, S. 7). W a s bedeutet „Aneignung von Kultur" für Frauen? W a s bedeutet d a n n die in der Frauenbewe­

gung entwickelte Forderung nach „Frauenkultur"? Und was hat das mit den in dieser Ausstellung gezeigten Pro­

jekten zu tun? Einige Dinge sollen hier verkürzt und the­

senhaft d a z u gesagt w e r d e n , auch w e n n Manches in der Frauenbewegung zum Allgemeingut gehören mag, anderes umstritten ist und bleiben w i r d :

Für Frauen ist „Kultur" immer die herrschende, selbst als Kultur der Arbeiter, d e r Linken, d e r ethnischen und a n d e r e r „Minderheiten" Frauen kommen in ihr als Bestimmende nicht vor. „Aneignung von Kultur" bedeutet also, d a ß sie sich eine Kultur aneignen, die nicht die Ihre ist ­ im gleichen Ausmaß, wie die gesellschaftliche W i r k ­ lichkeit nicht die Ihre ist. Dennoch sprechen und denken Frauen mit den Mitteln des Repräsentationssystems die­

ser Kultur, sie befinden sich innerhalb des kulturellen Systems, a b e r eben nicht auf die gleiche A r t und Weise wie Männer, seien diese nun unterdrückt oder nicht.

Sie müssen sich also die herrschende Kultur aneignen, a) um sich verständlich machen zu können, was nur mit

den diskursiven Mitteln der herrschenden Kultur geht, b) um über sie hinausgehen zu können und etwas Eige­

nes zu finden.

Die „Frauenkultur" fängt dort an, w o dieses „Eigene" ent­

steht.

W i e können nun Frauen die p a r a d o x e Situation auflösen, für ihre Identität, für ihr „Eigenes" eine v o r h a n ­ dene, aber „fremde" Sprache benutzen zu müssen, sprachlich und kulturell traditionslos zu sein, aber eine Frauenkultur entwickeln zu wollen?

Für sie ­ uns ­ gilt unversöhnlich ein Zustand, den ein marxistischer Psychologe für Jugendliche (!) so beschrieb: „ e s . . . kann die historische Situation entstan­

den sein, d a ß qualitativ neue Erfahrungsinhalte mit den

im Sprachsystem enthaltenen Symbolen nur mehr unzu­

reichend bezeichnet w e r d e n können. (...) Selbstreflexion (ist) d a n n d a r a u f verwiesen . . . , neue Symbole in das System der Sprache und der Handlungsnormen erst hin­

einnehmen zu müssen" (Thomas Ziehe, Pubertät und N a r ­ zißmus, Ffm.,; 2. Aufl. 1978, S.43).

Das heißt: Erfahrung und Handeln müssen A n ­ stoß der neuen Frauenkultur sein, ü b e r sie muß sich die Sprache d e r Frauenkultur konstituieren.

A b e r : „,Weibliche Erfahrung' ist im prononcier­

ten Sinn eine Fragestellung, keine Antwort." (Gisela Bock, in: Frauen suchen ihre Geschichte, hrsg. Karin Hansen, München 1983, S. 28). Sie entzieht sich also der Definition und der N o r m i e r u n g und damit auch der Verwertung, und sie ist dort, w o sie über das hinausgeht, was gesell­

schaftlich für Frauen vorgesehen ist, voraussetzungslos und somit sprachlich und kulturell notgedrungen inno­

vativ.

„Ein spontanes undomestiziertes Handeln setzt u. U. erst nachträglich Phantasien frei, ist also nicht deren Realisierung, sondern Freisetzung. Handeln, sofern es nicht Ausführung eines Befehls ist, ist immer A n f a n g einer neuen Reihe, setzt also das Abreißen d e r vorhergehen­

den Reihe voraus," sagt Elisabeth Lenk (in: Kat. Künstle­

rinnen international, NGBK, Berlin 1977, S. 82) und schil­

dert damit einen meiner Ansicht nach wichtigen Aspekt im Zusammenspiel von Phantasie und Handeln in der kulturellen und politischen Erfahrung besonders jener beiden Frauenprojekte, die in besetzten Häusern initiiert w u r d e n : Der Pelzeladen und die Schokofabrik. Das Be­

setzen der Häuser holte Phantasien hervor über Vieles:

W a s bedeuteten Häuser für Frauen, wie konnten sie ge­

lebt und belebt w e r d e n , was w ü r d e von diesen Häusern ausgehen, was konnten Frauen dort an Lebens­ und Arbeitsvorstellungen entwickeln, wenn ihnen Raum mit zwei wesentlichen Qualitäten zu G e b o t e stand: G r o ß und selbstbestimmt ­ ein äußerst seltenes Fehlen von Beschränkung, schon g a r für Frauen.

Auch beim M ä d c h e n l a d e n W e d d i n g , bei der Frauengalerie A n d e r e Zeichen und bei der Frauensub­

kultur geht es in unterschiedlicher Weise um den Raum als einem wesentlichen Problem von Frauen: Sie haben keinen, aber sie fangen an, ihn den Verhältnissen abzu­

zwingen. O h n e den Anstoß der Besetzerbewegung, zum Teil schon vorher, mit den Erfahrungen und Forderungen der Frauenbewegung als Fundus haben die Frauen hier in Bereichen etwas durchgesetzt, die bis dahin undurch­

dringlich waren.

Die Frauensubkultur entstand aus dem Bedürfnis von Frauen, in Kneipen und Discos selbst Mittelpunkt, Subjekt zu sein, nicht „Begleif­erscheinung.

Die Frauengalerie A n d e r e Zeichen ist als erste ihrer Art in einer ausgesprochen harten und männer­

dominierten Kunstszene gegründet w o r d e n .

Die Frauen vom M ä d c h e n l a d e n stellten fest, d a ß „Jugendarbeit" bisher mit Jungenarbeit gleichgesetzt w u r d e und setzten die M ä d c h e n a r b e i t in einem eigenen M ä d c h e n l a d e n durch.

Die Arbeit dieser G r u p p e n ist nicht im vielbe­

schriebenen „Frauen"­Ghetto, sondern aus d e n Konflik­

ten und den Bedingungen eines sozial zerklüfteten Lebens in der Stadt entstanden und gewachsen, ü b e r a u s reale Bedürfnisse w e r d e n angesprochen, Überlebens­

und Lebensstrategien w e r d e n gesucht und erprobt, kon­

krete Utopien, die weit über die gesellschaftlich v e r o r d ­ neten „Frauenthemen" hinausgehen, w e r d e n herbei­

gedacht und gebaut. Aus dem Bewußtsein, wach und widerstandsfähig sein zu müssen, erwächst hier ein Potential kultureller und sozialer Kreativität, das unter d e m Z w a n g , aus N ö t e n Tugenden machen zu müssen, über die reine Reaktion auf den M a n g e l hinauswächst zu einem eigenen, autonomen Standort, der die Larmoyanz d e r Opferhaltung, so sehr sie Echo der gesellschaftlichen Verhältnisse ist, als unfruchtbar hinter sich läßt.

So entstehen Ansätze neuer Realitäten und auch neue Forderungen. Ich hoffe, die Ausstellung trägt das Ihre dazu bei, beide zu stärken und zu unterstützen.

Susanne von Falkenhausen

Originalveröffentlichung in: Erk, Christa (Red.): Frauen - Autonomie - Kreativität - Subkultur ; Pelze-multimedia, Mädchenladen Wedding, Scholadenfabrik, Galerie Andere Zeichen ; eine Ausstellung der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (Berliner Kulturplätze ; 3), Berlin 1985, S. 2

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

(Erläuterungen siehe Seite 8.) Bitte 10 Tage vorher beim Rathaus anmelden.. Knittlingen: Erddeponie Erdmannsloch,

An dieser Stelle muss auch noch einmal festgehalten werden, dass das Lehrwerk sich ausdrücklich an „lerngewohnte Erwachsene, akademisch geprägte Lerner[Innen],

Nur ganz allmählich verstehen sie, dass die Worte „Er ist nicht hier!“ keine Worte der Trauer und Enttäuschung sind, sondern sie sind die ersten Anzeichen für eine große

(4) Wird durch die Sondernutzung ein im Eigentum eines Dritten stehendes Grundstück in An- spruch genommen oder in seiner Nutzung beeinträchtigt, kann die Erteilung der

Porcelain stoneware is an ultra-compact technical material, extremely resistant to wear, tread, shock, scratching and heavy loads. Per maggiori informazioni consultare il

Quelle: Fraunhofer ISI (2021): HYPAT – Globaler H2-Potentialatlas, Öko Institut (2021).. Green hydrogen characterisation initiatives: Definitions, standards, guarantees of origin,

bitte bis 10 Tage vorher beim Rathaus anmelden) E = Elektrogeräte (werden nur auf Abruf entsorgt;.. bitte bis 10 Tage vorher beim Rathaus anmelden)

Mai 2021 wurde Veronika Erni als neues Mitglied in den Vorstand der Spitex Niesen gewählt.. Wir gratulieren herzlich zur Wahl und freuen uns auf die