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Welche Merkmale kennzeichnen die Inanspruchnahmepatienten ambulanter Psychotherapie?

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Aus dem

Zentrum Psychologische Medizin

Abteilung Psychosomatik und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Hannover

Welche Merkmale kennzeichnen die

Inanspruchnahmepatienten ambulanter Psychotherapie?

Dissertation

zur Erlangung des Doktorgrades der Medizin in der Medizinischen Hochschule Hannover

vorgelegt von Christina Bembenneck

aus Großburgwedel

Hannover 2006

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2 Angenommen vom Senat der Medizinischen Hochschule Hannover am 27.02.2007 Gedruckt mit Genehmigung der Medizinischen Hochschule Hannover

Präsident: Prof. Dr. Dieter Bitter-Suermann Betreuer: Prof. Dr. Friedhelm Lamprecht Referent: PD Dr. Detlef E. Dietrich

Korreferent: PD Dr. Johann G. Pfefferer-Wolf Tag der mündlichen Prüfung: 27.02.2007

Promotionsausschussmitglieder: Prof. Dr. Hermann Müller-Vahl Prof. Dr. Dr. Hinderk M. Emrich Prof. Dr. Frank T. Schuppert

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meinen Eltern und Eva

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ... 1

2 Geschichtlicher Hintergrund ... 2

2.1 Geschichte der Psychotherapie ... 2

2.2 Allgemeine Epidemiologie... 2

2.3 Psychiatrische Epidemiologie ... 3

3 Einführung und Stand der Forschung ... 6

3.1 Prävalenz psychischer Erkrankungen... 6

3.2 Definition der beantragten Therapieverfahren ... 9

3.3 Das Geschlecht der Psychotherapiepatienten ... 11

3.4 Das Alter der Psychotherapiepatienten ... 12

3.5 Lebensgeschichtliche Entwicklung und kritische Lebensereignisse ... 13

4 Methodik ... 16

4.1 Grundlagen ... 16

4.2 Datenerfassungsbogen... 17

4.3 Praktische Durchführung ... 17

4.4 Statistische Auswertung... 17

5 Fragestellung... 19

5.1 Geschlecht... 19

5.2 Alter ... 19

5.3 Diagnose... 20

5.4 Bildung und Beruf ... 20

5.4.1 Schulbildung ... 20

5.4.2 Beruflicher Abschluss ... 20

5.4.3 Berufstätigkeit... 21

5.5 Familie ... 21

5.5.1 Familienstand ... 21

5.5.2 Wohnsituation... 22

5.6 Ursprungsfamilie... 22

5.6.1 Trennung der Eltern... 22

5.6.2 Traumatische und kritische Lebensereignisse in der Kindheit ... 22

6 Ergebnisse ... 23

6.1 Geschlecht... 23

(5)

6.1.1 Geschlecht der Patienten... 23

6.1.2 Geschlecht der Patienten getrennt nach Art der beantragten Therapie... 24

6.1.3 Geschlecht der Therapeuten... 24

6.1.4 Zusammenhang zwischen Patienten- und Therapeutengeschlecht ... 25

6.2 Alter ... 26

6.2.1 Alter der Patienten ... 26

6.2.2 Alter der Patienten getrennt nach Geschlechtern... 28

6.2.3 Altersverteilung getrennt nach Art der beantragten Therapie ... 29

6.3 Diagnose... 30

6.3.1 Diagnosenverteilung ... 30

6.3.2 Diagnosen getrennt nach Geschlechtern ... 32

6.3.3 Diagnosenverteilung getrennt nach Art der beantragten Therapie ... 35

6.4 Therapieart und Stundenanzahl... 36

6.4.1 Art der beantragten Therapie... 36

6.4.2 Art der beantragten Therapie getrennt nach Geschlechtern... 37

6.4.3 Anzahl der beantragten Stunden ... 38

6.4.4 Zusammenhang der beantragten Therapieform und der Anzahl der beantragten Stunden ... 39

6.5 Beruf der Therapeuten... 40

6.6 Krankenversicherung der Patienten... 40

6.7 Bildung und Beruf ... 41

6.7.1 Höchster Schulabschluss... 41

6.7.2 Höchster Schulabschluss getrennt nach Art der beantragten Therapie... 42

6.7.3 Höchster Berufsabschluss ... 43

6.7.4 Höchster Berufsabschluss getrennt nach Art der beantragten Therapie ... 44

6.7.5 Berufstätigkeit... 45

6.8 Partnerschaft und Familie ... 46

6.8.1 Familienstand ... 46

6.8.2 Familienstand getrennt nach Art der beantragten Therapie ... 49

6.8.3 Feste Partnerschaft ... 50

6.8.4 Feste Partnerschaft getrennt nach Art der beantragten Therapie... 51

6.8.5 Kinder der Patienten ... 52

6.8.6 Anzahl der im Haushalt lebenden Personen ... 53 6.8.7 Anzahl der im Haushalt lebenden Personen getrennt nach Art der

(6)

Kindheit ... 55

6.9.1 Psychische Erkrankungen in den Ursprungsfamilien ... 55

6.9.2 Suizidversuche in den Ursprungsfamilien ... 55

6.9.3 Körperliche Gewalt in der Erziehung... 56

6.9.4 Alkohol- oder Drogenmissbrauch der Eltern... 56

6.9.5 Sexueller Missbrauch ... 56

6.9.6 Kind einer jungen Mutter... 57

6.9.7 Trennung der Eltern... 58

6.9.8 Anzahl der Geschwister... 59

7 Diskussion ... 61

7.1 Geschlecht... 61

7.2 Diagnosen... 63

7.3 Alter ... 64

7.4 Schulbildung ... 66

7.5 Familienstand ... 67

7.6 Lebensgeschichtliche Entwicklung und kritische Lebensereignisse ... 68

7.7 Kritik ... 69

8 Zusammenfassung... 71

9 Anhang... 73

9.1 Datenerfassungsbogen... 73

9.2 Literaturverzeichnis... 93

9.3 Lebenslauf ... 103

9.4 Erklärung nach § 2 Abs. 2 Nr. 5 und 6 PromO... 104

(7)

1 Einleitung

„Es entspricht der allgemein verbreiteten und lange tradierten klinisch- therapeutischen Erfahrung, dass verschiedene Charaktereigenschaften und Per- sönlichkeitsmerkmale […] entscheidenden Einfluss auf das Behandlungsergebnis haben“ (Spitzer et al. 2004, S. 71). In der heutigen Zeit spielen allerdings neben dem Behandlungserfolg auch wirtschaftliche Aspekte eine wichtige Rolle. Im stati- onären Bereich stellen Andreas et al. (2004) fest, dass es einen signifikanten Zu- sammenhang zwischen Patientenmerkmalen wie Alter und Familienstand und dem Ressourcenverbrauch gibt. Die Diagnose allein reiche zur Erklärung dessen nicht aus.

Ziel dieser Arbeit ist es zu beschreiben, welche soziodemographischen und patien- tenspezifischen Merkmale die Patienten ambulanter Psychotherapie neben den krankheitsbezogenen Daten aufweisen. Diese Analyse der aktuellen Inanspruch- nahme ambulanter psychodynamischer Psychotherapie ist insbesondere deswe- gen von Bedeutung, weil sie ein wichtiges Kriterium der Bedarfsermittlung ist und Aufschluss darüber gibt, welche Patienten über dieses Therapieangebot erreicht werden.

Obwohl die hier untersuchte Stichprobe zu einem sehr großen Teil aus weiblichen Patienten besteht, wird der leichteren Lesbarkeit wegen bei allgemeinen Gruppen- benennungen die männliche Form gewählt. Gemeint ist an diesen Stellen aber so- wohl das weibliche als auch das männliche Geschlecht.

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2 Geschichtlicher Hintergrund

2.1 Geschichte der Psychotherapie

Bereits in der Antike existierten Vorstellungen über psychische Erkrankungen und ihre besondere Behandlung. Seither wurden Menschen im jeweiligen kulturellen Kontext bei rituellen Heilungen auch psychotherapeutisch behandelt, auch wenn dieses nicht als Psychotherapie bezeichnet wurde (Geyer 1996). Nachdem im Mit- telalter die Geisteskranken ohne Therapie in Spitälern untergebracht waren, wur- den sie im Absolutismus regelrecht weggesperrt. Erst während der Aufklärung be- kamen psychisch Kranke teilweise eine spezielle Behandlung. Ab dem 19. Jahr- hundert wurde die Behandlung psychisch Kranker ernster genommen. Der Be- handlungsbedarf stieg und es entstanden außerhalb der Ortschaften Anstalten, in denen die Erkrankten auch arbeiteten.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts gibt es die Psychiatrie als medizinisches Fachge- biet (Frank 1983). In den Mittelpunkt der Psychotherapie gelangt der psychisch Kranke selbst erst durch Freud (Ackerknecht 1992). Aus den psychiatrischen Klini- ken gingen nun Ärzte hervor, die sich in psychoanalytischen Praxen niederließen, so dass ambulante Psychotherapie möglich wurde. In der Zeit des Nationalsozia- lismus, in der psychisch Kranke zwangssterilisiert und getötet wurden, emigrierten viele Psychoanalytiker. Erst in den Jahrzehnten nach dem zweiten Weltkrieg nahm die Psychotherapie neben den Psychopharmaka und der Sozialtherapie wieder einen wichtigen Stellenwert in der Behandlung psychisch Kranker ein.

2.2 Allgemeine Epidemiologie

Zunächst wurde die Epidemiologie im Zusammenhang mit infektiösen Krankheiten angewendet. Die Epidemiologie ist die Lehre (griech. logos) dessen, was im Volk verbreitet (griech. epi demos) ist (Becher et al. 1989). Im 19. Jahrhundert konnte so zum Beispiel die Cholera aufgrund der Aufklärung über die Verbreitung dieser Krankheit erfolgreich bekämpft werden. Heute spielen andere „Seuchen“ eine Rolle in der Bevölkerung. Zerebrovaskuläre Krankheiten, Krebs und psychische Erkran- kungen sind weit verbreitet und beanspruchen einen großen Teil der medizinischen Ressourcen. Die Epidemiologie hat sich auf weitere Bereiche der Medizin ausge-

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weitet. Die Definition des Begriffes ist im Klinischen Wörterbuch Psychrembel (Hil- debrandt 2002, S. 460) entsprechend weit gefasst: „Wissenschaftszweig, der sich mit der Verteilung von übertragbaren und nicht übertragbaren Krankheiten und de- ren physikalischen, chemischen, psychischen und sozialen Determinanten und Folgen in der Bevölkerung befasst.“ Die freie Enzyklopädie Wikipedia (2005) macht folgende Angaben: „Die Epidemiologie ist das Studium der Verbreitung und Ursa- chen von gesundheitsbezogenen Zuständen und Ergebnissen in Populationen.

Das epidemiologische Wissen wird im Allgemeinen angewendet, um Gesundheits- probleme der Bevölkerung unter Kontrolle zu halten. Diese Wissenschaft unter- sucht Faktoren, die zu Gesundheit und Krankheit von Individuen und Populationen beitragen, und ist deshalb die Basis aller Maßnahmen, die im Interesse der Volks- gesundheit unternommen werden. Im Gegensatz dazu kümmert sich die Medizin darum, dem einzelnen Menschen in einem konkreten Krankheitsfall zu helfen.“

Präziser beschreibt Pflanz in seinem Werk „Allgemeine Epidemiologie“ (1973, S. 2) die wesentlichen Aufgaben der epidemiologischen Forschung. Zu untersuchen sind:

die Häufigkeit und Dauer von Krankheiten zur Planung von Gesundheitsein- richtungen

die zeitlichen und örtlichen Unterschiede in der Krankheitshäufigkeit die ätiologischen Krankheitsfaktoren

der natürliche Krankheitsverlauf

die Effizienz von Prävention und Früherkennung die Krankheitsfolgen

Darüber hinaus dient die Epidemiologie auch als Grundlage politischer Entschei- dungen (Weiß 2005).

2.3 Psychiatrische Epidemiologie

Unklar ist, wann epidemiologische Forschung in Bezug auf psychische Erkrankun- gen erstmals betrieben wurde. Häfner (1978, S. 9) schreibt zu dieser Frage: „Die Geburt der psychiatrischen Epidemiologie im engeren Sinne lässt sich nicht auf einen bestimmten Zeitpunkt festlegen.“ Anfang des 19. Jahrhunderts stellt Esquirol

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Beruf, Lebensart und Leidenschaften. Er vergleicht seine Ergebnisse mit denen eines englischen Psychiaters (Esquirol 1968). In der zweiten Hälfte des 20. Jahr- hunderts finden dann vermehrt epidemiologische Untersuchungen über Häufigkeit und Verteilung psychiatrischer Störungen in der Bevölkerung statt. In der Nach- kriegszeit hatte die psychiatrische Epidemiologie durch die Ereignisse der national- sozialistischen Vergangenheit den Tiefpunkt erreicht (Dilling und Weyerer 1984) und war lange Zeit ein vernachlässigtes Arbeitsgebiet in der Bundesrepublik (Schmidt 1990).

„Als Neubeginn gilt die Gründung des Sonderforschungsbereiches 116 (psychiatri- sche Epidemiologie) im Jahre 1973“ (Tress 1987, S. 11). „Untersuchungen der Ver- teilung psychischer Krankheiten und der Versorgungsbedürfnisse der Bevölkerung sowie derjenigen Faktoren, die Einfluss auf Entstehung, Auslösung, Verlauf und Folgen von Krankheiten haben, gewannen zunehmend Bedeutung für die klinische Psychiatrie, aber auch für Versorgungsplanung und Gesundheitspolitik“ (Häfner 1978, Vorwort). Peters definiert die psychiatrische Epidemiologie 1999 als den

„Zweig der Psychiatrie, der die Häufigkeit psychischer Erkrankungen und den Ein- fluss kultureller und sozialer Bedingungen auf sie untersucht“ (Peters 1999, S. 172). Sie „beschäftigt sich mit der räumlichen und zeitlichen Verteilung psychi- scher Erkrankungen oder anderer gesundheitsrelevanter Variablen (etwa dem Maß von Depressivität oder abweichendem Verhalten) in der Bevölkerung und der un- terschiedlichen Häufigkeit ihres Auftretens im Zusammenhang mit demographi- schen, genetischen, Verhaltens- und Umweltfaktoren (deskriptive Epidemiologie).

Sie untersucht außerdem die Bedingungen des Auftretens und des Verlaufs psy- chischer Störungen mit dem Ziel, das Wissen über Ursachen, Risiko- und Auslöse- faktoren von Krankheitsepisoden und Krankheitsfolgen zu vertiefen“ (Häfner und Weyerer 1990, S. 38).

Eine qualitativ hochwertige Studie, die ein Beispiel für diese Form der Epidemiolo- gie darstellt, ist die Mannheimer Kohortenstudie (Schepank 1986). Ziel dieser Stu- die ist es, die wahre Häufigkeit psychogener Erkrankungen „mit Hilfe einer Feldun- tersuchung an einer repräsentativen Stichprobe Erwachsener zu erforschen. Die Verteilung der Prävalenzraten auf Altersgruppen, Geschlechter, soziale Schichten sowie der Zusammenhang der Krankheiten mit auslösenden Schicksalssituationen, Life-events, der Persönlichkeitsstruktur und der kindlichen Entwicklung sollen un- tersucht werden“ (Schepank 1986, S. 1). Darüber hinaus ist noch die experimentel-

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le Epidemiologie zu nennen, die sich mit der Effektivität von Präventions- und In- terventionsmaßnahmen beschäftigt und bewusst Einflussvariablen manipuliert, um deren Wirkungen zahlenmäßig darzustellen.

(12)

3 Einführung und Stand der Forschung

Dieses Kapitel soll einerseits eine Einführung in die Thematik der einzelnen krank- heitsbezogenen, soziodemographischen und patientenspezifischen Merkmale ge- ben und andererseits den Stand der Forschung zu dieser Thematik widerspiegeln.

3.1 Prävalenz psychischer Erkrankungen

Psychische Erkrankungen sind wegen ihrer Besonderheiten schwer zuzuordnen.

Die Grenze zu somatischen Krankheiten ist fließend und der typische Verlauf mit einem schwer festzustellenden Beginn, einer langen Dauer, dem Verschwinden von Symptomen mit oder ohne Behandlung und einer häufigen Rezidivrate behin- dert die exakte Erfassung. So stellt Katschnig (1980, S. 13) fest: „In Überblicksar- beiten der letzten Jahre wird die Inkonsistenz epidemiologischer Forschungser- gebnisse über die Ursachen psychischer Störungen deutlich […]. Kennzeichnend für diese unbefriedigende Lage sind nicht nur die von Studie zu Studie in unvor- stellbar weiten Grenzen schwankenden Häufigkeitsangaben über das Vorkommen psychischer Störungen insgesamt (sie reichen von weniger als 1 % bis über 80 %), sondern auch die vielen widersprüchlichen Resultate über die Beziehung zwischen möglicherweise kausalen Variablen (wie z.B. sozialer Schicht) und psychischen Störungen.“

Eine Studie, die sich mit dem Zusammenhang zwischen der Prävalenz psychischer Störungen und der Schichtzugehörigkeit befasst, ist die sozialpsychiatrische Unter- suchung von Hollingshead und Redlich (1975). Sie stellen fest, „daß zwischen Schichtzugehörigkeit und der Art und Weise, wie Patienten psychiatrisch versorgt werden, wie ihre Schwierigkeiten diagnostiziert und behandelt werden, sowie den Behandlungskosten signifikante Beziehungen bestehen“ (Hollingshead und Redlich 1975, S. 219). Dohrenwends und Dohrenwends (1969) zusammenfassende Analy- se von 14 epidemiologischen Studien zum Thema „Zusammenhang der sozialen Schicht und Neurosen“ zeigt das von Katschnig (1980) beschriebene Problem: In sechs Studien waren Neurosen am häufigsten in der untersten Schicht anzutreffen, wobei die anderen acht Studien aussagten, dass die häufigste Rate der Neurosen sich in anderen Schichten befänden. Ein Grund für diese Ungenauigkeiten scheint darin zu liegen, dass Gesundheit und Krankheit nicht immer klar voneinander zu

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trennen sind. „Ein beträchtlicher Teil der leichteren psychiatrischen Krankheitsbil- der ist nicht scharf von anderen oder vom Übergang zur Gesundheit abgegrenzt“

(Häfner 1978, S. 23).

Die Frage „Was ist ein Fall?“ steht am Anfang aller Forschungsarbeiten, die sich mit der Epidemiologie psychischer und psychogener Krankheiten beschäftigen (Cooper und Morgan 1977). Und genau in der unterschiedlichen Beantwortung die- ser Frage scheint der Grund für die abweichenden Ergebnisse der Studien zu lie- gen. Als Ursache für die zum Teil riesige Diskrepanz nennt Schepank (1986) die Unterschiede in der Falldefinition, der Sensitivität der Fallidentifikationsinstrumente und des Untersuchungsdesigns. Rudolf (1991) macht zusätzlich die undifferenzier- te Betrachtung von Inzidenz und Prävalenz mitverantwortlich. „Die jüngere Entwick- lung der psychiatrischen Epidemiologie zeigt allerdings eine wachsende Überein- stimmung in einigen Ergebnisbereichen. Sie ist die Frucht zunehmender internatio- naler Einigung über Definitionen, Methoden und Verfahrensweisen“ (Häfner 1974, S. 204). Drei trotz der oben genannten Hindernisse vergleichbare Prävalenzstudien sind die Manchester-Studie (Goldberg und Huxley 1980), die im Rahmen des Son- derforschungsbereichs 116 in Oberbayern durchgeführte Untersuchung von Dilling und Weyerer (1978, 1984) und die 1989 von Giel et al. veröffentlichte niederländi- sche Studie.

Tabelle 1: Jahresprävalenz psychischer Erkrankungen auf Hausarztebene (Weyerer und Lucht 2002)

Ebene

Manchester 1980 Goldberg und

Huxley %

Oberbayern 1978, 1984

Dilling und Weyerer %

Groningen 1989 Giel et al. %

Feldstudie 25,0 24,1 30,3

Hausarztpraxen 23,0 21,4 22,4

vom Hausarzt

erkannt 14,0 13,2 9,4

Wie in Tabelle 1 zu sehen, besagen die englische und die deutsche Studie, dass

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liegen etwas höher. Weiterhin ist zu erkennen, dass die Anzahl der psychisch Kranken in den untersuchten Hausarztpraxen mit 22 % etwa gleich hoch ist. Aller- dings wurden davon je nach Untersuchung 40-60 % von den Ärzten nicht als sol- che erkannt.

Tabelle 2: Bevölkerungsanteil, der psychiatrische Institutionen in Anspruch nimmt (Wey- erer und Lucht 2002)

Ebene

Manchester 1980 Goldberg und

Huxley %

Oberbayern 1978, 1984

Dilling und Weyerer %

Groningen 1989 Giel et al. %

Feldstudie 25,0 24,1 30,3

Psychiatrische Institutionen (ambulant + stationär)

1,7 1,9 3,4

Psychiatrische Institutionen

(stationär)

0,6 0,5 1,0

Weitere übereinstimmende Ergebnisse der drei Studien sind, dass psychiatrische Einrichtungen (Tabelle 2) nur von einer geringen Anzahl der Bevölkerungsmitglie- der im Laufe eines Jahres beansprucht werden, obwohl laut der Untersuchungen 24-30 % der Bevölkerung erkrankt sind. Die Nachfrage nach ambulanten Angebo- ten ist dabei noch am höchsten. Neben der schon erwähnten Studie in Oberbay- ern, in der es um die Prävalenz psychischer Erkrankungen in der Landbevölkerung geht, ist die Mannheimer Kohortenstudie (Schepank 1986) eine qualitativ hochwer- tige Studie, die sich mit dem Vorkommen psychogener Erkrankungen der deut- schen Stadtbevölkerung beschäftigt. Schepank gibt an, dass 80-95 % der 600 un- tersuchten Probanden an sich selbst psychogene Symptome entdeckten. 15-30 % der 20-50-Jährigen benötigten fachpsychotherapeutische Hilfe. Ein weiterer wichti- ger Bestandteil der Forschung im Bereich der psychiatrischen Epidemiologie ist die von Dohrenwend et al. (1980) verfasste Übersichtsarbeit. Inhalt ist der Vergleich 27 psychiatrisch-epidemiologischer Feldstudien, die nach dem zweiten Weltkrieg in Europa und den USA durchgeführt wurden. Mit dem Ergebnis der Arbeit, dass etwa

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20 % der Erwachsenen psychisch erkrankt sind, liegen sie etwas unterhalb der Er- gebnisse, der eben genannten Studien, jedoch weit über den 3 % der vor 1950 er- fassten Untersuchungen. Diese erhöhte Morbidität ist nicht durch eine Zunahme der Erkrankungen, sondern durch die heute veränderte Wahrnehmung, Identifikati- on und Definition psychischer Störungen, dem höheren Wissensstand und den verbesserten diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten zu erklären (Wey- erer und Lucht 2002). Weyerer und Lucht erwähnen in diesem Zusammenhang die 1991 von Robins und Regier veröffentlichte Epidemiologic-Catchment-Area-Studie.

Untersucht wurden 18572 Bürger der Vereinigten Staaten, von denen innerhalb eines Untersuchungszeitraumes von einem Jahr 20 % an einer psychischen Er- krankung gelitten hatten. Am häufigsten war die Bevölkerung von Phobien und Al- koholmissbrauch und -abhängigkeit betroffen. Wittchen und Jacobi (2002) kommen im Rahmen des Bundes-Gesundheitssurveys 1998 zu dem Ergebnis, dass 32 % der deutschen Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahren an psychischen Erkran- kungen leiden. 17,3 % der Bürger habe affektive, somatoforme oder Angststörun- gen, wobei Frauen häufiger betroffen seien als Männer (Wittchen et al. 1999).

3.2 Definition der beantragten Therapieverfahren

Die Grundlage der vorliegenden Arbeit sind Anträge auf tiefenpsychologisch fun- dierte oder analytische Psychotherapie. Die Psychoanalyse ist der Ursprung dieser psychodynamischen Therapieformen. 1886 prägt Sigmund Freud den Begriff Psy- choanalyse für die von ihm entwickelte Wissenschaft von den unbewussten Vor- gängen im Seelenleben. 1923 definiert er in seiner Arbeit Psychoanalyse und Libi- dotheorie (GW XIII, S. 211): „Psychoanalyse ist der Name 1. eines Verfahrens zur Untersuchung seelischer Vorgänge, welche sonst kaum zugänglich sind; 2. einer Behandlungsmethode neurotischer Störungen, die sich auf diese Untersuchung gründet; 3. eine Reihe von psychologischen, auf solchem Wege gewonnenen Ein- sichten, die allmählich zu einer neuen wissenschaftlichen Disziplin zusammen- wachsen.“ Die Psychoanalyse geht als Konflikttheorie von widerstreitenden Kräften in der Persönlichkeit aus.

Grundprinzip der psychodynamischen Psychotherapien ist die Bearbeitung lebens-

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Widerstand. Dabei wird in der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie mehr strukturiert und im Hier und Jetzt und in der analytischen Psychotherapie durch freie Assoziation eher unstrukturiert und im Dort und Damals gearbeitet.

Der Schwerpunkt der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie liegt in der Behandlung von Konflikten und Entwicklungsstörungen in der aktuellen Lebenssi- tuation des Patienten. Die psychoanalytischen Konzepte von Unterbewusstsein, Übertragung, Gegenübertragung und Widerstand werden vom Therapeuten beach- tet, sind aber kein Schwerpunkt. Die Bearbeitung zugrunde liegender Ursachen aus der frühen Kindheit spielen keine zentrale Rolle. Weitreichende Regressionen werden vermieden. Angewendet wird die tiefenpsychologisch fundierte Psychothe- rapie über das gesamte Spektrum der neurotischen, psychotischen und psycho- somatischen Störungen. Die Therapie erstreckt sich über 50 - 100 Stunden und findet 1 - 2 mal wöchentlich statt. Patient und Therapeut sitzen sich gegenüber (face-to-face). Die Beantragung der Stunden erfolgt in den Schritten 25 - 50 - 80.

Die analytische und die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie unterschei- den sich nach Dauer, Behandlungsfrequenz, Art des Behandlungssettings, Be- handlungszielen und Merkmalen der therapeutischen Techniken voneinander. Zum Teil sind die Unterschiede geringfügig, so dass Überschneidungen auftreten.

In der analytischen Psychotherapie sieht das Behandlungssetting so aus, dass der Patient auf einer Couch liegt und der Therapeut seitlich dahinter sitzt. Die 160 bis 300 Stunden finden 2 - 3 mal pro Woche statt. Die Beantragung der Stunden er- folgt in den Schritten 160 - 80 - 60. Mit der Methode der freien Assoziation, bei der der Patient alles, was ihm durch den Kopf geht, nennen soll, wird ein Zugang zum Unbewussten geschaffen. Weiterhin spielen in der analytischen Psychotherapie Übertragung und Gegenübertragung eine große Rolle. Dabei geht es um die un- bewussten Beziehungsmuster, die sich zwischen Patient und Therapeut (Übertra- gung) bzw. zwischen Therapeut und Patient (Gegenübertragung) abspielen und Hinweise auf frühere Beziehungserfahrungen geben. Ein anderer wichtiger Aspekt ist der Widerstand des Patienten, welcher sich gegen die Aufdeckung schamhafter, schuldhafter oder ängstigender Konflikte richtet und sich z.B. durch Schweigen oder Nichteinhalten der Termine äußern kann. Ziel der Behandlung ist eine struktu- relle Veränderung. In Tabelle 3 sind die drei Therapieformen: Psychoanalyse, ana- lytische Psychotherapie und tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie noch einmal zusammenfassend dargestellt.

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Tabelle 3: Vergleich von Psychoanalyse, analytischer Psychotherapie und tiefen- psychologisch fundierter Psychotherapie (Mertens 1990)

Psychoanalyse Analytische Psychotherapie

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie Frequenz 3 - 4 pro Woche 2 - 3 pro Woche 1 - 2 pro Woche

Umfang nicht begrenzt ca. 200 - 300 Stunden ca. 50 - 100 Stunden Setting Couch-Sessel-

Arrangement

Couch-Sessel-

Arrangement “face-to-face”

Behandlungsdauer ca. 2 - 3 Jahre 2 - 3 Jahre 1 - 3 Jahre

Ziele

Umstrukturierung der

Persönlichkeit

Strukturelle Veränderungen

Reifere Verarbeitun- gen und Manifestatio- nen unbewusster Kon-

flikte in aktuellen Le- bensumständen, ins- besondere in gegen- wärtigen interperso- nellen Beziehungen

3.3 Das Geschlecht der Psychotherapiepatienten

Die Geschlechterverteilung ist ein wichtiger Faktor, der im Rahmen der psychiatri- schen Epidemiologie durch viele wissenschaftliche Arbeiten erforscht wird. Bräuti- gam (1980) untersucht eine Stichprobe von 1000 Patienten einer psychosomati- schen Ambulanz und stellt fest, dass die Klientel zu 68,1 % aus Frauen und zu 31,9 % aus Männern besteht. Drei Jahre später kommt Dührssen (1982) bei der Untersuchung von 615 Patienten zwei verschiedener ambulanter psychotherapeu- tischer Institutionen mit einem Anteil von 61,79 % weiblicher und 38,21 % männli- cher Patienten zu einem ähnlichen Ergebnis. Auch von Rudolf et al. (1988) wird diese Verteilung mit 67 % weiblicher und 23 % männlicher Patienten an den von ihm untersuchten verschiedenen psychiatrischen Institutionen bestätigt.

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nen die Allgemeinpraktiker in Großbritannien verpflichtet sind, und kommt sogar zu dem Ergebnis: „Es gibt ein Übergewicht psychiatrischer Störungen bei Frauen in der allgemeinen Bevölkerung, das sehr viel größer ist als die Krankenhausstatisti- ken vermuten lassen“ (Cooper 1966, S. 7). Auch die Untersuchung der Klientel deutscher Allgemeinpraxen in Mannheim zeigt, dass der Anteil der psychisch kran- ken Frauen mit 62,1 % deutlich höher liegt als der der erkrankten Männer (Zintl- Wiegand et al. 1980). Muhs und Schepank (1991) stellen bei der zwanzigjährigen Untersuchung von 100 Zwillingen (42 eineiig, 58 zweieiig) fest, dass bei neuroti- schen Erkrankungen die Geschlechterverteilung mit der Pubertät wechselt. „Wäh- rend im Kindesalter die Fallrate der männlichen Probanden höher lag, verschob sich die Fallrate im Erwachsenenalter durch den höheren Prozentsatz von weibli- chen Neuerkrankten zum weiblichen Geschlecht hin“ (S. 202). Frauen scheinen erst mit Beginn der Geschlechtsreife und der damit verbundenen Auseinanderset- zung mit der weiblichen Rolle wesentlich häufiger an unspezifischen Symptomen wie Abgeschlagenheit, Stimmungsschwankungen, Nervosität, Angstzuständen, Kopfschmerzen und anderen Erkrankungen zu leiden, die keine körperlichen Ursa- chen haben (Olbricht 1990).

3.4 Das Alter der Psychotherapiepatienten

Ob sich jemand mit seinen psychischen Problemen für behandlungsbedürftig hält oder nicht, hängt unter anderem auch von seinem Alter ab. Das Alter hat einen Ein- fluss darauf, ob Erlebnis- und Verhaltensweisen noch als normal angesehen wer- den oder nicht. So empfindet z.B. ein Jugendlicher seine Probleme mit der Impuls- kontrolle als nicht weiter auffällig. Zwanzig Jahre später würde er sie vermutlich als störend empfinden und eventuell für behandlungsbedürftig halten (Lehofer 2002).

Im Laufe der Entwicklung eines Menschen kommt es zu unterschiedlichen psycho- pathologischen Phänomenen, so dass sich Symptome je nach Alter verschieden darstellen. Zu diesem pathoplastischen Effekt des Alters (Skodoll et al. 1997) zählt auch die Alterspezifität psychiatrischer Störungen und das typische Manifestati- onsalter einer Störung (Lehofer 2002). In diesem Zusammenhang gibt es viele Un- tersuchungen, die die Altersverteilung der Psychotherapiepatienten erforschen. Die Altersspanne der von Bräutigam (1980) untersuchten Stichprobe liegt zwischen 16 und 70 Jahren, wobei 60 % der Patienten zwischen 20 und 39 und nur 5 % über 56

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Jahre alt sind. Bei den 615 von Dührssen (1982) untersuchten Patienten zeigt sich ein ähnliches Bild: 75 % sind zwischen 18 und 38 Jahren alt, die über 50-Jährigen zeigen sich nur noch vereinzelt. Bei Goldschmidt (1989) sind über den gesamten Untersuchungszeitraum 87,8 % der Patienten zwischen 19 und 40 Jahre alt, über 50 sind nur 2,6 %. Rudolf (1991) findet in allen untersuchten Einrichtungen 88 % der Patienten in einem Alter bis 50 Jahre vor, wobei in den psychoanalytischen Praxen eine besonders junge Klientel anzutreffen ist. Linden et al. (1993) finden in ihrer Zufallsstichprobe von 1344 verhaltenstherapeutischen Psychotherapieanträ- gen nur 0,2 % Patienten über 64 Jahre. Auch neuere Forschungsarbeiten zeigen, dass Menschen, die über 60 Jahre alt sind, in der psychotherapeutischen Versor- gung immer noch deutlich unterrepräsentiert sind. Bei der Untersuchung von 3200 Psychotherapieanträgen auf tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psycho- therapie zeigt sich 2002 (Bolk-Weischedel) ein Anteil der über 60-Jährigen von 3,2 %, wobei 82,5 % dieser Patienten Frauen sind. Dem häufigen Vorkommen von neurotischen Erkrankungen im Alter steht eine skeptische Grundeinstellung der Therapeuten gegenüber (Bolk-Weischedel 2002).

3.5 Lebensgeschichtliche Entwicklung und kritische Lebenser- eignisse

Zur Erklärung des Einflusses der lebensgeschichtlichen Entwicklung und kritischer Lebensereignisse auf die Entstehung psychischer Erkrankungen soll in dieser Ar- beit das Diathese-Stress-Modell als Grundlage dienen. Dabei spielen Aspekte aus der Kindheit wie z.B. körperliche Gewalt in der Erziehung und aktuelle Ereignisse wie die Trennung vom Lebenspartner eine Rolle.

Unter Diathese ist eine Prädisposition für bestimmte Krankheiten, psychische Anfälligkeiten und psychosomatische Störungen zu verstehen (Davison und Neale 1990). Dabei geht es um genetische Voraussetzungen, aber auch um entwickelte Persönlichkeitsmerkmale. Der Stressbegriff schließt kritische Lebensereignisse und belastende Umweltfaktoren mit ein und kann psychologische und physiologische Ursachen umfassen (Davison und Neale 1990). Im Psychologischen Wörterbuch (Dorsch 1998, S. 181) wird der Begriff Diathese definiert als „in der Konstitution

(20)

langt“ (Zimbardo und Gerrig 1999, S. 370). Wie ein Mensch wiederum auf den Stress reagiert und in welcher Form er sich anpasst, hängt davon ab, welche psy- chosozialen Ressourcen ihm zur Verfügung stehen. Obwohl sich der Mensch im Laufe seines gesamten Lebens durch verschiedene Einflüsse verändert, scheint es, dass in Bezug auf die Entstehung von Störungen einerseits die Genetik und andererseits die ersten Lebensjahre eine besondere Rolle spielen. In der Kindheit können schädigende oder schützende Einflüsse stattfinden, die die Anfälligkeit für Störungen beeinflussen (Perrez et al. 1998). Diese erworbene Anfälligkeit wird als Vulnerabilität bezeichnet.

Das Risiko, eine psychische Erkrankung zu entwickeln, hängt jedoch auch von den später zusätzlich auftretenden Momenten ab, die dann zur Auslösung der psychi- schen Störung führen können. Ist die Vulnerabilität stark ausgeprägt, ist in vielen Fällen davon auszugehen, dass ein geringer Auslöser ausreicht, um eine psychi- sche Erkrankung zum Ausbruch zu bringen. Das Diathese-Stress-Modell wird da- her auch als Vulnerabilitäts-Stress-Modell bezeichnet. Es versucht, Störungen aus dem Zusammenspiel zwischen Anlage und Belastung zu erklären. Ursprünglich wurde es zur Erklärung der Schizophrenie entwickelt, besitzt inzwischen jedoch für alle psychischen Störungen eine weithin akzeptierte Gültigkeit und trifft in der Er- forschung der klinischen Psychologie auf ein breites Interesse: Schizophrenie (Schöpf und Rust 1994), Depressionen (Brown et al. 1995), Morbus Alzheimer (Russo et al. 1995) und Tinnitus (Jäger und Lamprecht 2001). In Abbildung 1 ist anschaulich dargestellt, wie Prädisposition und kritische Lebensereignisse gemein- sam zu der Entstehung und schließlich zum Ausbruch einer psychischen Erkran- kung, in diesem Fall Depressionen, beitragen können. Zusammenfassend kann man sagen, dass unter Diathese das ungünstige Zusammenwirken von Erbeinflüs- sen und/oder prä-, peri-, postnatalen Traumata zu verstehen ist, das dann als dia- thetische Vulnerabilität die weitere Persönlichkeitsentwicklung präformiert (Fiedler 1995).

Das Diathese-Stress-Modell geht nun davon aus, dass das Vorhandensein dieser Prädisposition für psychische Störungen im Zusammenspiel mit aktueller Belastung (Stress) zum Ausbruch dieser Störungen führt. Aus diesem Grund werden in dieser Arbeit neben den soziodemographischen Merkmalen der Patienten auch belasten- de und damit vermutlich auch für psychische Erkrankungen prädisponierende Ele- mente aus der Vergangenheit der Patienten erfasst. Dazu gehören, neben der be-

(21)

reits oben erwähnten körperlichen Gewalt in der Erziehung, psychische Erkrankun- gen und Suizidversuche in der Ursprungsfamilie, Drogen- und Alkoholabhängigkeit der Eltern, Scheidung der Eltern und sexueller Missbrauch.

Abb.1: Das Diathese-Stress-Modell (Manz 2000) biologische

Faktoren Familie und

Erziehung Verlust-

erfahrungen

andauernde Belastungen (Krankheit,

Überforderung)

chronische Belastungen belastende Lebensereignisse erhöhte Anfälligkeit

Ausbruch der Depression

(22)

4 Methodik

4.1 Grundlagen

In der vorliegenden Arbeit werden 997 Anträge auf ambulante Psychotherapie be- züglich der angegebenen Patientenmerkmale wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Schulabschluss und Wohnsituation untersucht. Auch die diagnostizierte Störung und die Art der beantragten Therapieform werden aufgenommen. Bei den Anträgen handelt es sich ausschließlich um Erstanträge für tiefenpsychologisch fundierte bzw. analytische Psychotherapie. Sie wurden in den Jahren 1998 – 2001 gestellt und im Rahmen des Gutachterverfahrens von einem Gutachter der Abteilung Psy- chosomatische Medizin und Psychotherapie der Medizinischen Hochschule Han- nover daraufhin untersucht, ob die Voraussetzungen der Psychotherapie- Richtlinien erfüllt sind und somit die Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen gerechtfertigt ist.

Die Daten der 400 Anträge aus den Jahren 1998 und 1999 wurden zuvor in dieser Abteilung erarbeitet und in der Dissertation „Wer erhält Psychotherapie? Einfluss- variablen bei der Therapieindikation von tiefenpsychologisch fundierter und analyti- scher Psychotherapie“ (Liersch, Malewski, Lamprecht 2003) dargestellt. Die Er- gebnisse der 597 Psychotherapieanträge aus den Jahren 2000 und 2001 werden von der Autorin dieser Arbeit herausgearbeitet und bilden mit den zuvor erwähnten Anträgen die Grundlage dieser Untersuchung. Die 400 Anträge der Jahre 1998 und 1999 wurden zufällig ausgewählt (Liersch 2004), bei den 597 Anträgen der Jahre 2000 und 2001 handelt es sich um alle in diesem Zeitraum an den oben genannten Gutachter gestellten Erstanträge. Bei den Patienten, für die die Anträge auf ambu- lante Psychotherapie gestellt wurden, handelt es sich ausschließlich um Erwach- sene. Erhoben werden 237 Variablen, von denen die aussagekräftigsten (60) im Ergebnisteil dargestellt sind.

(23)

4.2 Datenerfassungsbogen

Die Erarbeitung der Psychotherapieanträge erfolgt mit Hilfe eines gering modifizier- ten Datenerfassungsbogens der Abteilung, der zusammenfassend folgende Punkte beinhaltet:

Daten zum Psychotherapeuten und zur Psychotherapie Formale Patientendaten

Persönliche Patientendaten Familienanamnese

Patientenangaben zur Kindheit Sexualität und Partnerschaft

Realkonflikt und konfliktauslösende Situation

Zur Identifikation der anonymisierten Anträge wird die von den Therapeuten einge- tragene Chiffrierung übernommen. Die Gestaltung des Datenerfassungsbogens ergibt, dass dichotome Angaben erreicht werden. Nicht angegebene Daten der Psychotherapieanträge werden als solche gekennzeichnet und so bei der statisti- schen Auswertung miteinbezogen.

4.3 Praktische Durchführung

Zunächst werden die für diese Arbeit relevanten Daten der Erstanträge herausge- arbeitet und mit dem Textverarbeitungsprogramm Word erfasst. Danach werden sie mit Hilfe des Datenerfassungsbogens (siehe Anhang) in codierter Form in das Tabellenkalkulationsprogramm Excel übertragen. Auch für die spätere Darstellung der Ergebnisse in Form von Diagrammen wird dieses Tabellenkalkulationspro- gramm verwendet.

4.4 Statistische Auswertung

Zur statistischen Auswertung wird das Computerprogramm R (Ihaka und Gentle- man 1996) angewendet. Mit Hilfe der folgenden statistischen Tests wird überprüft,

(24)

Binomialtest

Um bei Stichprobenwerten, die Ausprägung eines Alternativmerkmales sind, zu überprüfen, ob eine relative Häufigkeit mit einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit vereinbar ist, wird der Binomialtest angewendet.

Chi2-Test

Der Chi2-Test dient zur Überprüfung, ob die unterschiedlichen Häufigkeiten der Merkmalsausprägungen zufällig sind oder nicht. Der Chi²-Unabhängigkeitstest wird als Vierfeldertest bezeichnet, wenn der Zusammenhang zwischen zwei Alternativ- merkmalen untersucht wird.

Dort, wo eine natürliche Verteilung angenommen werden kann, wird in dieser Ar- beit gegenüber diesen Verteilungswerten eine mögliche signifikante Abweichung mit dem Binomialtest berechnet (in der Regel bei bevölkerungsbezogenen Daten).

Der im Allgemeinen zeilenbezogene Vergleich mit dieser als „wahr“ angenomme- nen Verteilung kann bereits bei kleineren relativen Abweichungen zur Feststellung eines signifikanten Unterschieds führen. In allen anderen Fällen werden die Unter- schiede der relativen Häufigkeiten mittels des Ch²-Verfahrens untersucht. Der Chi²- Test wird grundsätzlich unter der Berücksichtigung der YATES-Korrektur (Kontinui- täts-Korrektur) berechnet.

Von großer Bedeutung bei der statischen Auswertung ist der p-Wert. Er gibt an, mit welcher Wahrscheinlichkeit das vorliegende Testergebnis unter der Nullhypothese zustande kommt. Bei p < 0,05 ist das Ergebnis signifikant. Das bedeutet, dass es nur schwer mit der Nullhypothese vereinbar ist und deshalb die Alternativhypothe- se angenommen wird. Zu beachten ist aber, dass ein Testergebnis kein Beweis für die Richtigkeit der dazugehörigen Hypothese ist, da theoretisch zwei Fehler auftre- ten können. Zu kontrollieren ist der Fehler 1. Art (-Fehler), der auftritt, wenn man sich auf Grund des Testergebnisses für die Alternativhypothese entscheidet, ob- wohl in Wirklichkeit die Nullhypothese richtig ist. Er wird vor der Durchführung des Tests mit 5 % festgelegt. Nicht kontrollierbar ist der Fehler 2. Art (-Fehler). Er tritt auf, wenn die Alternativhypothese richtig ist, wegen des Ergebnisses aber die Null- hypothese angenommen wird. Um so größer die Stichprobe, um so geringer die Wahrscheinlichkeit für einen Fehler dieser Art (Weiß, Bauer 2001).

(25)

5 Fragestellung

Ziel dieser Arbeit ist es, die Patienten, die ambulante psychodynamische Psycho- therapie in Anspruch nehmen, zu charakterisieren. Dabei sollen soziodemographi- sche, patientenspezifische und krankheitsbezogene Merkmale betrachtet werden.

Es wird nach analytischer und tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapie diffe- renziert. Im Detail geht es um Geschlecht, Alter, Schulabschluss, beruflicher Ab- schluss, Berufstätigkeit, Familienstand, Wohnsituation, eigene Kinder, Diagnose, Geschwister, Trennung der Eltern und traumatische bzw. kritische Lebensereignis- se in der Kindheit. Im Folgenden wird bei den einzelnen Unterpunkten genannt, was zu den jeweiligen Themen aufgrund der Literatur anzunehmen ist und welche zu überprüfenden Hypothesen sich daraus ergeben.

5.1 Geschlecht

Es wird allgemein angenommen, dass Frauen häufiger Psychotherapie in Anspruch nehmen als Männer.

Hypothese 1: Frauen sind im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung in der untersuchten Psychotherapiepatientenstichprobe überre- präsentiert.

5.2 Alter

Bezüglich des Alters ist in der Literatur von „Yavis-Patienten“ (young, attrac- tive, verbal, intelligent, sophisticated) die Rede, die mehr Psychotherapie er- halten als ältere Menschen. Außerdem zeigt sich, dass die 20 – 40 -Jährigen am häufigsten vertreten sind.

Hypothese 2: Menschen im Alter zwischen 20 – 40 Jahren sind im Ver- hältnis zur Allgemeinbevölkerung in der untersuchten Psy- chotherapiepatientenstichprobe überrepräsentiert.

Hypothese 3: Menschen im Alter zwischen 20 – 40 Jahren sind in der Gruppe, für die eine analytische Psychotherapie beantragt wird, im Verhältnis zu der Gruppe, für die eine tiefenpsy-

(26)

Hypothese 4: Menschen im Alter über 60 Jahren sind im Verhältnis zur Allgemeinbevölkerung in der untersuchten Psychothera- piepatientenstichprobe unterrepräsentiert.

5.3 Diagnose

Es zeigt sich, dass bei vielen Untersuchungen der Anteil der Patienten, die an affektiven Störungen leiden, am größten ist.

Hypothese 5: Menschen, die unter einer affektiven Störung leiden, sind in der untersuchten Psychotherapiepatientenstichprobe häu- figer vertreten als Menschen mit jeder anderen Störung.

Hypothese 6: Menschen, die unter Persönlichkeitsstörungen leiden, sind in der Gruppe, für die einen analytische Psychotherapie beantragt wird, im Verhältnis zu der Gruppe, für die eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie beantragt wird, überrepräsentiert.

5.4 Bildung und Beruf

5.4.1 Schulbildung

Auch bezüglich der Schulbildung sind die „Yavis-Patienten“ (young, attracti- ve, verbal, intelligent, sophisticated) von Bedeutung.

Hypothese 7: Menschen, die einen höheren Schulabschluss (Abitur) ha- ben, sind im Verhältnis zur Allgemeinbevölkerung in der un- tersuchten Psychotherapiepatientenstichprobe überre- präsentiert.

Hypothese 8: Menschen, die einen höheren Schulabschluss (Abitur) ha- ben, sind in der Gruppe, für die einen analytische Psycho- therapie beantragt wird, im Verhältnis zu der Gruppe, für die eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie be- antragt wird, überrepräsentiert.

5.4.2 Beruflicher Abschluss

Auch hier spielen die „Yavis-Patienten“ (young, attractive, verbal, intelli- gent, sophisticated) eine Rolle.

(27)

Hypothese 9: Menschen mit Hochschulabschluss sind im Verhältnis zur Allgemeinbevölkerung in der untersuchten Patientenstich- probe überrepräsentiert.

Hypothese 10: Menschen mit Hochschulabschluss sind in der Gruppe, für die einen analytische Psychotherapie beantragt wird, im Verhältnis zu der Gruppe, für die eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie beantragt wird, überrepräsentiert.

5.4.3 Berufstätigkeit

Es wird angenommen, dass Menschen, die nicht berufstätig sind und somit mehr Zeit zur freien Verfügung haben, häufiger Psychotherapie in Anspruch nehmen, als Menschen, die berufstätig sind.

Hypothese 11: Menschen, die nicht berufstätig sind, sind im Verhältnis zur Allgemeinbevölkerung in der Psychotherapiepatienten- stichprobe überrepräsentiert.

5.5 Familie

5.5.1 Familienstand

Man geht davon aus, dass Ledige und Geschiedene häufiger Psychothera- pie nutzen, als andere Menschen.

Hypothese 12: Menschen, die geschieden sind, sind im Verhältnis zur Al- gemeinbevölkerung überrepräsentiert.

Hypothese 13: Menschen, die ledig sind, sind im Verhältnis zur Allgemein- bevölkerung in der Psychotherapiepatientenstichprobe überrepräsentiert.

Hypothese 14: Menschen, die ledig sind, sind in der Gruppe, für die einen analytische Psychotherapie beantragt wird, im Verhältnis zu der Gruppe, für die eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie beantragt wird, überrepräsentiert.

(28)

5.5.2 Wohnsituation

Es wird angenommen, dass Menschen, die allein leben, häufiger Psychothe- rapie in Anspruch nehmen, als Menschen, die in einem engen sozialen Ver- bund mit anderen zusammen leben.

Hypothese 15: Menschen, die allein leben, sind im Verhältnis zur Allge- meinbevölkerung in der untersuchten Psychotherapiepati- entenstichprobe überrepräsentiert.

Hypothese 16: Menschen, die allein leben, sind in der Gruppe, für die eine analytische Psychotherapie beantragt wird, im Verhältnis zu der Gruppe, für die eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie beantragt wird, überrepräsentiert.

5.6 Ursprungsfamilie

5.6.1 Trennung der Eltern

Man kann davon ausgehen, dass Menschen, die die Trennung ihrer Eltern erlebt haben, häufiger Psychotherapie in Anspruch nehmen, als Menschen, die diese Diskontinuität in ihrer lebensgeschichtlichen Entwicklung nicht er- lebt haben.

Hypothese 17: Menschen, deren Eltern sich getrennt haben, sind im Ver- hältnis zur Allgemeinbevölkerung in der Psychotherapiepa- tientenstichprobe überrepräsentiert.

5.6.2 Traumatische und kritische Lebensereignisse in der Kindheit Es wird angenommen, dass traumatische bzw. kritische Lebensereignisse in der Kindheit zu der Entstehung psychischer Erkrankungen beitragen.

Hypothese 18: Menschen, die in ihrer Kindheit traumatische bzw. kritische Lebensereignisse in Form von körperlicher Gewalt in der Erziehung, sexuellem Missbrauch oder Alkohol- bzw. Dro- genabhängigkeit der Eltern erlebt haben, nehmen häufiger Psychotherapie in Anspruch, als Menschen, die diese Er- fahrungen nicht machen mussten.

(29)

6 Ergebnisse

Der Aufbau des Ergebnisteils orientiert sich an den zugrunde liegenden Hypothe- sen. Vorab ist noch zu erklären, dass die Prozentangaben der einzelnen Unter- punkte nicht immer die Gesamtstichprobe von 997 als Bezugsgröße nutzen, da einzelne Angaben in den Anträgen zum Teil nicht angegeben waren. Die Größe, die bei den einzelnen Themen als 100 % genutzt wird, ist jedoch bei jedem Punkt angegeben. Ungenauigkeiten nach dem Komma bei den prozentualen Angaben kommen durch Rundung zustande. Die Angabe „Allgemeinbevölkerung“ bezieht sich in den Tabellen und Abbildungen immer auf die Daten des statistischen Bun- desamtes (Statistisches Jahrbuch 2002).

6.1 Geschlecht

6.1.1 Geschlecht der Patienten

Die Untersuchung der Geschlechterverteilung in der hier untersuchten Patienten- population ergibt, dass 74,52 % (743) der gestellten Psychotherapieanträge Anträ- ge für weibliche Patienten sind. 25,48 % (254) werden für männliche Patienten ge- stellt. Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung zeigt sich ein hoch signifikanter Un- terschied (p-Wert < 0,0001). Laut statistischem Bundesamt leben in der Bundesre- publik Deutschland 42072700 (51,21 %) weibliche und 40090800 (48,80 %) männ- liche Menschen (Statistisches Jahrbuch 2002, S. 61), so dass der Anteil der weibli- chen Personen in der untersuchten Inanspruchnahmepopulation für ambulante Psychotherapie nicht nur tatsächlich, sondern auch relativ zur Bevölkerungsvertei- lung gesehen deutlich höher liegt.

Tabelle 4: Geschlechterverteilung in der Psychotherapiepatientenstichprobe Patientenstichprobe Allgemeinbevölkerung

Frauen 743 74,52 % 51,21 %

Männer 254 25,48 % 48,80 %

gesamt 997

(30)

Geschlechterverteilung in der Psychotherapiepatientenstichprobe

Frauen 74,52%

Männer 25,48%

Abb.2

6.1.2 Geschlecht der Patienten getrennt nach Art der beantragten The- rapie

Wie in Tabelle 5 zu sehen, zeigt sich bezüglich der Geschlechterverteilung zwi- schen den Patienten, für die eine analytische Psychotherapie beantragt wird, und denen, für die eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie beantragt wird, kein signifikanter Unterschied.

Tabelle 5: Geschlecht der Patienten getrennt nach Art der beantragten Therapie Analytische

Psychotherapie

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Anzahl Prozent Anzahl Prozent p-Werte

weibliche

Patienten 176 73,95 % 566 75,17 % 0,8974

männliche

Patienten 62 26,05 % 187 24,83 % 0,711

gesamt 238 753

x² = 0,0849; df = 0; p-Wert = 0,7707

6.1.3 Geschlecht der Therapeuten

Auch bei den Therapeuten ist das weibliche Geschlecht mit 62,15 % (619) eindeu- tig häufiger vertreten als das männliche. In einem Fall (0,1 %) konnte anhand der

(31)

Daten des Psychotherapieantrages das Geschlecht des Therapeuten nicht festge- stellt werden. Der sehr viel höhere Anteil weiblicher Therapeuten entspricht ten- denziell der größeren Zahl der weiblichen Inanspruchnahmepatienten.

Tabelle 6: Geschlecht der Therapeuten

Anzahl Prozent

weibliche Therapeuten 619 62,15 %

männliche Therapeuten 377 37,85 %

gesamt 996

6.1.4 Zusammenhang zwischen Patienten- und Therapeutengeschlecht Bezüglich des Geschlechtes des Patienten und dem des Therapeuten zeigt sich ein hoch signifikanter Zusammenhang (p-Wert < 0,0001). Wie in Abbildung 3 zu erkennen, wählen 65,19 % der Patienten (646) einen gleichgeschlechtlichen The- rapeuten. Aufgeschlüsselt nach den einzelnen Geschlechtern bedeutet das, dass weibliche Patienten in 505 Fällen (68,52 %) eine Therapeutin aufsuchen. 141 der 254 männlichen Patienten (55,51 %) entscheiden sich für einen männlichen Thera- peuten. Weibliche Patienten wählen also in höherem Maße einen gleichgeschlecht- lichen Therapeuten.

Tabelle 7: Geschlecht des Patienten im Zusammenhang mit dem Therapeutenge- schlecht

männliche Patienten weibliche Patienten

Anzahl Prozent Anzahl Prozent

männliche

Therapeuten 141 55,51 % 232 31,48 %

weibliche

Therapeuten 113 44,49 % 505 68,52 %

gesamt Anzahl Prozent

gleichgeschlecht-

liche Konstellation 646 65,19 %

gegengeschlecht-

(32)

Geschlecht des Patienten im Zusammenhang mit dem Therapeutengeschlecht

65,19% 68,52%

55,51%

34,81% 31,48%

44,49%

Patienten gesamt weibliche Patienten männliche Patienten

gegengeschlechtlich gleichgeschlechtlich

Abb.3

Von der therapeutischen Seite her betrachtet, sind folgende Aussagen zu machen:

Weibliche Therapeuten beantragen 618 der hier untersuchten Psychotherapiean- träge (62,36 %) auf ambulante Psychotherapie. 505 dieser 618 Anträge (81,72 %) werden für weibliche Patienten gestellt. Hingegen beziehen sich von den 373 der von männlichen Therapeuten gestellten Anträge nur 141 (37,80 %) auf männliche Patienten. Es zeigt sich ein hoch signifikanter Unterschied (p-Wert < 0,0001).

6.2 Alter

6.2.1 Alter der Patienten

Das Alter der Patienten der untersuchten Stichprobe liegt zwischen 18,00 und 98,46 Jahren und findet mit einer Standardabweichung von 10,31 seinen Mittelwert bei 38,45 Jahren. Das durchschnittliche Alter der Frauen liegt bei 38,25 Jahren, das der Männer bei 39,05 Jahren, so dass kein signifikanter Unterschied (p-Wert = 0.3) in diesem Punkt festgestellt werden kann.

Abbildung 4 spiegelt die Altersverteilung in der Psychotherapiepatientenstichprobe (helle Balken) im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung (dunkle Balken) wieder, wo- bei auf der Abszisse die sechs Altersklassen zu erkennen sind und die Ordinate den Anteil der Personen der jeweiligen Gruppe in Prozent wiedergibt.

67,37 % (667) der Patienten sind zwischen 25 und 44 Jahre alt. Bezüglich dieser Altersklasse findet sich ein hoch signifikanter Unterschied (p-Wert < 0,0001) zu den Angaben des statistischen Bundesamtes über die Altersverteilung der Bürger der

(33)

Bundesrepublik Deutschland (Statistisches Jahrbuch 2002, S. 60). Nur 30,7 % der Bürger sind zwischen 25 und 44 Jahre alt.

Hingegen findet sich in der Altersklasse 45 bis 59 Jahre kein signifikanter Unter- schied (p-Wert = 0.05) im Vergleich dieser beiden Gruppen. 21,61 % der Patienten und 18,91 % der Bevölkerung befinden sich in diesem Alter. Im Alter über 64 Jah- ren wiederum gibt es in der Allgemeinbevölkerung einen hoch signifikant höheren Anteil (p-Wert < 0,0001) .

Tabelle 8: Altersverteilung in der Psychotherapiepatientenstichprobe im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung

Patientenstichprobe Anzahl Prozent

Allgemeinbevölkerung p-Werte

18 – 24 80 8,08 % 7,94 % 0.95

25 – 44 667 67,37 % 30,70 % < 0,0001

45 – 59 214 21,61 % 18,91 % 0.05

60 - 64 22 2,22 % 6,95 % < 0,0001

65 - 99 7 0,71 % 16,65 % < 0,0001

gesamt 990

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

18-24 25-44 45-59 60-64 65-99

Altersverteilung in der Psychotherapiepatientenstichprobe im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung

Psychotherapiepatientenstichprobe Statistisches Bundesamt

(34)

6.2.2 Alter der Patienten getrennt nach Geschlechtern

Betrachtet man die Altersverteilung getrennt nach Geschlechtern, fällt auf, dass es bei den männlichen Patienten in jeder Altersgruppe im Vergleich zu den Daten des statistischen Bundesamtes signifikante Unterschiede gibt (p-Werte siehe Tabelle 9), wobei die Männer in der Stichprobe insgesamt deutlich unterrepräsentiert sind.

Die Altersgruppe, die aber auch hier am häufigsten vertreten ist, ist die zwischen 25 und 44 Jahren.

Tabelle 9: Altersverteilung der männlichen Patienten im Vergleich zur männlichen Be- völkerung

Männer

Alter Patientenstichprobe Allgemeinbevölkerung p-Werte

18-24 1,6 % 8,29 % < 0,0001

25-44 16,3 % 32,29 % < 0,0001

45-59 6,1 % 19,46 % < 0,0001

60-64 0,7 % 6,98 % < 0,0001

65-99 0,2 % 13,16 % < 0,0001

Altersverteilung der männlichen Patienten im Vergleich zur männlichen Bevölkerung

0%

5%

10%

15%

20%

25%

30%

35%

18-24 25-44 45-59 60-64 65-99

Psychotherapiepatientenstichprobe Statistisches Bundesamt

Abb.5

Wie in Tabelle 10 zu erkennen, unterscheidet sich die Altersverteilung der Frauen insofern von der der Männer, als dass, wie bei der Gesamtverteilung auch, alle Gruppen bis auf die Altersklassen 18-24 Jahre und 45-59 Jahre hoch signifikante

(35)

Unterschiede aufweisen. Besonders auffällig ist auch hier die Altersklasse zwi- schen 25 und 44 Jahren, die mit 50,3 % deutlich höher liegt als die 29,19 % der Frauen, die in dieser Alterstufe in der Bevölkerung zu finden sind. Im Alter über 65 Jahren ist der Anteil der Frauen in der Stichprobe hoch signifikant geringer als in der Bevölkerung (19,97 %).

Tabelle 10: Altersverteilung der weiblichen Patienten im Vergleich zur weiblichen Bevöl- kerung

Frauen

Alter Patientenstichprobe Allgemein-

bevölkerung p-Werte

18-24 6,40 % 7,61 % 0.17

25-44 50,30 % 29,19 % < 0,0001

45-59 15,30 % 18,39 % 0.011

60-64 1,50 % 6,93 % < 0,0001

65-99 0,50 % 19,97 % < 0,0001

Altersverteilung der weiblichen Patienten im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

18-24 25-44 45-59 60-64 65-99

Psychotherapiepatientenstichprobe Statistisches Bundesamt

Abb.6

6.2.3 Altersverteilung getrennt nach Art der beantragten Therapie

Tabelle 11 zeigt, dass bei den Patienten, für die eine analytische Therapie bean-

(36)

tienten, für die eine tiefenpsychologisch fundierte Therapie beantragt wird, signifi- kant häufiger (p-Wert < 0,05) Patienten zwischen 45 – 59 Jahren.

Tabelle 11: Altersverteilung getrennt nach Art der beantragten Therapie Analytische

Psychotherapie

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie

Anzahl Prozent Anzahl Prozent p-Werte

18 – 24 16 6,72 % 64 8,51 % 0,5122

25 – 44 179 75,21 % 488 64,89 % < 0,01

45 – 59 39 16,39 % 175 23,27 % < 0,05

60 - 64 4 1,68 % 18 2,39 % 0,6261

65 - 99 0 0,00 % 7 0,93 % 0,2083

gesamt 238 752

x² = 9,20; df = 3; p-Wert < 0,05

6.3 Diagnose

6.3.1 Diagnosenverteilung

Hier ist zunächst zu erwähnen, dass sich die Anordnung der Diagnosegruppen in dieser Arbeit grundsätzlich nach der diagnostischen ICD-10-Einteilung richtet, so dass z.B. die Angststörungen getrennt von den affektiven Störungen aufgeführt werden. Organische Erkrankungen, Abhängigkeit und Psychosen sind aufgrund ihres geringen Vorkommens in einer Gruppe zusammengefasst. Wie in der folgen- den Abbildung (Abb. 7) zu erkennen, handelt es sich bei über der Hälfte (54,29 %, 519) der Diagnosen, wegen derer die Psychotherapieanträge gestellt werden, um affektive Störungen. 187 (19,20 %) der erfassten 974 Diagnosen sind Angststörun- gen, 76 (7,80 %) Anpassungsstörungen und posttraumatische Belastungsstörun- gen. 4,72 % (46) der Diagnosen sind somatoforme Störungen, 4,01 % (39) Persön- lichkeitsstörungen und 3,49 % (34) Essstörungen. Die Diagnosen, die weniger als 3 % der untersuchten Stichprobe ausmachen, sind in Abbildung 7 unter „weitere“

zu finden und dort von oben nach unten der Größe nach geordnet. Auch in der Ta- belle 12 sind die Diagnosen nach Häufigkeit geordnet angegeben.

(37)

Tabelle 12: Diagnosenverteilung

Art der Störung Anzahl Prozent

Affektive Störungen 519 54,29 %

Angststörungen 187 19,20 %

Anpassungsstörung/PTBS 76 7,80 %

Somatoforme Störungen 46 4,72 %

Persönlichkeitsstörungen 39 4,01 %

Essstörungen 34 3,49 %

andere Neurosen 27 2,77 %

Organische Erkrankungen,

Abhängigkeit, Psychosen 25 2,57 %

Zwangsstörungen 12 1,23 %

Dissoziative Störungen 6 0,62 %

Körperliche Erkrankungen 3 0,31 %

Anzahl gesamt 974

Diagnosenverteilung

Angststörungen Affektive

Störungen

somatoforme Störungen

Anpass./PTBS andere Neurosen Organische Erkr.,

Abhängigkeit, Psychosen Zwangsstörungen Dissoziative

Störungen Körperliche Erkrankungen Weitere

Essstörungen Persönlichkeits-

störungen

(38)

6.3.2 Diagnosen getrennt nach Geschlechtern

In Abbildung 8 ist wiedergegeben, wie die einzelnen Diagnosen auf die weiblichen und die männlichen Patienten aufgeteilt sind. Wobei sich das deutlich häufigere Vorkommen der Frauen insgesamt auch in jeder Diagnosegruppe wiederspiegelt.

Es fällt auf, dass die Gruppe der essgestörten Patienten in dieser Stichprobe aus- schließlich aus Frauen besteht. Die den Prozentzahlen in Abbildung 8 zugrunde liegenden Zahlenwerte finden sich in Tabelle 13, wobei sich die Prozentzahlen dort auf die Abbildungen 9 und 10 beziehen.

Anteil des jeweiligen Geschlechts an den einzelnen Diagnosen

100,00%

83,33%

82,61%

77,78%

76,02%

74,36%

73,68%

71,12%

66,67%

66,67%

64,00%

16,67%

17,39%

22,22%

23,98%

25,64%

26,32%

28,88%

33,33%

33,33%

36,00%

0% 10% 20% 30% 40% 50% 60% 70% 80% 90% 100%

Essstörungen Dissoziative Störungen Somatoforme Störungen Andere Neurosen Affektive Störungen Persönlichkeitsstörungen Anpassungsstörung/PTBS Angststörungen Zwangsstörungen Körperliche Erkrankungen

Organische Erkrankungen, Abhängigkeit, Psychosen

Frauen Männer

Abb.8

Im Folgenden wird nun detailliert betrachtet, wie groß der Anteil der jeweiligen Stö- rung in der Gruppe der Frauen, und getrennt davon, wie groß der prozentuale An- teil der jeweiligen Störung in der Gruppe der Männer ist. Diese Auftretenshäufigkeit

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Hiermit melde ich mich zur folgenden Veranstaltung an (bitte entsprechende Veranstaltung ankreuzen):. 

2008 auf das Konto der Landespsychotherapeutenkammer Baden- Württemberg überwiesen: Deutsche Apotheker- und Ärztebank Stuttgart: BLZ 60090609, Konto Nr. Im Tagungspreis

1) Für die Diagnose einer depressiven Episode wird eine Dauer von mindestens drei Monaten verlangt. 2) Sie zeigt ein breites Bild unterschiedlicher Symptome und Ausprägung. 3)

Welche der folgenden Aussagen treffen zu? Bei folgenden Krankheiten können Symptome einer Panikstörung auftreten:3.

1) Für die Diagnose einer depressiven Episode wird eine Dauer von mindestens drei Monaten verlangt. 2) Sie zeigt ein breites Bild unterschiedlicher Symptome und Ausprägung. 3)