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Archiv "Saccharin: Verdikt wegen kanzerogener Wirkung?" (24.05.1979)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

ÄRZTEBLATT

Heft 21 vom 24. Mai 1979

Saccharin: Verdikt

wegen kanzerogener Wirkung?

Wolfgang Forth

Künstliche Süßstoffe spielen vor allem für die Diabetiker ei- ne wichtige Rolle; außerdem werden sie zunehmend in so- genannten niederkalorischen Diäten verwendet. Cyclamat und Saccharin sind in den Verdacht geraten. kanzerogen zu wirken. Während Cyclamat in der Zwischenzeit von die- sem Verdacht befreit wurde, soll nun Saccharin aufgrund von Untersuchungen in Nord- amerika am 30. Juni 1979 in Kanada aus dem Handel gezo- gen werden. Diese Entschei- dung ist nicht die Folge einer nüchternen Abschätzung von Nutzen und Risiko, sondern vielmehr die einer zwar gutge- meinten Gesetzgebung, die nur ein „Entweder-Oder"

kennt und genau die eigent- lich vernünftige Risikoab- schätzung nicht zuläßt.

Nachdem vor einigen Jahren der Süßstoff Cyclamat unter dem Ver- dacht, potentiell karzinogen zu sein, in verschiedenen Ländern, darunter in den USA und Kanada, aus•dem Handel gezogen wurde, ist jetzt un- ter dem gleichen Verdacht auch Saccharin ins Gerede gekommen. In Kanada soll Saccharin vom 30. Juni 1979 an nicht mehr verwendet wer- den. Verständlicherweise hat diese Nachricht Unruhe, vor allem bei Lai- en, verursacht. Auch die Ärzte wer- den mit Fragen bestürmt.

Das Saccharin-Problem kann unter drei Aspekten diskutiert werden:

O Die kanzerogene Wirkung im Tierversuch.

(E)

Die Gesetzgebung für Zusatz- stoffe zu Nahrungsmitteln in den USA.

O Die Konsumgewohnheiten.

Die Kenntnis der Zusammenhänge ist die Voraussetzung für das Ver- ständnis dafür, wie es zum Verdikt von Saccharin in Amerika gekom- men ist. Außerdem sollen sie uns in die Lage versetzen, eine vernünftige Abschätzung von Risiko und Nutzen beim Gebrauch der künstlichen Süßstoffe durch Diabetiker vorzu- nehmen.

1. Die kanzerogene Wirkung von Saccharin

Die Bildung von Blasenpapillomen mit krebsartigen Tumoren der Blase durch Saccharin ist im Tierversuch erwiesen, teils durch Einbringen

saccharinhaltiger Cholesterinpellets in die Blase (4)*), teils durch chroni- sche Fütterung von Saccharin an Ratten über Wochen und Monate. Es wird diskutiert, ob eine Produk- tionsverunreinigung von Saccharin, o-Toluol-Sulfonsäureamid, der Trä- ger der kanzerogenen Wirkung ist oder ebenfalls kanzerogene Wirkun- gen hat (1, 5, 15, 17, 23).

Als besonders schwerwiegend wird betrachtet, daß sich in Fütterungs- versuchen trächtiger Ratten, vor al- lem bei männlichen Nachkommen, eine hohe Rate an Blasentumoren (Blasenpapillome mit kanzeröser Entartung des Gewebes) im Ver- gleich mit einer Kontrollgruppe er- gab, die nicht mit Saccharin gefüt- tert wurde. Bei der weiblichen Nach- kommenschaft war die Steigerung der Tumorrate gerade eben über dem Signifikanzniveau (7). Das Er- gebnis dieses Fütterungsversuches war der letzte Anstoß zur Diskussion darüber, ob Saccharin als Nah- rungsmittelzusatz weiterhin als

„harmlos" zu betrachten sei.

Das Ergebnis dieses Versuches deu- tet auf eine Wirkung von Saccharin beziehungsweise der Saccharinver- unreinigung als Kokarzinogen hin.

Die Gefahr der karzinogenen Wir- kung wurde auch direkt bei gleich- zeitiger Exposition von Tieren mit Saccharin und N-Nitroso-Methyl- harnstoff, einem Stoff, der als Verur- sacher von Blasenkarzinomen be- kannt ist, nachgewiesen (8).

*) Die in Klammern stehenden Ziffern bezie- hen sich auf das Literaturverzeichnis.

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Saccharin

Das kanzerogene Potential von Sac- charin (oder eines gegenwärtig un- vermeidlichen Begleitstoffes bezie- hungsweise eines Metaboliten der beiden) kann aufgrund der Tierver- suche als sicher erwiesen betrachtet werden.

Verglichen mit anderen bekannten kanzerogenen Stoffen, gilt Saccha- rin als "schwaches" Kanzerogen. Saccharin erwies sich außerdem für Drosophila melanogaster (19), Vicia faba (18), Hamster (1 0) und Maus (20) als mutagen wirksam. Bei Sal- monella typhimurium war hochge- reinigtes Saccharin im direkten Test nicht mutagen. Dagegen enthält der Urin der mit hochgereinigtem Sac- charin behandelten Tiere mutagene Stoffe (2). Teratogene Wirkungen wurden bislang bei Saccharin noch nicht beobachtet (11 ).

1.1. Das Problem der Saccharin-Dosierung

Zur Beurteilung der Ergebnisse der Tierversuche muß man allerdings wissen, daß Dosen von wenigstens 2 bis 4 g/kg (!) über Monate, ja über die gesamte Lebenszeit der Tiere, angewendet wurden. Beiläufig sei darauf hingewiesen, daß das Ergeb- nis der Untersuchungen mit Saccha- rin nicht nur im Hinblick auf die Lo- kalisation der Tumoren in der Blase demjenigen gleicht, das vor einigen Jahren zum Verbot von Cyclamat in Nordamerika geführt hat. Die Cycla- mat-Versuche wurden mit exzessiv hohen Dosen und immer in Kombi- nation mit Saccharin durchgeführt.

ln der Tabelle ist die tägliche Auf- nahme von Saccharin und Cyclamat durch Diabetiker aufgeführt, wie sie vor einigen Jahren in der Bundesre- publik geschätzt wurde. Dabei ist zu berücksichtigen, daß Cyclamat und Saccharin in der Regel gleichzeitig gebraucht werden. Dort, wo nur Saccharin angewendet wird, ist die tägliche Belastung entsprechend höher. Der Schätzung liegen Anga- ben von Behringer (3) beziehungs- weise Mehnert (13) zugrunde.

Demzufolge lagen die Dosen im chronischen Fütterungsversuch pro Kilogramm Körpergewicht berech- net wenigstens zwischen 400- und 1000mal höher, wenn man die tägli- che Belastung des Organismus mit ausschließlich Saccharin zugrunde legt.

Auch für die Mutagenitätsprüfungen wurden exzessive Saccharindosen eingesetzt. Würde man die Dosen pro Kilogramm auf den Menschen übertragen, die für Mutagenitätsprü- fungen an Mäusen (20) benutzt wur- den, dann müßte der Erwachsene in Abständen von 12 Stunden 5mal je- weils 14 g (!) Saccharin zu sich nehmen.

Untersuchungen, in denen Saccha- rin chronisch an Ratten in Dosen verabreicht wurden, die pro Kilo- gramm Körpergewicht nur zwischen 15- bis 80mal höher waren als dieje- nigen bei alleiniger Einnahme von Saccharin, haben keinerlei Hinweise auf eine gesteigerte Tumorrate erge- ben. ln diesen Versuchen wurde die Fütterung zum Teil sogar über die gesamte Lebensdauer der Tiere aus-

Tabelle: Geschätzte tägliche Aufnahme von Saccharin und Cycla- mat durch Diabetiker in der Bundesrepublik Deutschland

künstlicher Süßstoff tägliche Belastung mg/kg

Kombination von Cyclamat 0,5 -12

und Saccharin 0,05- 2,5

nur Saccharin 3 - 6

1436 Heft 21 vom 24. Mai 1979 DEUTSCHES ARZTEBLATT

gedehnt (14, 21). Die Dosierung von Saccharin orientierte sich in diesen Untersuchungen an der üblichen Belastung des Organismus eines Diabetikers. Bei Rhesusaffen blieb eine Dosierung von 500 mg/kg und Tag, über 6,6 Jahre verfüttert, ohne Anzeichen einer kanzerogenen Wir- kung (12). Diese Dosis liegt 80- bis 166mal höher als die der reinen Sac- charinbelastung des Diabetikers.

Allerdings wurde in den Versuchen an Ratten und Affen eine eventuelle karzinogene Wirkung an den Nach- kommen bei einer bereits intrauterin einsetzenden Belastung nicht über- prüft.

2. Die Gesetzgebung

für Zusatzstoffe zur Nahrung in den USA

Die gesetzlichen Regelungen über die Anwendung von Zusatzstoffen zur Nahrung hat in den USA zur Er- stellung einer Liste von Stoffen ge- führt, die allgemein als unbedenk- lich anzusehen sind (generally re- cognized as safe = GRAS). Die Auf- nahme eines Stoffes in diese Liste ist aber abhängig von der sogenann- ten "Delaney clause"; sie besagt, daß "kein Zusatzstoff als sicher erachtet werden darf, wenn gefun- den wird, daß er bei Mensch oder Tier Krebs erzeugt" (Übersetzung aus dem Zusammenhang). Diese Formulierung stammt aus der Ge- setzgebung von 1958; sie ist in zwei- erlei Hinsicht zu überdenken.

~ Die Delaney-Einschränkung macht keinen Unterschied zwischen Mensch und Tier. Das läßt sich damit begründen, daß Stoffe mit im Tier- versuch erwiesenem karzinogenen Potential in der Regel auch beim Menschen als karzinogen zu be- trachten sind. Nur muß für Saccha- rin dann geltend gemacht werden, daß es selbst bei lebenslanger Ver- fütterung in höchsten Dosen keine kanzerogene Wirkung zeigte. Bei der Ratte hat die bereits intraut~­

rin erfolgte Exposition gegenüber höchsten Dosen von Saccharin be- ziehungsweise o-Toluoi-Sulfonsäu- reamid zu Blasentumoren bei den

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verordnen Sie eine

Rückstrombeschleunigung um mehr als 50%.

Weil Venoruton

dieViskosität des Blutes senkt.

Venenleiden sind multifaktoriell und pro- gredient: Aber immer steht ein verlang- samter venöser Reflux im Drehpunkt des Circulus vitiosus. Venoruton kann den Rückstrom im Bein um mehr als 50%

beschleunigen [Humanversuch 1, 2].

Venoruton ist speziell mikrorheologisch aktiv: Es verbessert die Fließeigenschaf- ten des Blutes bereits in der Endstrom- bahn, weil es die Aggregationstendenz von Erythro- und Thrombozyten hemmt [3, 4, 5], die Viskosität des Venenblutes senkt [Humanversuch 2] und die Odem- bildung bremst [6, 7].

Venorüton wirkt somit antithrombotisch und stauungswidrig - bei uneinge- schränkter Verträglichkeit. Lit.: [1] E.

Mühe, Habilitationsschrift. Erlangen 1973 - [2] A. Bächmann 1979. Im Druck - [3] H. Schmid-Schönbein et al., VASA 4, 263 (1975) - [4] D'A. Kok u. P. G. Watson in: Vision and Circulation. 3 rd W. Mack- enzie Mem. Symp. Glasgow 1.-4. 7. 1974 London 1976 - [5] H. Fischer, Interni- stische Praxis 17, 746 (1977) - [6] W.

Felix, Dtsch. Med. J. 23, 403 (1972) - [7] W. Voelter und G. Jung (Hrsg.): „0-(ß - Hydroxyaethyl)-rutoside" - exp. u. klin.

Ergebn., Berlin 1978, Springer-Verl., BIn.

Zusammen- setzung:

Venoruton-Präpa- rate enthalten 0-(13 -Hydroxyaethyl)-rutoside in unterschiedlicher Konzentra- tion.

Indikationen: Variköse und postthrombotische Syndrome, chronisch-venöse Insuffizienz in allen Stadien. Schwanger- schaftsvarikosis.

Kontraindikationen:

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Konzentrationen, Handels- formen, Preise, Anwendung:

Venoruton-intens (500 mg/Dragee) 20 Dragees DM 19,01 50 Dragees DM 41,31 100 Dragees DM 76,46 Phlebologie: täglich 1- bis 2mal 1 Dragee. [Strahlentherapie:

täglich 2mal 1 bis 3mal 2 Dra- gees. Retinopathia diabetica:

täglich 2- bis 3mal 2 Dragees].

10 Ampullen DM 24,- 1 Ampulle täglich oder jeden zweiten Tag im. oder langsam iv.

Venoruton 300 (300 mg/Kapsel) 20 Kapseln DM 14,18 50 Kapseln DM 31,11 100 Kapseln DM 57,72 täglich 2mal 1 Kapsel.

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Venoruton Gel (2% g/g) 40 g Gel DM 8,55 100 g Gel DM 18,70 täglich 2mal dünn auftragen und gut einstreichen.

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Saccharin

Feten geführt, wobei die männlichen Nachkommen besonders gefährdet erscheinen.

..,.. Es ist unseres Erachtens unmög- lich, daß gegenwärtig irgendwer für

irgendeinen Stoff die absolute Un-

bedenklichkeit bescheinigen kann. Das ist schon aufgrund der ständi- gen Zunahme unseres Wissens in der Toxikologie, der chemischen Mutagenese und der kanzerogenese ausgeschlossen. Die Alternative da-

zu ist die Abwägung zwischen Nut-

zen und Risiko bei der Einnahme eines Stoffes, die von Zeit zu Zeit, dem jeweiligen Wissensstand ange- paßt, erneuert werden muß. ln diese Abwägung ist aber die Dosenabhän- gigkeit des Risikos unabdingbar mit einzubeziehen. Die Beurteilung ei- ner toxischen Wirkung kann immer nur aufgrund der Dosenbelastung und der Zeitdauer der Exposition vorgenommen werden. Diese Über- legungen leuchten jedem Fachmann ein; indes dürfte es schwierig sein, angesichts der Delaney-Einschrän- kung einen Stoff selbst bei einer ver- nünftigen Abwägung des Risikos noch auf der GRAS-Liste zu halten, wenn "bei der Einnahme durch Mensch oder Tier Krebs erzeugt wurde".

3. Die Konsumgewohnheiten Künstliche Süßstoffe sind hierzulan- de zunächst einmal Hilfen für Diabe- tiker, die bekanntlich einer drasti- schen Restriktion beim Verbrauch von Zucker unterworfen sind. Für diese Gruppe von Menschen ist auch die oben aufgeführte Schät- zung der täglichen Belastung mit den herkömmlichen künstlichen Süßstoffen durchgeführt worden. Anders in den USA. Dort steht offen- sichtlich der Verbrauch der künstli- chen Süßstoffe in sogenannten ka- lorienarmen Getränken und Nah- rungsmitteln im Vordergrund. Nach dem Verdikt von Cyclamat (aufgrund der Delaney-Einschränkung) ist der Verbrauch von Saccharin sprung- haft angestiegen. Besonders be- denklich dabei ist, daß die Hauptver- braucher Kinder sind: für Kinder un- ter 10 Jahren ist der Verbrauch von

Saccharin seit 1972 um 160 Prozent angestiegen (22). Das Alter der männlichen Hauptverbraucher liegt zwischen 0 bis 9 Jahren; das der Frauen zwischen 20 und 39 Jahren . Unter diesem Aspekt erscheint die mögliche Entscheidung, in den USA und in Kanada Saccharin aus der Liste der unbedenklichen Stoffe zu entfernen, in einem anderen Licht.

Gehen wir hierzulande für Altersdia- betiker beispielsweise von der be-

ginnenden Einnahme künstlicher

Süßstoffe vom 40. bis 45. Lebensjahr aus, und legen wir die hier ermittel- ten Belastungen zugrunde, dann wird verständlich, daß in keiner Sta- tistik bei Diabetikern ein wie auch immer gesteigertes Krebsrisiko im Vergleich mit Nichtdiabetikern er- kenntlich geworden wäre (20). Wie sieht eine mögliche Gefährdung jedoch dann aus, wenn die Nach- kommenschaft bereits intrauterin vorbelastet wird und dann von der frühen Kindheit an ein exzessiver Gebrauch künstlicher Süßstoffe er- folgt? Darüber gibt gegenwärtig noch keine Statistik Auskunft. Dafür läßt sich aber die Belastung des Or- ganismus auf der Basis der gegen- wärtigen Verbrauchergewohnheiten einigermaßen abschätzen. Die Bela- stung des Organismus mit Saccha- rin beim Genuß einer Flasche eines künstlich gesüßten Getränkes kann mit 1 bis 2 mg/kg für einen Erwach- senen von 70 Kilogramm Gewicht veranschlagt werden. Bei dieser Be- rechnung wird ein mittlerer Saccha- ringehalt von 70 bis 140 mg pro Fla- sche zugrunde gelegt (6). Für ein Kind von 40 Kilogramm Gewicht er- höht sich die Belastung auf 1, 7 bis 3,5 mg/kg und bei nur 20 Kilogramm auf 3,5 bis 7 mg/kg. Nimmt man an, daß die Zufuhr des künstlich Gesüß- ten in den USA hoch ist und sich nicht nur auf Getränke beschränkt, sondern auch Eis, Pudding usw. ein- schließt, dann bliebe selbst beim Zehnfachen der oben berechneten Saccharindosis die Belastung noch 60- bis 400mal unter derjenigen, die, pro Kilogramm Körpergewicht be- rechnet, in den Versuchen erzielt wurde, in denen-die Tiere bereits

intrauterin belastet wurden.

1438 Heft 21 vom 24. Mai 1979 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Legt man die gleiche Häufigkeit der Entstehung von Blasentumoren beim Menschen zugrunde, wie auch im Tierversuch beobachtet wurde, dann kann berechnet werden, daß in den USA zwischen 600 bis 700 Krebsfälle zusätzlich auftreten müß- ten, vorausgesetzt die Spezies Mensch erweist sich als so empfind- lich wie die Ratte (22) und der Grad der Exposition wäre vergleichbar;

wenigstens das Letztere trifft nicht zu.

4. Schlußfolgerungen

Die Besonderheiten der Gesetzge-

bung, vor allem aber die Unterschie-

de in den Konsumgewohnheiten machen die Reaktion der Legislative und ihrer Berater in den Staaten des Nordamerikanischen Kontinents auf die Bestätigung der kanzerogegen Wirkung von Saccharin verständ-

lich. Wenn, wie zu erwarten steht, im

Sommer dieses Jahres Saccharin . aus der Liste der Zusatzstoffe zu

Nahrungsmitteln vorläufig gestri-

chen wird, soll, gewissermaßen zum Trost, Cyclamat wieder zugelassen werden. ln der Zwischenzeit hat sich nämlich gezeigt, daß die im Tierver- such beobachtete Häufung von Blasentumoren offensichtlich beim alleinigen Gebrauch von Cyclamat nicht zu beobachten ist. Es besteht der Verdacht, daß schon in diesen Versuchen, in denen Cyclamat und Saccharin in Kombination unter- sucht wurde, das eigentlich schädi- gende Agens Saccharin und/oder Verunreinigung beziehungsweise ein Metabolit von Saccharin war.

Welche Lehren können wir für uns aus diesen Vorgängen ziehen, die in die USA keineswegs auf den unge- teilten Beifall der Sachverständigen (9) stoßen? Wir werden wohl immer wieder erleben, daß Stoffe, die uns in der Nahrung, als Kosmetika oder Arzneistoffe vertraut sind, hinsicht- lich ihrer toxikologischen Unbe- denklichkeit ins Gerede kommen. Das bringt der Fortschritt des Wis- sensstandes mit sich. Es bedarf dann einer vernünftigen Abschät- zung von Nutzen und Risiko. Ob al- les, was in den letzten Jahren an

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Thromboseprophylaxe mit Ancrod

Die protrahierte subkutane Applika- tion von Ancrod (Arvin® beziehungs- weise Twyfarin®) ist wie Heparin in der Lage, tiefe Beinvenenthrombo- sen nach Operationen im Hüft- und Femurkopfbereich zu verhindern.

Ancrod besitzt ein im Giftsekret der malaischen Grubenotter (Agkistro- don rhodostoma) enthaltenes fibri- nogenspaltendes Enzym, das den Fibrinogenspiegel im Vollblut (nor- mal 200 bis 450 mg-%) auf niedrige Werte (um 50 bis 100 mg-%) senkt.

Dies führt zu einer Viskositätsver- minderung und in der Folge zu einer Verbesserung der Fließeigenschaf- ten des Blutes. Bei 53 Patienten mit Becken- und Oberschenkelhalsfrak- turen wurde postoperativ eine An- crod-Therapie durchgeführt. Als Kontrollgruppe dienten operier- te Patienten, die postoperativ Kochsalzinjektionen bekamen. In der behandelten Gruppe traten si- gnifikant weniger tiefe Beinvenen- thrombosen im postoperativen Ver-

Patientinnen mit metastasierendem Mammakarzinom haben in 35 Pro- zent der Fälle erhöhte CEA-Plasma- spiegel, das heißt höher als 5 ng/ml, in der vorliegenden Studie waren es 22 von 42 Patientinnen. Vor Beginn einer zytostatischen Therapie und in regelmäßigen Abständen von vier Wochen danach wurden die CEA- Spiegel mit der Methode nach Han- sen gemessen; als signifikante Än- derung galt eine Abweichung von mehr als 20 Prozent gegenüber den acht Wochen zurückliegenden Kon- trollwerten. Bei 19 der im weiteren Verlauf beobachteten 22 Patienten konnten anhand der CEA-Werte Therapieerfolge beziehungsweise -versager prognostiziert werden, und zwar bei 13 der 15 Patientinnen, welche überhaupt auf die Therapie ansprachen, und bei allen Patientin- nen, bei denen der Ausgangswert

lauf auf. Bei einer durchschnittli- chen Senkung des Fibrinogenspie- gels um 80 Prozent und einer Visko- sitätssenkung um 12 Prozent traten keine Komplikationen beziehungs- weise Nebenwirkungen dieser The- rapie auf. Unter dieser Medikation sollten täglich Fibrinogenspiegelbe- stimmungen durchgeführt werden.

Das entsprechende Antidot gegen eventuelle Zwischenfälle (Blutun- gen) muß vorhanden sein. Ver- gleichsstudien werden zeigen müs- sen, ob die Thrombosierungsrate durch Defibrinierung mit Ancrod vergleichsweise gute Behandlungs- ergebnisse bringt, wie die Low- dose-Heparin-Behandlung mit der zusätzlichen Gabe von Dihydroer- gotamin. Dem

Lowe, G. D.; Campbell, A. F.; Meek, D. R.; et al.:

Subcutaneous ancrod in prevention of deep- vein thrombosis after operation for fractured neck of femur, Lancet 2 (1978) 698-700, Uni- versity of Strathclyde and Royal Infirmary, Glasgow, Scotland

höher als 35 ng/ml lag. Ein signifi- kanter Anstieg der CEA-Werte unter der zytostatischen Therapie wurde in allen Fällen acht Wochen oder noch längere Zeit vor dem Manifest- werden von Symptomen erneuten Tumorwachstums gefunden, abge- sehen von Symptomen seitens des Zentralnervensystems. Das Verfah- ren erlaubt nach dieser Arbeit früh- zeitige Feststellung von Therapie- versagern mit evtl. entsprechenden Konsequenzen für die Festlegung der weiteren Therapie. Dck

Lokich, J. J.; Zamcheck, N.; Lowenstein, M.:

Sequential Carcinoembryonic Antigen Levels in the Therapy of Metastatic Breast Cancer.

Ann. int. Med. 89 (1978) 902. Dept. Medical Oncology, Sidney Faber Cancer Institute; Dept.

of Medicine, Harvard Medical School; Div. of Oncology, New England Deaconess Hospital;

Dept. of Pathology, Boston University School of Medicine; Mallory Gastrointestinal Research Laboratory, Boston City Hospital

Verdikten erfolgt ist, einer vernünfti- gen Abschätzung von Nutzen und Risiko standhalten wird, wagen wir zu bezweifeln. Wir ziehen ausdrück- lich die Rechtfertigung des Verbotes von Aminophenazon und Clofibrat mit ihrer möglichen kanzerogenen Wirkung in diese Zweifel mit ein. Für die Diabetiker unter uns sei soviel gesagt, daß kein Anlaß für die Be- fürchtung eines gesteigerten Krebs- risikos besteht, wenn sich die Ein- nahmen von Saccharin im Rahmen des Üblichen bewegen (vergleiche Tabelle). Selbst die Fans niederkalo- rischer Speisen und Getränke kön- nen beruhigt werden: Noch erreicht die Belastung des Organismus mit Saccharin nicht annähernd den Ex- zeß der Tierversuche.

Literatur

(1) Arnold, D. L.; Charbonneau, S. M.; Moodie, C. A., and Munro, I. C.: Toxicol. Appl. Phar- macol. 41 Abstr. Nr. 78 (1977) 164 — (2) Batzi n- ger, R. P.: Science 198 (1977) 944 — (3) Behrin- ger, A.: Wien. Med. Wschr. 123 (1973) 41 — (4) Bryan, G. T., et al.: Science 168 (1970) 1238 — (5) Division of Toxicology, US FDA, Sodium Saccharin: combined chronic feeding and three generation reproduction study in rats, May 15 (1973) — (6) Food Additives, Handbook of CRC; Cleveland, Ohio (1968) — (7) Health Protection Branch, NHWD Canada, Toxicity and carcinogenicity study of orthotoluenesui- fonamide and saccharin 1977 — (8) Hicks, R. M., and Chowaniec, J., Cancer Res. 37 (1977) 2943

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Pharmacol. 32 (1975) 513 — (15) Oser et al.:

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Sweeteners (Inglett, G., Ed.), p. 145-158 AVI Publ. Westport, Con (1974)

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Wolfgang Forth Ruhr-Universität Bochum

Lehrstuhl für Pharmakologie und Toxikologie

Postfach 10 21 48

4630 Bochum-Querenberg

Therapiekontrolle

des metastasierenden Mammakarzinoms durch Messung des CEA

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