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Archiv "Therapieentscheidungen bei Kindern: Der Arzt als Anwalt des Kindeswohls" (21.10.2011)

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A 2202 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 42

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21. Oktober 2011

THERAPIEENTSCHEIDUNGEN BEI KINDERN

Der Arzt als Anwalt des Kindeswohls

Ärzte und Juristen geben einen Überblick über die Möglichkeiten der Entscheidungsfindung.

T

herapieentscheidungen bei schwerstkranken Kindern und Jugendlichen gehören zu den schwierigsten Aufgaben für die be- handelnden Ärzte und das Betreu- ungsteam. Viele Kinderärzte fühlen sich ungenügend auf diese Aufgabe vorbereitet. Die Kinderpalliativme- dizinerin Prof. Dr. med.

Monika Führer, München, gab auf einem Ethikforum der Stiftung Kreuznacher Diakonie in Bad Kreuz- nach einen Überblick über Möglichkeiten der Ent- scheidungsfindung.

Führer betont, dass grundsätzlich für den Kin- derarzt der Patient, also das Kind, der Partner sei.

Dabei seien eine altersan- gemessene Aufklärung und Einbeziehung des Kindes

immer notwendig. Gerade bei krankheitserfahrenen Kindern und Jugendlichen könne man davon ausgehen, dass sie bereits früh die Chancen und Risiken einer Behand- lung verstehen und eine unabhängi- ge Entscheidung treffen könnten.

Wenn das Kind aufgrund seines Alters und/oder einer Störung sei- ner geistigen Entwicklung nicht oder noch nicht einwilligungsfähig sei, sei es Recht und Pflicht der El- tern, zum Wohl ihres Kindes zu ent- scheiden, sagt Führer. Der Arzt be- finde sich in einer Doppelfunktion – er übernehme nicht nur die primär ärztliche Aufgabe der Indikations- stellung, sondern er sei außerdem Anwalt des Kindeswohls. Führer berichtet, dass immer dann beson- dere Probleme entstünden, wenn es um die Beendigung von künstlicher Ernährung und Flüssigkeitszufuhr gehe. „Stillen, füttern, ernähren

sind die ersten und zentralen Aufga- ben der Eltern, die zudem ganz eng mit der emotionalen Bindung an das Kind verknüpft sind.“ Selbst für viele Pflegende sei es schwer zu ak- zeptieren, dass eine enterale Ernäh- rung, beispielsweise über eine PEG- Sonde, eine medizinische Maßnah-

me darstelle, die indiziert sein müs- se und der Zustimmung eines Pa- tienten oder seines Vertreters bedür- fe. Stets müsse der Verzicht auf eine medizinisch nicht indizierte Maß- nahme durch eine adäquate Sym - ptomtherapie begleitet werden.

Bewertung von Patientenverfügungen

Schwierigkeiten könnte es auch bei der Bewertung von Patientenverfü- gungen geben, da das im Jahr 2009 verabschiedete Gesetz zu Patienten- verfügungen dem Betreuungsrecht zugeordnet wurde, das erst mit Er- reichen der Volljährigkeit Anwen- dung finde. Damit sei die Frage nach dem Umgang mit einer Vor - ausverfügung eines minderjährigen Patienten ohne gesetzliche Rege- lung geblieben. Die Rechtspre- chung habe jedoch klare Vorgaben zur Frage der Therapiebegrenzung

im Kindesalter gegeben. Führer zi- tiert aus einer Broschüre des Baye- rischen Justizministeriums, in der es heißt: „In jedem Fall sind die Willensäußerungen aufgeklärter und einwilligungsfähiger minderjähriger Patienten bei der Entscheidungsfin- dung zu beachten.“ Wenn ein ein- willigungsfähiges Kind oder ein Ju- gendlicher seinen Willen bezüglich einer künftigen Therapiemaßnahme schriftlich kundtue, ist dies nach Ansicht Führers nicht als Patienten- verfügung im Sinne des neuen Ge- setzes zu werten, sei aber dennoch eine konkrete Willensäußerung ei- nes selbstbestimmten Patienten, die respektiert werden müsse.

Noch schwieriger stellt sich die Situation bei extrem unreifen Früh- geborenen dar. Der Neonatologe Dr.

med. Georg Rellensmann, Münster, plädiert für ein

„shared decision making“.

„Das kann aber nur gelin- gen, wenn wir die gesamte Familie von Beginn an im Blick haben“, erläutert Rel- lensmann. Für die Ent- scheidungsfindung sei es hilfreich, im Vorfeld Leitli- nien für das Vorgehen fest- zulegen und den Prozess transparent zu machen.

Dr. jur. Sonja Rothär- mel, Augsburg, spricht sich auch bei älteren Kindern und Jugendlichen für ein „shared deci- s ion making“ aus. Sie vertritt wie Führer die Auffassung, dass Wil- lensäußerungen von Kindern und Jugendlichen zu respektieren sind.

„Von Rechts wegen darf ein Kind die Entscheidung zur Therapiebe- grenzung allein treffen, sobald es einwilligungsfähig ist. Die Einwil- ligungsfähigkeit ist gegeben, sobald ein Kind Wesen, Bedeutung und Tragweite einer Therapieentschei- dung erkennen und entsprechend handeln kann.“ Rothärmel stellt fest, dass die Einwilligungsfähig- keit nicht mit der Geschäftsfähig- keit gleichzusetzen sei, sondern in der Regel ab etwa 14 Jahren ge - geben sei. Bei chronisch kranken Kindern werde sie allerdings so- gar meist deutlich früher ange -

nommen.

Gisela Klinkhammer Für den Kinder-

arzt sei grund - sätzlich das Kind der Partner, beton- te Kinderpalliativ - medizinerin Monika Führer.

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