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Archiv "Medizinische Internetforen: Ärzte als kompetente Teilnehmer" (12.11.2010)

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A 2220 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 45

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12. November 2010

MEDIZINISCHE INTERNETFOREN

Ärzte als kompetente Teilnehmer

In der Beziehung zwischen Arzt und Patient spielt das Internet eine zunehmend wichtige Rolle.

Ärzte sollten sich mehr als bisher in den medizinischen Foren als qualifizierte Informanten einbringen.

D

ie Ergebnisse der Skopos- Umfrage vom Mai 2010 (1, 2) zur Bedeutung des Internets im Gesundheitswesen sprechen für sich:

Fast 80 Prozent der Befragten infor- mieren sich über Gesundheitsfra- gen im Netz. Sie vertrauten vorran- gig, sagen sie, Beratungsangeboten von Ärzten, Krankenkassen und den Gesundheitsportalen. Medizini- sche Foren werden angeblich von circa 40 Prozent besucht.

Medizinische Foren gibt es als das gesamte Fachgebiet umfassen- de Websites mit und ohne zusätzli- che Informationsseiten über Arz- neimittel, Heilweisen, Krankenhäu- ser, Ärzte et cetera. Daneben gibt es ein großes Spektrum von Foren, die auf bestimmte Themen spezialisiert sind, zum Beispiel auf Hämorrhoi- den, Hallux valgus, Borelliose, Su- deck, Unfallopfer, Psychosen und anderes mehr.

Einige sind allein für Ärzte und medizinische Berufe vorgesehen.

Die meisten richten sich aber an alle Netzuser. Eins der Foren rühmt sich sogar seiner laienhaften Antworten,

da die Fragesteller diese besser ver- stünden als die Auskünfte von Fach- leuten. Hinter vielen Foren stehen Interessengruppen. Auch unabhän- gig scheinende Foren sind oft ver- borgen im Hintergrund beeinflusst.

Der Zugang zum Forum ist in der Regel durch den Zwang begrenzt, sich mit einem Usernamen, einem Passwort und seiner E-Mail-Adres- se registrieren zu lassen und sich je- weils einzuloggen. Diese Regis- trierpflicht gibt es nicht überall, oder sie beschränkt sich auf die Fra- gesteller beziehungsweise die Be- antworter.

Sämtliche Foren, vor allem die privat betriebenen, leben von vor- und zwischengeschalteter Werbung, vielfach solcher, die die Diskussi- onsbeiträge radikal unterbricht. Das kann so weit gehen, dass man den Eindruck hat, es wird mehr Rekla- me als Diskussionstext geboten.

Die Qualität eines Forums ist ab- hängig vom fachlichen Wissen der Diskutanten und der Moderatoren.

Foren, in denen jede Frage von im Forum angestellten Ärzten beant-

wortet wird, haben naturgemäß ei- nen höheren Standard. Meist aber kontrollieren Moderatoren/Admi- nistratoren den Ablauf der Jeder- mann-Diskussionen – in erster Linie zur Wahrung der Netiquette und nicht wegen des Inhalts der Beiträ- ge. Nicht immer moderieren medi- zinisch erfahrene Teilnehmer. Durch Gütesiegel, etwa von AFGIS (Akti- onsforum Gesundheitsinformations- system) oder HON (Health on the Net Foundation), können Foren ihre Qualität transparent machen (3).

Enttäuschte und Cyberchonder

Positiv informiert durchs Netzange- bot fühlen sich der Skopos-Umfra- ge zufolge circa 47 Prozent der Befragten. Weniger weiß man über jene Ratsuchenden, die enttäuscht wurden. Ihre negativen Erfahrun- gen beruhen einerseits darauf, dass sie im Netz mit Halbwissen und Fehlinformationen von selbster- nannten Experten gefüttert werden.

Solchen, die sagen: „Ich bin zwar kein Arzt/Experte, aber ich rate dir Medizinische Foren

gibt es in großer Zahl und Themenvielfalt, nicht alle sind unab-

hängig.

Foto: dpa

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12. November 2010 Folgendes . . .“ und die dann bes-

tenfalls Wischiwaschi von sich ge- ben. Dar über hinaus gibt es überall Trolle*.

Andererseits stoßen die Hilfesu- chenden im Netz auf Werbeinfor- mationen, die sie nicht als solche er- kennen. Das ist vor allem dann pro- blematisch, wenn es sich um „Gue- rillawerbung“ handelt, die von sich gegenseitig lancierenden Usern ein- gebracht wird, oder wenn sich hin- ter ganz persönlich wirkenden Ant- worten Werbung verbirgt. Versteck- ter Beeinflussung begegnet man auch auf unabhängig scheinenden Portalen, zum Beispiel solchen von Selbsthilfegruppen, die ohne finan- zielle Unterstützung seitens der In- dustrie gar nicht existieren könnten.

Schließlich ist es auch so, dass Ratsuchende zwar korrekte Infor- mationen erhalten, aber mit ihnen nichts anfangen können. Sie miss- verstehen die Inhalte, sie werden zu

„Cyberchondern“ oder erkranken am „akuten Googlom“ (4), dem eingebildeten Tumor. Es entsteht schnell eine Karzinophobie, die dann im realen oder im virtuellen

Sprechzimmer wieder abgebaut werden muss.

In der Skopos-Umfrage gaben 17,9 Prozent der Teilnehmer an, dass sie durch das Internet Ärzten gegenüber kritischer geworden sei- en. Das kann heißen, dass sie ihren Ärzten jetzt misstrauischer gegen- überstehen. Was das für die Hei- lungschancen bedeutet, bedarf kei- ner Erläuterung. Deshalb ist es ein Gebot der Vernunft, wenn Ärzte sich als kompetente Teilnehmer an seriösen Foren betätigen, dort fach- kundig antworten und Fehlinforma- tionen zurechtrücken.

Es ist kein Geheimnis, dass viele Erkrankungen erst durch die ver- meintliche Verfügbarkeit effektiver Behandlungsmethoden erfunden werden (disease mongering), von der interessierten Wirtschaft wir- kungsvoll begleitet, wenn nicht gar initiiert (5). Kostenfrei verteilte Magazine der Apotheken und Ge- sundheitssendungen in TV und Ra- dio tragen dazu bei, dass jedermann ständig mit beunruhigenden Nach- richten über mögliche Krankheiten konfrontiert wird. Den bewusst oder unbewusst ausgelösten Krank- heitsängsten und einem nachfolgen- den Aktionismus entgegenzutreten, muss man als eine Aufgabe des Arz- tes sehen, der er in medizinischen Foren noch weitreichender nachge- hen kann als „nur“ in seiner Praxis.

Ärzte können dort auch gegen die grassierende Unsitte Ratertei- lender angehen, gleich eine fach- ärztliche Behandlung und aufwen- dige technische Untersuchungen zu empfehlen, wo der Besuch und manchmal allein das Gespräch beim Hausarzt zunächst ausreichte (was auch eine ökonomische Seite hat). Auch wo Ärzte harsch kriti- siert werden, oft aufgrund von Miss - verständnissen zu Unrecht, lassen sich die Dinge sachlich erläutern und zurechtrücken.

In vielen Foren wird mehr oder weniger ungefiltert diskutiert und das Gespräch zwischen Leidensge- nossen und Halbwissenden als Wis- sensaustausch betrieben. Insbeson- dere dort sollten sich praxiserfahre- ne Ärzte einbringen. Dies kann durchaus sporadisch, zwanglos und auf bestimmte Plattformen be-

schränkt stattfinden. Aus zeitlichen Gründen könnte das speziell ein Betätigungsfeld von nicht mehr ak- tiv berufstätigen Ärzten sein. Sie können es nutzen, um geistig mobil zu bleiben. Von der gelegentlichen Simplizität der Diskussionen darf man sich nicht abschrecken lassen.

Jeder Arzt hat es in der Hand, das Niveau anzuheben. Auch Medizin- studierende in höheren Semestern können versierte Teilnehmer von Medizinforen sein und sind es auch.

Das Gleiche gilt für medizinisches Fachpersonal, von Krankenschwes- tern bis zu Rettungswagenfahrern.

Der sich beteiligende Arzt kann nicht nur helfen, er kann auch ler- nen. Es zeigt sich im Forum näm- lich, wo in der realen Sprechstunde Beratungsdefizite sind, was Patien- ten nicht verstanden haben, was sie vermissen, wonach sie deshalb fra- gen. Auch, welche Gefühle sie mit ihren Krankheiten verbinden und publik machen.

Missverständnisse zwischen Arzt und Patient kosten das Gesund- heitssystem eine Menge Geld. In den USA wird dieser Verlust auf jährlich 73 Milliarden US-Dollar geschätzt (6). Vergleichbare Defi - zite gibt es sicherlich auch in Deutschland, auch wenn Zahlen da- zu nicht vorliegen. Eindeutig exis- tiert ein Informationsmangel auf dem Gebiet der Arzneimittelanwen- dung; Kranke fühlen sich nicht hin- reichend oder überhaupt nicht un- terrichtet. Manche Krankenkassen nehmen diese Aufgabe daher selbst in die Hand. Wie weit das im Inter - esse der Ärzte liegt, ist fraglich.

Wonach User in den Foren fragen

Aus der Tabelle, die 1 000 Forum- anfragen innerhalb der letzten zwei Monate als Datenbasis hat, geht hervor, dass es Fragen zu allen Fachgebieten gibt, bevorzugt zu or- thopädischen und gynäkologischen Erkrankungen und Problemen, un- ter letzteren hauptsächlich zu Ver- hütung, Schwangerschaft und zu Hauterkrankungen. Außerdem er- kundigen sich 6,9 Prozent nach Arzneimittelwirkungen und -neben- wirkungen. Bezieht man die Zahl der Fragen nach der Bedeutung von TABELLE

Häufigste Fachgebiete von 1 000 Anfragen in zwei Internetmedizinforen

– Bewegungsapparat

– Gynäkologie, Verhütung und Schwangerschaft – Dermatologie, Allergien

– Arzneimittel, Anwendung und Nebenwirkungen – Gastroenterologie

– HNO – Kardiologie

– Labor- und andere Untersuchungsbefunde – Fragen nach Ärzten und Kliniken – Neurologie

– Urogenitalsystem – Unfälle, Operationen – Brustorgane – Ophthalmologie, Brillen – Sonstige (unter 20)

Ausgewertet wurden die Plattformen „Medizin“ und „Gesundheit“ des Forums wer-weiss-was.de und das Forum docInsider.de in der Zeit vom 20. 7. 2010 bis 21. 9. 2010

146 127 104 69 64 51 45 45 45 44 32 28 27 27 146

*Troll steht in der Netzkultur für eine Person, die mit ihren Beiträgen in Foren stark provoziert, um beispielsweise Aufmerksamkeit zu erhalten.

T H E M E N D E R Z E I T

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12. November 2010

M

ehr als ein Jahr haben US- Präsident Barack Obama und die Demokraten für die Reform des US-Gesundheitswesens gekämpft.

Nun ist die erste Welle neuer Regula- rien in Kraft getreten. Ab sofort dür- fen Kinder nicht mehr wegen Vorer- krankungen von den Versicherern ab- gelehnt werden, junge Erwachsene können künftig bis zum Alter von 26 Jahren bei ihren Eltern mitversichert sein. Bei chronisch Kranken und al- ten Menschen dürfen die Versicherer ihre Gesundheitsleistungen nicht mehr beschränken. Auch bei der Prä- vention hat sich einiges getan. Die US-Bürger erhalten ab sofort Vorsor- geuntersuchungen wie Impfungen oder Brustkrebs-Screenings, ohne die zusätzlichen Leistungen bezahlen zu müssen. Obama und die Demokraten

erhoffen sich durch diese substan- ziellen Eingriffe in das System einen Aufschwung in der Wählergunst.

Doch noch stehen die meisten Ame- rikaner Obamas Prestigeprojekt wei- terhin skeptisch gegenüber.

Nach einer Erhebung der Stan- ford Universität befürworten gerade einmal 30 Prozent die vorliegende Reform, 40 Prozent lehnen sie ab, weitere 30 Prozent stehen ihr neutral gegenüber. Die Reformgegner weh- ren sich gegen die Einmischung des Staates in ihre persönlichen Belange, die Befürworter wünschen sich, der Staat solle noch stärker in das Ge- sundheitswesen eingreifen, um die Versicherer zu entmachten. Die Mehrheit der US-Bürger eine, dass die Reform sie verunsichere, auch deshalb, weil weiterhin viele Falsch- Vor sechs Monaten hat US-Präsident Barack Obama seine Unterschrift unter die historische Neuordnung des amerikanischen Gesundheitswesens gesetzt. Nun spüren die US-Bürger die ersten Effekte.

US-GESUNDHEITSWESEN

ObamaCare hält Einzug in

Nach der Wahl- niederlage: Ba- rack Obama hat hart für seine Ge- sundheitsreform

gekämpft. Nun wird er Zuge- ständnisse ma- chen müssen.

Laborbefunden und den Befun - den anderer Untersuchungsmetho- den (4,5 Prozent) ein, sind es insge- samt 11,4 Prozent, die offenbar un- zureichend informiert sind. Es sind allerdings nicht immer die häufi- gen, sondern auch manche seltene Fragen, die Aufmerksamkeit fordern.

Aus all dem ergibt sich, dass die Ärzte ein ureigenes Interesse an der Kontrolle medizinischer Informa- tionen, die im Internet verbreitet werden, haben müssen und dass sie sich nicht scheuen dürfen, das

„Spektakel“ positiv zu beeinflussen.

Zu den bekanntesten Medizin - foren zählen das Deutsche Medizin Forum (www.medizin-forum.de), fer - ner das Forum med1 (www.

med1.de) und das Forum von Doc - Insider (www.docInsider.de), wo man sich zusätzlich der Auflistung und Bewertung von Ärzten widmet.

Mehrfach zertifiziert ist das Forum der Website von Onmeda (www.on meda.de). Ein eigenes, rege fre- quentiertes Unterforum Medizin wird im Netzwerk wer-weiss-was (www.wer-weiss-was.de) betrieben und vorwiegend von Ärzten mode- riert. Medizinischer Fragen nimmt sich auch die Ratgeber-Community unter www.gutefrage.net an. Diese knappe Beispielliste sagt nichts über die Güte vieler anderer Foren aus; zahllos sind die kleineren, auf einzelne Themen begrenzten. Zu bevorzugen sind jene, die ihre Teil- nehmer per E-Mail informieren, so- bald eine Antwort auf einen eigenen Artikel eingegangen ist. So erspart man sich zeitraubendes Herumsu- chen in den Diskussionsbeiträgen

anderer User. ■

Dr. med. Volker Berg E-Mail: v.berg1@gmx.net

LITERATUR UND LINKS 1. www.virtuelles-wartezimmer.de

2. „Gesundheitskommunikation: Internet wich- tigster Infokanal, in: Dtsch Arztebl 2010;

107(30): A 1465.

3. „Patienteninformation: Interaktiv und kei- nesfalls blutig“, in: Dtsch Arztebl 2010;

107(25): A 1242.

4. http://news.doccheck.com/de/article/

160302-akutes-googlom

5. „Arzt oder Mediziner: Empathie statt Aktio- nismus“, in: Dtsch Arztebl 2010;

107(31–32): A 1512.

6. „Der mündige Patient“, Süddeutsche Zei- tung Nr. 196 v. 26.08.2010, S. 44.

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Referenzen

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