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„ Es gibt überall gute Menschen“

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Academic year: 2022

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Von Mirijam Haller

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m Bregenzer Sparkassen- platz befindet sich seit November 2015 eine An- zeigentafel, wie früher viele an Bahnhöfen zu finden waren. Bei genauerer Betrachtung sind ne- ben einem Namen und einem Da- tum noch einige andere Informa- tionen darauf zu lesen. In einem gleichmäßigen Intervall formiert sich nach einem kurzen Moment mit leisem Klappern ein neuer Text. Kontinuierlich werden durch die Fallblattanzeige 100 Namen von Vorarlbergerinnen und Vorarlbergern sichtbar ge- macht, die unter dem nationalso- zialistischen Regime Widerstand geleistet haben. Dieser äußerte sich unterschiedlich: Manche verweigerten den Gehorsam, manche Soldaten desertierten oder widersetzten sich und man- che Bürgerinnen und Bürger zeigten gegenüber Verfolgten trotz Verbots Menschlichkeit.

Neuer Blick. Ausgehend von die- sem Widerstandsmahnmal der kärntner-slowenischen Künstle-

rin Nataša Siencnik wurde nun, im Gedenkjahr 2018, ein Rund- gang durch die Bregenzer Innen- stadt konzipiert. Auf insgesamt sechs Stationen begeben sich die Teilnehmenden auf geschicht- liche Spurensuche, welche Fra- gen nach der Bedeutung der Vergangenheit für die Gegen- wart aufwirft. Begleitet werden sie von einem Vermittler, der Raum für kritische Fragen und Diskussionen zulässt. Dadurch werde ein wichtiger Beitrag zur Aufarbeitung von Widerstand und Verfolgung unter der natio- nalsozialistischen Herrschaft in

Vorarlberg geleistet, der zudem einen neuen Blick auf die Stadt eröffne, stellte der Bregenzer Bürgermeister Markus Linhart anlässlich der Vorstellung des neuen Vermittlungsprogramms fest. „Der Widerstand hatte viele Facetten. Es waren durch die Bank Menschen, die sich selbst treu blieben und sich nicht der Euphorie und Hysterie des NS- Regimes hingaben“, führte Lin- hart weiter aus.

Ausgearbeitet wurde der Rundgang im Auftrag der Stadt Bregenz von „erinnern.at“, dem Institut für Holocaust Education

des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und For- schung. Unterstützt wurde es dabei von einem sechsköpfigen Team von Vermittlerinnen und Vermittlern. Sowie von Maria- Theresia Moritz, die bereits in Wien einen solchen Rundgang erarbeitete, und dem Historiker Werner Bundschuh, Obmann der Historikervereinigung Johann-August-Malin-Gesell-

schaft. Seit 2002 besteht bereits ein Gedenkweg in Bregenz, dessen Themen und Stationen nun teilweise aufgenommen wurden.

Ein dialogischer Stadtrundgang in Bregenz the- matisiert anhand historischer Orte Widerstand, Verfolgung und Desertion während der NS-Zeit.

„ Es gibt überall gute Menschen“

Interaktiv. „Wichtig ist, dass die Orte des Erinnerns nicht unkommentiert stehen gelassen werden“, erklärte Stadtarchivar Thomas Klagian. Der zweistün- dige Rundgang ist aus diesem Grund interaktiv gestaltet. Der jeweilige Vermittler tritt mit den Teilnehmenden – Schülern, Lehrenden und Interessier- ten – ins Gespräch. Auf diese Art ist eine Beschäftigung mit aktuellen Entwicklungen und Themen möglich. Gebäude, Quellenmaterial wie Fotos und Briefe sowie Lebensgeschich- ten veranschaulichen dabei die Geschichte der Verfolgung und des Widerstandes unter dem nationalsozialistischen Regime in Vorarlberg.

„Es gibt überall gute Men- schen.“ Dieser Satz stammt vom 2008 verstorbenen August Weiß. Seine Biografie wird neben anderen zu Beginn des Rundgangs thematisiert. Der Dornbirner Weiß war Wehr- machtsdeserteur. Er verwei- gerte aus Überzeugung den Wehrdienst und versuchte 1941,

in die Schweiz zu flüchten, al- lerdings wurde er verraten und verurteilt. Er überlebte das Soldaten-KZ Esterwegen sowie den anschließenden Dienst im Strafbataillon, das in Russland Minen räumte. Im Jahr 2002 war er österreichweit einer der ersten, der als „Opfer typisch nationalsozialistischen Un- rechts“ anerkannt wurde und eine Entschädigung aus dem NS-Opferfonds erhielt.

Hingerichtet. Eine weitere Sta- tion befindet sich wenige Meter weiter am Leutbühel. An einer unscheinbaren Gedenktafel ist das Geburtshaus von Karoline Redler heute noch erkennbar.

„Redler lehnte das NS-Regime zutiefst ab. In einem Gespräch mit zwei Frauen im Wartezim- mer eines Hohenemser Heil- praktikers tat sie ihre antinatio- nalsozialistische Meinung kund und zweifelte den ‚Endsieg‘ an“, schilderte Ulrike Rinderer, eine der sechs Vermittelnden. Red- ler sei daraufhin ins Gefängnis in der Bregenzer Oberstadt ein-

geliefert worden, ehe sie ans Landesgericht Wien überstellt wurde. Vom Volksgerichtshof wurde sie wegen „Wehrkraft- zersetzung und Feindbegüns- tigung“ verurteilt und am 8.

November mit dem Fallbeil in Wien hingerichtet. Ihre Le- bensgeschichte wird den Teil- nehmenden anhand von Fotos und Textabschnitten näherge- bracht.

Letzte Station ist der Korn- marktplatz, welcher während der nationalsozialistischen Herrschaft Adolf-Hitler-Platz hieß. „Die Umbenennung war damals eine große Ehre. Im Beisein des ranghöchsten Nazis Vorarlbergs, Landeshauptmann Anton Plankensteiner, wurden hier propagandistische Veran- staltungen abgehalten, um die Bevölkerung für die Ideologie zu begeistern und Menschen gegeneinander aufzuhetzen“, erklärte Rinderer. Anhand von Propagandaschriften und Fotos, unter anderem von Hitlerju- gendaufmärschen, werden die Rundgang-Teilnehmer ange- halten, über heutige Entwick- lungen zu reflektieren.

Außenspiegel. Wer den gesam- ten Rundgang gemeinsam mit den Vermittlern besucht, wird noch einiges andere erfahren.

So wird unter anderem infor- miert, warum ein Haus in der Weiherstraße Außenspiegel hat, wer der „Engel von Au- schwitz“ war und in welchem unscheinbaren Gebäude in Bregenz die Gestapo Menschen verhörte und folterte.

Ausgangs- punkt des zwei- stündigen Stadtrund- gangs ist das Wi- derstands- mahnmal am Bre- genzer Sparkas- senplatz.

Die Gedenk- tafel am Leutbühel erinnert an das Ge- burtshaus von Karoli- ne Redler.

Im ehemaligen Gefängnis in der Oberstadt ist heute das Bundesdenkmalamt.

Historiker Werner Dreier, Geschäfts- führer von

„erinnern.at“, dem Institut für Holocaust Education.

KLAUS HARTINGER(5)

Bürger- meister Markus Linhart, Vermittle- rin Ulrike Rinderer und Stadt- archivar Thomas Klagian (v.l.).

18 | Vorarlberg

Donnerstag, 14. Juni 2018 Donnerstag, 14. Juni 2018

Vorarlberg | 19

Widerstand und Desertion Buchungen des Rundgangs und Tarife über die Website des Widerstandsmahnmals:

www.widerstandsmahnmal- bregenz.at.

Auf der Webseite finden sich auch Unterrichts- und dem- nächst auch Videomaterial zu Orten und Personen.

Rundgang

aha hilft bei Suche nach Nachhilfe

Ein wenig spät ist es mittlerwei- le zwar schon, aber vielleicht kann durch Nachhilfe im Schul- Schlussspurt noch was gerettet werden. Rasche und unkom- plizierte Hilfe bei der Suche nach Experten bietet dabei die Online-Nachhilfebörse des Ju- gendinformationszentrums aha.

Unter www.aha.or.at/nachhilfe- boerse kann selbstständig nach Schülern von höheren Schulen, Studierenden beziehungsweise Berufstätigen gesucht werden, die in ihrer Freizeit Nachhilfe anbieten. Wer lieber ein profes- sionelles Nachhilfe-Institut in Anspruch nehmen möchte, kann sich ebenfalls ans aha wenden (www.aha.or.at/nachhilfe).

Im kostenlosen Info-Folder

„Nachhilfe“ sind Kurzinfos zu verschiedenen Nachhilfe- Einrichtungen und zu Sommer- intensivkursen in Vorarlberg zusammengefasst. Einige Insti- tute bieten Ermäßigungen für aha-card-Inhaber an.

Damit Nachhilfe für eine eventuelle Wiederholungs- prüfung im Herbst nicht an finanziellen Hürden scheitert, gewährt das Land Vorarlberg eine Förderung für Schüler aus einkommensschwächeren Familien. Das Antragsformular und die Förderrichtlinien sind ebenfalls im aha erhältlich und stehen auch unter www.aha.

or.at/nachhilfe zum Download zur Verfügung.

BREGENZ

Referenzen

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