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Archiv "3 Fragen an... Rebecca Skloot, Autorin" (03.12.2010)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 107

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Heft 48

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3. Dezember 2010 A 2389 Skloot hat die zehn Jahre dau-

ernde Arbeit an dem Buch „Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks“

mit Studentendarlehen, Kreditkar- ten und Jobs als Serviererin und Aushilfe im Krankenhaus finan- ziert. Es ist eine zutiefst humane Arbeit, fast ein diplomatisches Ringen um Verständigung zwi- schen Wissenschaft und Patient.

Weiß und Schwarz. Arm und Reich. Höhepunkt ist der Besuch Skloots mit einem Sohn und einer Tochter von Henrietta bei dem ös- terreichischen Mediziner Chris- toph Lengauer am Johns-Hopkins- Krankenhaus in Baltimore, wo Lacks einst behandelt wurde und unwissentlich zwei münzgroße Gewebestückchen spendete. „Er nahm sich 2001 die Zeit, Deborah und Zakariyya zu treffen und ihnen alles zu erklären. Dreißig Jahre lang hatte sich niemand aus der Forschergemeinschaft die Mühe gemacht. All die Jahre hatte die Familie versucht, sich einen eige- nen Reim auf den Tod ihrer Mutter und die berühmten unsterblichen Zellen zu machen.“ Skloot schil- dert ein Beispiel: „Als die Wissen- schaftler David, dem Ehemann von Henrietta Lacks mitteilten, sie hätten lebende Zellen seiner Frau im Labor, verstand der, sie hätten seine Frau in eine Zelle gesperrt.

Als sie richtigstellten, dass sie nur mit ihren Zellen arbeiteten, fragte er, ob seine Frau dabei Schmerzen habe.“

Rebecca Skloot blickt weder auf das Unwissen der Familie Lacks herab noch verteufelt sie die manchmal arg distanzierte Hal- tung der Wissenschaftler. „Meine Ausgangshypothese beim Recher- chieren war nicht, dass sie üble Genossen sind. Für mich war es wichtig, die Geschichte auf eine ausbalancierte Art zu erzählen, die zeigt, was die Wissenschaftler Gu- tes taten, und auch, wie die Fami- lie darunter litt, und wie sie über- haupt an den Härten des Lebens litt. Das alles geht auf die Erfah- rung mit meinem kranken Vater zurück. Damals erkannte ich, wie wichtig die Medizin für unser

Leben ist.“ ■

Brigitte Neumann

Ihr Buch dokumentiert unter ande- rem die Sprachlosigkeit zwischen weißen Ärzten und schwarzen Pa- tienten. Hat sich daran inzwischen etwas geändert?

Skloot: Wissenschaftler sind meist nicht besonders gut darin, über ihr Fach mit Nichtwissenschaftlern zu sprechen. Die Spannung, die zwischen weißen Wissenschaftlern und schwar- zen Patienten herrscht, verstärkt die Kluft noch. Dass Schwarze für medizi- nische Versuche benutzt wurden, ohne dass sie davon wussten oder ihr Ein- verständnis erteilten, hat in den USA eine lange Geschichte. Deshalb dieses Misstrauen. Selbst wenn Schwarze behandelt werden müssen, weil sie krank sind, fürchten sie sich vor dem Arzt. Die Mediziner sind inzwischen dafür sensibilisiert und tun eine Men- ge dafür, das Vertrauen ihrer schwar- zen Patienten wiederzugewinnen.

Welche Bedeutung hatten Armut und mangelnde Bildung in der Be- ziehung der Familie Lacks mit ih- ren Ärzten?

Skloot: Es ist so, dass ich beim Schreiben nie recht wusste, ob es hier um ein Klassen- oder ein Rassen - problem geht. Meist ist Armut das grundlegende Problem, auch die Hautfarbe, aber nie nur die Hautfarbe.

Als zum Beispiel die Wissenschaftler die erste Maus-Mensch-Hybridzelle her- stellten, stellte sich Henriettas Tochter Deborah vor, dies sei ein Wesen, halb

Maus, halb ihre Mutter. Nein, es gehe nur um Zellen, erklärte man ihr. Aber was kann jemand damit anfangen, der gar nicht weiß, was eine Zelle ist?

An einer Stelle habe ich mich aller- dings auch gegruselt. Sie beschrei- ben, wie ein Arzt die Krebszellen von Henrietta Lacks versuchsweise in die Arme von Krebspatienten in- jiziert. Mit dem Ergebnis, dass sie Henriettas Krebs entwickelten und schneller starben.

Skloot: Das war tatsächlich ein un- glaubliches und bizarres Kapitel in der Geschichte der HeLa-Zellen. Der Krebsforscher Chester Southam in - jizierte Strafgefangenen und Krebspa- tienten in den 1960er Jahren HeLa- Zellen, weil er vermutete, dass Krebs von einem einzigen Virus hervorgeru- fen würde. Die Krebspatienten entwi- ckelten Gebärmutterkrebs-Geschwüls- te dort, wo immer er ihnen HeLa ge- spritzt hatte. Er fragte sich, ob das wohl passiert sei, weil sie krank wa- ren. Und er begann, Henriettas Krebs- zellen auch gesunden Menschen zu spritzen – ohne dass die etwas davon wussten. Für mich war das Erstaun- lichste an der Geschichte, dass er das jahrelang tun konnte. Er war an gro- ßen, renommierten Krankenhäusern in New York, und er machte das zu ei- nem gewissen Zeitpunkt bei jeder Frau, die die gynäkologische Abteilung dort betrat. Niemand hat ihm die Fra- ge gestellt: Meinen Sie nicht, Sie soll- ten die Frauen fragen, bevor Sie sie mit Krebszellen infizieren? Bis zu dem Moment, wo er anfing, das auch in ei- nem jüdischen Krankenhaus in Brook- lyn zu tun. Da haben sich sofort einige jüdische Ärzte quergestellt und ge- sagt: Das ist ja wie bei den Nazis. Sie brachten es an die Öffentlichkeit, die Medien griffen das auf. Ein Großteil der US-Patientenschutzgesetze kommt aus dieser Zeit.

3 FRAGEN AN . . .

Rebecca Skloot, Autorin

Rebecca Skloot: Die Unsterblichkeit der Henrietta Lacks. Irisiana-Verlag, 512 Seiten, gebunden, 19,99 Euro

T H E M E N D E R Z E I T

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