A1618 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 30⏐⏐25. Juli 2008
K U LT U R
AUTOBIOGRAFIE
Selten authentischer Einblick
Der Vater ein international bekann- ter Musiker (Bratschist), die Mutter aus bestem Schweizer Fabrikanten- haus und der Großvater (väterlicher- seits) deutscher Nobelpreisträger für Literatur – es kann einem Schlechte- res in die Wiege gelegt werden.
Könnte man meinen. Denn was Fri- do Mann (68), Lieblingsenkel von Thomas Mann und erstes Kind von dessen Sohn Michael, in seiner so- eben erschienenen, spannend zu le- senden Autobiografie schildert, ist ein selten authentischer Einblick in die hochkomplexen und mitunter alles andere als nur paradiesischen Zustände in Deutschlands wohl berühmtester Künstlerfamilie.
1940 als Emigrantenkind in Kali- fornien geboren, erfährt er als von den wenig feinfühligen, ja teilweise gefühlskalten Eltern herumgestoße- ner Dauergast nur in der Villa der Großeltern Thomas und Katia Mann (Pacific Palisades, Kalifornien, und später Kilchberg im Schweizer Kan-
ton Zürich) so etwas wie menschli- che Wärme. Gleichwohl wird dieses Idyll dadurch überschattet, dass der Dichter Thomas Mann seinen Lieb- lingsenkel Frido als dessen fiktiona- les Alter Ego („Echo“) im Roman
„Dr. Faustus“ elendiglich sterben lässt. „Frido fühlte sich literarisch ermordet“, hat ein Rezensent tref- fend bemerkt. Ein Trauma, dass Fri- do Mann erst in seinen reifen Jahren vollends überwinden wird.
Überwindung des durch den berühmten Großvater und die wohl nicht weniger begabten Onkel und Tanten als beengend empfundenen Erwartungsdrucks – das scheint oh- nehin das Leitmotiv des rastlosen Lebens von Frido Mann zu sein. Ein Lebenslauf, der mit zunächst tsche- chischem, dann US-amerikanischem und schließlich Schweizer Pass (Emigrantenschicksal) vom ausge- bildeten Musiker mit Dirigentendi- plom über den – zum katholischen Glauben konvertierten und pikanter- weise über Martin Luther promo- vierten – Theologen bis hin zum habilitierten Psychologen führt. Er hatte es sogar zum vorklinischen
Medizinstudenten mit bestandenem Präparierkurs an der Leiche ge- bracht. Die Autobiografie trägt daher treffend den Titel „Achterbahn“. Der Leser erlebt hautnah und dramatur- gisch geschickt durch den im Präsens geschriebenen Text geführt den intel- lektuellen und persönlichen Werde- gang (einschließlich Scheidung und Wiederverheiratung mit derselben Ehefrau) eines bemerkenswerten und bisher leider viel zu wenig zur Kenntnis genommenen Sprosses der Familie Mann. Christoph Fischer
Frido Mann: Achterbahn.
Ein Lebensweg.
Rowohlt, Reinbek, 2008, 348 Seiten, gebunden, 19,90 Euro
Die Titelfrage ist schnell beantwortet. Zaid schloss sich den irakischen Wi- derstandskämpfern an, nachdem seine beiden jüngeren Brüder von den Besatzern auf offener Straße erschossen wor- den waren, der eine durch Kopfschuss aus dem Hinterhalt, der andere durchsiebt von einer Ma- schinengewehrgarbe.
Todenhöfer erzählt von Zivilisten, jugendli- chen wie älteren, die un- ter der Besatzung leiden. Ein Groß- teil sieht keinen anderen Ausweg, als partisanenartig US-Amerikaner, deren Söldner oder auch die (für sie unglaubwürdige) Regierung zu bekämpfen. Es scheinen sehr viele
zu sein, die da mitmachen. Angeb- lich führt der irakische Widerstand pro Woche mehr als Tausend militäri- sche Aktionen durch. Diese Wider- ständler sehen sich nicht als Terroris- ten. Der feine Unterschied: Terroris- ten nähmen, so die Argumentation, rücksichtslos auch zivile Opfer in Kauf, Widerständler nicht. Al-Qaida lehnen Todenhöfers Gewährsleute strikt ab. Die Terrororganisation sei von außen gesteuert, sobald die US- Amerikaner abgezogen seien, wür- de sie verschwinden.
Todenhöfer – Manager bei Bur- da, zuvor ein bekannter Entwick- lungspolitiker der CDU – hielt sich fünf Tage unter dem Vorwand, Arzt zu sein, in Ramadi auf. Glücklicher- weise wurde seine ärztliche Kunst, er ist Jurist, nicht herausgefordert.
Er reiste auf eigene Faust, nicht als eingebetteter Journalist, und be- schreibt vertrauensvoll die Lage aus Sicht der Basis. Die kommt selten zu Wort, stärker – und wirksam bis
in unsere Medien hinein – ist die of- fizielle Propaganda. Der Autor leis- tet somit einen kleinen Beitrag, den irakischen Krieg zutreffender zu be- werten.
Neben der Reportage aus Ramadi enthält das Buch zwei weitere Teile:
zehn Thesen zur Überwindung des Terrorismus und ausgewählte Zitate aus Bibel und Koran. Die heiligen Bücher, in denen mancherlei über Gewalt und Liebe zu finden ist, ste- hen sich in nichts nach, im Positiven wie im Negativen.
Todenhöfers Thesen kreisen um den Hochmut des Westens gegen- über der islamischen Welt und de- ren Bedürfnis nach Anerkennung und nach Gerechtigkeit. „Die Hauptursache des Terrorismus“, er- klärt der Autor, „ist nicht Not oder Armut, sondern die totale Aus- sichtslosigkeit, einen als zutiefst ungerecht empfundenen Zustand mit legalen Mitteln beseitigen zu können.“ Norbert Jachertz Jürgen Todenhöfer:
Warum tötest du, Zaid?
Bertelsmann Verlag, München, 2008, 336 Seiten, gebunden, 19,95 Euro
IRAK