SPEK TRUM LESERBRIEFE
Deutschen Ärzteblatt drin- gend und ab sofort kritische Informationen zur Pharma- kotherapie nach rationalen und rationellen Gesichts- punkten. Damit könnte sich die Redaktion des Deutschen Ärzteblattes um die deutsche Ärzteschaft verdient machen.
Die Anzeigen der Phar- maindustrie finanzieren schwergewichtig das Deut- sche Ärzteblatt. Der Mangel an kritischen Berichten zum Pharmamarkt, Marketing- strategien der Industrie und über entbehrliche und ge- fährliche Medikamente im Deutschen Ärzteblatt zeigen eine Abhängigkeit, von der es sich zu lösen gilt.
Dr. Jürgen Bausch, Kas- senärztliche Vereinigung Hessen, Georg-Voigt-Straße 15, 60325 Frankfurt
Diffamierung
Was veranlaßt Sie zu die- sem krampfhaften Versuch, die Anstrengungen der Ver- tragsärzteschaft um eine ra- tionale und rationelle Phar- makotherapie zu konterka- rieren?
Eine Erklärungsmöglich- keit ist die vollständige Un- kenntnis der gegenwärtigen Situation. Daß dieser Um- stand vorliegt, belegen Sätze wie „Genaueres weiß man freilich noch nicht". Alle vor- liegenden Zahlen — veröf- fentlicht von der Pharmazeu- tischen Industrie (VFA zum Beispiel) und von der ABDA
— bestätigen die von der Kas- senärztlichen Bundesvereini- gung veröffentlichten Hoch- rechnungen. Danach müßten allein die Vertragsärzte in Nordrhein 10 266 DM pro Arzt als Ausgleichszahlun- gen leisten. Es ist schon be- fremdlich, wenn dem Chefre- dakteur des Deutschen Ärz- teblattes diese Tatsachen erst vorgehalten werden müssen.
Eine andere Erklärungs- möglichkeit ist die vollständi- ge Fehlinterpretation der ge- genwärtigen Situation. Daß dieser Umstand ebenfalls vorliegt, zeigen die Bemer- kungen von Herrn Jachertz
zum „gesundheitspolitischen Aspekt". Da wird auf die „po- litische Lösung" als einzig gangbaren Weg verwiesen.
Verschwiegen hat Herr Ja- chertz, daß es gerade die Poli- tik war, die die Ärzteschaft in diese Situation gebracht hat, und daß es große und ein- flußreiche Teile der Politik sind, die eine Fortsetzung die- ser Budgetierung verlangen.
Es scheint auch ein falsches Verständnis von der konkreten Bedrohung vorzu- liegen, der Vertragsärzte durch mögliche Ausgleichs- zahlungen ausgesetzt sind.
Ein äußerst scharfes Pro- blembewußtsein liegt in die- sem Leitartikel da vor, wo es um die Belange der pharma- zeutischen Industrie geht.
Bezeichnend dafür ist, daß im Schlußabsatz allein die phar- mazeutische Industrie her- vorgehoben wird.
Nachgerade unverant- wortlich ist die Argumentati- on in den Abschnitten, die den „ärztlich-medizinischen Aspekt" behandeln. Dabei handelt es sich um ein inter- essegeleitetes Konglomerat von Selbstverständlichkei- ten, Halbwahrheiten und Auslassungen. So ist es selbstverständlich, daß der verordnende Arzt unter- schiedliche Dosierungen für schnell freisetzende Zuberei- tungen und Retard-Präpara- te beachten muß. So ist es nur die halbe Wahrheit, wenn ausschließlich der bekannte Name auch die gute Qualität verspricht. Gerade der Captopril-Marktführer ver- treibt sein eigenes Produkt über Generikafirmen. Voll- ständig unterschlagen wurde die Information, daß 80 Pro- zent des Wirkstoffs von ein und demselben Produzenten hergestellt werden.
Unerträglich sind die An- würfe gegenüber der KBV, die Mitherausgeber (!) des Deutschen Ärzteblattes ist.
Anstatt die Vertragsärzte- schaft in ihrem Bemühen zu unterstützen, auf verschiede- nen Ebenen — der politischen, der juristischen und der me- dizinisch-ärztlichen — die Budgetierung zu beseitigen
und die akute Gefahr der Re- greßzahlungen abzuwenden, beteiligt sich Herr Jachertz an der Diffamierung der Ärz- teschaft. Er selbst sitzt dabei der Infamie insbesondere der Budgetierung der Arznei- und Heilmittel durch den Ge- setzgeber auf.
Der Vorstand der KV Nord- rhein, Emanuel-Leutze-Stra- ße 8, 40547 Düsseldorf
Ökonomische, nicht politische Frage
. . . Bei unserer Hoheit in medizinischen Fragen sind wir verpflichtet, die Kriterien der Arzneimittelzulassung zu erarbeiten, aber nicht, die Preise zu regeln! Wir sind verpflichtet, unseren Patien- ten wirksame Arzneien nach den Regeln der ärztlichen Kunst zu verordnen. Es kann nicht angehen, daß wir die Arzneimittel nach Marken- namen und nach unserem subjektiven Praxisalltagsge- schehen auswählen (mit ei- nem bißchen Entscheidungs- hilfe seitens der Pharmaindu- strie). Ob sich der Patient den Markennamen oder die Ge-
Demenz
Zu dem Akut-Beitrag in Heft 34- 35/1995 „Verwirrtheit ist ein viel- deutiges Symptom" von Elisabeth B.
Moosmann:
Die Weisheit des Körpers?
Unter Demenz versteht der Mensch das Verlieren des Verstandes. Unsere Gesell- schaft ist auf die Werte des Verstandes eingestellt, und was der Verstand nicht „ver- steht" (zum Beispiel Gott), wird in die klinische Pharma- kologie nicht einbezogen.
Der Körper ist primär in- telligent und arbeitet „ver- stand-unabhängig". Bei eini- gen Dementen könnte es auch sein, daß es Menschen sind, die von dem Verstand enttäuscht worden sind. Viel- leicht schaltet der Körper im
nerika leisten kann, liegt aus- schließlich an seinem Porte- monnaie oder seinem GKV- Beitrag.
. . . Herr Jachertz, Sie ir- ren sich! Das Arzneimittel- budget ist eine ökonomische Frage und nicht eine politi- sche. Das Wort Generika wird mißbraucht bei den ver- schiedenen Interessengrup- pen. Generika zu verordnen bedeutet, daß ich als Medizi- ner die Wirksubstanz auf das Rezept schreibe, nicht einen Markennamen, auch nicht ei- nen Markennamen der „Ge- nerika". Analog: Ich stelle fest, daß mein Patient immo- bil ist. Er muß aber jeden Tag 50 km zur Arbeit zurückle- gen. Ich verordne ihm ein Au- tomobil. Kann die Wirtschaft, können die Mitglieder der GKV sich einen Mercedes lei- sten, oder reicht ein VW?
. . . Mit der wirtschaftspoli- tischen Frage, ob die Pharma- industrie nach dem Wegfall der indirekten Subventionen den Standort Deutschland weiter unterhält, haben sich die Politiker zu beschäftigen und nicht die Mediziner.
John Lawrence Crum, Rilke- weg 21, 27726 Worpswede
Laufe der Jahre durch meta- bolisch entgleiste „Wellen"
der Enttäuschung und Resi- gnation (kein Verstand dafür) die empfindlichen Verbin- dungen langsam ab (um uns vor Leiden zu schützen!).
Um das Gleichgewicht un- seres Verstandes nicht zu ver- lieren, müßten wir uns an et- was orientieren, das das ganze Leben gleichbleibt. Diesen Referenzpunkt (Gott) müß- ten wir auch in die Demenz- Forschung einbeziehen. Gott ist nämlich ein unberechenba- rer Schutzfaktor, der viele
„Alte" begleitet und unsere wissenschaftlichen Theorien verwirrt. Wir müssen uns trau- en, darüber nachzudenken, ob nicht die Demenz eine Weisheit des Körpers ist, die wir aber alle mit Verstand, Sport und guter Ernährung vermeiden (!) wollen.
Dr. med. Pilar Orengo, Baa- derstraße 65, 80469 München Deutsches Ärzteblatt 92, Heft 40, 6. Oktober 1995 (7) A-2593