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Archiv "Thalassotherapie: Zwischen Kurklinik und Schönheitsfarm" (19.01.2001)

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makologischen Wirkungen werden im Wesentlichen durch die Inhaltsstoffe Sole, Jod, Schwefel, Radon und Kohlen- dioxyd hervorgerufen. Redu- zierter Schwefel beispielswei- se moduliert unter anderem das Immunsystem und hilft, freie Sauerstoffradikale zu zerstören.

Kohlensäurehaltige Quellen Ist das Wasser kohlensäurehal- tig wie beispielsweise in Bad Neuenahr, dessen warme alka- lische Säuerlinge einen relativ hohen Anteil an Kohlensäure besitzen, prickelt es auf der Haut. Die Durchblutung wird gesteigert. Die Erweiterung der Hautgefäße und die chemi- sche Blockade der Kältegegen- regulation wirken sich auf den Kreislauf aus, der Blutdruck sinkt, das Herz „schaltet auf Schongang“. Da die Quellen in Bad Neuenahr eine Wärme von 34 bis 41 Grad Celsius be- sitzen, wirken sie auch wohltu- end bei Beschwerden des Be- wegungsapparates. Die 40,2 Grad warme Walburgisquelle speist die Ahr-Thermen, in de- nen auch Wassergymnastik an- geboten wird. In die Wanne und ins Glas kommt der Große Sprudel im Jugendstilbade- haus. Die Thermalwannenbä- der werden teilweise mit Heil- kräutern oder mit Essig ange- reichert. Die Balneologie hat die gesundheitsfördernde Wir- kung bei Magenbeschwerden, Verdauungsstörungen, Nieren- steinen und Harnwegsinfekten oder Stoffwechselstörungen belegt.

Bad Kissingen ist bekannt für seine sieben Quellen: Ra- koczy und Pandur sind Koch- salzsäuerlinge, die die Säure- produktion des Magens nor- malisieren und die Verdau- ung regulieren. Auch Erkran- kungen der Gallenblase und der Bauchspeicheldrüse kön- nen positiv beeinflusst wer- den. Der Maxbrunnen ist bei Katarrhen der oberen Luft- wege angezeigt. Da sein Kochsalzgehalt gering, der Kalziumgehalt dagegen rela- tiv hoch ist, bewirkt er eine vermehrte Flüssigkeitsaus- scheidung und wird daher bei

Entzündungen der ableiten- den Harnwege angeraten.

Der Luitpoldsprudel wird we- gen seines hohen Eisengehal- tes vor allem bei Erschöp- fungszuständen und bei leich- ter Blutarmut eingesetzt.

Einen besonderen Anwen- dungsbereich bietet die So- le, wie sie zum Beispiel in Bad Rappenau als Starksole mit 27-prozentiger Kochsalz- Konzentration vorhanden ist.

Sie wird – außer bei Erkran- kungen des Bewegungsappa- rates, bei Atemwegserkran- kungen in Form von Inhala- tionen und zur Schleimhaut- pflege bei Stimmstörungen – seit Ende der Siebzigerjahre auch bei Psoriasis erfolgreich eingesetzt. Bei der Sole-Foto- Therapie erhöht das konzen- trierte Salzwasser die Osmose der Haut und hilft so, sie für die anschließende Ultravio- lett-Lichtbehandlung vorzu- bereiten. Weil diese Methode aus den vertragsärztlichen Leistungen gestrichen wurde und derzeit nur im Bereich der stationären Rehabilitati- on angewandt werden kann, hat der Deutsche Heilbäder- verband e.V. eine Studie initi- iert, die nach evidenz-basier- ten Kriterien die Wirksam- keit der Sole-Foto-Therapie untersuchen soll. Im Jahr 2001 wird an 600 Patienten in Bad-Rappenau und 15 ande- ren Soleheilbädern getestet, wie die Wirkung natürlicher Sole mit anschließender UV- Bestrahlung im Vergleich zur „trockenen“ UV-Behand- lung ist.

Kein Jungbrunnen

Prof. Dr. Christoph Guten- brunner, Leiter des Instituts für Balneologie und Medizi- nische Klimatologie an der Universität Hannover, be- tont, dass eine Trinkkur die Regulationsleistung des Kör- pers steigert. Dies könne ihn in die Lage versetzen, die ge- störten Funktionen wieder in den Normbereich zu bringen.

Heilwässer sind sicher kein Jungbrunnen, aber sanfte Heilmittel, die einen hohen Stellenwert in der Kurortme- dizin haben. Birgit Cremers

D

er Pschyrembel definiert Thalassotherapie als

„therapeutische Bäder mit Meerwasser bei normaler oder erhöhter Wassertempe- ratur“. Das ist etwas dürftig, denn hinter dem Begriff Tha- lassa, der im griechischen

„Meer“ bedeutet, steckt weit- aus mehr. Das beginnt mit dem wissenschaftlich erprob- ten deutschen Gesundheits- konzept und führt über fran- zösische und mediterrane Lifestyle-Produkte für Well- ness und Beauty, die zurzeit aus Frankreich in die Apothe- ken gelangen, bis zu den An- geboten der modernen Seebä- der: Thalassotherapie mit Meereswasser und Meereskli- ma, mit Algen und Schlick.

Die Thalassotherapie ist ei- ne Kur unter ärztlicher Auf- sicht. Sie nutzt sowohl das Seewasser für therapeutische

Bäder und die Bewegung im Meer oder erwärmten Meer- wasser als auch die heilklima- tische Wirkung der Seeluft, das Aerosol der Brandung, dazu die verstärkte UV-Strah- lung und den Wind. Dies sind Bestandteile der Behandlung, und erst die Kombination die- ser Faktoren bestimmt die Wirksamkeit der Thalassothe- rapie.

Es war ein weiter Weg vom griechischen Dichter Euripi- des und seiner Feststellung

„Das Meer wäscht alles Übel ab“, über den chemischen Nachweis, dass Meerwasser 104 Spurenelemente und Mi- neralien enthält, die denen des menschlichen Blutplasmas entsprechen, bis zur heutigen Thalasso-Heilbehandlung, die mit Bädern, Packungen, In- halationen, Massagen und Aquagymnastik arbeitet.

V A R I A

A

A124 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 3½½½½19. Januar 2001

Thalassotherapie

Zwischen Kurklinik und Schönheitsfarm

Wellness-Ferien an Frankreichs Küsten, Algen in Kosmetik, pulverisierter Schlick in Mittelgebirgs- Kurorten – aber auch Behandlung mit Meerwasser und Klima in den Bädern an Nord- und Ostsee. Tha- lassotherapie ist in Mode.

Foto: Hotel Neptun / War-

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Der Begriff Thalassothera- pie löst zwei Assoziationen aus: Die Tatsache, dass er sich für die Mehrheit – vor allem der Deutschen und Franzosen – mit der Modewelle von Wellness-, Fitness- und Beau- ty-Angeboten verbindet, spricht nicht gegen die Thalassothera- pie. Sie ist fast ein Synonym für Wellness-Ferien an Frank- reichs Küsten von La Baule bis Biarritz. Und fast täglich lassen sich in den „Bunten Blättern“ neue Thalasso-Er- folgsstorys lesen von Promi- nenten wie Catherine De- neuve oder Gérard Depar- dieu, von der monegassischen Prinzessin Caroline oder Top- models aller Nationen.

In Frankreich boomt die Thalassotherapie, eben- so in Griechenland, der Türkei und in den USA. Tunesien war- tet mit exklusiven Tha- lasso-Zentren im Dut- zend auf. Auch in Deutschland häufen sich Angebote zurzeit – selbst in Mittelge- birgsorten wird „Tha- lassotherapie“ angebo- ten. Das ist – gefrier- getrocknete Algen hin, pulverisierter Meeres- schlick her – schlicht Augenwischerei. In den Reisekatalogen der Spe- zialveranstalter werden die Wirkungen wohlig warmen Meerwassers für den erholungsbedürftigen Lei- stungsmenschen beschrieben.

Und überall wird mit der See- le gebaumelt.

Seebäder ziehen nach Die Thalasso-Buchungen boomen, allerdings vorwie- gend für Auslandsziele. Das erste anerkannte Thalasso- therapie-Zentrum in Deutsch- land ist ein privatwirtschaft- liches Unternehmen: das Hotel Neptun in Warnemün- de an der Ostseeküste. Doch die deutschen See- und See- heilbäder beginnen nachzu- ziehen – nicht nur durch Umbenennung ihrer Kur- mittelhäuser in Gesund- heits- oder Wellness-Zen- tren.

Die Geschichte der mo- dernen medizinischen Mee- resheilkunde beginnt vor 250 Jahren. Dem englischen Arzt Richard Russel war aufgefal- len, dass Fischer nicht an Skrofulose erkrankten und keinen eitrigen Auswurf hat- ten. So veröffentlichte er 1750 seine Erfahrungen über den Gebrauch von Meerwas- ser in einer Dissertation mit dem Titel: „Über die Ver- kleinerung der Halslymph- knoten oder über den Ge- brauch des Meerwassers bei Erkrankungen der Lymph- knoten“.

Die erste deutsche Arbeit erscheint 1787, eine Disser- tation, in der Goldhagen die Wirkung der Seeluft auf den

Organismus beschreibt. Das erste deutsche Seeheilbad wird 1793 in Heiligendamm an der Ostsee durch den Großherzog von Mecklen- burg gegründet. Gebadet wurde damals ausschließlich in Badekarren und mit Ganz- körper-Badekostümen.

Es war die Thalassobe- handlung, die in Deutsch- land Mitte des 19. Jahrhun- derts die Klimatherapie an Nord- und Ostsee begründe- te. Schon wenige Jahrzehnte später änderte sich die Lehr- meinung. Danach war zur Behandlung der Tuberkulose das Schonklima der Mittel- gebirgsregionen besser ge- eignet als das Reizklima der See.

Am offenbar nachhaltig- sten prägte der Marburger In- ternist Prof. Dr. Wilhelm Be- neke die Entwicklung der Meeresheilkunde für Kinder.

Beneke, der 1849 die ersten Kinderheilstätten in den eng- lischen Seebädern Brighton und Margate kennen gelernt hatte, beschäftigte sich inten- siv mit der Bekämpfung kon- stitutioneller Krankheiten.

Früher auf Behandlung von Kindern beschränkt

Die Gründung des ersten

„Vereins für Kinderheilstätten an den deutschen Seeküsten“

im Jahr 1881 war sein Werk.

So entstanden bis ins 20. Jahr- hundert an Nord- und Ostsee

Kinderheime, in denen die Prophylaxe im Vordergrund stand. Bis zum zweiten Welt- krieg blieb die Thalassothera- pie in Deutschland hauptsäch- lich auf die Kinderheilbehand- lung beschränkt.

Medizinisch ist die Thalas- sotherapie vorwiegend bei chronischen Krankheiten in- diziert. An erster Stelle stehen Bronchitis und Asthma bron- chiale, gefolgt von Neuroder- mitis, Psoriasis und Ichthyosis.

Ebenso Einschränkungen des Bewegungsapparates, zum Bei- spiel durch Arthrosen oder nach Unfällen.

Ein therapeutisch wichtiger Faktor an der Nord- und Ost- see ist das Klima, das durch Wind, hohe absolute Luft-

feuchte und milde Nächte ge- kennzeichnet ist. Schwüle Ta- ge sind selten. Die Luft ist all- ergenarm. Drei Klima-Kom- ponenten, die einen besonde- ren Einfluss auf die Wirksam- keit der Thalassotherapie ha- ben, sind das maritime Aero- sol, die Sonnenstrahlung und der thermisch-hydrische Kom- plex. Dieser setzt sich zusam- men aus Temperatur und Luftfeuchtigkeit.

Das salzhaltige Aerosol in Brandungsnähe wirkt als natürliches Inhalatorium auf die Atemwege. Es kann altes Sekret lockern und damit pro- duktives Abhusten – auch ei- trigen Sputums – fördern. Die Dichte des Aerolsols hängt von Windstärke, -richtung und Wellengang ab. In der Brandungszone ist das Aerosol am stärksten.

In nur zehn Meter Ent- fernung nimmt seine Konzentration um die Hälfte ab; in hundert Metern sinkt sie auf ein Zehntel. Daher belüf- ten Strandspaziergän- ge am Brandungssaum die Lunge am besten, besonders wenn dabei langsam und tief geat- met wird.

Die UV-Strahlung ist seit einigen Jahren zwar durch steigende Melanomzahlen in Ver- ruf geraten, doch do- sierte Sonnenbäder können das subjektive Wohlbefinden und die physisch-psychische Leistungsfähigkeit verbessern.

Sie fördern die Immunabwehr, vermindern die Infektanfällig- keit und stoßen die für alle Altersstufen so wichtige Vit- amin-D-Synthese an. Vor allem Kinder, die unter permanen- ten Entzündungen der Atem- wege leiden, profitieren von den Sonnenbädern.

Es genügt auch an der See nicht, sich nur passiv Wasser, Wind und Wetter auszusetzen oder sich den Händen der Mas- seure und Kosmetikerinnen anzuvertrauen. Die Stärke der Thalassotherapie liegt vor al- lem in der Kombination physi- kalischer Maßnahmen mit den Wirkungen der Heilfaktoren des Meeres. Barbara Lehnig V A R I A

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 3½½½½19. Januar 2001 AA125

Heiligendamm, heute Ortsteil von Bad Doberan, ist das älteste deutsche Seeheilbad.

Foto: Bäderverband Mecklenburg-Vor-

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