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Archiv "Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit: Fischer verteidigt Gesundheitsreform" (09.06.2000)

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ine selbstbewusste Bundesge- sundheitsministerin präsen- tierte sich beim „Hauptstadt- kongress Medizin und Gesundheit“

in Berlin (siehe dazu auch den fol- genden Bericht). Trotz Kritik von al- len Seiten an den Folgen ihrer Ge- sundheitsreform 2000 wird Andrea Fischer nicht müde, die Vorteile der gesetzlichen Neuregelungen hervor- zuheben. Auch bei den besonders umstrittenen Budgets sieht sie keine Veranlassung, das Ruder herumzu- reißen. Denn für sie steht fest: Ohne eine Ausgabensteuerung im Ge- sundheitswesen geht es heute nicht mehr. Den Kritikern wirft Fischer vor, bislang konkrete Alternativen schuldig geblieben zu sein. Wer mehr Geld für das Gesundheitssy- stem fordere, müsse den Versicher- ten auch ehrlich sagen, dass dies nur mit höheren Krankenversicherungs- beiträgen oder einer höheren Selbst- beteiligung zu machen sei. Fischer warnte davor, die Lasten für die So- lidargemeinschaft dermaßen in die Höhe zu treiben, dass die Bereit- schaft zur Solidarität aufs Spiel ge- setzt werde. Das gelte auch für die vom „Bündnis Gesundheit 2000“ er- hobene Forderung nach dem Aus- schluss versicherungsfremder Lei- stungen aus der Gesetzlichen Kran- kenversicherung (GKV). Denn die- se Kosten müssten weiterhin, nur aus anderen Töpfen, von den Versi- cherten aufgebracht werden. Die Ministerin hob noch einmal deutlich hervor, dass ihre Überlegungen, alle

Einkommensarten zur Beitragser- hebung in der Krankenversicherung heranzuziehen, nicht mit dem Ein- geständnis verwechselt werden dürf- ten, dass heute schon mehr Geld benötigt wird. Es gelte lediglich, den Folgen des sinkenden Anteils der Erwerbseinkommen am Gesamtein- kommen der Bevölkerung entgegen- zuwirken.

Das Selbstbewusstsein der Ge- sundheitsministerin bekamen auch die rund 200 Demonstranten zu spüren, die mitten in ihre Rede zur Eröffnung des Kongresses platzten und für eine Unterbrechung sorgten.

Der „Aktionsrat Berliner Kas- senärzte“ hatte zu einem Demon- strationszug gegen das „Sparchaos im Gesundheitswesen“ aufgerufen.

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Dem Aufruf waren nicht nur Vertragsärzte, sondern auch Mitar- beiter des von der Schließung be- drohten Krankenhauses Moabit ge- folgt. Die Organisatoren der De- monstration zeigten sich allerdings enttäuscht über die geringe Teilneh- merzahl – nicht zuletzt bedingt da- durch, dass der BPA-Landesver- band Berlin/Brandenburg seine Mitglieder nicht zur Beteiligung an der Aktion aufgerufen hatte. Mit Spruchbändern – „Qualitätssiche- rung selbstverständlich, aber bitte auch in der Politik“ oder „Angemes-

sene Honorare für gute Medizin“ – suchten die Demonstranten ihren Standpunkt zu verdeutlichen. Im Saal ließen sie Luftballons mit der Aufschrift „DM statt Punkte“ zer- platzen und Konfetti unter dem Motto „ein Regen aus 100 000 Punk- ten“ über die Teilnehmer der Veranstaltung niedergehen. Diese schwankten offenbar zwischen Sym- pathie für die Anliegen der Demon- stranten und dem Ärger über die Störung.

Der Bundesgesundheitsmini- sterin kamen bei dieser Gelegenheit offensichtlich ihre Erfahrungen aus der Sponti-Szene zugute. Sie unter- brach ihre Rede und forderte Ver- treter der Demonstranten zu kurzen Statements auf. Was vorgebracht wurde, waren kaum mehr als Schlag- worte, sodass Fischer mit ihrer Erwi- derung die Stimmung im Saal schnell für sich entschied. Den Un- mut der Demonstranten über die ge- planten Stilllegungen von Berliner Krankenhäusern reichte sie süffi- sant gleich weiter an den in der er- sten Reihe sitzenden Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen.

Die schwierige Lage der Kranken- häuser dort sei nicht ihr Problem, sondern die „Folge einer missrate- nen Politik in Berlin“. Mit besonde- rem Engagement verteidigte sie die durch das Gesundheitsreformgesetz geschaffenen Möglichkeiten der in- tegrierten Versorgung. Bereits zuvor hatte sie auf die nunmehr möglichen neuen Versorgungsformen hinge- A-1569

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 23, 9. Juni 2000

Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit

Fischer verteidigt Gesundheitsreform

Eine weitere Gesundheitsreform sei nicht geplant, erklärte die

Bundesgesundheitsministerin. Doch als Anpassung an die rasche Entwicklung des Gesundheitswesens seien Reformschritte erforderlich.

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wiesen. Die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit unterschiedlicher Leistungserbringer in Praxisnetzen oder aber auch beim Disease Manage- ment bei bestimmten Krankheiten seien nun geschaffen. Die Demon- stranten wies Fischer darauf hin, dass es gerade viele Ärzte seien, die sich neue Versorgungskonzepte wünsch- ten und sich mit Engagement am Auf- bau von Netzstrukturen beteiligten.

Das Gesetz biete nur die Möglichkeit zu einer verbesserten Umsetzung.

„Hier ist eine Tür aufgegangen; also gehen Sie durch, anstatt zu lamentie- ren, dass es sie gibt“, rief die Ministe- rin den demonstrierenden Ärzten zu.

Fast schon gebetsmühlenartig forder- te Fischer all diejenigen, die die Aus- weitung der Budgets forderten, dazu auf, den Patienten die Wahrheit über dann fällige Beitragssteigerungen zu sagen.

Insbesondere die Teilnehmer des 1. Deutschen Pflegekongresses, der gemeinsam mit dem 49. Deutschen Ärztekongress stattfand, verfolgten den zweiten Teil der Rede von An- drea Fischer mit größter Aufmerk- samkeit. Die Gesundheitsministerin betonte, dass für sie „eine Stärkung der Position der Pflegeberufe im Ge- sundheitswesen unabdingbar“ sei.

Der Begriff „Heilhilfsberuf“ sei längst nicht mehr zeitgemäß, die Pflege habe inzwischen einen eigenständigen An- teil an der Gesundheitsversorgung.

Eine eigene wissenschaftliche Grund-

lage, die sich als Pflegeforschung be- reits in Ansätzen zu etablieren begin- ne, sei dringend erforderlich. Fischer wies auf die gesetzliche Neugestal- tung der Krankenpflegeausbildung als ein wichtiges Reformvorhaben hin. Die Vorarbeiten für das Ge- setzgebungsverfahren sind in Gang gesetzt worden, wobei die unterschied- lichen Standpunkte zur Vereinheit- lichung der Ausbildung deutlich ge-

worden seien. Im Herbst soll dazu ein Diskussionspapier vorgelegt werden.

Zuvor hatte der Regierende Bür- germeister von Berlin, Eberhard Diepgen, beklagt, dass die Debatte um die Gesundheitspolitik zurzeit zu stark durch ökonomische Argumente beeinflusst werde. Die zentrale Frage sei vielmehr, welche Konsequenzen der medizinische Fortschritt mit sich bringe. Er fordert eine neue Definiti- on dessen, was medizinische Grund- versorgung bedeutet. Diskutiert wer- den müsse über neue Formen der Selbstbeteiligung.

Der Ehrenpräsident der Bundes- ärztekammer Prof. Dr. med. Karsten Vilmar wies darauf hin, dass die beruf- liche Unabhängigkeit und die indivi- duelle Entscheidungsfreiheit des Arz- tes durch die Budgetierung gefährdet seien. Die strikte Begrenzung der Ausgaben führe unvermeidlich zur Rationierung. Die Medizin müsse sich am Versorgungsbedarf orientieren.

Die Politik solle sich nicht weiterhin

„faktenresistent“ verhal- ten; sie solle sich darauf beschränken, die Rah- menbedingungen vorzu- geben, und den Rest der ärztlichen Selbstverwal- tung überlassen.

Der Forderung nach einer Orientierung am Versorgungsbedarf hielt Andrea Fischer entge- gen, dass die Nachfrage auf dem Gesundheits- markt nicht zuletzt durch die Anbieter – das heißt durch die Ärzte – beeinflusst werde.

Während die Zahl der Vertragsärzte im vergangenen Jahrzehnt um rund ein Drittel zugenommen habe, sei die Bevölkerungszahl konstant geblieben.

Selbstbewusst zeigte sich die Bundesgesundheitsministerin beim

„Hauptstadtkongress Medizin und Gesundheit“ auch bei der anschließen- den Pressekonferenz. Hier machte Andrea Fischer der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft Druck. Sie besteht auf der gesetzlich vorgeschriebenen Einführung eines neuen flächen- deckenden Fallpauschalensystems bis zum Jahr 2003. „Niemand kann be- haupten, dieses Gesetz sei eine Über- raschung gewesen“, erklärte sie. Für den Fall, dass den Organen der Selbst- verwaltung eine rechtzeitige Umset- zung der gesetzlichen Vorgaben nicht gelingt, droht Fischer Ersatzvornah- men an; dieser Weg der staatlichen In- tervention sei aber für sie die denkbar schlechteste Lösung. Im Hinblick auf die Pflegeversicherung behauptete Fi- scher, dass diese mindestens für die nächsten fünf Jahre auf einem soliden finanziellen Fundament stehe. Ange- sichts der demographischen Entwick- lung sei allerdings rechtzeitig eine neue Debatte notwendig, wie die Pflegever- sicherung zukunftsfähig gemacht wer-

den kann. Thomas Gerst

A-1570

P O L I T I K LEITARTIKEL

Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 23, 9. Juni 2000

Der Unmut der Demonstranten richtete sich gegen Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer. Engagiert verteidigte diese die Gesundheitspolitik der rot-grünen Koalition. Foto: Johannes Aevermann

Foto: dpa

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