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Archiv "Ausgabe D: Kein Ärzteblatt zweiter Klasse für Ostdeutsche" (28.05.1999)

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33 Beilage zum Deutschen Ärzteblatt Heft 21/1999

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT IM DEUTSCHEN ÄRZTE-VERLAG

Inhaltliche Diskussion

Es verwundert nicht, daß in Zei- ten knapper Ressourcen immer wie- der der Ruf laut wird, den Inhalt des Medizinisch-Wissenschaftlichen Tei- les stärker auf einzelne Arztgruppen auszurichten und dabei die wirtschaft- liche Situation der Ärzte stärker zu bedenken. Eine solche gruppenspezi- fische Ausrichtung würde notwendi- gerweise das Interesse anderer, nicht angesprochener Gruppen auch an den wissenschaftlichen Veröffentlichun- gen im Deutschen Ärzteblatt schmä- lern. Auch gegenüber dem Gesichts- punkt „wirtschaftliche Situation“ ist darauf hinzuweisen, daß in wissen- schaftlichen Beiträgen Methoden der Diagnostik und/oder Therapie in ihren Möglichkeiten und Grenzen dargestellt werden sollen. Auf dieser Grundlage sollte der aufmerksame Leser zur Entscheidung fähig sein, welche Indikationen überkommener Methoden Bestand haben, wo es Ein- schränkungen gibt. Bei neuen Ent- wicklungen müßte er erkennen kön- nen, welche Anwendungsbereiche schon als gesichert gelten, auf wel- chen Gebieten hingegen noch eine

„harte“ Indikation, möglichst im Rah- men klinischer Studien, zu erarbeiten ist. Gelegentlich kommt es zu empör- ten Reaktionen auf Beiträge, die die inzwischen aufgrund wissenschaftli- cher Entwicklungen eingetretene Fragwürdigkeit von Methoden darle- gen, mit denen ihre ärztlichen An- wender wirtschaftlich unverändert gut über die Runden kommen mögen.

Ähnliche Ergebnisse erzielt man, wenn in Artikeln auf noch begrenzte Anwendungsmöglichkeiten sehr aktu- eller wissenschaftlicher Entwicklun- gen hingewiesen wird – Ärzte, die entsprechende Geräte oder neue Ver- fahren bereits anwenden, sind natür- lich nicht glücklich über solche re- striktiven Mitteilungen. Zu bedenken ist freilich, daß wissenschaftliche Er- kenntnisse, die durch die Beiträge im Deutschen Ärzteblatt vermittelt wer- den sollen, langfristig die beste Ga- rantie für eine ärztliche Tätigkeit auf hohem Niveau sind, wirtschaftliche Faktoren eingeschlossen.

Das Problem einer Veröffentli- chung von „Leitlinien“ soll nur er- wähnt werden, ohne weitergehende

Erörterungen. Nach einer Vorgabe der Herausgeber können diese auf wissenschaftlicher Grundlage erarbei- teten Texte nur dann im Deutschen Ärzteblatt publiziert werden, wenn sie von Gremien der Bundesärzte- kammer oder der Kassenärztlichen Bundesvereinigung verfaßt wurden.

Einigendes Band

Die Einheit eines Berufsstandes mag, wie von den Vertretern der ärztli- chen Selbstverwaltungskörperschaften vielfach betont, in der einheitlichen Grundausbildung begründet sein. Ge-

nauso wesentlich ist jedoch die tatsäch- liche Ausübung des Berufes auf ge- meinsamer geistiger Grundlage. Durch Beiträge aus der immer weiter sich dif- ferenzierenden medizinischen Wissen- schaft könnte so ein einigendes Band erhalten bleiben, üben doch Ärztinnen und Ärzte aller Tätigkeitsbereiche ihren Beruf aufgrund einer wissen- schaftlichen Ausbildung aus.

Prof. Dr. med. Elmar Doppelfeld

Literatur

1. O’Connor M: Editing scientific books and journals. Kent: Pitman Medical, 1978.

2. Doppelfeld E: Medizin im Deutschen Ärz- teblatt. Dt Ärztebl 1991; 88: A-2243–2244 [Heft 25–26].

eute erstmals: Ausgabe D“ – so lautete die Überschrift auf

„Seite eins“ in Heft 9 vom 5. März 1990. Zum ersten Mal nach der Wiederbegründung der Zeitschrift im Jahr 1949 gaben Redaktion und Verlag ein Ärzteblatt für ganz Deutsch- land heraus. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte es drei Ausgaben gegeben: A (für Niedergelassene), B (für Klini- ker) und C (für sonstige Bezieher).

Nun kam für die Leserinnen und Le- ser in der DDR die Ausgabe D hinzu.

Zunächst wurden 5 000 Exem- plare aufgelegt und an diejenigen Ärzte verschickt, von denen der Ver- lag Kenntnis erhielt. Um möglichst alle Bezugsberechtigten zu erreichen, veröffentlichte die Redaktion regel- mäßig folgenden Aufruf: „Sind Sie ,nur‘ Mitleser des Deutschen Ärzte- blattes? Bestellen Sie doch Ihr eige- nes Exemplar!“ Der Appell wirkte.

Bereits im Mai 1990 war die Auflage

auf rund 23 000 pro Heft gestiegen.

Ausgabe D umfaßte den gesund- heitspolitischen und den medizi- nisch-wissenschaftlichen Teil wie in allen Ausgaben, ergänzt um zusätzli- che Informationen. Schließlich be- stand die DDR noch und damit ein ganz anderes konzipiertes Gesund- heitswesen als im Westen. Selbst nach der Wiedervereinigung galt es, zahlreiche Übergangsbestimmungen zu beachten. Daß genug zusätzliche Seiten zur Verfügung standen, lag auch daran, daß die neue Leserschaft das Interesse der Anzeigenkunden geweckt hatte.

Ausgabe D enthielt erläuternde Beiträge zur Struktur des westdeut- schen Gesundheitswesens, aber auch solche zu umstrittenen Fragestellun- gen. Regelmäßig wurde zum Beispiel über das Für und Wider der freien Niederlassung geschrieben, über Er- halt oder Überleitung von Poliklini-

Ausgabe D

Kein Ärzteblatt zweiter Klasse für Ostdeutsche

Fast zwei Jahre lang erschien eine „Ausgabe D“ für Ärzte und Ärztinnen in Ostdeutschland. In dieser Zeit, 1990 und 1991, wurden die Weichen für das gesamtdeutsche Gesundheitswesen gestellt – und im Ärzteblatt diskutiert.

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ken und Ambulatorien. Zu Wort ka- men die Redaktion, Mitarbeiter der Herausgeberorganisationen, Leser.

Berichtet wurde zudem über die Ent- stehung freier ärztlicher Verbände und über Arbeitsgruppen von Ärz- ten, die die Gründung von Kammern und Kassenärztlichen Vereinigungen vorbereiteten.

Im Kern ging es stets um eines:

Sollte die DDR das westdeutsche Ge- sundheitswesen übernehmen, wollte man es ihr überstülpen – aus ideolo- gischen oder praktischen Erwägun- gen heraus? Oder sollte umgekehrt der Westen einige Elemente des DDR-Gesundheitswesens integrie- ren, zum Beispiel die betriebsnahe ärztliche Betreuung und die besonde- re Art der Versorgung von Diabeti- kern oder Rheumakranken?

Der Redaktion wurde damals gelegentlich vorgeworfen, allzu ein- deutig dem westdeutschen Gesund- heitswesen den Vorrang zu geben.

Liest man die Beiträge aus jenen Jah- ren, dann wird aber deutlich, daß auch Kritik an einer (schnellen) ost- deutschen Anpassung durchaus ge- druckt wurde. Die Meinungen dar- über waren sowohl in West- wie in Ostdeutschland geteilt. So warnten ge- rade Sprecher von damals neugegrün- deten Ärzteverbänden im Osten vor einem Systemtransfer von Ost nach West, beispielsweise auf dem Deut- schen Ärztetag 1990 in Würzburg.

All diese Fragen wurden nicht isoliert in der „Ausgabe D“ erörtert, sondern im politischen Kernteil und den Leserbrief-Seiten. Die Ausgabe D glich sich zudem immer stärker den anderen Ausgaben an. Erst wurde der vordere Heftteil um die Leser- briefe ergänzt, dann der hintere um Informationen aus dem sogenannten Serviceteil: Feuilleton, Beiträge aus Industrie und Forschung, Reisebe- richte et cetera. Die Auflage stieg im Lauf des Jahres 1991 auf 46 000.

Das Ende kam nicht unerwartet.

Mit Heft 51–52/1991 wurde die Aus- gabe D eingestellt. Von 1992 an er- hielten auch die ostdeutschen Ärztin- nen und Ärzte entweder Ausgabe A, B oder C. Vielen von ihnen würde das recht sein, mutmaßte die Redak- tion. Immer wieder hatten sich näm- lich Leser aus den fünf neuen Län- dern über ihre „Sonderbehandlung“

beklagt. Nun war die Ausgabe D auf- gelöst, wenn auch die einzige echte Neuerung in einem gemeinsamen Kleinanzeigenteil bestand.

Die „Ost-Themen“ hingegen blieben. Vertreter des Wissenschafts- rats bereisten die neuen Länder und gaben auch Empfehlungen zu Medi- zinischen Hochschulen und Akade- mien ab, die erbitterte Diskussionen nach sich zogen. Manche Ärzte fühl- ten sich mehr zur Niederlassung ge- drängt denn berufen oder beklagten die vielen praktischen Probleme. Zu mancher Frustration trug wohl bei,

daß im Eifer des Anfangs übersehen und verschwiegen wurde, daß der ärztlichen Freiheit auch im Westen längst deutliche gesetzliche Grenzen gezogen waren. So machte sich bei neu Niedergelassenen Unmut breit über Budgets, niedrige Punktwerte, Auflagen und Vorschriften aller Art.

All das schlug sich im Ärzteblatt nie- der, ebenso Unkenntnisse und Vorbe- halte zwischen „Ossis“ und „Wessis“.

Es wurde debattiert um den Titel

„Diplom-Mediziner“ und um die Lei- stung, für die er verliehen wurde. Die Diskussion um Stasi-Verstrickungen und die Beteiligung der Ärzteschaft begann. Die Bundesärztekammer entschied 1992, sich einem Aspekt des Themas in wissenschaftlicher Form anzunehmen. In Zusammenar- beit mit der Ludwig-Sievers-Stiftung und der Hans-Neuffer-Stiftung starte-

te das Forschungsprojekt „Ärztliches Handeln und politische Verfolgung der SBZ und DDR“. Mehrmals wur- den die Leser des Deutschen Ärzte- blattes gebeten, mit der Schilderung ihres Lebenswegs zur Klärung beizu- tragen. Resultat war eine umfangrei- che Darstellung und eine mehrteilige Serie zu Einzelschicksalen in dieser Zeitschrift.

An den ostdeutschen Hochschu- len, auch an den Medizinischen Fa- kultäten, wurde der sogenannte aka- demische Lehrkörper überprüft. Und bei den niedergelassenen Ärzten?

Vereinzelt kamen Leserzuschriften, in denen sich der Schreiber empörte, ein bekanntermaßen systemtreuer Kollege habe sich a) auf eine Stelle gen Westen abgesetzt oder b) sich oh- ne weitere Nachfragen niederlassen können. Ob das etwa gerecht sei?

Viele solcher Briefe und Anrufe lösten in der Redaktion Diskussionen darüber aus, wie man dem Thema und den Betroffenen gerecht werden könne. Das Dilemma war grundsätz- lich immer dasselbe: „Den Westen“

kannte man oder meinte man zu ken- nen. „Der Osten“ – das war unbe- kanntes Land. Ein Arzt bot an, einen Artikel zum Thema „Niederlassung“

zu schreiben. Wer war das? Für wel- che Gruppierung stand er? Im We- sten kannte man sie, die Repräsen- tanten der ärztlichen Organisationen und Verbände, die Journalisten, die über Gesundheitspolitik schrieben.

Und wenn nicht, dann fragte man eben erfahrenere Kollegen in der Re- daktion.

Und im Osten? Da kannte man keinen und war ratlos. Sollte man das Manuskriptangebot eines Kollegen annehmen, weil er aus der DDR kam und sich besser auskannte? Oder es von vornherein ablehnen, weil er zu viele Jahre im „falschen“ Landesteil geschrieben hatte? Ja, worüber hatte er bislang überhaupt geschrieben, und für welche (in den alten Ländern meist unbekannte) Publikation?

Allen Bemühungen zum Trotz blieben viele Fragen offen. Es blieb das Gefühl, manchem Leser und sei- nem Anliegen nicht gerecht gewor- den zu sein. Es blieb jedoch noch et- wa anderes: das Vergnügen, von nun an quer durchs ganze Land fragen und reisen zu können. Sabine Rieser 34 Beilage zum Deutschen Ärzteblatt Heft 21/1999

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT IM DEUTSCHEN ÄRZTE-VERLAG

Die erste Nummer des Deutschen Ärzteblattes im wiedervereinigten Deutschland

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