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Pflegebedürftig? – Selbstbestimmte Teilhabe durch Rehabilitation ermöglichen!
Frühzeitiges Erkennen von Reha-Bedarf in der Gesundheitsversorgung
Ärzte beraten Ärzte
:Das Reha-Konsil Bad Kreuznach -
ein Modell zur Unterstützung der Bedarfserkennung
Heike Gatzke, Stiftung kreuznacher diakonie, Geschäftsbereich Rehafachdienste & Förderschulen DVfR Berlin, 30.10.2019
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Anspruch und Wirklichkeit:
Alle Menschen haben einen Anspruch auf Rehabilitation, auf Teilhabeförderung.
Allerdings drohen gerade Menschen mit Behinderung und/oder Pflegebedürftigkeit aus der bedarfsgerechten Versorgung ausgeschlossen zu werden
Dabei gilt: Reha vor und bei Pflege!
Pflegebedürftigkeit soll vermieden/verhindert/verzögert werden
Wie können frühzeitig Reha-Bedarf erkannt und adäquate Maßnahmen zeitnah eingeleitet und umgesetzt werden?
Good practice aus Bad Kreuznach
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• Bad Kreuznach, Kurstadt mit ca. 50 000 Ew, Zentrum einer recht ländlich geprägten Region mit ca. 150 000 Ew
• Reha-Angebote sind vielfältig vorhanden: ambulant, stationär und mobil
• auf dem Lande zunehmend schlechter werdende ärztliche Versorgung
Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz
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Mobile Reha in Kurzform
Was ist Mobile Reha?
• Mobile Reha ist ein neues Konzept der ambulanten, wohnortnahen Rehabilitation
• Ambulante aufsuchende Reha-Leistungen werden durch ein
interdisziplinäres Team unter ärztlicher Leitung in der Häuslichkeit / in der gewohnten Umgebung des Rehabilitanden erbracht – zeitlich
begrenzte Maßnahme!
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Ärzte beraten Ärzte – das Konsil
Wirklichkeit in Bad Kreuznach bis 1.8.2018:
Die Ärztin der Mobilen Reha kann von Kliniken und niedergelassenen Vertragsärzten zur Klärung von Reha-Bedarfen angefordert werden; dies geschieht unabhängig einer evtl. Rehamaßnahme durch den Mobilen Rehabilitationsdienst, die u. U. indiziert sein könnte.
Niedergelassene Vertragsärzte und Ärzte in Kliniken werden durch Reha-Ärztin (der Mobilen Reha) beim Erkennen von Reha-Bedarfen kompetent vor Ort unterstützt
Jahrzehntelange, funktionierende Praxis:
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Anforderung durch die Klinik
Patient wegen Apoplex im Krankenhaus mit schweren Funktions- und
Sprachstörungen, d. h. mit massiven Beeinträchtigungen in den ADL´s; Frage nach Reha-Fähigkeit und Reha-Bedarf? Frage nach adäquaten weiteren
Behandlungsmöglichkeiten?
Krankenhaus fordert Reha-Ärztin der Mobilen Reha zur Klärung per Fax an:
− Niedrigschwelliger Zugang: Einseitiges Formular; leicht von der Klinik auszufüllen;
− Reha-Ärztin der Mobilen Reha kommt umgehend in die Klinik, klärt dort mit den verantwortlichen Ärzten einen möglichen Reha-Bedarf ab (aus einer Hand), formuliert Reha-Antrag bzw. anderweitige Empfehlungen.
− Arzt wird in der Klinik unterstützt und auch für Reha sensibilisiert.
− Es werden zeitnah passende Maßnahmen für den Patienten eingeleitet.
− Die Leistung der Reha-Ärztin ist vergütet.
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Anforderung durch den Vertragsarzt
Klient mit progredienter Erkrankung (MS), Verschlechterung, wohnt Zuhause, Frage nach Reha-Bedarf und –Fähigkeit, der Therapien, Pflege, Hilfsmittel, Wohnraum …
Vertragsarzt fordert mit Formular per Fax die Reha-Ärztin für eine Erstuntersuchung an:
Fax ergeht an Mobile Reha und Krankenkasse
Genehmigung der Erstuntersuchung der Krankenkasse ist erforderlich
Reha-Ärztin untersucht Patienten in seinem häuslichen Umfeld
nimmt Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, erstellt einen umfassenden Bericht über Reha-Bedarf, -Fähigkeit, -Prognose und Behandlungsbedarf und gibt entsprechende Empfehlungen
Enge Zusammenarbeit mit dem Vertragsarzt (Hand in Hand); Vertragsarzt ist eingebunden, wird fachlich kompetent von der Reha-Ärztin unterstützt und vom Antragswesen entlastet. Der Vertragsarzt wird sukzessive hinsichtlich des
Erkennens von Rehabedarfen sensibilisiert.
Erstuntersuchung inkl. Berichterstellung wird vergütet.
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Konsile wirken gegen bestehende Probleme
Reha-Bedarfe und –potentiale werden oftmals bei behinderten und/oder pflegebedürftiger Patienten nicht erkannt
Personalfluktuation in Krankenhaus; fehlende reha-spezifische Kenntnisse
Keine ausreichende Sozialdienststruktur in Kliniken vorhanden
Kurze Verweildauer in den Kliniken; Arbeitsverdichtung -> hoher Zeitdruck
Fehlende Fach- und Hausärzte, besonders in den ländlichen Regionen;
überfüllte Wartezimmer, wenig Hausbesuche, wenig zeitliche Ressourcen
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Wirklichkeit seit dem 1.8.2018 in Bad Kreuznach
Bundesweite Vereinheitlichung der Reha-Beantragung seit 1.8.2018 sowie durch den Rahmenvertrag bezüglich Entlassmanagement (verbindlich seit 1.1.2019)
Diese wirken sich negativ auf das jahrzehntelange „Erfolgsmodell“ Bad Kreuznach aus, d. h. die Konsillösungen sind damit strukturell nicht mehr mitgedacht, möglich und auch nicht mehr refinanziert.
Ausnahmen sind sehr wenige Einzelfälle: D. h. die Krankenkassen bzw. der MDK fordert bei Vorliegen sehr komplexer, schwieriger Reha-Anträgen die Expertise durch die Reha-Ärztin an.
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Verfahren seit dem 1.8.2019 in den Kliniken
Die Klinik muss nun selbst folgendes Verfahren für die Beantragung einer Reha-Maßnahme einleiten:
1) Antrag auf Anschlussheilbehandlung durch den Sozialdienst (2 Seiten)
2) Ärztlicher Befundbericht (3 Seiten)
Das Antragsverfahren sieht keine Konsilmöglichkeit durch einen Reha- Experten vor.
Aufwändigeres Verfahren, zwar multidisziplinär angelegt, aber reha- kompetent?
Eigeninitiative der Reha-Ärztin des Mobilen Rehabilitationsdienstes:
regelmäßige Besuche in den Kliniken zur Sensibilisierung hinsichtlich des Erkennens von Reha- Bedarfen, Angebot der Mithilfe; Beratung/Unterstützung von Ärzten und Sozialdiensten im
Antragsverfahren;
kein strukturelles und refinanziertes Angebot!
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Verfahren seit dem 1.8.2018 im vertragsärztlichen Kontext
Vertragsärzte müssen das Formular 61 ausfüllen;
seit 2016 ist das Verfahren etwas vereinfacht und jeder Arzt darf den Antrag ausfüllen – es wird keine Rehakompetenz verlangt – freiwilliges Fortbildungsangebot für Ärzte besteht
Antrag ist allerdings recht aufwändig;
und wird nicht attraktiv vergütet
Eigeninitiative der Reha-Ärztin des Mobilen Rehabilitationsdienstes:
Angebot zur Unterstützung bei Antragsstellung; freiwillige und unentgeltliche Leistung der Reha-Ärztin.
kein strukturelles und refinanziertes Angebot!
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Bis zu den Neuregelungen und der Verfahrensumstellung …
… wurde die Ärztin der Mobilen Reha durchschnittlich mehr als 200 mal pro Jahr per Fax durch die Klinik oder den niedergelassenen Arztes angefordert, nämlich
zur Erstellung eines Antrags auf eine Mobile Reha-Maßnahme (entspricht dem Gros der Anforderungen),
oder zur
Klärung des Reha-Bedarfs
Davon waren es i. d. R. ca. 30 Konsile pro Jahr, in denen die Ärztin des Mobilen Rehabilitationsdienstes Patienten wie auch Ärzte fachlich beraten/untersucht hat und die keine Mobile Reha-Maßnahme zur Folge hatten; entsprechende
Behandlungsempfehlungen wurden mittels ausführlichem Bericht ausgesprochen.
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Ab der Neuregelungen und der Verfahrensumstellung …
… sind durch die fehlende, strukturelle Einbindung der Reha-Ärztin in den Beantragungsprozess
diese Konsile fast ausnahmslos nicht mehr entgeltlich möglich
gibt es einen deutlichen Rückgang von Reha-Beantragungen aus dem vertragsärztlichen Kontext (von ca. 40% auf 25%).
fehlt Ärztin der Mobilen Reha die Transparenz in Bezug auf abgelehnte Maßnahmen
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Zusammenfassung und Ausblick
gelingende und gelebte Praxis „Ärzte beraten Ärzte“ war da
„gut gemeinte“ Vereinheitlichung/Vereinfachung in der Reha-Beantragung und im Entlassmanagement verhindert jetzt Konsile; die Reha-Expertin ist nicht mehr im Beantragungsprozess vorgesehen ist
Probleme nehmen hinsichtlich Personalfluktuation, Arbeitsverdichtung etc. in den Krankenhäusern zu; ausgedünnte Sozialdienststruktur; Rückgang von Vertragsärzten in den Regionen – wie soll Reha-Kompetenz wachsen?
Netzwerk mit Klinik- und Vertragsärzten geschieht auf freiwilliger Basis i. d.
R. ausgehend von der Reha-Expertin und kompensiert fehlende Reha- Kompetenz;
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Es braucht strukturelle Lösungen, um Reha-Bedarfe frühzeitig zu erkennen, wie z. B.
- bei elektiven Eingriffen die parallele Miteinbeziehung des Sozialdienstes beim Aufnahmegespräch mit dem Fokus auf eine AHB
- eine Hotline zur telefonischen Beratung bei Fragen hinsichtlich der Antragsstellung
- …
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