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Industriefirmen halten am Standort Schweiz fest | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Academic year: 2022

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WERKPLATZ SCHWEIZ

42 Die Volkswirtschaft   5 / 2021

Industriefirmen halten am Standort Schweiz fest

Trotz Corona-Krise wollen Schweizer Industriefirmen am Produktionsstandort Schweiz festhalten. Dies zeigt eine umfassende Umfrage der Universität St. Gallen von vergangenem Sommer.  Thomas Friedli, Ferdinand Deitermann

A

uch über ein Jahr nach ihrem Aus- bruch dominiert die Corona-Pande- mie das globale Wirtschaftsgeschehen.

Aufgrund der weiterhin volatilen Lage ist es nicht leicht, Aussagen über die aktuel- le wirtschaftliche Situation im Allgemeinen sowie die Entwicklung der Produktion in der Schweiz im Besonderen zu treffen. Un- sicherheiten bergen insbesondere die Virus- mutationen und die unterschiedlichen Stra- tegien der Staaten.

Für die Schweiz schwanken die Konjunk- turprognosen daher beträchtlich: Zu Beginn des ersten Lockdowns ging das Staatssekre- tariat für Wirtschaft (Seco) in der Konjunk- turprognose von Mitte März 2020 davon aus, dass das Bruttoinlandprodukt (BIP) für das Jahr 2020 um 1,5 Prozent schrumpfen werde. Ende April 2020 aktualisierte es die Prognose auf ein Minus von 6,7 Prozent.

Dies hätte dem stärksten Einbruch der Wirt- schaftsaktivität seit 1975 entsprochen. Im März 2021 schätzte das Seco den Rückgang für 2020 schliesslich auf –2,9 Prozent.

Neben diesen Unsicherheiten im Zu- sammenhang mit dem Coronavirus er- schwerten unter anderem der Brexit, die anhaltenden Spannungen zwischen den USA und China und die Wahlen in den USA die Erstellung der Prognosen. Ein weiterer, mittelfristig zu berücksichtigender Faktor ist die internationale Reaktion auf die chi- nesische Aussen- und Innenpolitik. Bereits heute verlagern einige Unternehmen Pro- duktionskapazitäten aus China in andere

Abstract  Im Sommer 2020 hat das Institut für Technologiemanagement der Universi- tät St. Gallen (ITEM-HSG) zum vierten Mal den «Swiss Manufacturing Survey» durch- geführt. Das Ziel der jährlichen Befragung des in der Schweiz produzierenden Gewer- bes ist es, die aktuelle Situation und die Erwartungen an die Zukunft abzubilden. Dazu beantworten die teilnehmenden Unternehmen unter anderem Fragen zu Herausfor- derungen, Innovationen und zur globalen Wertschöpfungsstruktur. In der letztjähri- gen Umfrage wird deutlich, dass Schweizer Unternehmen trotz Corona für die Jahre 2021 bis 2023 keine Reduktion der Fertigungskapazitäten am Standort Schweiz er- warten. Weltweit gehen die befragten Unternehmen allerdings von einer Abnahme der Fertigungskapazitäten aus.

südostasiatische Länder oder zurück in die Nähe des Heimatmarktes.1

200 Unternehmen befragt

Was bedeutet dies für die Schweizer Indust- rie? Einen guten Einblick liefert die Umfrage

«Swiss Manufacturing Survey», die vom Insti- tut für Technologiemanagement der Univer- sität St. Gallen zusammen mit der ETH Zürich jährlich durchgeführt wird.2 Diese beleuch- tet die Situation der produzierenden Indus- trie in der Schweiz. Im vergangenen Jahr ha- ben zwischen Mitte April und Ende Juli 200 Unternehmen aus 20 Branchen vom Maschi- nenbau über die Elektro- und die Textilindus- trie bis hin zur Pharmaindustrie daran teilge- nommen. 60 Prozent der Teilnehmenden wa- ren kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit weniger als 250 Mitarbeitenden. Dieser Wirtschaftssektor hat gemäss dem Bundes- amt für Statistik einen Anteil von knapp 20 Prozent am Bruttoinlandprodukt (BIP). In der Umfrage werden die Unternehmen unter an- derem zu ihren Standortentscheidungen, der Innovationsfähigkeit, der Bedeutung von Marktnähe sowie den Stärken des Schweizer Werkplatzes befragt.

Die Auswertung zeigt: Die Wertschöpfung der Schweizer Industrieunternehmen basiert stark auf eigenen weltweiten Produktions- stätten. Neben der Schweizer Heimatbasis befinden sich die Fertigungskapazitäten vor

1 Rohde (2020).

2 Friedli et al. (2018, 2019, 2020).

allem in den Regionen Europa (rund 40%), Asien (rund 25%) und Nordamerika (rund 20%). Demgegenüber sind Fertigungskapazi- täten in Mittel- und Südamerika sowie in Af- rika und Ozeanien deutlich seltener. Die Ver- teilung der Fertigungskapazitäten über diese Regionen ist in den letzten zwei Jahren wei- testgehend konstant geblieben.

In den Jahren 2018 und 2019 – also noch vor der Corona-Krise – waren die Industrie- betriebe in der Schweiz solide aufgestellt: 60 Prozent der befragten Unternehmen hielten ihre Fertigungskapazitäten konstant. Etwa ein Viertel erhöhte sie sogar, während 12 Pro- zent Kapazitäten abbauten. Ein ähnliches Bild zeigt sich für ganz Europa. Deutlich wachs- tumsstärker waren damals Asien und Nord- amerika, wo je über 37 Prozent der befrag- ten Unternehmen ihre Produktionskapazitä- ten erhöhten.

Positiver Ausblick für Schweiz

Trotz Pandemie war das Vertrauen in den Produktionsstandort Schweiz auch im ver- gangenen Sommer relativ gross: 42 Prozent der Befragten erwarteten für die Jahre 2020 bis 2023 eine Zunahme der Fertigungskapa- zitäten in der Schweiz (siehe Abbildung auf S. 44). Je 28 Prozent gingen von einer konstan- ten Entwicklung beziehungsweise von einem Abbau aus. Aufgrund der Corona-Krise wa- ren die Einschätzungen aber deutlich pessi- mistischer als im Vorjahr: Damals gab fast die Hälfte der Unternehmen an, einen Ausbau der Fertigungskapazitäten vornehmen zu wollen, und lediglich 18 Prozent planten einen Abbau.

Weniger optimistisch waren die Unterneh- men, was die Fertigungskapazitäten im Aus- land anbelangt. So planten sie für die Jahre 2020 bis 2023 in allen Weltregionen eine Re- duktion. Besonders düster waren die Aussich- ten für Nordamerika und Asien, wo 65 Prozent beziehungsweise 60 Prozent mit einem Abbau rechneten. Lediglich 10 Prozent beziehungs- weise 14 Prozent rechneten in diesen Regio- nen mit einem Ausbau. In Europa erwarteten

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Mitarbeitende der Mikron-Gruppe fertigen eine Maschine in Agno TI.

KEYSTONE

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WERKPLATZ SCHWEIZ

44 Die Volkswirtschaft   5 / 2021

Thomas Friedli

Professor für Produktionsmanagement, Direktor des Instituts für Technologie- management, Universität St. Gallen

Ferdinand Deitermann

Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Institut für Technologiemanagement, Universität St. Gallen

Literatur

Ferdows, K. (2021). Foreword in Friedli et al. (2021) Global Manufacturing Management. Springer International Publishing

Friedli, T., Benninghaus, C., Elbe, C. und Remling, D.

(2018). Swiss Manufacturing Survey 2018 – A National Study. St. Gallen.

Friedli, T., Elbe, C., Remling, D. und Deitermann, F.

(2019). Swiss Manufacturing Survey 2019 – A National study. St. Gallen.

Friedli, T., Deitermann, F., Remling, D., Haase, L. (2020).

Swiss Manufacturing Survey – A National Study.

St. Gallen.

Rohde, R. (2020). Covid-19: Auswirkungen auf inter- nationale Lieferketten. Germany Trade and Invest – Gesellschaft für Aussenwirtschaft und Standort- marketing mbH, 30. Juli 2020.

beispielsweise 54 Prozent der Unternehmen eine Reduktion der Fertigungskapazitäten und lediglich 16 Prozent eine Zunahme.

KMU leiden stärker

Je nach Unternehmensgrösse ändert sich das Bild: KMU schätzen beispielsweise die künf- tige globale Entwicklung negativer ein als Unternehmen mit über 250 Mitarbeitenden.

Dieser Unterschied wird vor allem im Falle von Asien deutlich, gilt aber auch für Euro- pa und Asien. Für die Schweiz lassen sich hin- gegen keine signifikanten Abweichungen zwischen KMU und grossen Unternehmen beobachten.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die meisten Unternehmen wollen ihre aktuel- len Fertigungskapazitäten in der Schweiz bis 2023 beibehalten, während sie weltweit tendenziell mit einem Abbau rechnen. Trotz

einiger Herausforderungen wie beispielswei- se hohen Lohnkosten und einer starken Wäh- rung bringt die Schweiz offensichtlich Qua- litäten wie hoch qualifizierte Arbeitskräfte und ein stabiles soziopolitisches Umfeld mit, die das Land als Produktionsstandort attrak- tiv machen. Betrachtet man das Produktions- volumen pro Kopf, ist die Schweiz «Produk- tionsweltmeister» – mit grossem Abstand vor Deutschland und den USA.3

Um global wettbewerbsfähig zu bleiben, ist der Produktionsstandort Schweiz somit weiterhin zentral. Die aktuelle Diskussion über sich verkürzende und robustere Wert- schöpfungsketten im Zuge der aktuellen Pan- demie könnte somit zu einem weiteren Aus- bau der Fertigungskapazitäten in der Schweiz führen. Aufschlussreich wird die laufende Be- fragung sein, die am 6. April begonnen hat.

3 Ferdows (2021).

Erwartete Fertigungskapazitäten von Schweizer Industrieunternehmen

FRIEDLI ET AL. (2019) SOWIE (2020) / DIE VOLKSWIRTSCHAFT

Dargestellt sind die Zukunftserwartungen in Bezug auf die Fertigungskapazitäten des «Swiss Manufacturing Survey» 2020 und der Vorjahresbefragung.

Schweiz

Europa (ohne Schweiz) Asien

Nordamerika Mittel- und Südamerika Afrika

Ozeanien

Reduktion Stabilität Ausbau

  2020 bis 2023         2019 bis 2022

Referenzen

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