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Archiv "Orthopädie im Schatten der Gesundheitsreform: Therapie-Fortschritt geht am Patienten vorbei" (08.11.1996)

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Die neuen Verordnungen zur Einschränkung der kassenärztlichen Leistungen stehen im Widerspruch zur Epidemiologie von Erkrankungen der Stütz- und Bewegungsorgane und zur Wirksamkeit orthopädischer Leistun- gen in Klinik und Praxis. Nach neue- ren Untersuchungen ist die erste ernst- hafte behandlungsbedürftige Erkran- kung im Leben eines Erwachsenen oft eine orthopädische, wie zum Beispiel ein Bandscheibenvorfall, Meniskus- oder Sprunggelenkschaden.

Die meisten Arbeitsunfähig- keitstage werden durch Skelett- und Muskelerkrankungen verursacht – mit zunehmendem Trend. Orthopädi- sche Erkrankungen überwiegen auch als Ursache für vorzeitige Rentenge- währung wegen Berufs- und Erwerbs- unfähigkeit. Um diese „Volkskrank- heiten“ adäquat angehen zu können, steht in Deutschland zur Zeit noch ein gut gestaffeltes orthopädisches Ver- sorgungssystem zur Verfügung.

In der orthopädischen Praxis lie- gen Schwerpunkte in der Infiltra- tionstherapie zur Orthopädischen Schmerztherapie (DÄ 30, 1996) sowie in der Besserung von Form- und Funktionsstörungen durch Chirothe- rapie, Physiotherapie, orthopädische Hilfsmittel und Prävention. Vielfach, in Deutschland mehr als in vergleich- baren anderen Ländern, vermeiden Orthopäden in der Praxis mit ihren Maßnahmen Krankenhausaufenthal- te und Operationen.

Frühmobilisation durch Hilfsmittel

So werden zum Beispiel Band- scheibenoperationen pro 100 000 Einwohner in den USA viermal häu- figer durchgeführt als in Deutschland.

Wenn das Praxisbudget der Orthopä- den nicht den tatsächlichen Leistun- gen angepaßt wird, sind vermehrte Klinikeinweisungen zu erwarten, was

letztlich Kostensteigerung bedeutet.

In der nächsten Stufe der Gesund- heitsreform ist vorgesehen, auch wichtige orthopädische Hilfsmittel aus der Leistungspflicht der Kranken- kassen zu nehmen.

Dagegen wehrt sich die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie entschieden, denn nach Verletzungen und Operationen erlauben orthopädische Hilfsmittel eine Frühmobilisation des Patienten, was wiederum den stationären Auf- enthalt verkürzt. Standards und Qua- litätssicherung bei orthopädischen Hilfsmitteln sind durch feste Indikati- ons- und Ausführungsbestimmungen gegeben.

Trotz Fortschritten in der konser- vativen Behandlung von Wirbelsäu- lenerkrankungen müssen sich immer noch zahlreiche Patienten einer Bandscheibenoperation unterziehen.

In Deutschland werden jährlich 20 000 Eingriffe dieser Art durchge- führt. Der Trend geht zur minimal in- vasiven offenen Operation mit dem Mikroinstrumentarium. Bei anlage- bedingten Fehlbildungen (Skoliose, Wirbelgleiten), bei Tumoren und nach bestimmten Wirbelbrüchen sind größere Operationen erforderlich.

Durch Implantate, die zum Teil auch endoskopisch eingesetzt werden können, ist es heute möglich, die Wir- belsäule sofort zu stabilisieren. Dann können die Patienten direkt nach der Operation aufstehen und nach einer Woche bis zehn Tagen das Kranken- haus verlassen. Dieser Fortschritt hat natürlich seinen Preis.

In der Klinik ergibt sich die Lei- stungsbegrenzung insbesondere durch Deckelung des Budgets. Neu- entwicklungen und strukturelle Än- derungen werden nicht berücksich- tigt. Große Wirbelsäulenoperationen und andere aufwendige spezielle Ein- griffe müssen über den Abteilungs- pflegesatz abgerechnet werden. Dem- nächst können Orthopäden diese A-2920 (28) Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 45, 8. November 1996

P O L I T I K AKTUELL

Orthopädie im Schatten der Gesundheitsreform

Therapie-Fortschritt

geht am Patienten vorbei

das Präventivpotential insbesondere zur Verhinderung der Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems, der Er- krankungen der Atemwege (insbe- sondere Allergien) und bei Unfällen.

Rationalisierungsreserven müß- ten insbesondere auch in folgenden Bereichen mobilisiert werden:

l wesentliche Verringerung der routinemäßig vorgenommenen Rönt- genuntersuchungen und von präope- rativen Diagnostiken;

l Einschränkung oder Wegfall der Knochendichtemessung als Scree- ning-Methode bei beschwerdefreien Personen;

l ein großer Teil der durchge- führten Arthroskopien ist nach Ein- schätzung des Rates „nicht notwen- dig“;

l in der Diagnostik und Thera- pie der in der ambulanten Versorgung häufig unkomplizierten Rücken- schmerzepisoden gebe es ebenfalls Sparreserven;

l bei den Gesundheitsunter- suchungen (Gesundheits-Check up) werde in mehr als der Hälfte der Fälle ein Ruhe-EKG ohne ausreichende In- dikation durchgeführt;

l bei einer Gallenblasenentfer- nung könnten 20 Prozent der Kosten gespart werden, falls das offen-chirur- gische vermehrt durch das laparosko- pische Verfahren ersetzt würde.

Sparreserven und teilweise Mißwirtschaft mutmaßen die Sach- verständigen auch im Krankenhaus- sektor. Hier müßte den Kliniken mehr Entscheidungsbefugnis im Investiti- onsbereich eingeräumt werden, ob- wohl die Dualistik der Finanzierung weiter gilt und die Länderaufsichts- behörden mitmischen. Obwohl von den gesamten Krankenhauskosten nur etwa 10 bis 15 Prozent auf die In- vestitionskosten entfallen, sind diese entscheidend für die Dimensionie- rung und den Einsatz der übrigen 85 bis 90 Prozent der laufenden Betriebs- kosten. Dringlich ist aus der Sicht des Rates die Durchschlagskraft der Be- triebsführung, deren Leitungskompe- tenz zu verbessern sei. Da im Kran- kenhaus rund 70 Prozent der Kosten auf die Personalkosten entfallen, müs- se dieser Sektor streng überwacht werden. Investitionen im Aus- und Weiterbildungssektor seien zumeist effizient. Dr. Harald Clade

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Knochenmark, Leber, Milz, Thymus und das Lymphsystem, meh- rere Dutzend unterschiedlicher Zel- len sowie mehr als hundert Signalstof- fe, Hormone und die dazugehörigen Rezeptoren – das zwei Kilogramm schwere Immunsystem des Menschen ist heute ein beliebig kompliziertes Netzwerk. Kaum zu glauben, daß die meisten Details noch vor etwa 35 Jah- ren völlig im dunkeln lagen, als die deutschen Professoren Klaus Rajew- ski und Fritz Melchers sowie der Australier Prof. Sir Gustav J. V. Nos- sal ihre wissenschaftlichen Karrieren begannen.

Heute leitet das Triumvirat (Nos- sal ist emeritiert) nicht nur Institute, die zu den weltweit besten Adressen der Immunologie gehören; die Wis- senschaftler haben auch einen we- sentlichen Teil des Rahmens errich- tet, in das heute täglich neue moleku- lare Details eingepaßt werden. Für diese Leistungen erhielten Rajewski und Melchers jetzt den mit 100 000 Mark dotierten Robert-Koch-Preis, Nossal für sein Lebenswerk die Robert-Koch-Medaille in Gold.

Das Hauptinteresse aller drei galt den Antikörper produzierenden B-Zellen. Nossal gelang 1958 der Ein- stieg in die Immunologie mit einem Paukenschlag: Er konnte die für das Verständnis der Immunantwort fun- damental wichtige Idee beweisen, daß jede der vielen Milliarden B-Zellen nur je einen Antikörpertyp herstellt.

Die dazu von ihm entwickelte Metho- de war Grundlage für weitere elegan- te Experimente, darunter der Nach- weis, daß Antikörper schon vor dem ersten Kontakt mit einem Antigen eine festgelegte Form besitzen und daß der Klassenwechsel nicht die Spe- zifität verändert.

Außerdem wies Nossals Gruppe nach, daß gegen den eigenen Körper gerichtete B-Zellen inaktiviert wer- den können. Die Stiftung würdigte auch sein Engagement bei der Ent-

wicklung von Impfstoffen für Ent- wicklungsländer. Nossal leitet heute einen Ausschuß des Immunisierungs- programms der Weltgesundheitsorga- nisation.

Mit Melchers und Rajewski wür- digte die Stiftung zwei Forscher, de- ren Arbeiten sich fast ideal ergänzt haben, weil sie sich auf unterschiedli- che Abschnitte im Lebenslauf einer B-Zelle konzentrierten. Melchers Hauptinteresse liegt auf der Zeitspan- ne, bis eine B-Zelle ihren ersten Kon- takt zu einem Erregerantigen hat. Be- vor die aus dem Knochenmark stam- menden Zellen nämlich im Blut auf- tauchen, haben sie insgesamt sieben Prüfungen zu bestehen, die ihr Funk- tionieren sicherstellen.

Tatsächlich erreichen die meisten jungen B-Zellen das Ziel nie. Eine von Melchers’ Entdeckungen, der seit 1980 das Baseler Institut für Immuno- logie in der Schweiz leitet, war ein neues Element des unreifen Antikör- pers, die sogenannte Pre-B-L-Kette.

Diese Kette ist an der Koordination jener Phase in der Entwicklung einer jungen B-Zelle beteiligt, in der sie nacheinander die Gene für die leichte und schwere Kette ihres Antikörpers aus zwei „Genbaukästen“ zusammen- würfelt.

Weitere Kontrollen stellen si- cher, daß Zellen mit autoaggressiven Antikörpern aus dem Verkehr gezo- gen werden, bevor sie Schaden an- richten können. Autoimmunkrank- heiten sind ein Beleg, daß das nicht immer perfekt geschieht.

Die Arbeiten Klaus Rajewskis konzentrieren sich auf die Reaktio- nen, die eine reife B-Zelle zeigt, nach- dem sie Kontakt mit einem Erreger- antigen hat. Ihr Antikörper ist vor dem ersten Antigenkontakt lediglich ein Rohling – also weit davon ent- fernt, eine perfekte Waffe zu sein. Ra- jewski leistete entscheidende Beiträ- ge in der Frage, wie es B-Zellen inner- halb von zwei Wochen bewerkstelli- A-2921

P O L I T I K AKTUELL/MEDIZINREPORT

Deutsches Ärzteblatt 93, Heft 45, 8. November 1996 (29) Operationen nur noch in beschränk-

tem Umfang durchführen. Werden Fallpauschalen für die chirurgische Orthopädie eingeführt, betreffen sie einige Standardoperationen, wie Hüftendoprothesen bei Koxarthro- sen, die auch in chirurgischen Klini- ken operiert werden können. Schwere Dysplasiekoxarthrosen, die vor allem in den großen orthopädischen Klini- ken operiert werden und viel aufwen- diger sind, fallen unter die gleichen Fallpauschalen.

Stationäre Reha häufig günstiger

Minimal invasive Eingriffe und bessere, allerdings auch teure Opera- tionstechniken haben den stationären Aufenthalt in Orthopädischen Akut- kliniken verkürzt. Die Nachbehand- lung nach größeren Eingriffen, zum Beispiel nach Implantation einer Hüftgelenksendoprothese, muß aber weiterhin gewährleistet sein. Die Pati- enten kommen früher und damit län- ger in die Nachbehandlungskliniken, die einen günstigeren Tagespflegesatz als die Akutkliniken aufweisen.

Die Kapazität dieser nicht-ope- rativ eingerichteten Kliniken sollte noch aus einem weiteren Grund er- halten bleiben: Für viele orthopädi- sche Erkrankungen – vor allem an der Wirbelsäule – ist eine stationär durch- geführte konservative Therapie die bessere Alternative zur Operation.

In den Orthopädischen Akutkli- niken fehlen für diese Patienten die Bettenkapazitäten, so daß orthopä- disch konservativ zu behandelnde Pa- tienten vielfach in fachfremden inter- nistischen oder chirurgischen Abtei- lungen zum Akutpflegesatz behandelt werden. Ein entsprechender Versor- gungsauftrag an Orthopädische Re- hakliniken zur konservativ sta- tionären Akutbehandlung wäre nicht nur medizinisch notwendig, sondern auch kostengünstiger.

Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. med. Jürgen Krämer Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Traumatologie Orthopädische Universitätsklinik St. Josef-Hospital, Gudrunstraße 56 44791 Bochum

Robert-Koch-Preis für immunologische Spitzenforschung

Vom aufregenden

Lebenslauf einer B-Zelle

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