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Archiv "Volumentherapie aus interdisziplinärer Sicht" (09.04.1999)

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nläßlich der Emeritierung von Prof. Dr. K. Schimrigk wurde am 28. Oktober 1998 im Saar- brücker Schloß ein Symposium zur

„Volumentherapie aus interdiszipli- närer Sicht” unter Leitung von Priv.- Doz. Dr. J. Treib und Prof. Dr. A.

Haaß, Neurologische Klinik der Uni- versitätskliniken des Saarlandes, ver- anstaltet.

Volumenersatzstoffe werden heu- te zur Vorbeugung und Behandlung einer Hypovolämie bei Blut- und Plasmaverlusten infolge chirurgischer Eingriffe, Traumata, Verbrennungen oder Infektionen eingesetzt. Weitere Einsatzgebiete sind die Hämodiluti- onstherapie bei zerebralen, retinalen, otogenen, okulären, koronaren, pla- zentaren und peripheren Durchblu- tungsstörungen. In den letzten Jahren sind bezüglich der Indikation, Plasma- ersatzstoffwahl und Dosierung dieser breit angesetzten Therapie zahlreiche neue Erkenntnisse gewonnen wor- den, die im Rahmen dieses Symposi- ums interdisziplinär diskutiert wur- den.

Neurologie

Anton Haaß, Neurologische Uni- versitätsklinik Homburg, erörterte zunächst, daß die Volumentherapie beziehungsweise Hämodilutionsthe- rapie zwar seit Jahrzehnten insbeson- dere im deutschsprachigen Raum zur Behandlung zerebraler Durchblu- tungsstörungen eingesetzt wird, daß die klinische Wirksamkeit dieser The- rapieform in den bisherigen Studien jedoch noch nicht ausreichend nach- gewiesen werden konnte. Die bislang durchgeführten Studien wiesen zahl- reiche methodische Mängel auf, so daß sie lediglich den Schluß zuließen, daß das ausschließlich auf eine Sen- kung der Vollblutviskosität ausgerich- tete Konzept der isovolämischen Hä- modilution mit dem Ziel einer verbes- serten Mikrozirkulation sich als un- wirksam erwiesen habe. Der Grund hierfür sei, daß bei einer isovolämi-

schen Hämodilution im Gegensatz zu einer hypervolämischen Hämodiluti- on keine Verbesserung der Makrohä- modynamik erreicht würde, vielmehr würde bei zu schnell durchgeführtem Aderlaß sogar eine Verschlechterung der Hämodynamik in Kauf genom- men. Eine hypervolämische Hämodi- lution versuche hingegen neben einer Optimierung rheologischer Parame- ter auch die zerebrale Perfusion ischä- mischer Hirnareale über eine Steige- rung des Herzminutenvolumens und des Blutdruckes zu optimieren. Dabei verbessert eine Volumengabe über den Frank-Starling-Mechanismus die Ventrikelfüllung und hebt über eine Erhöhung des Schlagvolumens ohne Frequenzerhöhung das Herzminuten- volumen an. Dabei ist jedoch zu be- achten, daß die Volumengabe indivi- duell der kardialen Belastbarkeit des Patienten angepaßt werden muß.

Nach den Ergebnissen einer kürzlich publizierten österreichischen Multi- centerstudie ist eine niedrigdosier- te hypervolämische Volumentherapie sicher. Die klinische Wirksamkeit konnte in dieser Studie aufgrund ei- ner zu geringen Fallzahl jedoch nicht nachgewiesen werden. Endgültige Aussagen bezüglich der klinischen Wirksamkeit dieser hypervolämi- schen Hämodilutionsform werden von einer derzeit laufenden groß an- gelegten Multicenterstudie erwartet.

Augenheilkunde

Volker Scherer und Klaus W.

Ruprecht, Universitäts-Augenklinik Homburg, legten dar, daß die positive Wirkung der Volumentherapie bezie- hungsweise Hämodilutionstherapie bei venösen retinalen Gefäßver- schlüssen in zahlreichen klinisch kon- trollierten Studien nachgewiesen wer- den konnte. Bei arteriellen Verschlüs- sen der Retina konnte die Wirksam- keit einer Hämodilutionstherapie bis- lang noch nicht vollständig bewiesen werden. Beim Fehlen eines alternati- ven Therapiekonzeptes sei die Ver-

besserung rheologischer Parameter häufig die einzige Möglichkeit, dem Patienten eine sinnvolle Behandlung anzubieten. Dies gelte insbesondere für den Fall, wenn Patienten aufgrund ihres reduzierten Allgemeinzustandes oder Überschreiten des Zeitfensters keiner lokalen Thrombolyse mehr zu- geführt werden könnten. Auch bei der anterioren ischämischen Optikus- neuropathie kann insbesondere bei geringer zentraler Netzhautfunktion eine Volumentherapie versucht wer- den. Die Volumentherapie ist somit ein wesentliches Therapiekonzept bei der Behandlung okulärer Mikrozirku- lationsstörungen, wobei ihre klinische Wirksamkeit insbesondere bei venö- sen Verschlüssen der Retina wieder- holt nachgewiesen werden konnte.

Hals-Nasen- Ohren-Heilkunde

Heinrich Iro, Universitäts-HNO- Klinik Homburg, führte in seinem Vortrag aus, daß die Hauptindikatio- nen für eine Volumentherapie im Sin- ne einer rheologischen Behandlung die akute cochleo-vestibuläre Insuffi- zienz, die akute periphere (idiopathi- sche) Fazialisparese sowie die Verbes- serung der Perfusion mikrovaskulärer Lappentransplantate sind. Als Ursa- che der als „idiopathisch“ bezeichne- ten akuten Funktionsstörung des Hör- und Gleichgewichtsorganes werde ei- ne Mikrozirkulationsstörung ange- nommen, die viraler, vaskulärer oder (auto-) immuner Genese sein könne.

Entsprechend würden sich die empiri- schen Therapieansätze auf eine Ver- besserung der labyrinthären Perfusi- on richten. Die Liste der zur Anwen- dung kommenden Präparate sei groß, jedoch hätten sich in der Vergangen- heit in teilweise randomisierten Studi- en insbesondere die Substanzen Hy- droxyethylstärke (HES), Pentoxifyl- lin, Naftidrofuryl und schließlich Kor- tikosteroide bewährt. In einer eigenen Studie hätte eine Kombinationsthera- pie, bestehend aus Pentoxifyllin, HES A-929

M E D I Z I N KONGRESSBERICHT

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 14, 9. April 1999 (53)

Volumentherapie aus interdisziplinärer Sicht

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und Prednisolon, bei insgesamt 305 analysierten Behandlungsfällen nur in drei Prozent der Fälle in Folge uner- wünschter Arzneimittelwirkungen ei- nen Therapieabbruch notwendig ge- macht. Die Erfolgsrate hätte bezogen auf die Hörminderung 80 Prozent, be- zogen auf den Tinnitus 67 Prozent und bezogen auf die Schwindelsymptoma- tik 71 Prozent betragen.

Ein bewährtes Therapiekonzept bei akuten Fazialislähmungen stelle das sogenannte Stennert-Schema dar, das in seiner aktuell modifizierten Form aus HES, Pentoxifyllin und Prednisolon bestehe. Aufgrund der niedrigeren Nebenwirkungsrate so- wie der besseren rheologischen Wirk- samkeit sei das früher empfohlene Dextran durch HES ersetzt worden.

Neben der rheologischen Komponen- te spiele auch ein antiödematös-anti- entzündlicher Wirkmechanismus eine Rolle, da der N. fazialis abschnittswei- se in einem engen Knochenkanal ver- laufe und Funktionsstörungen des Nerven auf eine Druckläsion zurück- geführt werden könnten. Wichtig sei, daß erregerbedingte Erkrankungen, wie zum Beispiel eine Infektion mit Borrelia burgdorferi oder Herpesvi- ren zuvor ausgeschlossen beziehungs- weise entsprechend antibakteriell oder antiviral therapiert würden.

Ein weiteres Einsatzgebiet der Volumentherapie sei die Perfusions- verbesserung bei mikrovaskulärer Lappentransplantation. In der eige- nen Klinik würde hierbei eine Kombi- nationstherapie aus HES und Pent- oxifyllin in hoher Dosierung ange- wendet. Da randomisierte Vergleichs- studien noch nicht vorliegen würden, könne die Effizienz dieser Therapie- maßnahme nach wissenschaftlichen Kriterien noch nicht abschließend be- wertet werden, empirisch hätte sich diese Therapie jedoch bewährt.

Neurochirurgie

Wolf Ingo Steudel und Frieder Cortbus, Neurochirurgische Univer- sitätsklinik Homburg, wiesen darauf hin, daß die Volumentherapie in der neurochirurgischen Intensivmedizin insbesondere bei der Behandlung reduzierter zerebraler Perfusions- drücke nach Schädelhirntraumata

und bei der Behandlung des zerebra- len Vasospasmus nach Subarachno- idalblutungen eine wichtige Rolle spiele. Bei der Behandlung schwerer Schädelhirn-traumatisierter Patien- ten hätte sich in den letzten 30 Jahren ein vollständiger Wandel von der tra- ditionellen Flüssigkeitsrestriktion hin zur adäquateren Volumentherapie mit Aufrechterhaltung eines ausrei-

chenden zerebralen Perfusions- druckes vollzogen. Früher sei es das Hauptziel gewesen, den intrakraniel- len Druck zu senken. Spätere Arbei- ten hätten jedoch gezeigt, daß der ze- rebrale Perfusionsdruck die Diffe- renz zwischen dem mittleren arteriel- len Druck und dem intrakraniellen Druck ist und daß Patienten mit einer arteriellen Hypotension ein deutlich schlechteres Ergebnis besitzen, als Patienten ohne Hypotension. Daher konzentrierten sich neuere Behand- lungsstrategien nicht mehr nur auf die ausschließliche Senkung eines erhöh- ten intrazerebralen Druckes, sondern auf die direkte therapeutische Steige- rung des zerebralen Perfusions- druckes. Als Konsequenz aus diesen

Forschungsergebnissen wird seit An- fang der 90er Jahre auch beim Schä- delhirntrauma eine ausreichende Vo- lumentherapie durch Zuführung von Volumenersatzstoffen zur Optimie- rung des zerebralen Perfusions- druckes favorisiert. Das Management des zerebralen Perfusionsdruckes nach Schädelhirntraumata stützt sich im wesentlichen auf die Aufrechter- haltung eines zentralvenösen Druckes von 10 bis 12 mmHg sowie der bedarfsweisen Ver- abreichung von Katecholami- nen. Neuere Studien, bei de- nen der zerebrale Perfusions- druck prospektiv und aktiv oberhalb von 70 mmHg ge- halten wurde, berichten von einer mittleren Mortalität von 21 Prozent bei schwer schä- delhirntraumatisierten Pati- enten mit einem Glasgow- Coma-Scale-Wert von drei bis sieben Punkten, was eine deutliche Verbesserung des Ergebnisses bedeute.

Zur Therapie des Vaso- spasmus nach Subarachnoi- dalblutungen seien zahlreiche Versuche unternommen wor- den. Nur bei Nimodipin hät- ten verschiedene Studien ei- nen Trend in Richtung ver- bessertes Ergebnis gezeigt, jedoch ohne eindeutige stati- stische Signifikanz. Weltweit etabliert hätte sich letztend- lich nur die hyperdyname Therapie, auch Triple-H-The- rapie genannt, die aus Hyper- volämie, Hämodilution und induzier- ter Hypertension besteht. Als Ziel- größen einer hyperdynamen Therapie gelten ein zentraler Venendruck von 10 bis 12 mmHg beziehungsweise ein pulmonal-kapillärer Wedge-Druck von 14 mmHg, ein Hämatokrit von 30 Prozent, systolische Blutdruckwerte bis 200 mmHg beziehungsweise arte- rielle Mitteldrücke von 100 bis 130 mmHg. Zum Erreichen einer Hyper- volämie würden Elektrolytlösungen und vor allem Kolloide wie HES und Gelatine verwendet. Falls zum Errei- chen eines ausreichenden arteriellen Blutdruckes zusätzlich Katecholami- ne erforderlich seien, würde zunächst mit Dopamin und falls notwendig auch mit Noradrenalin gearbeitet.

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Intensivierte Volumentherapie auf der Schlaganfallsstation (Stro- ke Unit) der Neurologischen Universitätsklinik Homburg

Foto: Elfi Lorenz

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Natürlich sei bei einer so eingreifen- den hämodynamischen Therapie ein umfassendes Monitoring erforderlich.

Insgesamt würden 73 Studien zur Be- einflussung des Ergebnisses unter hy- perdynamer Therapie vorliegen. Bei insgesamt 2 111 Patienten sei es bei 54 Prozent der Patienten zu einer kom- pletten Erholung gekommen, 28,5 Prozent hätten bleibende neurologi- sche Defizite behalten und 17,5 Pro- zent seien verstorben. Dies würde im Vergleich zu dem „natürlichen“ Ver- lauf eine deutliche Verbesserung des Ergebnisses darstellen.

Anästhesiologie und Intensivmedizin

Joachim Boldt, Klinik für An- ästhesiologie und operative Inten- sivmedizin des Klinikums der Stadt Ludwigshafen, betonte, daß die Sta- bilisierung der hämodynamischen Si- tuation sowohl in der perioperativen Phase als auch im Rahmen der Inten- sivmedizin durch adäquaten Volu- menersatz von zentraler Bedeutung sei.

Trotz zahlreicher Publikationen sei die Wahl des „idealen“ Volumen- ersatzes noch nicht eindeutig geklärt.

Sowohl Kristalloide (zum Beispiel Ringerlösung), unterschiedliche syn- thetische (HES, Gelatine, Dextran) und natürliche kolloidale Lösungen (Humanalbumin) würden zur Volu- menersatztherapie eingesetzt.

Ein zentrales Problem sei hierbei die Frage „kolloider oder kristalloi- der Volumenersatz“. Während in den USA kristalloide Lösungen favori- siert würden, würden in Europa der kolloidale Volumenersatz dominie- ren.

In den USA würden neben Hu- manalbumin jedoch nur HES der al- lerersten Generation, nämlich hoch- molekulare, schwer spaltbare HES 450/0,7 zur Verfügung stehen. In Eu- ropa gäbe es hingegen zahlreiche neuere synthetische Volumenersatz- mittel mit wesentlich günstigeren physiko-chemischen Eigenschaften.

In Europa würde daher die Frage des idealen Volumenersatzes noch durch eine „kolloidal-kolloidale Kontrover- se“ kompliziert. Aufgrund der unter- schiedlichen physiko-chemischen Ei-

genschaften der einzelnen Volumen- ersatzmittel würden unterschiedliche Mengen benötigt, um einen Volu- menmangel wirkungsvoll auszuglei- chen. So sei zum Ausgleich von 1 000 ml Blutverlust die Zufuhr von zirka 3 000 bis 4 000 ml kristalloider Lö- sung erforderlich.

Gerade bei kritisch kranken, po- lytraumatisierten Patienten seien er- hebliche Volumenbilanzierungspro- bleme vorgezeichnet.

Die Frage nach dem optimalen Prinzip der Volumenersatztherapie (kristalloide oder kolloidale Lösun- gen) sei momentan noch nicht ab- schließend zu beurteilen. Auch kürz- lich veröffentlichte Metaanalysen hät- ten diesbezüglich keine Klärung ge- bracht, da die einzelnen Lösungen nicht getrennt betrachtet worden sei- en. Es scheine sich jedoch abzuzeich- nen, daß Humanalbumin als Volu- menersatz am wenigsten geeignet sei, so daß, wenn das kolloidale Prinzip des Volumenersatzes bevorzugt wer- de, moderne synthetische Volumen- ersatzmittel dem Albumin vorzuzie- hen sind.

Notfallmedizin

Uwe Kreimeier, Klinik für Anäs- thesiologie der Ludwig-Maximilians- Universität, München, erläuterte die Tatsache, daß der Volumenmangel- schock die in der Notfallmedizin am häufigsten anzutreffende Schockform ist.

Dem hypovolämischen Schock liegt eine akute Abnahme des Herz- zeitvolumens infolge Verminderung des Intravasalvolumens und damit der venösen Füllung des Herzens zugrun- de. Dies resultiere in einer quanti- tativ und qualitativ eingeschränkten Durchblutung kleiner Blutgefäße (Mikrogefäße). Im Mittelpunkt der präklinischen Primärtherapie des Pa- tienten im hämorrhagischen Schock stehe die Sicherstellung eines ausrei- chenden Sauerstoffangebotes und die rasche Volumensubstitution. In der Routine werden hierbei Kristalloide und künstliche Kolloide angewandt.

Der zu diesem Zeitpunkt häufig erfor- derlichen forcierten Volumengabe schließe sich in der frühen klinischen Phase eine differenzierte Volumen-

und eventuell auch Blutkomponen- tentherapie an.

Die Grundlagenforschung auf dem Gebiet des Volumenmangel- schocks wie auch klinisch-epidemio- logische Studien der letzten beiden Jahrzehnte haben klar gezeigt, daß neben der Schwere der Verletzung, Alter und Vorerkrankungen der Pati- enten auch die Dauer des Schockzu- stands eine wesentliche Determinan- te für die Entwicklung von Organ- funktionsstörungen sei. Aus diesem Grund berücksichtigen neue Konzep- te für die Primärtherapie des trauma- tisch-hämorrhagischen Schocks nicht mehr die Volumensubstitution allein, sondern konzentrieren sich auf die im Schock gestörte Mikrozirkulation und das reduzierte Sauerstoffangebot im Gewebe.

Das attraktivste Konzept zur schnellstmöglichen Normalisierung des Blutflusses und damit des Sauer- stoffangebotes im Gewebe stelle die

„small volume resuscitation“ dar:

Hiermit werde die Initialtherapie ei- ner akuten Hypovolämie mittels i.v.

Bolusgabe einer stark hyperosmola- ren (7,2 bis 7,5 Prozent) Kochsalz- Kolloidlösung in einer Dosis von 4 ml/kg Körpergewicht (zirka 250 ml beim Erwachsenen) bezeichnet.

Hauptwirkmechanismus sei die Mo- bilisierung „endogener“ Flüssigkeit entlang eines osmotischen Gradien- ten, wodurch der Volumeneffekt ein Mehrfaches des Infusionsvolumens betrage und insbesondere das im Schock erhöhte Endothelzellvolu- men normalisiert und damit der ka- pilläre Blutfluß gesteigert werde. Zu- lassungen für derartige Volumener- satzmittel liegen, so Uwe Kreimeier, in Südamerika (Brasilien, Mexiko, Argentinien) sowie Österreich, Un- garn, der tschechischen Republik, und seit kurzem auch in Schweden vor.

Ein zweites Konzept zur Thera- pie des traumatisch-hämorrhagischen Schocks habe eine Erhöhung der Sau- erstofftransportkapazität mittels In- fusion künstlicher Sauerstoffträgerlö- sungen zum Ziel. Eine endgültige Be- wertung hinsichtlich Effektivität und Arzneimittelsicherheit stehe aber zur Zeit noch aus. Hierzu seien weitere klinische Studien dringend erforder-

lich. !

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M E D I Z I N KONGRESSBERICHT

Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 14, 9. April 1999 (55)

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M E D I Z I N

KONGRESSBERICHT/FÜR SIE REFERIERT

(56) Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 14, 9. April 1999

Eignung von

Volumenersatzstoffen

Johannes Treib, Neurologische Universitätsklinik Homburg, wies zunächst darauf hin, daß weltweit jährlich mehrere Milliarden Dollar für Plasmaersatzstoffe ausgegeben würden, wobei der größte Anteil auf Humanalbumin entfalle. In Deutsch- land würden von den kolloidalen Plas- maersatzstoffen am häufigsten Hy- droxyethylstärken (HES) eingesetzt, die nur einen Bruchteil soviel kosten wie Albumin. Einer der Hauptgrün- de, warum insbesondere in den USA Albumin häufig noch der Vorzug vor HES gegeben werde, sei die Angst vor Blutungskomplikationen. Dabei wer- de jedoch nicht beachtet, daß zwi- schen den einzelnen HES-Präparatio- nen erhebliche Unterschiede in der Beeinträchtigung des Gerinnungssy- stems bestehen und daß Blutungs- komplikationen bei der Wahl einer geeigneten HES vermieden werden können.

Die Beeinträchtigung des Gerin- nungssystems durch HES hänge ent- scheidend von dem chemischen Auf- bau der verwendeten Stärkelösung ab. Die heute noch übliche Angabe des Ausgangsmolekulargewichtes sei unzureichend, da HES in vivo gespal- ten werde. Die Spaltungsgeschwin- digkeit ist dabei um so langsamer, je höher der Substitutionsgrad und das C2/C6-Hydroxyethylierungsverhält- nis sind. Bereits vor über zehn Jahren hätte eine amerikanische Studie erge- ben, daß mittelmolekulare HES das Gerinnungssystem, insbesondere die PTT und den Faktor VIII, weit weni- ger beeinträchtigt als hochmolekula- re HES 450/0,7. Eigene Untersuchun- gen hätten ergeben, daß die Abnah- me des Faktor VIII/von-Willebrandt- Faktors um so stärker ausfalle, je höher die Dosis, das Ausgangsmole- kulargewicht, das C2/C6-Verhältnis und vor allem der Substitutionsgrad einer Stärke sind, da für die Gerin- nungsstörungen durch HES in erster Linie der Anteil an schwer eliminier- baren Großmolekülen verantwortlich ist.

Die insbesondere in den USA verwendete hochmolekulare HES 450/0,7 ist aufgrund ihres hohen Sub- stitutionsgrades schwer spaltbar und

besitzt folglich einen lang anhalten- den Volumeneffekt. Bei Infusion größerer Volumina oder bei wieder- holten Infusionen kommt es jedoch zu einer Abnahme des Faktor VIII/von- Willebrandt-Faktors mit der Gefahr von Blutungskomplikationen sowie zu einer ungünstigen Beeinflussung rheologischer Parameter. Gleiches gilt für die hochsubstituierte mittel- molekulare HES 200/0,62, die vor al- lem in Frankreich weit verbreitet ist.

Die in Deutschland am häufigsten verwendete HES 200/0,5 sowie die niedermolekulare HES 70/0,5 würden hingegen selbst bei wiederholter Ver- abreichung weder zu einer relevanten Kumulation noch zu einer manifesten Erhöhung der Blutungsneigung füh- ren und zudem auch die rheologi- schen Parameter günstiger beeinflus- sen. Niedermolekulare HES 70/0,5 führe selbst in einer Tagesdosis von 3 000 ml zu keiner über den Verdün- nungseffekt hinausgehenden Beein- trächtigung des Gerinnungssystems.

Man müsse jedoch beachten, daß die- se HES aufgrund des niedrigeren Mo- lekulargewichtes schneller renal eli- miniert werde und deshalb häufiger nachinfundiert werden müsse.

Resümee

Die Volumentherapie, also die Verabreichung von kristalloiden oder kolloidalen Lösungen, ist aus der heu- tigen Medizin nicht mehr wegzuden- ken. Auf der Suche nach dem optima- len Plasmaersatzstoff konnten in den letzten Jahren zahlreiche neue Er- kenntnisse gewonnen werden. Insbe- sondere konnte nachgewiesen wer- den, daß die schnell spaltbare HES 200/0,5 und niedermolekulare HES 70/0,5 zu keiner relevanten Beein- trächtigung des Gerinnungssystems führen. Die Vermeidung möglicher Blutungskomplikationen ist somit kein Grund mehr für den Einsatz von Humanalbumin, wodurch sich ein er- hebliches Einsparpotential ergibt.

Die Volumentherapie bezie- hungsweise Hämodilution wird in der Neurologie, HNO, Augenheilkunde und Neurochirurgie zur Verbesserung der Mikrozirkulation aufgrund zahl- reicher positiver klinischer und tierex- perimenteller Hinweise breit einge-

setzt, obwohl ihre klinische Wirksam- keit bislang nur für wenige Indikatio- nen eindeutig belegt ist. Nach neueren Untersuchungen hängt die klinische Wirksamkeit dieser Therapieform nicht nur von der günstigen Beeinflus- sung rheologischer Parameter, son- dern auch entscheidend von der posi- tiven Beeinflussung der Hämodyna- mik ab.

Priv.-Doz. Dr. med. Johannes Treib Prof. Dr. med. Anton Haaß Neurologische Klinik

Universitätskliniken des Saarlandes Kirrberger Straße

66421 Homburg/Saar

Weltweit kann eine Zunahme des Karzinoms im Bereich des ösophago- kardialen Übergangs verzeichnet wer- den, insbesondere das Adenokarzi- nom als Refluxösophagitis-Folgekar- zinom.

Die Autoren führten eine um- fangreiche anthroprometrische Risi- kofaktorenanalyse in Connecticut, New Jersey und Washington durch, bei der 695 Kontrollpersonen mit 589 Patienten mit einem Plattenepithel- karzinom beziehungsweise Adeno- karzinom des Magens und 554 Patien- ten mit einem Adenokarzinom des ösophago-gastralen Übergangs ver- glichen wurden.

Dabei zeigte sich, daß das Risiko für ein Adenokarzinom der Spei- seröhre mit einem erhöhten Body- Mass-Index (BMI) korreliert war.

Diese Assoziation war besonders aus- geprägt bei jüngeren Patienten mit er- höhtem BMI, die nicht rauchten.

Die Autoren kommen zu dem Schluß, daß die Zunahme des Adeno- karzinoms im Bereich des ösophago- kardialen Übergangs mit der Neigung zu Adipositas in jungen Jahren korre-

liert ist. w

Chow W-H, Blot WJ, Vaughan TL et al.:

Body mass index and risk of adenocar- cinomas of the esophagus and gastric cardia, J Nat Cancer Institute 1998; 90:

150–155.

Department of Pathology, The Universi- ty of Texas, Galveston, USA.

BMI und

Adenokarzinomrisiko

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