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Archiv "Hinterlassenschaften eines Stadtarztes" (03.04.1998)

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A-830 (62) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 14, 3. April 1998

V A R I A GESCHICHTE DER MEDIZIN

W

enige Tage nachdem die Unruhen und Be- strebungen des eu- ropäischen Vormärz in der Pariser Februarrevolution kulminierten, die den Bürger- könig Louis-Philippe vertrieb und die Zweite Französische Republik brachte (24. und 26.

Februar 1848), kam es am 3.

März 1848 zu dem ersten Volksaufstand in einer preußischen Stadt, in Köln am Rhein. Vor dem Rat- haus forderten am Abend dieses Tages rund 5 000 sonntäglich gekleidete (!) Demon- stranten – überwiegend Handwerker und Arbei- ter – folgende Rechte:

Gesetzgebung und Ver- waltung durch das Volk, allgemeines Wahlrecht und allgemeine Wählbar- keit in Gemeinde und Staat, unbedingte Freiheit der Rede und Presse, Aufhebung des stehenden Heeres und Ein- führung einer allgemeinen Volksbewaffnung, freies Ver- einigungsrecht, Schutz der Arbeit und Sicherstellung der menschlichen Bedürfnisse für alle sowie vollständige Erzie- hung aller Kinder auf öffentli- che Kosten.

Im Rathaus tagte zu dieser Zeit der Gemeinderat, zu dem auch der seit 1838 in Köln niedergelassene Wund- arzt und Geburtshelfer Dr.

med. Carl d’Ester (1813 bis 1859) gehörte, um eine Petiti- on an den preußischen König zu beraten, welche die Einbe- rufung des Vereinigten Land- tags forderte. Der Wortführer der Demonstranten, der Köl- ner Arzt Dr. med. Andreas Gottschalk (1815 bis 1849), begab sich zusammen mit den entlassenen preußischen Of- fizieren Friedrich Anneke und August von Willich, die

wie Gottschalk dem Bund der Kommunisten (vorher Bund der Gerechten) angehörten, in den Ratsaal, um ihre For- derungen vorzutragen. Gott- schalk, von dem Radikal- demokraten d’Ester unter- stützt,

fand im Rat offene Ohren, aber keine Gnade bei dem preußischen Regierungsprä- sidenten, der mit Hilfe des

Militärs die Demonstranten vertrieb und die Deputierten für einige Stunden festsetzte.

Gottschalk, seit 1839 als Armenarzt in Köln niederge- lassen, war einer der charis- matischsten und erfolgreich- sten Arbeiterführer zu Beginn der Märzrevolution und an der Gründung der „Rheini- schen Zeitung“ beteiligt, die seit 1841 als Stimme der rhei- nischen liberalen Oppositi- on in Köln erschien und seit Oktober 1842 vom Chefredakteur Karl Marx geleitet wurde.

D’Ester war seit 1842/43 Aktionär und Mitarbei- ter dieses Blattes, in dem er neben Friedrich En- gels bis zum Verbot der Zeitung am 31. März 1843 seine frühsozialistischen Ideen verbreiten konnte.

Der Arzt Gottschalk, der Anfang Mai 1848 wegen Dif- ferenzen mit Marx und Engels aus dem Bund der Kommuni- sten ausschied und sich auf dem Frankfurter Demokra- tenkongreß (14. bis 17. Juni 1848) profilierte, war Gründer des Kölner Arbeitervereins am 13. April 1848 und dessen Präsident bis Juli 1848, als er erneut verhaftet wurde. Im

Dezember 1848 freigespro- chen, emigrierte er nach Paris, um nach dem Zusammen- bruch der Revolution nach Köln zurückzukehren, wo er am 8. September 1849 an der Cholera starb. Sein Kollege d’Ester, seit 1846 als Abgeord- neter der dritten Wählerklasse im Gemeinderat der Stadt Köln, trat 1848 als Sprecher der Arbeiter in Volksver- sammlungen auf. Er wurde im Mai in die preußische Natio- nalversammlung gewählt, wo er seine Position auf der für damalige Begriffe äußersten Linken einnahm, zusammen mit dem Königsberger prakti- schen Arzt Dr. med. Johann Jacoby (1805 bis 1877). Im Oktober 1848 übernahm d’Ester in Berlin die Lei- tung des Zentralausschusses der Demokratischen Vereine.

Nach Auflösung der Zweiten Preußischen Kammer im April 1848 ging er in die Pfalz und beriet die revolutionäre Regierung in Kaiserslautern.

Nach dem Scheitern der badi- schen Revolution floh d’Ester in die Schweiz, um seinem To- desurteil zu entgehen. 1851 zog er sich aus der Politik zurück.

Dr. med. Jochem Rudersdorf

Zwei Kölner Ärzte und die 48er Revolution

Wortführer der Demonstranten

Vor 150 Jahren, am 3. März 1848, begann die März- revolution in Preußen auf dem Rathausplatz von Köln.

Der Kölner Wundarzt und Geburtshelfer Dr. med. Carl d’Ester (1813–1859), Litho- graphie Foto: Historisches Archiv der Stadt Köln

Unter dem Titel „Wissenschaft und Buch in der Frühen Neuzeit“ präsentieren Stadtar- chiv und -bibliothek Schweinfurt sowie die Bibliothek Otto Schäfer bis zum 28. Juni eine Ausstellung mit Werken aus der Bibliothek des Schweinfurter Stadtarztes und Gründers der Leopoldina, Johann Laurentius Bausch.

Bei der Bausch-Bibliothek handelt es sich nach Angaben des Tourismusverbandes Franken um eine 1 828 Bände und rund 5 000 Titel umfassende, nahezu vollständig überlie- ferte Gelehrtenbibliothek der Frühen Neu- zeit. Sie wurde zwischen dem späten 16. und frühen 18. Jahrhundert kontinuierlich aufge-

baut und verdeutlicht die wissenschaftliche Umbruchperiode um 1600 im damaligen all- täglichen Wissenschaftsbetrieb. Begründet wurde die Sammlung durch den Schweinfur- ter Stadtphysicus Dr. Leonhard Bausch (1574 bis 1636). Sein Sohn und Amtsnachfolger Dr.

Johann Laurentius Bausch (1605 bis 1665) baute sie aus und gründete im Jahr 1652 ge- meinsam mit drei weiteren Schweinfurter Ärzten die Academia Naturae Curiosorum, die heutige Deutsche Akademie der Natur- forscher, Leopoldina. Informationen: Biblio- thek Otto Schäfer, Judithstraße 16, 97422 Schweinfurt, Tel 0 97 21/39 85, Fax 39 84. WZ

Hinterlassenschaften eines Stadtarztes

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T

od und Sterben sind Themen, mit denen sich die Fotografin Bastienne Schmidt intensiv beschäftigt hat. Sie zeigt in der Ausstel- lung „Vivir la muerte – Todes- rituale in Lateinamerika“ Fo- tografien von ihren Reisen nach Mittel-und Südamerika.

Der Tod ihres Vaters war für sie der Auslöser, sich mit den dortigen Todesritualen und Begräbniskulturen auseinan- derzusetzen. Ihre Eindrücke aus Peru, Kolumbien, Mexi- ko, Kuba und anderen Län- dern hielt die gebürtige Münchnerin mit der Kamera fest. Im Gegensatz zu Euro- pa oder Nordamerika sei in

Lateinamerika der Tod im all- täglichen Leben viel präsen- ter und werde nicht tabuisiert, meint Bastienne Schmidt.

Die Fotografien zeigen die verschiedenen Facetten des Todes: Bastienne Schmidt do- kumentiert auf der einen Sei- te zum Beispiel nüchtern ein Leichenschauhaus. Auf der anderen Seite zeigt sie die Gefühle, die bei den verschie- denen Ritualen frei werden.

Das verdeutlichen zum Bei- spiel Bilder vom Tag der To- ten, einem Freudenfest, das die Menschen in Guatemala feiern.

Prof. Dr. Karl Stein- orth betont, daß Bastienne

Schmidts Aufnahmen nicht die einer Voyeuristin sind:

„Ihre persönliche Betroffen- heit verbindet Bastienne Schmidt mit den Opfern und Trauernden.“ In ihrem Rei- sejournal über ihre Aufent- halte in Lateinamerika zwi- schen 1991 und 1993 schreibt sie selbst: „Die Vorstellung, daß ich mit der Fotografie Momente und Situationen banne, gibt mir Trost. Mein Vater ist gestorben, und sein Tod, vor dem ich so gerne ge- flüchtet wäre, ist mein einzi- ger Wegweiser

durchs latein- amerikanische Labyrinth aus Trauer, Hoff- nung und Ver- gänglichkeit.“

Bastienne Schmidt wurde 1961 in Mün- chen geboren.

Sie studierte neben Ethno- logie in Mün- chen Malerei und Fotografie in Italien. 1987 zog sie nach

New York. Bastienne Schmidt arbeitet regelmäßig für das

„Frankfurter Allgemeine Zei- tung Magazin“. Ihre Fotogra- fien sind unter anderem im Museum of Modern Art in New York und in der Biblio- thèque nationale in Paris zu sehen. Sie wurden mehrfach ausgezeichnet; unter ande- rem 1993 mit dem deutschen Fotoförderpreis.

„Vivir la muerte“ wurde erstmals 1995 in der Opsis- Foundation in New York ge- zeigt. Marlies Uken

A-831 Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 14, 3. April 1998 (63)

V A R I A FEUILLETON

Vivir la muerte

Todesrituale in Lateinamerika

Die verschiedenen Facetten des Todes zeigen die jetzt in Rottenburg ausgestellten Fotografien der Münchnerin Bastienne Schmidt.

„Beerdigungszug“, Titicacasee, Peru 1992

Foto: Bastienne Schmidt

Referenzen

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