Zu entscheiden war folgender Fall: Die klagenden Eheleute sind Eltern eines Zwillings- paares, von denen ein Mäd- chen unter schweren Fehlbil- dungen der Extremitäten lei- det. Die Mutter hatte die Ge- meinschaftspraxis der beklag- ten Ärzte regelmäßig zu schwangerschaftsbegleitenden Untersuchungen aufgesucht.
Sie warf ihnen vor, dennoch die Fehlbildungen ihrer Toch- ter nicht erkannt zu haben.
Hätte sie davon gewusst, hätte sie sich für einen Schwanger- schaftsabbruch entschieden.
Deshalb müssten die Ärzte Ersatz des Unterhalts für die- se Tochter leisten.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Voraus- setzungen für einen Schadens- ersatzanspruch nicht vorlie- gen. Ein Arzt haftet nur dann für eine fehlerhafte pränatale Diagnostik, wenn als Folge der nicht erkannten Vorschä- digung des Kindes ein zulässi-
ger Schwangerschaftsabbruch unterblieben ist. Im vorlie- genden Fall war der Klägerin die Fortsetzung der Schwan- gerschaft im Hinblick auf ihre angegriffene, aber nicht aus- weglose psychische Konsti- tution nach Auffassung des Gerichts jedoch zumutbar.
Die Klägerin habe zumindest nicht ausreichend dargelegt, dass ihr durch die künftige Behinderung ihrer ungebo- renen Tochter schwerwiegen- de gesundheitliche Gefahren drohten.
Dem Lebensrecht der Zwil- linge komme großes Gewicht zu; zudem sei ein Kind nicht vorgeschädigt gewesen. Zu be- rücksichtigen sei außerdem, dass die behinderte Tochter geistig gesund ist. Sie sei auf den Rollstuhl angewiesen, nehme aber am Leben in Fa- milie und Gemeinschaft teil.
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 4. Dezember 2001, Az.:
VI ZR 213/00) Be
V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 67. Februar 2003 AA353
Fehlbildung eines Zwillings
Kein Anspruch der Eltern auf Unterhalt
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die Vereinbarung in einem Gesellschaftsvertrag einer Ge- meinschaftspraxis geprüft, nach der ein ausscheidender Arzt verpflichtet ist, einen Antrag auf Ausschreibung seines Ver- tragsarztsitzes zu stellen. Der beklagte Arzt behielt die Zu- lassung und eröffnete nahe der alten Praxis eine Einzel- praxis. Einen Antrag auf Aus- schreibung seines Vertrags- arztsitzes hatte er nicht ge- stellt. Diese Verpflichtung ist nach Auffassung des BGH je- doch rechtmäßig. Das Interes- se des Praxispartners am Er- halt einer Gemeinschaftspra- xis ist durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützt.
Dem steht das Recht auf Berufsfreiheit des Beklagten gegenüber. Die Abwägung führt dennoch dazu, dass dem Erhalt der Gemeinschaftspra-
xis Vorrang einzuräumen ist.
Der beklagte Arzt war knapp zwei Jahre in der Gemein- schaftspraxis tätig. Dies sei zu kurz, um ihm eine Rechts- position zu verschaffen, die gegenüber der des Klägers vorrangig sein könnte, urteil- te der BGH. Jede Aufnahme eines Partners würde sonst zu einem unkalkulierbaren Ri- siko.
Der Verzicht ist auch nicht sittenwidrig. Zum einem kann sich der ausscheidende Arzt in jedem nicht gesperrten Bezirk eines anderen Ortes niederlas- sen. Zum anderen steht es ihm frei, sich in gesperrten Bezir- ken auf eine Vertragsarztstel- le zu bewerben. Damit liegt kein sittenwidriges, zeitlich un- befristetes und örtlich unbe- schränktes Wettbewerbsver- bot vor. (BGH, Urteil vom 22.
Juli 2002, Az.: II ZR 265/00)Be
Vertragsarztzulassung
Unzulässiges Ausscheiden aus einer Gemeinschaftspraxis
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