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I. Die Edelkastanie in der lnnersch weiz

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I. Die Edelkastanie in der Innerscbweiz II. Le Cbätaigner dans Ia vallee snisse du Rböne Vorwort des Herausgebers

<<Mögen allch die Ansichten über die Herkllnft der Kastanie auseinandergehen, so haben wir doch die Tatsache llnd Frellde für llns, daß sie bei llns gllt gedeiht.» Mit diesen wenigen treffen- den Worten von Heinrich Tanne r (1928) ist allsgesagt, was der Naturfrezmd und der Forstmann empfinden, wenn sie an den Hängen einiger Täler des nördlichen Alpenvorlandes ein=elne Bäume, Baumgruppen oder gar Bestände von Edel k a s t an i e antreffen. Freude vor allem! Freude am Anblick des ungewohnten Kastanienbaums, der die Gedanken in die Schönheit südlicher Landschaft schweifen läßt. Auch die Beziehung w den ausgedehnten Kastanienwaldungen des Südens, vorab zu den Selven, ist stark gefühlsbetont. Einheimische machen dabei keine Aus- nahme. Das schleichende übel, das seit wenigen Jahrzehnten die Kastanien südlich der Alpen befällt und zerstört, erschreckt und erschüttert uns deshalb weit mehr, als es bei der heute ver- hältnismäßig gering gewordenen wirtschaftlichen Bedeutllng der Baumart angezeigt wäre. Aller- dings geht es nicht nur llm den Ertrag - mannigfache Schutzwirkungen sind ebenso bedeutsam.

Das Zerstörungswerk des Kastanienrindenkrebses läßt sich bis jetzt nicht aufhalten. Mit Aus- nahme des Bergells ist der Pilz in allen Tälern der Südschweiz festgestellt worden. Die jüngste Entdeckung des Schädlings im Massif central Frankreichs läßt Schlimmstes für die westschweize- rischen Vorkommen der Kastanie befürchten. Bis jetzt ist Endothia parasitica nicht über den Gott- hard in die Innerschweiz verschleppt worden, nicht über den Bemardino in das W alenseegebiet und nicht über den Simplon in das Rhonetal. Naturfreund und Forstmann erfreuen sich weiterhin am Anblick der Kastanie in den Föhntälern. Wie lange noch? Diese Frage stellt sich, nachdem bis jetzt keine praktisch anwendbaren Abwehr- und Schutzmaßnahmen gefunden werden konnten.

Doch es war nicht diese Sorge wn die wenigen Vorkommen, welche die Eidg. Anstalt für das forst- liche Versuchswesen veranlaßte, eine genaue Bestandesaufnahme der Kastanien auf der Alpennord- seite vornehmen zu lassen. Die orge galt vielmehr den ausgedehnten und im Gegensatz zu elve und Pallina wirtschaftlich sehr hochwertigen Buchen- 1md Eichenwäldern. Es mußte befürchtet werden, daß die Buche und die Eiche als nahe Verwandte der Kastanie ebenfalls vom Pilze befallen werden könnten. Ein Kastanienvorkommen, inmitten prächtiger Laubwaldzmgen, könnte für die Übertragung der Krankheit sehr bedeutsam sein. Parallel zu Infektionsversuchen an Eiche llnd Buche war deshalb ein phytosanitärer Beobachtungsdienst vorzusehen, der sich seinerseits all/ gute Angaben über das Vorkommen Zll stützen hatte. Heute sind beide Voraussetzungen erfüllt. Auf Grund des 1955 revidierten Bundesgesetzes betreffend die eidgenössische Oberall/sieht über die Forstpolizei und des zllgehörigen Bundesbeschlusses betreffend den forstlichen Pflanzenschutz kön- nen die Kantone veranlaßt werden, besondere Beobachtungsdienste aufzubauen. In der Zwischen- zeit ist auch das Vorkommen der Kastanie erfaßt worden. Mit Unterstützung des Fonds zur F ö r d e r u n g d e r W a l d - u n d H o l z f o r s c h u n g konnte die Versuchsanstalt dem be- kannten Pflanzengeographen Dr. E. F ur r er den Au/trag zur Erstellung eines Kataloges über die /reiwachsenden Kastanien in der lnnerschweiz erteilen. Der Beauftragte hat auf Gmnd dieser Auf- nahrne eine p/lanzengeographische Studie ver/aßt, welche anschließend veröffentlicht wird. Das Gebiet des Kantons St. Gallen wurde deshalb nicht bearbeitet, weil die Arbeit von H. Tanne r,

«Die Verbreitung und wirtschaftliche Bedeutllng der zahmen Kastanie im Kanton St. Gallen» (Jahr- buch der St.-Gallischen Naturwissenschaftlichen Gesellschaft, 63. Bd. I. Teil, St. Gallen 1928) einen vollwertigen Katalog enthält. Es war noch die Lücke in der Westschweiz zu schließen. Unter der Leitllng von Dr. Furrer hat es ein jwiger W alliser Botaniker, R. Cl o s zi i t, llntemommen, den Katalog auch für dieses Gebiet zu erstellen. Im zweiten hier folgenden Beitrag faßt er seine im ZllSammenhang mit der Erhebung gemachten Beobachtungen zusammen.

Die erwähnten Kataloge, samt Kartenunterlagen und Beschreibllngen sind im Archiv der Ver- snchsanstalt deponiert. Sie stehen allen interessierten Kreisen, insbesondere aber den phytosanitären Beobachtungsdiensten der Kantone jederzeit zur Einsicht bereit. Den Bearbeitern und allen Hel- fern sei hier für ihre uneigennützige Mitwirkung bestens gedankt. Wir wollen hoffen, daß all die Bemühllngen nicht vergebens sind llnd daß es gelingt, gefährdete Waldungen zu erhalten oder organisch durch widerstandskräftigere, wirtschaftlich bedewsame llnd ästhetisch wertvolle Be- stockungen zzi ersetzen.

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DK Oxf.: 176.322.5: (494.1/.3)

I. Die Edelkastanie in der lnnersch weiz

Umwelt, Verbreitung, Geschichte

Von Ernst Furrer

I HALTSVERZEICHNIS

Seite

A. Anlaß und Zweck 91

B. Vorgehen 92

Begehungen. Katalogisierung. Zählung und l\Iessung. Karten. Photographische Aufnahmen

C. Umwelt 96

I. Gliederung, Gestein und Boden II. Klima

Seen- und Föhnzonen. l\1eßstationen. Temperatur. Sonnenscheindauer. Nebel. ieder- schlag. Winde: Westwind, Bise, Föhn. Pflanzen al Klimazeiger.

96 101

III. Flora und Vegetation 107

Floristische Eigenart. Pflanzenarten der See- und Föhnzone. Der Lindenmischwald.

Begleitvegetation der Kastanie: Baumarten; Streuewiesen; Futterwiesen; Hecken.

Sukzession.

D. Verbreitung 118

I. Kanton Luzern 119

Vorbemerkungen. 1. Adligen wil. 2. Ebikon. 3. Greppen. 4. Horw. 5. Kriens. 6. Lu- zern. 7. l\Ieggen. 8. Meierskappel. 9. Root. 10. Vitznau. 11. Weggis

Wirtschaftliche Wandlungen. Umwelt. Die größeren Haine. Der Hain auf der Lützel- au. über die Korporation Weggis. Eingegangene Haine.

II. Kanton Nidwalden 132

Vorbemerkungen. 1. Emmetten. 2. Ennetbürgen. 3. Hergiswil. 4. Stansstad.

III. Kanton Schwyz . 134

Vorbemerkungen. 1. Arth. 2. Gersau. 3. Ingenbohl. 4. Küßnacht. 5. Lauerz. 6. Mor- schacl1. 7. Schwyz. 8. Steinen. 9. Steinerberg.

IV. Kanton Uri 141

Vorbemerkungen. 1. Altdorf. 2. Attinghausen. 3. Bauen. 4. Bür.glen. 5. Er tfeld.

6. Flüelen. 7. Gurtnellen. 8. Schattdorf. 9. Seelisberg. 10. Silenen. 11. Sisikon.

V. Kanton Zug . 149

1. Risch. 2. Walchwil.

Gestein und Boden. Klima: Temperatur; Sonnenscheindauer; Aufwinde; Nebel;

Niederschlag. Verteilung nach Meereshöhe. Wirtschaftsgeschichtliche Rückschau.

Eingegangene Haine.

3. Zug

VI. überblick. Areal. Krebsgefährdung 159

E. Herkunft und Einführung der Edelkastanie. Aufstieg und iedergang der Kastanienkultur 163 Die mittelmeerische Herkunft

Einführung in die Schweiz.

Alpensüdfuß; Pollen- und Holzfunde.

Alpennordseite.

Eiszeit; Nacheiszeit; Römerzeit; Spätmittelalter und Anfang der euzeit.

Ursachen des Niedergangs der Kastanienkultur seit etwa 1750. Wirtschaftliche:

Anbau der Kartoffel; Eröffnung der Gotthardbahn; Umstellungen in der Land- wirtschaft; Mechanisierung und Intensivierung in der Landwirtschaft; Bedarf an Kastanienholz seitens Gerbereien und Färbereien. Klimatische: Frostschäden:

Klimaschwankungen und naßkalte Jahre.

Resume - Riassunto 175

Quellen . 178

Erläuterungen zu den Bildern 13-20 und zu den Karten 182

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A. Anla6 und Zweck

Den Anlaß zur vorliegenden Untersuchung gab das Auftreten des Kastanienrinden- krebses in der Südschweiz. Diese Krankheit, Yerursacht durch den Schlauchpilz Endo- thia parasitica (Murr.) And., ist 1904 in New York an der in Nordamerika heimischen Kastanie (Castanea dentata) beobachtet worden. In den nachfolgenden Jahrzehnten hat sie sich in den Oststaaten der Union schrittweise, doch sehr rasch ausgebreitet und auf einem Areal, das ungefähr 2200 km lang und 800 km breit ist, einen beispiellosen Ver- nichtungsfeldzug angetreten, so daß der Baum schon nach einigen Jahrzehnten bis auf kleine Reste, vor allem Stockausschläge gefällter Stämme, ausgetilgt war. (Gäu man n 1951.)

Im Jahr 1938 wurde im Hinterland von Genua auf unserer Edelkastanie ( Castanea sativa) eine Pilzkrankheit von ganz ähnlichem Verlauf festgestellt. Auch in Italien brei- tete sich die Seuche rasch aus. 1947 wurde sie, erstmals für die Schweiz, am Monte Ceneri nachgewiesen, und seither hat sie in der Südschweiz in bedrohlichem Ausmaß um sich gegriffen.

Die Vermutung liegt nahe, der Pilz sei durch Frachtgüter aus Nordamerika nach Südeuropa verschleppt worden. Es ist aber auch denkbar, daß die italienische und tessi- nische Rasse des Erregers mit der nordamerikanischen nicht identisch sind, vielmehr aus einer einheimischen harmlosen Endothia-Form durch Mutation, das heißt durch sprung- hafte Veränderung der Erbmasse, entstanden sind. Für die erste Annahme spricht das früheste Auftreten in der lähe der Hafenstadt Genua und die vorherrschende Ausbrei- tung längs Schienenwegen mit regem Verkehr. Aber auch die zweite Auffassung hat manches für sich. (Gä umann 1951.)

Es ist hier nicht der Ort, auf die Lebensweise des Pilzes, die Verbreitungsmöglichkei- ten, das Krankheitsbild und den Wirtskreis sowie auf die Gegenmaßnahmen einzutreten.

Ich verweise auf Gäu man n ( 1951) und Ba z z i gh er ( 1953) und die dort angeführte Literatur.

Angesichts der verheerenden Ausbreitung des Pilzes mußte damit gerechnet werden, er könnte auf die Nordseite der Alpen übergreifen und andere Laubhölzer befallen. Ge- fährdet ist vor allem die Traubeneiche. «Der . . . Gefahr ist alle Aufmerksamkeit zu schenken. Die Anlage eines Kastanienkatasters und einer Kastanienverbreitungskarte drängt sich auf. Das Kastanienverbreitungsgebiet der lnnerschweiz und jenes des untern Rhonetales bilden schwerwiegende Gefahrenherde für das überspringen der Endothia nach Norden und damit für ... die Eiche.» (Fischer 1953, S. 15.)

Im Jahr 1953 begann ich im Auftrag der Eidgenössischen Forstlichen Versuchsanstalt in Zürich die Verbreitung der Edelkastanie in der lnnerschweiz zu untersuchen. Bis 1956 widmete ich dieser Aufgabe jährlich je einige Wochen im Gebiet und machte 1957 noch die abschließenden Begehungen. Hauptzweck war die Aufstellung eines Kataloges über die Verbreitung, damit im Falle des Auftretens der Krankheit sofort geeignete Maß- nahmen getroffen werden können. Daneben behielt ich auch pflanzengeographische, forstbotanische und wirtschaftsgeschichtliche Gesichtspunkte im Auge.

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Es ist mir eine angenehme Pflicht, der Aufsichtskommission der Versuchsanstalt und ihrem Präsidenten, dem Schulratspräsidenten Prof. Dr. Hans Pallmann, herzlich zu danken für das Vertrauen, das sie durch Erteilung des Auftrages in meine Arbeit be- kundeten, desgleichen dem früheren und jetzigen Direktor der Versuchsanstalt, Prof.

Dr.Hans Burger und Prof.Dr.A.Kurth, sowie Dr.Fritz Fischer, der als Gene- tiker die Kastanienfrage betreut, für viele Ratschläge und ihr allzeit bezeugtes Wohlwol- len, aber auch für das große Verständnis, das sie meinen persönlichen Wünschen um Ausweitung des ursprünglich gedachten Arbeitsplans entgegengebracht haben.

B. Vorgehen

Die Begeluingen begann ich 1953 in Uri und beschränkte mich zunächst auf die Ge- meinden im Bereich der Gotthardbahn von Gurtnellen bis an den Urnersee, also auf die vermutlich meistgefährdete Zone. 1954 setzte ich sie über Goldau bis lmmensee und Zug fort, 1955 über die meisten Gemeinden am Vierwaldstättersee und die noch fehlenden urnerischen Gemeinden, 1956 über die restlichen Gebiete aller fünf innerschweizerischen Kantone. Damit war die Begehung zur Hauptsache abgeschlossen, und 1957 widmete ich mich lediglich noch Ergänzungen. In der Verteilung über mehrere Jahre mag ange- sichts der ziemlich raschen Veränderung im Kastanienbestand ein Mangel erblickt wer- den, indem innert kurzer Frist Bäume gefällt werden, während Bäumchen in den Rang von Bäumen aufsteigen. Im Gesamtbild ändert dies jedoch wenig, da sich Zuwachs und Abgang in den meisten Gemeinden ungefähr die Waage halten.

Die Anlage de Kataloges erfolgte auf Grund der Aufzeichnungen im Felde auf Kata- logblättern vom Format AS, die für unsere besonderen Zwecke ausgearbeitet wurden.

Sie enthalten folgende Angaben:

1. Kanton

2. Gemeinde, Flurname, nähere Ortsbezeichnung 3. Besitzer

4. Karten (Nr. des Blattes der Landeskarte; allenfalls Grundbuchplan) 5. Koordinaten

6. Meereshöhe

7. Geländeform, Exposition, Unterlage, Begleitvegetation 8. Anzahl, Wuchsform, Umfang in Brusthöhe, Baumhöhe

9. Hinweise (z.B. auf Strünke, Photos usw.), Datum der Aufnahme; Unterschrift

Im Laufe der Arbeiten drängten sich indes zu den ummern 3, 5 und 8 einige Ände- rungen und Vereinfachungen auf.

Zu 3: Bei Begehungen abseits von Siedelungen wurde der Besitzer, besonders bei ver- einzelten Vorkommen, mit Rücksicht auf Zeitersparnis nicht immer ermittelt und die Zeile vorläufig offen gelassen.

Zu 5: Gegen Ende 1953 ersetzte ich die Koordinaten durch eine einfache Planskizze auf der Rückseite des Blattes. Maßgebend für diese Änderung war die Erwägung, daß

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Bild 1

Beispiel eines Katalogblattes, V order- wul Rückseite

Katalog der Edelkastanie 1n der Innereohweiz.

l. Kanton

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ortsansäßige Bannwarte, Unterförster, Bauern usw. die Örtlichkeiten nach Planskizzen viel besser auffinaen als nach Koordinaten. Eine Planskizze ermöglicht zudem die Ein- tragung von Einzelheiten, die der raschen Zurechtfindung im Gelände dienlich sind, zum Beispiel Leitungsmasten mit deren Nummern, Flurweglein, Hecken, Stützmäuer- chen. In einigen Fällen, so an Steilhängen, gab ich einer Aufrißskizze gegenüber der Planskizze den Vorzug.

Zu 8: Die Messung der Stammumfänge erwies sich als sehr zeitraubend, zumal die Bäume - nicht wie im geschlossenen Wald - oft weit verstreut sind und ich die Bege- hungen allein ausführte. Um in der verfügbaren Zeit die Arbeit zu bewältigen, be- schränkte ich diese Messungen auf ausgewählte Beispiele und begnügte mich im übrigen mit Schätzungen.

Die Ergebnisse dieser Messungen sind für einige Gemeinden und gesamthaft für die Kantone in besonderen Tabellen zusammengestellt. Um eine Vergleichbarkeit mit ande- ren forstlichen Statistiken zu ermöglichen, habe ich die gemessenen Umfänge nach K n u c h e 1 ( 1937, S. 96/97) durch die zugehörigen Durchmesser ersetzt und diese nach Stufen geordnet, wie sie seit Jahren im Schweizerischen Forstkalender (zum Beispiel 1957, S. 226) für das Lehnevier der ETH angegeben werden. Danach entspricht einem Durchmesser von 16-20 cm die Stufe 18 cm, einem Durchmesser von 20-24 cm die Stufe 22 cm usw. Diese Tabellen vermögen ein Bild der Stammstärken zu geben. Doch bemerke ich ausdrücklich, daß sie nicht alle Stämme erfassen, sondern eine Auswahl darstellen. über die Ge amtzahl der Stämme unterrichten besondere Tabellen.

Ein Katalogblatt kann Verwendung finden sowohl für Einzelvorkommen wie für Gruppen von Bäumen und Büschen und für ganze Haine. Oft bietet die Vorderseite nicht genügend Raum, so daß die Rückseite für Ergänzungen benützt wird. Die Ausfertigung erfolgt im Doppel. Die Gesamtzahl der ausgefüllten Katalogblätter belief sich auf rund 380.

Die Katalogblätter werden kantons- und gemeindeweise geordnet, da wir uns in der Gebietseinteilung an die politischen Grenzen halten, obwohl sich diese mit der natür- lichen Gliederung der Landschaft häufig nicht decken. Dieses Vorgehen ist darin be- gründet, daß im Fall einer Ausbreitung des Kastanienkrebses die Forstbeamten, aber auch andere Organe von Kanton und Gemeinde, zur Überwachung und Bekämpfung ein- gesetzt werden.

Bei der Begehung beschränkte ich mich zur Hauptsache auf privaten Grundbesitz und die nicht kluppierten Haine der Korporationen. Die Kastanien kommen auf Bauern- gütern zwar oft nur vereinzelt und verstreut, aber doch noch überraschend häufig vor, da in den klimatisch begünstigten Gebieten einst beinahe jeder Bauer mindestens ein paar Bäume besaß. Auch nach Preisgabe der Kultur sind viele Reste in Form von Ein- zelbäumen und Büschen erhalten geblieben; oder Vögel und Nager haben Samen ver- schleppt, die an nahen Waldrändern, in Hecken und lichten Gehölzen zu Büschen und Bäumen emporgewachsen sind. Für die Wälder der Gemeinden, der Korporationen und der SBB stützte ich mich auf die Wirtschaftspläne, wobei freilich zu bemerken ist, daß die Kastanie bei der Kluppierung nicht immer ausgeschieden wird, vielmehr unter den

«übrigen Laubholzarten» mitgezählt wird.

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Bild 2

Schematisierte Grundrisse von Gruppen verschiedenaltriger Stockausschläge rings um den zerfallenen Stmnk eines Mutterbmimes. a) lbikon/Risch, 550 m, 1956; b) und c) Obrieden/Bürglen, 720 m, 1953

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kleine Stockausschläge

Bei meinen Zählungen habe ich Individuen- und Stammzahlen auseinandergehalten.

Doch wird die Unterscheidung schwierig und unsicher, wo die Bäume während Men- schenaltern nach Art des 1 ieder- und Mittelwaldbetriebes auf Holz genutzt wurden.

Wenn die Ausschläge, ob sie Baumstärke haben oder nicht, je nach Bedarf immer wie- der gefällt werden, rücken diese nach 50, 100 und mehr Jahren immer weiter, bis 2 Meter und mehr auseinander, und da die ältesten Strünke allmählich der Vermoderung an- heimfallen, können die jüngsten Ausschläge durch ihren großen Abstand den Eindruck selbständiger Individuen erwecken. Einige Skizzen aus verschiedenen Gebieten verdeut- lichen diesen Vorgang. (Bild 2.) Eine Bäuerin in Weggis erzählte mir, daß sie als Kind mit ihren Geschwistern und Kameradinnen solche Stöcke des elterlichen Fruchthains aufgesucht hatte, um sich darin wie in einer Wohnstube einzurichten und zu spielen.

Auch die Messung der Stammumfänge in Brusthöhe begegnet größeren Schwierig- keiten als bei irgendeinem Waldbaum, da die Teilung der Stämme häufig in allen Stammhöhen erfolgt.

Als Karten benützte ich neben den Blättern der Landeskarte in den meisten luzerni- schen und zugerischen Gemeinden Grundbuchpläne in 1: 5000 und 1: 10 000. Sie haben die Arbeiten wesentlich erleichtert. Auf den Plänen von W alchwil und namentlich von Weggis sind die Kastanienhaine mit bemerkenswerter Genauigkeit durch Verwendung der üblichen Signatur gekennzeichnet.

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Es lag nahe, das Vorkommen der Kastanie und deren Rückgang anhand der Sieg- friedblätter, die um 1870 zu erscheinen begannen, von Auflage zu Auflage zu verfolgen, da für die Kastanie, sofern sie in größeren Gruppen oder Hainen auftritt, eine besondere Signatur verwendet wird: ein Kreislein mit wenigen Schrägstrichen. Es ist dieselbe Signatur, die R übel 1916 für die pflanzengeographische Kartierung der Kastanie vor- geschlagen hat, woraufhin sie in verschiedenen Vegetationskarten Eingang fand, so für das Walenseegebiet (Roth Aug. 1919), für die Urner Reußtäler (Schmid Emil 1930) und für die Vegetationskarte der Schweiz in 4 Blättern (S eh m i d Emil, seit 1943). Auf den Siegfriedblättern ist sie aber erst um die Jahrhundertwende eingeführt und etwa zwischen 1900 und 1920 bei Neuauflagen allmählich verwendet worden, auf dem Blatt 207 (Arth), das einen großen Teil von Walchwil erfaßt, sogar erst 1921. Die Siegfried- blätter boten daher, entgegen meiner anfänglichen Erwartung, für den Nachweis unserer Kastanienbestände nur unbedeutende Anhaltspunkte.

Auch die schweizerische Obstbaumzählung läßt uns im Stich, da die Kastanie für die lnnerschweiz weder mit Namen noch unter «anderen Fruchtbäumen» gezählt wurde.

Zahlreiche Begehungen habe ich .für photographische Aufnahmen benützt, um be- zeichnende Bäume, Büsche, Gehölzgruppen und Bestände, aber auch Besonderheiten wie Drehwuchs und Strünke im Bild festzuhalten. Sie sollen nicht nur das Auffinden er- leichtern, sondern im wahren Sinn des Wortes das Bild vom derzeitigen Stand für eine spätere Zeit erhalten.

Die Verteilung der Bilder über das innerschweizerische Arbeitsgebiet ist ungleich.

Die Erhebungen über die Vorkommnisse ließen sich nicht immer mit photographischen Aufnahmen verbinden; denn das Photographieren ist eine Sache für sich und vom W et- ter, Sonnenstand, Motiv, auch vom Aufsuchen des geeigneten Standorts und Yon der zu erübrigenden Zeit abhängig. Die 215 Aufnahmen aus den Jahren 1953/57 \"erteilen sich über 20 Gemeinden aller 5 innersch1rei2erischen Kantone.

C. Umwelt

I. Gliederung, Gestein und Boden

Die Innerschweiz oder Zentralschweiz umfaßt die Landschaften rings um den Vier- waldstätter- und Zugersee. Die drei Urkantone - Uri, Schwyz, Unterwalden - haben im dreizehnten Jahrhundert zur schweizerischen Eidgenossenschaft den Grundstein gelegt.

Im folgenden Jahrhundert sind ihrem Bund weitere fünf «Orte» beigetreten, darunter die zwei innerschweizerischen Kantone Luzern und Zug. Politisch gliedert sich daher die lnnerschweiz in fünf Kant~ne, von denen Unterwalden in die zwei Halbkantone Obwalden und Nidwalden zerfällt. (Bild 3.)

Das innerschweizerische Kastanienareal stößt nirgends bis an die äußern Grenzen dieser fünf Kantone vor, sondern hält sich mit ziemlicher Strenge an den Bereich der beiden Seen. Es erstreckt sich über vier große geologische Einheiten hinweg: vom Aar- massiv im mittleren Urnerland über die Zonen des helvetischen Autochthons und der

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Bild 3

Kantone und Gemeinden des Untersuchungsgebietes

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helvetischen Decken bis in die Molasse der Voralpen und des anstoßenden Hügellandes.

( Bild 4.) Dieser Wechsel des Gesteins und das reich gegliederte Relief auf kleinem Raum

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Bild 4

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Ubersicht

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bedingen, im Zusammenspiel von See und Gebirge, die einzigartige Fülle landschaftlicher Schönheiten.

über den Vierwaldstättersee, dessen Fläche 115 km2 beträgt, geben wir Albert Heim das Wort. Dieser «merkwürdigste und schönste See der Erde» ... «liegt als ein einge- sunkenes Stück Reußtal im Gebirge. Er begann ursprünglich im Aarmassiv und windet sich durch die helvetischen Decken und die subalpine Molasse hinaus. Sein kürzester Haupttalweg ist etwa 38 km lang; die Seitenarme zugerechnet, erhalten wir 66 km Tal- seelänge. In überraschender Gliederung und großartigem Wechsel der Landschaftsbilder setzen sich in ihm vier Stücke Quersee und vier Strecken Längssee zusammen zu einem Gebilde reich an Armen, überraschenden Wendungen, Buchten, Winkeln, Weitungen und Einengungen.» (S. 431.)

Der Zugersee hat mit 38 km2 eine dreimal kleinere Fläche. Er ist ganz in die folasse gebettet. Die kleine Halbinsel Buonas und die von Westen her weit vorspringende Halb- insel Chiemen (Kiemen), eine einsame Waldkuppe ohne Siedelungen, teilen ihn in ein fla- ches nördliches, ein etwas tieferes mittleres und ein viel tieferes südliches Becken. Wäh- rend ihn im Torden hügelige und ebene Landschaften umrahmen, überragt ihn im Süden der Rigi mit schroffen Hängen. Der Zugersee vereinigt daher in sich den Charakter des Lieblichen mit dem Romantischen.

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Bei der Mannigfaltigkeit der Gesteine läßt sich die Abhängigkeit der Kastanie von Gestein und Boden sehr gut verfolgen. Ihre Ansprüche sind mäßig eng umgrenzt. Für gutes Gedeihen verlangt der Baum einen tiefgründigen, mindestens mittelfeuchten, aber nie nassen, nicht zu schweren und kalkarmen Boden.

Die Kalkscheu ist immerhin von Engler bestritten worden. Nach ihm (1901, Seiten 29/30) stocken in Buchli am Bürgen und am rmiberg tiefwurzelnde Kastanien auf eozänen Kalk- und Mergelschichten, «und an der Obern Nase, bei Gersau und am Urmi- berg stehen die üppigsten Kastanien auf dem eokom der Kreideformation, meistens auf Böden von nur wenigen Dezimetern Gründigkeit, die teils aus Gletscherschutt und teils aus Grundgestein hervorgegangen sind und sehr kalkreich sind».

Diese Beobachtungen kann ich nur mit starker Einschränkung bestätigen. An den ge- nannten Orten - am Bürgen, Urmiberg, der Obern ase, bei Gersau - traf ich die Ka- stanie, soweit feststellbar, meistens auf Moränen, die dem Kalk als dem Grundgestein aufgelagert sind. Auf Kalk ohne Moräne traf ich nie ältere, üppige Bäume, lediglich in vereinzelten Fällen jüngere, eher schmächtige Bäume von wenig freudigem Wuchs. Ähn- liche Beobachtungen von sprechender Deutlichkeit machte ich im Gebiet der Kalkalpen auch am Weidstein bei Lauerz, am Axen auf lngenbohler Boden nahe der Morschacher Grenze, in Sisikon und Seelisberg, wo sich alte, stattliche Bäume überall streng an Morä- nenbedeckung halten. Die Moränen verraten sich entweder durch Silikatblöcke, nord- östlich ob Sisikon zum Beispiel durch riesige Findlinge, oder dann entdecken wir man- gels Aufschlüssen und Findlingen in nahen Stützmäuerchen massenhaft zerschlagene Sili- katgesteine, so im Kalkgebiet um Gersau-Vitznau und wiederum am Bürgen nächst dem letzten überlebenden Baumriesen unweit Buchli.

Die Vorkommnisse auf der Alpensüdseite lehren dasselbe. Bereits Eng I er bemerkt (1901, S. 33), daß die Kastanie nach Beobachtungen von S eh röter und Call on i «nur auf Porphyr, Verrukano und Moräne auftritt, während sie den Dolomitfels meidet. Wo sie scheinbar auf diesem vorkommt, wurzelt sie immer auf Moränenschutt.» Ganz ähn- lich äußert sich Bettelini (S. 99), der Bearbeiter der Holzpflanzen des Sottoceneri im Siidtessin. Nach ihm ist die Kastanie auf Silikatgesteine, kalkarmen Keuper und Morä- nen beschränkt, und sie fehlt auf Dolomit ohne Moränenbedeckung. Diese Beobachtun- gen bestätigt Geilinger (S. 173) für die Grigna östlich des Comersees: «Das große zusammenhängende» ... Verbreitungsgebiet «deckt sich mit dem Zug kieselreicher Ge- steine», während die übrigen Selven auf Dolomit eine «deutliche Abhängigkeit» von iiberlagerter Moräne verraten. Auch die Auffassung von Bär, des Bearbeiters des Val Onsernone, deckt sich im Wesentlichen mit den vorerwähnten Feststellungen, indem nach ihm die Kastanie «vorwiegend (nicht absolut!) kalkfliehend» ist, und er betont weiter, daß der Baum «vor allem tiefgründigen Boden» verlangt; denn «Hauptsache ist, daß derselbe genügend wasserhaltende Kraft und Raum zur Ausbreitung des ausgedehn- ten Wurzelwerkes besitzt». Diese drei genannten Arbeiten und die weiteren von J ä g g 1 i iiber den Monte Camoghe und von Geiger über das Bergell sind reich an Beobachtun- gen über die Kastanie und deren Standort, Verbreitung, Begleitpflanzen und Kultur.

(Weitere Literaturhinweise auf Freuler, Merz usw. zum Beispiel in Bär 1914 und Lii di 1941.)

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Um über die Bodenansprüche in außerschweizerischen Gebieten Näheres zu erfahren, befragte ich mehrere Teilnehmer der pflanzensoziologischen Exkursionen, die vom 21.

bis 26. Juli 1957 von Pavia aus veranstaltet wurden, alles gute Beobachter mit langjäh- riger Erfahrung im Gelände, nämlich einen Portugiesen, zwei Spanier, einen Südfran- zosen, zwei Italiener, ferner zwei Deutsche, die beide mit dem Verbreitungsgebiet am Oberrhein bis Darmstadt vertraut sind und deren einer sich außerdem im Balkan und in Spanien auskennt. Die Auskünfte lassen sich sehr einfach dahin zusammenfassen, daß die Kastanie überall Kalkböden meidet. Außer Urgebirgsböden besiedelt sie noch Porphyr und andere· vulkanische Böden, Buntsandstein, ton- und quarzreiche Sand- steine und die entkalkte Terrarossa. Wo sie ausnahmsweise auf Kalk auftritt, gedeiht sie weniger gut. In Kampanien täuscht die geologische Karte gewisse Fundstellen auf Kalk vor; in Wirklichkeit sind sie 1 bis 1 ½ m hoch mit vulkanischer Asche überdeckt. Ähn- lich drückt sich L ü d i ( 1941, S. 77) über ihre Verbreitung im Apennin aus.

Auch in Kulturversuchen, über deren Anordnung Burger (1930, S.119) berichtet, hat sich die Kalkscheu der Kastanie erwiesen. Im früheren Versuchsgarten Adlisberg bei Zürich wurden in Beeten von 25 m2 Fläche und 60 bis 70 cm Tiefe mehrere Nadel- und Laubhölzer, darunter die Kastanie, auf verschiedene Bodenarten gepflanzt, deren Material aus Steinbrüchen und Schutthalden bezogen wurde, so J urakalk von Baden AG, Gneiß von Amsteg UR und Verrukano von Murg am Walensee. Die Kastanie gedieh am besten auf Gneiß, Lehm und Verrukano, am schlechtesten auf Kalk und Flysch. Burger gelangt zum Schluß: «Die Kastanie gedeiht weitaus am besten auf relativ kalkarmen Böden.»

Über die Art der Böden der Innerschweiz gibt die Bodentypenkarte der Schweiz in 1: 1 000 000 von Pa 11 man n und Ge ß n er Aufschluß. Danach entfällt unser Unter- suchungsgebiet, soweit es in der Molasse liegt, in den Bereich der montanen Braunerden.

Zu diesen Böden zählt auch die nähere Umgebung der Reuß südlich des Urner Sees. Da- gegen zeichnen sich die südlich an die Molassezone grenzenden Gebiete der helvetischen Decken durch Humuskarbonatböden aus. Hier ist die Kastanie aber weit vorwiegend auf Moränen und andere kalkarme Gesteinsunterlagen beschränkt, wo sich örtlich Braun- erden entwickeln.

Bodenuntersuchungen habe ich in der Innerschweiz keine vorgenommen. Ich ver- weise auf diejenigen von L ü d i im Südtessin und am W alensee. Die Böden der Kasta- nienwälder um Tesserete bei Lugano bespricht er ausführlich (1941, S. 64-68) und faßt ihre Eigenart ( S. 83) wie folgt zusammen: «Die Wälder stocken auf einem nährstoff- armen, stark sauren, podsoligen oder podsolierten Boden und weisen eine ausgesprochen azidiphile floristische Zusammensetzung auf.» über den Befund von Murg am Südufer des Walensees schreibt er (1937, S. 17): «Der Boden war eine bald flachgründige, bald tiefgründige Braunerde, von Verrukanoblöcken durchsetzt, ohne makroskopisch sicht- baren B-Horizont, aber podsolig degradiert. Das pH schwankte um 5 und erreichte auch im C-Horizont, in 120 cm Tiefe, nur 5,27. Die oberflächlichen Schichten enthielten bei mittlerem Humusgehalt (7 bis 20

%

Glühverlust) sehr viel kolloidal ungesättigte Hu- musstoffe.»

(13)

II. Klima

Das innerschweizerische Kastaniengebiet deckt sich in seiner mgrenzung mit der klimatisch deutlich ausgeprägten See-und Föhnzone, wie sie die Schweiz auf der Alpen- nordseite in kleinerem Umfang, doch ebenfalls bezeichnend und geschlossen, am Walen- see aufweist, etwas abgeschwächt auch am Thuner- und Brienzersee. Ähnlichen Zügen, mitbedingt durch die um etwa einen Breitengrad südlichere Lage, begegnen wir schließ- lich am obem Genferseebecken, der sogenannten region du haut lac, deren klimatischer Bereich rhoneaufwärts bis gegen die Talsperre von St-Maurice allmählich ausklingt.

Auch das W alensee- und besonders das Rhonegebiet sind reich an alten Kastanien- beständen, während sich am Thuner- und Brienzersee nach Engler (1901, S. 27) keine alte Kultur nachweisen läßt, indem die Kastanien von Unterseen und Leissigen durch K a s t h o f er, bei Ringgenberg durch Fan k hause r gepflanzt wurden.

Die Meßstationen sind gut verteilt, verfügen aber über sehr ungleiche Beobachtungs- reihen. Da seit dem großangelegten Werk von Maurer, Bi 11 w i 11 er und He ß, in dem die Messungen des Zeitraums 1864/1900 verarbeitet sind, keine größere zusam- menfassende Darstellung des Klimas der Schweiz erschienen ist, stütze ich mich teils auf dieses immer noch grundlegende Werk, teils auf unveröffentlichte Tabellen, die den Zeitraum 1901/40 umfassen und die ich auf der Meteorologischen Zentralanstalt Zürich einsehen konnte, teils auf Spezialarbeiten.

Bei den Temperaturen fällt auf, daß der jährliche Gang, verglichen mit dem Mittel- land, im Spät ommer und Herbst höhere Werte aufweist, was schon Engler (1901, S. 28) betont hat. Diese Wärme der Herbstmonate benötigt die Kastanie zur Ausreifung ihrer Früchte. Aber auch der Winter ist mild. Die Tabelle 1 bringt eine Gegenüberstel- lung von 5 innerschweizerischen Stationen und den 2 Stationen Frauenfeld und Bern des Mittellandes, die abseits von Seen liegen und seit vielen Jahren zuverlässig bedient wur- den. Die mildesten Werte ergeben sich für Vitznau und Weggis, der «Riviera» de Vier- waldstättersees, zu der auch Gersau zählt. Luzern rückt bereits merklich gegen das Mit-

Temperaturmittel 1901/40 • Tabelle l

Ort 1 Jon,

I

Febr.1 März

I

April

I

Mai

I

Juni

I

Juli

I

Aug.1 Sept.1 Okt.1 Nov,

I

Dez.1 Jahr Altdorf 456 m 0,5 1,3 5,1 8,7 13,3 16,1 17,5 17,0 13,9 9,3 5,0 1,5 9,1 Vitznau 440 m 0,4 1,3 4,2 7,9 12,5 15,8 16,8 16,7 13,5 9,2 4,4 2,0 8,7 Weggis 444 m 0,6 1,3 4,5 8,3 12,8 15,9 17,4 17,0 14,0 9,3 4,7 1,5 8,9 W alchwjl * 452 m 0,4 1,2 4,6 8,4 13,3 16,4 17,8 17,4 14,3 9,4 4,6 1,4 9,1 Luzern -W esemlin -0,2 0,7 4,5 8,3 13,1 16,2 17,9 17,2 13,9 8,8 4,0 0,7 8,8

498 m

Frauenfeld 433 m -0,8 -0,1 3,8 8,0 12,9 16,2 17,7 16,7 13,2 8,2 3,3 0,2 8,3 Bern 572 m -1,0 0,0 3,8 7,7 12,6 15,7 17,4 16,7 13,3 8,2 3,2 -0,1 8,1

* Die Mittelwerte für Walchwil beruhen auf provisorischer Berechnung der Jahre 1908-1940 und sind nur bedingt vergleichbar.

(14)

Bild 5

Jahresverlauf der Temperatur in Weggis, Luzem!Wesemlin und Frauenfeld im Zeitraum 1901/40

C

18 f1 16 15 fl/

13

12 11 10 g 8 7 6

5 l/

-

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:ll,or Juli Okt Jan.

telland ab, was im Bild 5 deutlich zum Ausdruck kommt. Eindrucksvolle Werte liefern auch die Jahresschwankungen, das heißt die Differenzen der mittleren Maxima und Minima:

Maximum Minimum Differenz

Altdorf

28,8 -10,2 39,0

Vitzoau

27,4 - 8,0 35,4

Weggis

27,2 -9,3 36,5

Luzern

29,2 -11,6 40,8

Frauenfeld

29,9 -14,3 44,2

Bern

29,1 -13,9 43,0

Danach unterscheiden sich Vitznau und Weggis vom Mittelland um rund 8°, und wiederum hält Luzern ungefähr die Mitte.

Die Milde der Innerschweiz fand bereits 1931 durch Brückmann und Uttinger ihren Ausdruck in den Klimakarten 3 und 4, die - gemäß dem Begleitwort von J. Mau - r er - jene Gegenden hervorheben, die «die größten und kleinsten Amplituden der Tem- peraturschwankung pro Tag und pro Jahr aufzuweisen haben 1 • Danach fällt beinahe

1 Wie die Größen der Tages- und Jahresschwankung der Temperatur zu verstehen sind, erläutert Maurer im Begleitwort: «Da sich die wirkliche Tagesschwankung der Temperatur an der Mehrzahl der Stationen nicht feststellen ließ, hatten wir statt diesen aushilfsweise die uns über-

(15)

das ganze innerschweizerische Kastaniengebiet in den Bereich geringer täglicher und jährlicher Schwankung. Die täglichen Schwankungen (Karte 4) liegen unter 5° für das gesamte Gebiet ohne die Stadt Luzern, unter 4° sogar für Weggis und Gersau. Die Jah- resschwankungen (Karte 3) betragen unter 40° ebenfalls im Gesamtgebiet ohne die wei- tere Umgebung des Luzerner Sees und Stansstad. Zwar gibt Maurer im Begleitwort zu bedenken, daß «bei der Konstruktion solcher Karten die Ausdehnung und Begrenzung, die man den hervorzuhebenden Gebieten geben soll .. . , in vielen Fällen unsicher und damit eine gewisse, den Verfasser etwas bedrückende Willkür unvermeidlich» ist. Trotz- dem sprechen die Karten eindeutig für die Milde des innerschweizerischen Kastanien- gebiets.

Die Sonnenscheindauer erreicht ungefähr mittlere Werte, jedoch mit großen ört- lichen und zeitlichen Verschiedenheiten. Der günst1gsten Sonnenlage erfreuen sich Gersau und W eggis, weil der Tagbogen der Sonne, dank offenem Horizont nach Osten und Westen eine lange Sonnenscheindauer gewährleistet. Ungünstiger ist es besonders um die Ortschaften im engen, N-S-gerichteten rner Reußtal bestellt, wo die Sonne spät auf-und früh untergeht.

Einen gewissen Ausgleich schafft der Nebel, sowohl der «Schönwetternebel im Win- terhalbjahr in den iederungen» als auch der « chlechwetternebel, der die Bergflan- ken und Gipfel während vorüberziehender Störungen einhüllt», wie Schüepp (1955/

1956) diese zwei grundverschiedenen ebeltypen umschreibt. Der Schlechtwetternebel macht sich besonders in Berglage geltend und beeinflußt das Kastaniengebiet wenig. Da- gegen rückt der Schönwetternebel in den Zeiten der kurzen Tage als Kaltluftkissen vom Mittelland her gegen die Voralpen'täler vor, dringt aber ungleich weit in sie ein und löst sich tagsüber oft früher auf als im Mittelland. Bei einer Obergrenze von 800 bis 900 m ist das Urnerland samt dem Gersauer Becken häufig nebelfrei. In der Darstellung des Walchwiler Klimas ist darüber Näheres ausgesagt.

Die Statistik der Nebeltage gestattet nur eine sehr begrenzte Auswertung, da die Zählung immer auf eine bestimmte Tagesstunde fällt und die Dauer nicht berücksich- tigt. Zudem dürfte der Beurteilung eine gewisse Subjektivität anhaften. So scheint mir für Gersau, das zweifellos sehr wenig von ebel heimgesucht wird, der früher errech- nete Durchschnitt von 0,6 Nebeltagen im Jahr als zu gering.

achteilig beeinflußt wird die Innerschweiz nicht selten durch hochliegende ebel- meere bei Bise, die kühle, sonnenarme Tage bringt, während im Mittelland dann weit- hin die Sonne scheinen kann.

Die Jahresmengen des Niederschlags liegen mit 130 cm bis etwas über 150 cm um 20 bis 40

%

über dem Durchschnitt des Mittellandes und fallen damit in den Rahmen des Alpennordfußes. Lediglich Luzern und das Urner Reußtal rnn Altdorf aufwärts bis Gurtnellen weisen mit etwa 120 cm einen geringeren Betrag auf.

Im jährlichen Gang (Bild 6) fällt die Häufung auf die Monate Mai bis August auf.

Während dieser 4 Monate fällt in Weggis und Vitznau etwas mehr als die Hälfte, in

all zugängliche mittlere Amplitude der Temperaturwerte rnn 7 Uhr und 13 Uhr Ortszeit zur Dar- stellung venrendet. Für die Jahresschwankung wurde die Differenz mittleres Jahresmaximum mi- nus mittleres Jahresminimum der Terminablesungen des Thermometers benutzt.»

(16)

cm U)

18

Bild 6

Verlauf und Menge des jährlichen Niederschlags von fünf innerschweizerischen Stationen.

Jllonafsmengen

Meereshöhen 440 bis 456 m. Nach U t t i n g e r

/ / / /

Jabresmengen

Wa!ch,vi/ 133 We.gpis 11/J l/Uznau 15Z

- - - -

9ersau 153

---

1/Ltdorj__ 1u _ _ _

0 50 100 1.So

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0 ' - - - ' - - - L - - . . . J . . _ - - - ' - - - ' - - - - ' - - - - ' - - - . . . J . . _ - - L - - - ' - - - 1 . . - - . J

.1:n. :leb. J/tx. >'lpr Jlhi Juni Juli .llug. Jep/- OH Jlov. 've,,:. Jan.

Walchwil, Küßnacht und Gersau beinahe die Hälfte des ganzen Jahres. Dieser reiche Niederschlag während der Vegetationszeit ist eine wesentliche Vorbedingung des blü- henden Wiesen-und Gemüsebaus.

Außer der Jahresmenge und der jahreszeitlichen Verteilung des Niederschlags ge- hören auch die mittlere jährliche Niederschlagshäufigkeit und die mittleren jährlichen Tagesmaxima zum Bild des Klimas. Die Seen-und Föhnzone sticht hierin gegenüber der restlichen Randzone der Voralpen kaum ab.

Die mittlere jährliche Niederschlagshäufigkeit ist beträchtlich. Nach Utting er (1931, mit Karte), dessen Ermittlungtn sich auf die Jahre 1901 bis 1930 erstrecken und die Tage mit mindestens 1 mm Niederschlag erfassen, ergeben sich für die gesamte lnnerschweiz 140 bis 150 Tage mit Niederschlag, ein Wert, der mit dem nördlichen Vor- alpenzug vom Pays d'Enhaut bis zum Schwäbrig weitgehend übereinstimmt, während er gegen das Mittelland hin bis um 130, vereinzelt bis 120 abfällt und der auch im übrigen

(17)

Alpengebiet - rnn wenigen Ausnahmen wie Yor allem Säntis und Gotthard abgesehen - nicht erreicht wird.

Die mittleren jährlichen Tagesmaxima entsprechen ebenfalls ungefähr dem Mittel- wert unserer voralpinen Randzone. Sie bewegen sich nach · t tin ge r (1931, mit Karte) um 60 cm und überschreiten die siebziger Grenze lediglich im Raume Vitznau-Rigi- Kulm. Gegen das Mittelland fällt er langsam ab bis um 40 cm im nördlichen Rheingebiet, während die Zentral- und Südalpen große Schwankungen aufweisen, von 40 cm im Inner- wallis bis über 160 cm im Centovalli und Onsemone.

Die ansehnlichen Beträge der Jahresmenge und der Häufigkeit bewirken, daß sich die Dürre in trockenen Jahren weniger fühlbar macht als in niederschlagsärmeren Ge- bieten. Die außergewöhnliche Sommerdürre 1947 verzeichnete für das Vierwaldstätter- seegebiet, bezogen auf die Monate April bis Oktober, immer noch einen iederschlag von 50 bis 70 cm, was 50 bis etwas über 60

%

des Normalen entspricht, während er in Teilen des Mittellandes und in der Gegend um Basel, die ohnehin niederschlagsärmer ist, bis unter 30 cm oder 40

%

absank. (Ku hn 1947, Figuren 1 und 2.)

Gelegentlich toben sich immerhin unheilbringende Gewitterregen aus. Am 14. Juni 1910 wurde in Vitznau eine Tagesmenge von 233 mm gemessen, während Weggis mit 125 mm und Walchwil mit 138 mm davonkamen. Ungleich schlimmer war der Gewitter- zug vom 9. September 1934, der sich auf der Linie Pilatus-Rigi-Kulm-Wachwil-Ägeri- Rapperswil entlud und eine Menge Hochwasserschäden, Muhrgänge und Geländerut- schungen verursachte. Die Tagesmengen, die zu 60 bis 80

%

innert 3½ Stunden nieder- gingen, erreichten in einigen Stationen außergewöhnliche Höhen:

Weggis

168mm

Rigi-Kulm

206mm

Walchwil

181mm

Unterägeri

181mm

Morgarten

185mm

G rü tter gibt (in Annalen MZA 1934) eine Darstellung, desgleichen (mit Bildern über die Verwüstungen) Burg er, der uns vorrechnet, daß allein im Einzugsgebiet des Ägeri- sees auf 48 km2 Fläche 8,6 Millionen m3, al o ebenso viele Tonnen Wasser gefallen sind.

Das Bild des Klimas wird außerdem durch drei Winde bestimmt: Westwind, Bise und Föhn. Der regenbringende West hat so ziemlich überall Zutritt. Nur in U ri von Alt- dorf an aufwärts liegt die Talsohle im Regenschatten; daher die Abweichung vom ozea- nisch getönten Innerschweizer Klima in der Richtung zur Kontinentalität, wenn auch in geringem Maß.

Der Wirkungsbereich der Bise ist ungleich. Am kräftigsten bricht sie im nördlichen Zugerseebecken ein und setzt sich über die Senke zwischen Immensee und Küßnacht nach dem Küßnachtersee fort. In Hertenstein sind ihr die freien Höhen Eichi und Elb- bühl ausgesetzt, und in Meggen benützt sie die NE-SW-gerichteten Isoklinaltälchen als Windkanäle. Dagegen sind drei sonnige Uferstrecken durch Bergzüge vor ihr geschützt: am Zugersee von Walchwil bis Arth, mehr noch der Südfuß des Rigi von Weggis bis Gersau und am Fuß des Bürgenstockes um Ennetbürgen. Dieser Schutz gegen den fro- stigen Wind ist ein wesentlicher Zug des lnnerschweizer Klimas.

Noch bestimmter trägt der Föhn zur klimatischen Eigenart bei. Langjährige For- schungen über den Glarner Föhn und den Föhn überhaupt verdanken wir Streif f •

(18)

IIl

ü.11.

4000

2000

0

Bild 7

Strömungsschema einer normalen Föhnlage; 26. Oktober 1937,

07.30 Uhr. Querschnitt durch die Schweiz von der Schaffhauser Nordgrenze bis Chiasso.

N

Aus: Schüepp, Wolken, Wind und Wetter; Büchergilde Gutenberg, 1950

Zürich

I~ •~/.,'

20°--17°

Altdorf Bild 8

Gotthard Locarno

Anzahl der Föhntage in Altdorf im Zeitraum von 30 Jahren, ausgedrückt in Prozenten der Gesamtzahl der Tage.

Aus: Schüepp, Wolken, Wind und Wetter; Büchergilde Gutenberg, 1950

2 2

s

Becker, Gesamtdarstellungen W a 1 t er und Sc h ü e p p, Schilderungen des Verlaufs u. a. Leemann und ebenfalls Schüepp. Föhn ist im Anzug, wenn sich durch die Iso- baren auf der Wetterkarte ein «Föhnknie» abzeichnet, wenn also auf der Südseite der Alpen hoher Luftdruck herrscht, während auf der Nordseite ein Tief vorbeizieht (Bild 7.) Der Luftstrom nach dem Alpenkamm bringt dann der Südschweiz Steigungs- regen, und vom Mittelland aus gesehen, erhebt sich über den Alpen die Föhnmauer. Im nächsten Stadium fällt er in die nordalpinen Quertäler hinab. Dabei erwärmt er sich und büßt seine Feuchtigkeit ein, indem diese von 100

%

bis unter 30 % absinkt. In Altdorf weht er am häufigsten vom März bis Mai und von Ende September bis ovember, am seltensten von Mitte Juli bis Mitte September. (Bild 8.) Er fördert damit das «Frühlings- erwachen» und die Trauben- und Obstreife. Im Churer Rheintal heißt er Traubenkocher und gilt als Vorbedingung einer guten Weinlese. Die Vorarlberger nennen ihn «Tür- kenwind» und zählen auf ihn zur Reifung des Türkenkorns, des Mais. Auch der Kasta- nienreife kommt er zugute; denn er verscheucht mit seiner trockenen Wärme die herbst- lichen Talnebel.

Mit Recht werden oft Kultur- und Ziergewächse als Ausdruck des Klimacharakters betrachtet, so die Rebe. Während am obern Genfersee samt dem anschließenden untern Rhonetal, am J urarand und am W alensee die Vorkommnisse der Kastanie in bekannte Weinbaugebiete fallen, mag befremden, daß in der lnnerschweiz der Weinbau so gut

(19)

wie ganz fehlt. Aber das war einst anders. Von Weggis rühmt Cysat (1661), es sei

«daherumb mehr \Veingewächs als sonsten an dem gantzen See». Doch ist in Weggis kurz vor der letzten Jahrhundertwende, wie übrigens auch in Ennetbürgen, Stansstad und anderswo, das letzte Rebland aufgegeben worden. Für W alchwil waren nach Stad 1 in (1818/24, Bd. 2, S. 219) «Wein und Kastanie die Haupterzeugnisse des Bodens», wäh- rend heute nur noch ganz wenig Reben aus Liebhaberei gepflegt werden. Die lnner- schweiz könnte immer noch ein gutes Weinland sein. Die Graswirtschaft in Verbindung mit Obstbau haben sich aber als überaus günstig, dazu als weniger mühsam und als ein- träglich erwiesen, weshalb der· Bauer seinen Betrieb schon vor Menschenaltern umge- stellt hat. (Näheres unter E.)

Als ein nach Süden weisendes Kulturgewächs der lnnerschweiz nenne ich die Mispel (Mespilus germanica), mundartlich Näschpel, vom Italienischen nespolo abzuleiten. Sie wird auf Weißdorn gepfropft und tritt an Waldrändern und in Buschwerk auch verwil- dert auf. Die Früchte dienen zur Klärung von Most, werden aber auch verspeist und ge- langen zur Seltenheit auf den Markt, so aus Weggis nach Luzern. Früher zählten die Näschpel am Klaustag und zu Weihnachten zum festlichen Schmaus. Doch geht der An- bau seit Jahrzehnten stark zurück.

Weit verbreitet im Seengebiet mit Bäumen, die bis zwei Stockwerke hoch empor- wachsen und reiche Ernte liefern, ist der Feigenbaum. Doch hat ihm der Frost vom Fe- bruar 1956 arg zugesetzt. Vereinzelt begegnet man auch Mandel- und Maulbeerbäumen.

Marie Heller hat der Verbreitung und Kultur dieser drei Gewächse eine kleine Studie gewidmet.

Deutliche Klimazeiger sind viele wärmebedürftige fremdländische Ziergehölze.

Bruno Fischer hat sie auf Grund jahrzehntelanger Studien für die Schweiz und das angrenzende Italien zusammengestellt, abgestuft nach Wärmebedürfnis und Frostemp- findlichkeit in sechs Zonen. Danach genießt nördlich der Alpen die Gegend um Cla- rens/Montreux noch größere Vorzüge als die Uferstrecke Weggis-Vitznau-Gersau.

Au führliche Hinweise auf Ziergehölze finden wir für den Vierwaldstättersee bei M.Heller und Knörzer, ferner bei Roshardt und B.Zimmermann, die sich auf Gamma stützen, für den Zugersee in einem Bericht über die Exkursion der Schwei- zerischen Dendrologischen Gesellschaft, erstattet von An 1 i k er.

Rückblickend bleibt festzustellen, daß die einzelnen Klimafaktoren in der vielgestal- tigen lnnerschweiz ungleich ausgeprägt sind. Durch ihr Zusammenwirken ergibt sich von Ort zu Ort ein zwar nicht stark, aber doch bezeichnend abweichendes Gesamt- bild, worauf bei mehreren Gemeinden zurückzukommen ist, besonders ausführlich bei Walchwil.

III. Flora und Vegetation Floristische Eigenart

Die Pflanzenarten sind auf das Klima in ungleichem Maß abgestimmt, entweder sehr fein, so daß ihr Gedeihen einen eng umschriebenen Klimacharakter voraussetzt, oder sie sind anspruchslos und ertragen verschiedenerlei und kräftige Ausschläge im Wärme- und Wasserhaushalt der Natur. Der lnnerschweiz sind dank ihrer Wärme und Milde

(20)

Arten eigen, die im angrenzenden Mittelland, wo es um Kleinigkeiten kühler und rauher ist, seltener sind oder fehlen. Eine Anzahl bezeichnende Pflanzenarten weisen nach Süden, andere nach Westen und wieder andere haben größere Allgemeinverbreitung in wärmeren Erdstrichen bis weit über Europa hinaus. Die südlichen und westlichen Arten sind immerhin nicht ausgesprochen mediterran und atlantisch; denn das Innerschweizer Klima weist nur sehr entfernte Anklänge an das mittelmeerische und atlantische Klima auf. Aber es rückt doch merklich vom Klima des Mittellandes in einer Weise ab, daß submediterrane und mediterran-montane Arten, die im Randgebiet und in den Gebirgen des Mittelmeerraumes heimisch sind, hier ihre Lebensansprüche befriedigt finden, wäh- rend die subatlantischen Arten, die in einem weiteren und entfernteren Bereich der atlan- tischen Küste größere Verbreitung gewinnen, hier ebenfalls fortkommen. Selbst soge- nannte xerische Arten trockener Standorte stellen sich ein, wenn auch lange nicht in der hohen Arten-und Individuenzahl der trockenwarmen inneralpinen Längstäler; denn die vom trockenen Föhnstrom bestrichenen Sonnenhänge, wo das Niederschlagswasser rasch abfließt und verdunstet, bieten ihnen eine zusagende Umwelt. Die Gesamtheit dieser und einiger anderer Arten geben der lnnerschweiz ihr besonderes floristisches Gepräge.

Christ widmet in seinem «Pflanzenleben der Schweiz» der «See-und Föhnzone am Nordrand der Alpen» volle elf Seiten. (S. 123-134.) Er hebt die klimatische Eigenart trefft.nd hervor, bringt Artlisten und ergeht sich in beschwingten Worten über Land- schaft und Vegetation der Innerschweiz mit ihrem «Hauch transalpiner Schönheit». Für den Vierwaldstättersee mit Einschluß von Uri nennt er (S. 128/129) 40 Arten von «ent- schieden südlichem Gepräge».

Den klimatischen und botanischen Charaketr der Seen- und Föbnzone beschreibt auch T r e p p, der Bearbeiter der Linclenmischwälder dieser Gegenden, und er fügt (S. 6) eine sorgfältig ausgewählte Liste bezeichnender Arten bei, die aber auch das Walensee- und Brienzerseegebiet miteinbezieht und 37 amen aufweist. Den beiden Listen von Christ und Trepp sind 21 Arten gemeinsam. Die Abweichung beruht teils auf der ungleichen Gebietsumgrenzung, teils auf anderer Wertung der Arten.

Mehrere dieser Arten finden sich auch in den Listen von Schmid über die U rner Reusstäler ( 1923). Er reiht sie weit vorwiegend in die Quercus sessiliflora-Tilia cor- data-Hauptcoenose ein.

Es sei hier versucht, in Anlehnung an Christ und T r e p p eine Liste eigenartiger Gefäßpflanzen der Innerschweiz zusammenzustellen. Inwieweit diese Arten als bezeich- nend gelten dürfen, ist Sache des Ermessens. Vollständigkeit strebe ich nicht an. Auch würde es an dieser Stelle zu weit führen, eine Analyse nach Areal, Herkunft und sozio- logischem Verhalten zu geben. Ich begnüge mich zur Hauptsache mit einer Gruppierung nach Standorten, was hinreichen dürfte, um die Beziehungen zum Vorkommen der Ka- stanie zu klären. Hinsichtlich Verbreitung und Häufigkeit stütze ich mich vor allem auf die etwas eigenwillige, aber sehr gewissenhafte Flora der Urkantone und von Zug von Rhiner, mit Ergänzungen durch seitherige Funde, die ich Becherer entnehme, während ich zur Beurteilung der Standorte verschiedene kantonale Floren herangezo- gen habe, besonders die sehr gründlichen über Graubünden von Braun -B 1 an q u et und Rübel (1932/36) und über Schaffhausen von Kummer (1937/46).

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