AUSGRABUNGEN AUF DER QUBBET EL HAWA
BEI ASSUAN 1968
Von Elmab Edel, Bonn
Im Verlauf einer kurzen Grabungskampagne von 5 Wochen wurden in
diesem Frühjahr (1968) auf dem Gräberberg Qubbet el Hawa bei Assuan
die Schächte dreier Gräber gesäubert: die Schächte von Grab 29 sowie die
zweier nördhch davon gelegenen Gräber, deren Kultkammern ich bereits
in früheren Jahren freigelegt hatte, (Nummern 29b und 30b). Insgesamt
fanden sich 13 Sargkammern, die zu diesen Gräbern gehörten; sie waren
"wie üblich sämtlich schon in alter Zeit von Dieben durchwühlt worden,
wobei die Särge kurz und klein geschlagen wurden. Noch schlimmer war
die weitgehende Zerstörung der Sargfragmente durch Termiten, so daß nur
vereinzelte beschriftete Bretter dieser Kastensärge aus dem Ende der
6. Dynastie geborgen werden konnten.
Der Reichtum der Schächte der Qubbet el Hawa liegt jedoch in den alt-
hieratisch beschrifteten Töpfen, die man mit Nahrungsmitteln gefüllt dem
Verstorbenen mit ins Grab zu geben pflegte, wobei man außer der Inhalts¬
angabe gerne auch Titel und Namen, manchmal sogar auch Angaben über
die Eltern des Stifters auf die Töpfe schrieb. Auch in diesem Jahr war die
Ausbeute recht ergiebig. Grab 29 wies allein schon zehn Sargkammern auf;
gleich am dritten Tag fanden wir in einer einzigen Sargkammer 45 beschrif¬
tete Töpfe und in den restlichen neun Sargkammern, von denen aber nm
zwei fündig waren, fanden sich nach eimgen Tagen noch einmal 10 beschrif¬
tete Töpfe, alle 55 Töpfe nicht bloß mit Namen von Früchten, sondern auch
alle mit den Titeln und Namen der Spender beschriftet. Diese Aufschriften
bestätigten verschiedentlich in höchst willkommener Weise die Lesungen
der Titel und Namen von FamiUenangehörigen, die sich auf einem Pfeiler
der Kultkammer des Grabes 29 beflnden, aber so stark zerstört sind, daß
de Morgan bei seiner Publikation der durch Grenfells Grabungen ans Licht
gebrachten Assuangräber die Inschriften von Grab 29 gar nicht erst zu ko¬
pieren versucht hatte. Der Grabbesitzer, der ,, Einzigartige Freund und Vor¬
lesepriester" Sebekhotep, und andere Mitglieder der weitverzweigten Fa¬
milie waren zum Teil schon zuvor als Stifter in anderen Assuangräbern be¬
kannt geworden, so daß die zeitliche Stellung des Grabes gesichert ist.
Sebekhotep ist ein Zeitgenosse des Fürsten Sahni, dessen Grab Nr. 26
schon von Grenfell freigelegt worden war, und der nach Ausweis seiner histo-
5 Or.-Tg.
22 Elmae Edel
rischen Grabinschrift in die Zeit des letzten Königs der 6. Dynastie,
Phiops' II., gehört.
Während die Schächte von Grab 29b keine beschrifteten Gegenstände ent¬
hielten, war wieder Grab 30b fündig. Seine Kultkammer hatten wir 1959
ausgegraben; sie war völlig schriftlos, so daß nur beschriftete Töpfe das
Grab zum Reden bringen konnten, und in der Tat hatten wir das Glück, noch
am vorletzten Tage 15 beschriftete Töpfe und eine innen und außen be¬
schriftete halbkugelige Schale zu finden, die uns unter anderem Titel und
Namen des Grabbesitzers und seines Sohnes nannten. Der Grabbesitzer
war ein ,, Kapitän" (jmj-jrtj) und jmj-r i, ein Titel, der sich häufig bei Teil¬
nehmern an Steinbruchexpeditionen findet, namens Anch-nef-itef (,,sein
Vater lebt für ihn"), sein Sohn trug den Namen Sebekhotep. Beide Personen
waren bislang noch nirgends auf gestifteten Töpfen genannt worden; sie
wären also jünger oder früher als die große Hauptgruppe, die sich bisher
nachweisen ließ, zu der u. a. Sabni (Nr. 26) und der Sebekhotep von Grab 29
gehören. Den Ausschlag für die Herabdatierung gibt jedoch die Schale,
deren wunderbar geschriebenes Hieratisch einige paläographische Besonder¬
heiten aufweist, die sie in die Zeit der Inschriften von Moalla und einiger
anderer Inschriften der Ersten Zwischenzeit datiert. Die Schale bringt auch
sonst einige wertvolle Bereicherungen für unsere Kenntnis der Zeichenfor¬
men des ausgehenden Alten Reichs, so für die Zeichengruppe jt Sm'j ,, ober¬
ägyptische Gerste" und bdt ,, Emmer". Die Schale enthält nämlich eine
Liste von Beigaben, die der Sohn seinem Vater ins Grab mitgegeben hat,
wie der Anfang des Innentextes zu erkennen gibt: ,, Auf Stellung der ver¬
siegelten (Dinge; htmt), die dem Besitzer dieses Grabes von dem Sebekhotep
gegeben wurden, als er seinen Vater in ihm (= dem Grab) begrub". In der
nun folgenden Liste begegnen außer Nahrungsmitteln recht unerwartet
auch ein Beil {mjnbjt), was an die alten Gerätelisten eriimert, die schon in
der 4., 5. und 6. Dynastie mjnbt „Beil", tf3 ,,Säge" neben anderen Werk¬
zeugen nennen und damit auch Licht auf unsere Liste werfen. Lexikalisch
ist bemerkenswert die sonst völlig unbekannte vollständige Ausschreibung
mjnbjt mit einem Doppelschilfblatt vor der Femininendung t. Daß das Beil
selbst wegen der wertvollen Kupferklinge - mjnbjt wird mit einer paläo¬
graphisch recht interessanten Form des Metallzeichens determiniert -
längst gestohlen war, braucht kaum eigens betont zu werden.
Die Zahl der bisher gefundenen beschrifteten Töpfe aus der 6. Dynastie
ist mit den neugefundenen 70 Töpfen jetzt auf 972 angewachsen. Dazu
kommen noch weitere 3 Töpfe, die ich in diesem Frühjahr im Museum in
Kairo fand, zeichnen und photographieren ließ. Sie glichen in Größe, Form,
Tonfarbe und Beschriftung völlig den auf Tafel 1-4 veröffentlichten Töpfen
meiner Assuanpublikation^, die im Hauptschacht des Sabnigrabes gefunden
! E. Edel, Die Felsengräber der Qubbet el Hawa bei Assy,an. II. Abtlg. Die
Ausgrabungen auf der Qubbet el Hawa bei Assuan 1968 23
wurden. Sio stammen also olfenbar aus den Grabungen Sir Francis Grenfells,
von dem wir ausdrücklich wissen, daß er 1885 das Sabnigrab freilegte^.
althieratischen Topfaufschriften. 1. Bd. Die Topfaufschriften aus den Grabungs-
jabren 1960, 1961, 1962, 1963 und 1965. 1. Teü. Zeichnungen und hierogly¬
phische Umschriften. - Wiesbaden, 1967. - Die neugefundenen beschrifteten
Töpfe von 1968 sollen zusammen mit weiteren zu erhoffenden Topf funden in
einem 2. Band der II. Abtlg. herausgebracht werden.
2 Der Musemnskatalog wies begreiflicherweise keine Fundangaben aus jener
Anfangszeit der ägyptischen Archäologie auf, da er erst später angelegt wurde.
REZENTE FORSCHUNGEN AUF DEM GEBIETE DER
ÄGYPTISCHEN SPRACHWISSENSCHAFT
Ergebnisse einer unveröffentlichten Arbeit
Von Werner Vycichl, Genf
Untersuchungen über die ägyptische Laut- und Formenlehre haben es
erlaubt, die bisherigen Erkenntnisse erhebhch zu erweitern. Das geschah
durch Miteinbeziehung neuer Beispiele aus dem Ägyptischen und Kopti¬
schen, die Auswertung neuer Etymologien, wobei auch das Semitische und
das Berberische herangezogen wurden, sowie durch Anwendung neuer
sprachwissenschaftlicher Methoden. Hierher gehört die Aufstellung eines
relativen Systems von Staffeldaten, das es ermöglicht, in großem Maße
unabhängig vom Zufall der Belege zu arbeiten, die Aufgliederung zusammen¬
gesetzter Bildungen und die Rekonstitution der einzelnen Elemente. Unter¬
suchungen über das Verhalten des Ägyptischen beim Zusammenstoßen von
vokalischen Elementen, Betrachtung des Ägyptischen als einer zwischen dem
Berberischen im Westen und dem Semitischen im Osten gelegenen Sprache
und anderes mehr. Das hervorstechende Ergebnis dieser Untersuchungen ist
eine erhöhte Präzision. Während es bisher dem Zufall überlassen schien,
warum die Endung -j einmal Null {h>.t-j „Herz" : EHT) und dann
wieder -€ ergibt, wissen -wir jetzt, daß -ij im Laufe der Sprachgeschichte schwand, während -aj als -€ erhalten blieb (msdj ,, hassen" : MOCTG, d. i.
*masdaj, cf. M€CT£iH *masdäjej).
An den Anfang der folgenden Betrachtungen sei ein Problem gestellt,
dessen Lösung für die gesamte ägyptische Sprachgeschichte von Bedeutung
sein dürfte. Es handelt sich um die Frage, aus welchen Gründen die ägyp¬
tische Sprache im Ablauf zweier Jahrtausende ihre suffigierende Morpho¬
logie {jt-j, sdm-j) durch eine präfigierende (pa-jöt, ai-söt^m) ersetzt hat. Die
Antwort auf diese Frage wird sich aus den nachstehenden Untersuchungen
ergeben.
Als Endung der 1. Person Sg. wird -j angesetzt. Schon Erman hat richtig
vermutet, daß es sich um vokahsches -i gehandelt haben wird, wie im Semi¬
tischen. Nun lautet die Endung aber nach Konsonanten mit Sethe etwa
.ej (tatsächlich -ij gleich -i) wie in TOOT „meine Hand" (*da/<-i), während
sie nach Vokalen nm -j gelautet haben konnte, wie in €POI ,,zu mir"
(*...rd-j). Es sei angenommen, daß hier *-ä-i in *-ä-ji überführt wurde,
wobei der Gleitlaut aus der Masse des Suffixes stammte. Nach Abfall von