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ie politische Karikatur ist, so die Veranstalter des Wettbewerbs, ein „ste- chendes Mittel gegen Vorur- teile, Dummheit und Igno- ranz“. Davon scheint es im po- litischen Bereich genug zu ge- ben. Herausgekommen ist bei einem Wettbewerb, dessen Bil- der auf eine Reise durch Deutschland gehen sollen, ei- ne Abrechnung mit dem deut- schen Sozialsystem. Die Ge- werkschaften, die Regierung und eine einzigartige Bürokra- tie werden für den Niedergang der Sozialen Marktwirtschaft verantwortlich gemacht.Aber was ist nun eigentlich sozial? Diese Frage lassen auch die drei Preisträger mit ihren Karikaturen offen. Ihre ausgezeichneten Werke wer- fen lediglich Schlaglichter auf die stumpfen Instrumente, mit denen der Sozialstaat ver- sucht, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Barbara Hen- niger (erster Platz) und Tho-
mas Plaßmann (dritter Platz und Publikumspreis) haben die Schwerfälligkeit des Ar- beitsamtes im Visier. Henni- ger zeichnete einen stehenden Ordner, in dem ein Mensch mit Büroklammern an ein ent- sprechendes Formblatt gehef- tet ist. Zwischen den Blättern
irren hinein- und herauslau- fende Menschen. Ein Sinn- bild der Trostlosigkeit vieler Millionen Menschen, die noch auf das Arbeitsamt bei der Stellensuche hoffen. „Die Zeichnung macht deutlich, wie ein falsches soziales Ver- ständnis aus Menschen passi-
ve Leistungsempfänger macht.
Bürger werden zu Aktenzei- chen, denen niemand etwas zutraut und die überhaupt nicht gefordert und falsch ge- fördert werden“, kommen- tierte der Unternehmer Dr.
Arend Oetker und „Bot- schafter“ der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) die prämierte Zeichnung. Aus Sicht Oetkers gehört zu einer neuen Definition des Sozialen auch ein neues Gerechtig- keitsverständnis: Belohnt wer- den müsse die Leistung, die je- der Einzelne für die Gesell- schaft erbringt, und nicht das Beziehen von Leistungen.
Den Schwachen müsse gehol- fen werden, aber ohne die Starken zu schwächen.
Die besten Karikaturisten Die Starken, das sind die treu- en deutschen Arbeitgeber, wie in Plaßmanns Zeichnung. Nur zu gern würden sie Arbeits- plätze schaffen, wenn nicht das Arbeitsamt durch Aufla- gen, Vorschriften und Richt- linien ihre Bemühungen tor- pedierte. Einen ganzen Akten- schrank hat der ärmelschonen- de Beamte an Einwänden vor- zubringen. Deshalb müssen sie ins Ausland abwandern.
Walter Hanel (zweiter Platz), der den Deutschen Mi- chel in dunkler Nacht mit ei- nem schweren Sack einen Berg hochkämpfen lässt, sieht den Sozialstaat als Bürde und nicht als Hilfe an. Damit dürf- te Hanel den Geschmack der Veranstalter getroffen haben.
Die INSM setzt auf Eigen- statt staatlicher Daseinsvor- sorge. Das kann nicht ver- wundern, denn hinter der INSM stehen viele Unterneh- mer Deutschlands, finanziert wird sie vom Arbeitgeberver- band Gesamtmetall.
An dem Wettbewerb „Was ist sozial?“ beteiligten sich 36 der besten deutschen Karika- turisten mit rund 80 Bildern.
Eine Jury, bestehend aus Fachleuten und Vertretern der INSM und Focus, wählte dar- aus die drei Preisträger. Über das Internet bestimmten 1 400 Focus-Leser den Publikums- preis. Dr. med. Daniel Rühmkorff V A R I A
Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 105. März 2004 AA659
Karikaturenwettbewerb der Zeitschrift Focus und der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft
Politische Kunst
Was ist sozial?
Feuilleton
Karikatur:Walter Hanel
Karikatur:Barbara Henniger