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onkologie und Bewegung

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Academic year: 2022

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Jahrgang 65, Nr. 1 (2014) Deutsche Zeitschrift für sportmeDiZiN 3

eDitoriAL

onkologie und Bewegung

o

nkologische Patienten sind von vielfältigen und teilweise gravierenden therapieassoziierten Nebenwirkungen betrof- fen. Kardio- und Neurotoxizitäten sowie Fatigue, Übelkeit und Schmerzen führen u.a. zu Einschränkungen der Leistungsfähigkeit, Lebensqualität und des Wohlbefindens und können z.B. Erkran- kungen des Herz-Kreislauf-Systems oder des Bewegungsapparates induzieren. Bewegung und Training gewinnen in diesem Kontext in der Prävention, zur Reduktion der Krankheitslast, dem Manage- ment von Therapienebenwirkungen sowie zur Optimierung der Lebensqualität zunehmend an Bedeutung. Hier hat sich in den letzten Jahren für die Sportmedizin in Form der Bewegungs- und Sporttherapie ein breites Betätigungsfeld entwickelt.

Auch wenn die Zahl der in Deutschland verstorbenen Krebspa- tienten in den vergangenen Jahren nur unwesentlich angestiegen ist bzw. nach Altersstandardisierung sogar leicht sinkt, versterben jährlich immer noch ca. 215.000 Menschen an Krebserkrankungen.

Damit sind bösartige Neubildungen hinter Herzkreislauferkran- kungen nach wie vor Todesursache Nummer zwei in Deutschland.

Mit 477.300 Neuerkrankungen im Jahr 2010 verzeichnete Deutsch- land einen Anstieg der Inzidenzen um ca. 18% innerhalb der letzten Dekade. Aktuell leben in Deutschland ca. 1,45 Millionen Tumorpa- tienten, deren Krankheit vor höchstens fünf Jahren diagnostiziert wurde (1). Epidemiologen erwarten eine Zunahme der Neuerkran- kungsrate weltweit bis zum Jahr 2030 um weitere 70%. Fortschritte der Diagnostik und erweiterte Therapieoptionen verbessern die Überlebenschancen und resultieren in einer kontinuierlich wach- senden Zahl an Krebspatienten und Langzeitüberlebenden.

Risikoabschätzungen der Arbeitsgruppe um Friedenreich lassen vermuten, dass 9-19% der häufigsten Tumorerkrankungen in Europa mit einem Mangel an hinreichender Bewegung zusam- menhängen (2). Die aktuelle epidemiologische Studienlage belegt:

Das Risiko für einige häufige Krebsarten lässt sich senken. Ein ak- tiver Lebensstil mit bspw. einer Stunde schnellem Gehen oder 30 Minuten moderatem Joggen täglich kann verglichen zu sportlich Inaktiven das Risiko an Darm- und Gebärmutterschleimhautkrebs sowie an dem nach den Wechseljahren auftretenden Brustkrebs zu erkranken um ca. 20-30% reduzieren (3,4).

Während noch vor etwa 30 Jahren Ruhe und Schonung als Standardempfehlung für Krebspatienten propagiert wurden, sam- meln sich seit den 1980er Jahren Forschungsergebnisse, die nicht nur die präventive Wirkung von Sport belegen, sondern auch verdeutlichen, dass ein strukturiertes körperliches Training wäh- rend und nach der Tumortherapie unter Berücksichtigung evtl.

vorhandener Einschränkungen bei vielen Patienten sicher durch- führbar ist und psychosoziale sowie physische Parameter günstig beeinflussen kann (5,6,7,8,9). Insbesondere für ausdauerorientier- te oder kombinierte Interventionen und häufige Tumorentitäten wie z.B. Brustkrebs liegt solide Evidenz für eine Verbesserung der kardiorespiratorischen Leistungsfähigkeit, der Muskelkraft sowie der Lebensqualität durch körperliche Aktivität vor (7,8,9). Auch die Fatigue-Symptomatik, die bis zu 70% aller Krebspatienten be- trifft und als subjektiv gravierendste Symptomatik gilt, kann durch regelmäßige körperliche Aktivitäten signifikant reduziert werden.

Neuere Ergebnisse liefern da- neben Hinweise für positive Auswirkungen körperlicher Aktivität auf weitere thera- piebedingte Nebenwirkun- gen und Spätfolgen wie z.B.

Risikofaktoren für kardiovas- kuläre Komorbiditäten und Immunfunktion, die Körper- komposition, die neuromus- kuläre Leistungsfähigkeit sowie den psychosozialen Status (7,8,9). Eine erste Meta-Analyse zu den Wir- kungen eines isolierten Kraft- trainings beschreibt große Effekte bezüglich der Maxi- malkraft, eine Verbesserung

der Körperkomposition und einen wenn auch geringen, aber posi- tiven Einfluss auf die Fatigue-Symptomatik (10). Eigene Ergebnisse belegen, dass auch Palliativpatienten durch körperliches Training enorm profitieren können.

Vor diesem Hintergrund empfehlen Fachgesellschaften die Bewegungstherapie bzw. regelmäßige körperliche Aktivität als re- levante supportivtherapeutische Maßnahme für onkologische Pa- tienten in allen Therapie- und Erkrankungsphasen. Übergreifend gültige Empfehlungen zur inhaltlichen Gestaltung zu geben, ist allerdings schwierig. Aufgrund der Vielzahl an Aspekten wie z.B.

Symptomenkomplex, Tumorlokalisation, Therapieform und -phase sowie möglicher weiterer Komorbiditäten ist prinzipiell eine in- dividuelle Anpassung und sportmedizinische Untersuchung und Beratung unter Berücksichtigung von Einschränkungen und indi- vidueller Präferenzen zu empfehlen (9,11,12). Wenn Jemand früher wenig aktiv war, gilt es jetzt umso mehr, langsam anzufangen und Umfang und Intensität allmählich zu steigern. Patienten im stabi- len Zustand wird empfohlen, während und nach der Therapie wö- chentlich 150 Minuten moderate oder 75 Minuten intensive aerobe Aktivitäten mit z.B. 4-6 Einheiten à 20-60 Minuten zu akkumulieren und zusätzlich 2-3 mal wöchentlich muskelkräftigende Übungen durchzuführen (9,11). Bei eingeschränkter Belastbarkeit sollten Pa- tienten körperliche Inaktivität vermeiden und mit 1-3 ca. 20-minü- tigen Einheiten leichter bis moderater körperlicher Aktivität, mit einer langsamen Steigerung auf 4-6 Einheiten und 20-60 Minuten, beginnen (9,11).

Trotz der überzeugenden Datenlage, wird das Potential der Bewegung noch unzureichend genutzt. Aus eigenen Untersuchun- gen und weiteren Studien wissen wir, dass Krebspatienten nach

Oncology and Physical Activity

accepted: December 2013 published online: January 2014 Doi: 10.5960/dzsm.2014.112

Banzer W: Onkologie und Bewegung. Dtsch Z Sportmed 65 (2013) 3-4.

prof. Dr. Dr. Winfried e. Banzer Leiter der Abteilung Sportmedizin Goethe-Universität Frankfurt am Main

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4 Deutsche Zeitschrift für sportmeDiZiN Jahrgang 65, Nr. 1 (2014)

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der Diagnose ihr Bewegungspensum reduzieren und in Relation zu den Empfehlungen häufig zu wenig aktiv sind. Wünschenswert wäre aber, dass sie gerade in dieser Phase über das Potential der körperlichen Aktivität informiert werden und spezielle Bewegungs- angebote zur Verfügung stehen. Sehr hinderlich ist es daher, dass Sporttherapie aktuell größtenteils nur im Rahmen des Rehabilitati- onssports von den Krankenkassen als Leistung übernommen wird.

Deutschlandweit existieren neben stationären Rehabilitationsein- richtungen derzeit ca. 700 ambulante Gruppenangebote für Sport in der Krebsnachsorge. Während bei bestimmten Entitäten (Brust- krebs) relativ viele Angebote vorhanden sind, fehlen vor allem für männliche Tumorpatienten und Patienten in der Therapiephase entsprechende Möglichkeiten. In eigenen Untersuchungen muss- ten wir feststellen, dass die bestehenden Angebote für einen Groß- teil der Patienten und der Ärzte nicht ausreichend bekannt waren.

Ein erfolgreiches Bewegungsprogramm sowie die Motivation für und Bindung an körperliche Aktivität profitiert von der engen Zu- sammenarbeit zwischen Onkologen und Sportmedizinern.

Relevant sind neben der Verbesserung des Informationssta- tus der Beteiligten zukünftig insbesondere Forschungsansätze zur Evaluation potenzieller Wirkmechanismen körperlicher Ak- tivität sowie unterschiedlicher Trainingsansätze und -inhalte wie z.B. hoher Trainingsintensitäten, um die Empfehlungen und Trai- ningskonzepte zu spezifizieren und die Versorgungsmöglichkeiten onkologischer Patienten zu optimieren. Herausforderungen stellen dabei u.a. die ständigen Neu- und Weiterentwicklungen der kli- nischen Therapien, die steigende Anzahl an Krebspatienten und Langzeitüberlebenden und die interindividuell sehr heterogenen Krankheits- und Therapieverläufe dar. Gemeinsame Aufgabe aller Beteiligten ist es, dafür zu sorgen, dass Sport- und Bewegungs- therapie ein unverzichtbarer Bestandteil des Managements von Krebspatienten wird.

Winfried Banzer, Frankfurt Literatur

1. Robert Koch Institut, Gesellschaft der epidemiologischen Krebs- register in Deutschland e. V. Krebs in Deutschland 2009/2010. Gesund- heitsberichterstattung des Bundes. 9. Ausgabe (2013) Berlin.

2. Friedenreich CM, Neilson HK, Lynch BM: State of the epidemio- logical evidence on physical activity and cancer prevention. Eur J Can- cer 46 (2010) 2593–2604. doi: 10.1016/j.ejca.2010.07.028

3. Wolin KY, Tuchman H: Physical activity and gastrointestinal cancer prevention. Recent Results Cancer Res 186 (2011) 73–100.

doi: 10.1007/978-3-642-04231-7_4

4. Steindorf K, Schmidt M, Ulrich C: Welche Effekte hat körperliche Bewegung auf das Krebsrisiko und auf den Krankheitsverlauf nach ei- ner Krebsdiagnose? Bundesgesundheitsbl 55 (2012) 10–16. doi: 10.1007/

s00103-011-1385-z

5. Schüle K: Zum Stellenwert der Sport- und Bewegungstherapie bei Pa- tientinnen mit Brust- oder Unterleibskrebs. Die Rehabilitation 22 (1983) 36–39.

6. Dimeo F, Fetscher S, Lange W, Mertelsmann R, Keul J: Effects of aerobic exercise on the physical performance and incidence of treat- ment-related complications after high-dose chemotherapy. Blood 90 (1997) 3390-3394.

7. Fong DY, Ho JW, Hui BP, Lee AM, Macfarlane DJ, Leung SS, Cerin E, Chan WY, Leung IP, Lam SH, Taylor AJ, Cheng KK: Physical acti- vity for cancer survivors: meta-analysis of randomised controlled trials.

BMJ 344 (2012) e70. doi: 10.1136/bmj.e70

8. Jones LW, Alfano CM: Exercise-oncology research: past, present, and future. Acta Oncol 52 (2013) 195-215. doi: 10.3109/0284186X.2012.742564 9. Schmitz KH, Courneya KS, Matthews C, Demark-Wahnefried

W, Galvão DA, Pinto BM, Irwin ML, Wolin KY, Segal RJ, Lucia

A, Schneider CM, von Gruenigen VE, Schwartz AL; American College of Sports Medicine. Schmitz et al: American Col- lege of Sports Medicine roundtable on exercise guidelines for cancer survivors. Med Sci Sports Exerc 42 (2010) 1409-1426. doi: 10.1249/

MSS.0b013e3181e0c112

10. Strasser B, Steindorf K, Wiskemann J, Ulrich CM: Impact of re- sistance training in cancer survivors: a meta-analysis. Med Sci Sports Exerc 45 (2013) 2080-2090. doi: 10.1249/MSS.0b013e31829a3b63 11. National Comprehensive Cancer Network: Survivorship. NCCN

Clinical Practice Guidelines in Oncology. Version 1.2013. (2013).

12. Banzer W, Vogt L, Hübscher M, Thiel C: Sportmedizinische Diag- nostik in der Onkologie. Dtsch Z Sportmed 63 (2012) 20-22. doi: 10.5960/

dzsm.2012.006

Referenzen

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