• Keine Ergebnisse gefunden

Seltene tropische Tiere und ihre Haltung in Zoologischen Gärten Nordamerikas

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Seltene tropische Tiere und ihre Haltung in Zoologischen Gärten Nordamerikas"

Copied!
29
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)Seltene tropische Tiere und ihre Haltung in Zoologischen Gärten Nordamerikas. Autor(en):. Hediger, H.. Objekttyp:. Article. Zeitschrift:. Acta Tropica. Band (Jahr): 9 (1952) Heft 2. PDF erstellt am:. 28.01.2022. Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-310397. Nutzungsbedingungen Die ETH-Bibliothek ist Anbieterin der digitalisierten Zeitschriften. Sie besitzt keine Urheberrechte an den Inhalten der Zeitschriften. Die Rechte liegen in der Regel bei den Herausgebern. Die auf der Plattform e-periodica veröffentlichten Dokumente stehen für nicht-kommerzielle Zwecke in Lehre und Forschung sowie für die private Nutzung frei zur Verfügung. Einzelne Dateien oder Ausdrucke aus diesem Angebot können zusammen mit diesen Nutzungsbedingungen und den korrekten Herkunftsbezeichnungen weitergegeben werden. Das Veröffentlichen von Bildern in Print- und Online-Publikationen ist nur mit vorheriger Genehmigung der Rechteinhaber erlaubt. Die systematische Speicherung von Teilen des elektronischen Angebots auf anderen Servern bedarf ebenfalls des schriftlichen Einverständnisses der Rechteinhaber. Haftungsausschluss Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr für Vollständigkeit oder Richtigkeit. Es wird keine Haftung übernommen für Schäden durch die Verwendung von Informationen aus diesem Online-Angebot oder durch das Fehlen von Informationen. Dies gilt auch für Inhalte Dritter, die über dieses Angebot zugänglich sind.. Ein Dienst der ETH-Bibliothek ETH Zürich, Rämistrasse 101, 8092 Zürich, Schweiz, www.library.ethz.ch http://www.e-periodica.ch.

(2) Zoologischer Garten, Basel.. Seltene tropische Tiere und ihre Haltung in Zoologischen Gärten Nordamerikas. Von H. Hediger. (Eingegangen am 26. März 1952.). wie aus dem 1950 von der American Association of Zoological Parks and Aquariums herausgegebenen Verzeichnis hervorgeht, rund 150 Zoologische Gärten und öffentliche Schauaquarien. In manchen Städten gibt es mehrere derartige Anlagen, so z. B. vier in New York, nämlich den BronxZoo, den ProspectParkZoo, den Central Park Zoo und den Staten Island Zoo. In Chicago existiert außer dem neuen Zoo in Brookfield noch der Lincoln Park Zoo und außerdem das John G. Shedd Aquarium, die zur Zeit größte Anlage dieser Art. Auch Detroit hat zwei Tiergärten: außer dem großen Detroit Zoological Park noch den Belle Isle Zoo. Anläßlich einer tiergärtnerischen Studienreise, die mich im Sommer 1951 von New York aus bis nach Kalifornien und Florida führte, konnte ich rund 30, also etwa einen Fünftel aller USA.-Zoos besuchen. Dabei lernte ich u. a. zahlreiche seltene Vertreter der tropischen Tierwelt kennen, die in Europa entweder überhaupt noch nie oder nur selten in einem Zoologischen Garten zu sehen waren, oder über deren Lebensweise, Haltung und Züchtung bei uns nur wenig bekannt ist. Aus dieser Fülle des kostbaren Tiermalerials, das in den amerikanischen Zoos anzutreffen ist, seien nur die folgenden Beispiele herausgegriffen.. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika gibt. es,. A. SÄUGETIERE. 1.. Im Jahre. 1951 gab es. Gorilla.. in den Zoologischen Gärten von USA. rund. Gorillas, eine überraschend hohe Zahl. 1949 waren es etwa 25 Gorillas. Es ist klar, daß die Importeure nicht für alle diese Tiere im Besitze der erforderlichen Bewilligungen waren. Bekanntlich gehört der Gorilla nach der Londoner Konvention vom 8. November 1933 zur Kategorie A. Nach Art. 8 sind solche Tiere wie folgt zu behandeln: «Les animaux appartenant aux espèces comprises dans la Classe A devront être protégés aussi complètement que possible dans chacun des territoires des Gouvernements Contractants, et la 40. Acta Tropica IX, 2,1952. 7.

(3) 98. -lcta Trop. IX,. 2, 1952. — Zoologie. chasse, l'abatage, ou la capture de ces animaux ne pourront avoir lieu que par la permission spéciale de l'autorité supérieure du territoire, laquelle ne sera accordée que dans des circonstances spéciales et uniquement en vue de buts scientifiques importants ou si cela est essentiel pour l'administration du territoire en question.» (Frechkop, 1941.). An der erwähnten Konvention in London waren vertreten die Regierungen von Südafrika, Belgien, Großbritannien, Ägypten, Spanien, Frankreich, Italien, Portugal und Anglo-Ägyptischer Sudan. Die vereinbarten Bestimmungen werden in den verschiedenen Teilen Afrikas recht unterschiedlich beachtet; am rigorosesten wird den Vorschriften wohl im Gebiete des Belgischen Kongos und in den französischen Kolonien nachgelebt. Es besteht aber auch dort für die Fänger und Händler die Möglichkeil, im Hinterland Gorillas von einer Kolonie in die andere zu schmuggeln und sie schließlich dort, wo die Aufsicht am meisten vernachlässigt wird, an Bord eines Schiffes oder eines Flugzeuges zu geben. Dem Verkäufer winkt ein schöner Preis: der Normalpreis betrug 1951 $ 5000.-. Nach Yerkes (1951) sind aber in Amerika bis zu $ 20 000.- gefordert worden. Wer also über eine gewisse Kolonialerfahrimg und die nötige Skrupellosigkeit verfügt, kann sich trotz der Einsicht und dem guten Willen der an der Londoner Konvention Beteiligten durch Gorillahandel bereichern, zumal in USA. Besitzer von Gorillas nicht weiter mit Fragen über die Herkunft ihrer Tiere belästigt werden. In Florida sah ich z. B. einen Gorilla in einer Affenschau, die ausschließlich dem Amusement der Touristen dient, und wo von einer wissenschaftlichen Auswertung auch nichl andeutungsweise die Rede sein kann. Auf diese Mißstände in der Gorillahaltung muß auch hier hingewiesen werden, weil tatsächlich die Gefahr besteht, daß die Gorillas, also die größten aller Menschenaffen, durch Spekulanten ausgerottet werden, bevor sie wissenschaftlich erforscht sind. Die großen Verluste entstehen erfahrungsgemäß nicht nach der Ankunft in einem ordentlichen Zoo, sondern vor allem beim Fang, bei der Eingewöhnung und während des Transports. Bis heute ist der Gorilla noch niemals in Gefangenschaft gezüchtet worden; wir kennen also nicht einmal genau seine Tragzeit, das Gewicht der Neugeborenen usw.; nicht einmal seine Chromosomenzahl ist sicher bekannt. Es ist daher begreiflich, daß Robert M. Yerkes (1951), der Begründer der heute nach ihm benannten Menschenaffenstation in Orange Park (Florida) und verdienstvolle Förderer der modernen Anthropoidenforschung, kürzlich im Journal of Mammalogy einen ernsten Mahnruf richtete an die Biologen und an alle, die irgendwie, sei es in Afrika, in Tiergärten oder Zirkussen, für Gorillas verant-.

(4) H. Hediger, Seltene tropische Tiere und ihre Haltung. 99. wortlich sind. «While there is yet time and inviting opportunity, we biologists should take determined action to promote gorilla study and to preserve the genus, if not in its native African habitat, then in one or more wisely located breeding colonies.» Mit Recht fordert Yerkes auch eine intensivere Zusammenarbeit zwischen Tiergärten und Biologen, gerade was die Gorillaforschung anbetrifft. Eine sterile Isolation einzelner Exemplare ist hier besonders verhängnisvoll und unverantwortlich (Hediger 1950, S. 181). Erfreulicherweise fehlt es nicht an Beispielen fruchtbarster Zusammenarbeit zwischen Zoo und biologischer Forschung; so hat sich z. B. der Zoo von San Diego zu einer wichtigen Stätte der Gorillaforschung entwickelt unter der Initiative seiner Direktorin Belle J. Benchley (1940, 1942), die selber wertvollste Beobachtungen beigesteuert hat. L. J. Goss (1947), der Tierarzt des Bronx Zoo (New York), veröffentlichte eine tiergartenbiologisch sehr wichtige Studie über die äußeren Genitalien des Gorillas. In der Zoopraxis erweist sich die Geschlechtsbestimmung bei diesen riesigen Menschenaffen oft als außerordentlich schwierig, und schon wiederholt blieben irrtümliche Diagnosen jahrelang bestehen. So hätten beispielsweise die beiden prachtvollen Gorillas des Philadelphia Zoo — «Bamboo» und «Massa» — ein Paar sein sollen. Erst lange nach dem Ankauf von «Massa» im Jahre 1935 stellte sich heraus, daß es sich gleichfalls um ein Männchen handelte. Im Basler Zoo entdeckten wir erst am 2. Januar 1952, daß unser Gorilla «Achille», den wir am 23. Oktober 1948 als 8,5 kg schweres Männchen erworben haben, in Wirklichkeit weiblichen Geschlechts ist. Ähnliche Fälle sind häufiger, als man zunächst annehmen möchte, aber angesichts der Kleinheit der Gorillagenitalien und ihrer Ähnlichkeit in beiden Geschlechtern eigentlich nicht zu verwundern. GOSS stellt in seiner erwähnten Publikation in Wort und Bild fest: «In fact, this nine-year-old menstruating female's external genitalia closely resemble those of our two-to-three-year-old male.» Yerkes (1951) hat sich die Mühe genommen, ein genaues Verzeichnis der in USA. lebenden Gorillas aufzustellen; es umfaßt 44 Exemplare, darunter soll sich nur ein einziger Berggorilla (Gorilla beringei) befinden, nämlich der im Juni 1949 erworbene «Sumaili» im Bronx Zoo. Alle übrigen Exemplare gehören nach Yerkes' Auffassung der Gruppe der Tieflandgorillas (Gorilla gorilla) an. Im Jahre 1951 starben zwei besonders berühmte amerikanische Gorillas, nämlich «Bushman» am 1. Januar 1951 im Lincoln Park Zoo (Chicago) und «Makoko» im Mai 1951 im Bronx Zoo. «Bushman», der 1930 importiert worden ist, hatte ein Alter von 23 Jahren und ein Gewicht von 550 Pfund erreicht; dieses wurde mit Hilfe der.

(5) Acta Trop. IX, 2, 1952 — Zoologie. 100. in seinem Käfig eingebauten Waage festgestellt, auf der er sich oft aufhielt und deren Skala dem Publikum zugekehrt war. Genaue Angaben über die Todesursache des wertvollen Tieres liegen mir zwar noch nicht vor; hingegen wurde von sachverständiger Seite erklärt, es habe sich um eine schwere Beriberi gehandelt. Im Oktober 1950 gelang es «Bushman» einmal, aus seinem Käfig zu entweichen; sein Wärter, der den mächtigen Affen zurückführen wollte, wurde von ihm in den Arm gebissen. Schließlich gelang es, durch Vorschieben von zwei kleinen Alligatoren und einer Natter, das Riesentier wieder in den Käfig zurückzutreiben. Bekanntlich furchten sich viele Menschenaffen vor Schildkröten, Schlangen u. a. Während meines Aufenthaltes in Chicago sah ich den Kadaver «Bushmans» im dortigen Museum of Natural History, wo er mit der neuesten Methode der Dermoplastik — Umpflanzen der Haare in eine künstliche Haut — montiert wurde, um vorübergehend im Lincoln Park Zoo aufgestellt und dann endgültig dem Museum zu werden. Von besonderer tiergartenbiologischer und biologischer Bedeutung ist der Tod des New Yorker Gorilla-Mannes «Makoko», der am. überlassen. Mai 1951 durch Ertrinken im wassergefüllten Absperrgraben erfolgt ist. «Makoko» war der erste männliche Gorilla, der in Gefangenschaft Geschlechtsreife mit nachgewiesener Spermatogenese erreicht hat; bei allen übrigen war bisher eine noch nicht völlig abgeklärte genitale Hypoplasie festzustellen (Hediger 1950, S. 148). Hätte der Bronx Zoo dieses seltene Stück nicht durch den bedauerlichen Unfall verloren, so wäre dieser Tiergarten wohl näher am Zuchterfolg gewesen als irgendein anderer je zuvor. Außerdem zeigt das völlig passive Absinken des Gorillas in dem 1.8 m tiefen Wasser aufs neue, daß auch diese Menschenaffen — wie alle anderen — von Natur aus nicht schwimmen können, oder präziser ausgedrückt: das Schwimmen ist ihnen ebensowenig angeboren wie dem Menschen; es ist keine Erbkoordination. Yerkes & Yerkes (1934, S. 410) haben schon früher festgestellt: «lhat the gorilla possesses neither fondness for water as surrounding medium nor natural ability to swim. In these respects we have discovered no reason to suppose lhat it differs essentially from man, orangoutan, or chimpanzee». Nach denselben Autoren (S. 57) ist auch die vierte Menschenaffenform, der Gibbon, von Natur aus nicht schwimmfähig. Was den Gibbon anbetrifft, so hat C. R. Carpenter (1940, S. 78) in Siam auf Grund systematischer Schwimmprüfungen gleichfalls festgestellt, dieser Menschenaffe sei «completely helpless in water». — In bezug auf den Orang-Utan zitiert der Säugetier13.. Kurator. Philadelphia Zoo, F. A. Ulmer (1946, S. 100), in seinem ausgezeichneten Bericht über Beobachtungen in Borneo und Sudes.

(6) H. Heiliger, Seltene tropische Tiere und ihre Haltung. 101. matra eine Erfahrung des früheren New Yorker Zoodirektors William Hornaday, nach welcher ein junger Orang im Wasser ohne jeden Schwimmversuch wie ein Stein gesunken sei. — Es kann also heute kein Zweifel mehr bestehen: Menschenaffen können nicht schwimmen! In der modernen, am 12. Oktober 1950 eröffneten Menschenaffen-Anlage im Bronx Zoo, die mit einem Kostenaufwand von $ 386 000 erstellt worden war, brachte Direktor Lee S. Crandall (1950) in den 1,8 m tiefen Wassergräben der gitterlosen Freiläufe wohlweislich lockere Kabel an den Wänden an, so daß sich die Menschenaffen daran hätten festhalten können, wenn einer unvorsichtigerwei.se oder unter dem Einfluß einer Schreckwirkung hineingefallen wäre. Aber die Augenzeugen, welche diesem bedauerlichen Vorfall beigewohnt haben — er ereignete sich bezeichnenderweise an einem besuchsreichen Sonntagnachmittag, am 13. Mai! —, sahen auch nicht die geringste Bemühung des am Rande ausgeglittenen Gorillas, sich über Wasser zu halten (Crandall 1951). Die tiergartentechnische Folge dieses tragischen Zwischenfalls bestand darin, daß der Wassergraben der neuen Anlage sofort umgebaut wurde. Während meines Aufenthaltes im Bronx Zoo war man eben damit beschäftigt, den senkrecht abfallenden Band des Plateaus abzutragen und durch eine Anzahl flacher Stufen zu ersetzen, die in das höchstens noch 35 cm tiefe Wasser hineinführen. Der älteste Gorilla, der z. Zt. in Gefangenschaft lebt, ist das 1927 importierte Männchen «Bamboo» im Philadelphia Zoo; er wird denn auch im Führer als «the dean of all captive Gorillas» bezeichnet. Wie «Bushman» in Chicago, so ist auch dieser alle Gorilla einmal ausgekommen (1947) und hätte mitRücksicht auf die erschreckten Zoo-Besucher bei einem Haar mit einem der vier bereitgehaltenen Gewehre erschossen wrerden müssen, als es im letzten Augenblick gelang, ihn mit Hilfe von Hydranten in seinen Käfig zurückzutreiben. Interessant war dabei das Verhalten der in einem benachbarten Käfig lebenden Schimpansen, die nach den von Direktor Freeman M. Shelly freundlicherweise gemachten Angaben in eine wahre Panik gerieten, bis der Gorilla wieder in seinen gewohnten Baum zurückgekehrt war. Man geht wohl nicht fehl, in dieser Reaktion einen Ausdruck der natürlichen biologischen Rangordnung zu sehen, in welche Gorilla und Schimpanse im Freien natürlicherweise eingegliedert sind (vgl. Hediger 1950, S. 22). Die den Gorillas verabreichte Diät zeigt von Zoo zu Zoo erhebliche Abweichungen. Dr. Herbert L. Ratcliffe (1940), der im Philadelphia Zoo tätige Pathologe, hat 1935 neue Richtlinien für die Ernährung aller Pfleglinge aufgestellt. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, daß seine alten Gorillas neben einem sehr gemisch-.

(7) Ada Trop. IX,. 102. 2, 1952 — Zoologie. ten Grünfutter von 3 cal./g täglich etwa 200 g rohes Pferdefleisch erhalten und jeden zweiten Tag eine gleiche Menge gehackte Pferdeleber.. 2. Schimpanse.. Obgleich man Schimpansen in jedem amerikanischen Zoo, selbst in den ganz kleinen, zu sehen bekommt und obgleich sie mancherorts gezüchtet werden, erscheinen mir einige nähere Angaben über diesen häufigen Menschenaffen doch mitteilenswert, z. B. die Tatsache, daß der erste Schimpanse, der je in einem amerikanischen Zoo geboren und aufgezogen worden ist, im Philadelphia Zoo zur Welt kam (R. Conant 1950, S. 39). Dieser Zoo ist — nebenbei bemerkt — der älteste von USA. und wurde im gleichen Jahr und im gleichen Monat wie unser Zoo in Basel, nämlich im Juli 1874 eröffnet.. —. In seinem sehr großen Affenhaus des Brookfield Zoo (Chicago) zeigte mir Dir. Robert Bean ein damals 30jähriges Schimpansenmännchen, das erste, das je in Gefangenschaft geboren wurde (1921). Es stammt aus der inzwischen aufgehobenen privaten Anlage von Mme Abreu in Havanna, Cuba. Zwei weibliche Schimpansen sind dort schon früher zur Welt gekommen. Im Zoologischen Garten von St. Louis (Missouri), der u. a. wegen seiner Dressurgruppen bekannt ist, traf ich nicht weniger als 22 Schimpansen. 13 von ihnen wurden dreimal täglich in einem Dressurakt vorgeführt, wie ihn wohl noch kein Zirkus zu bieten vermochte. Ein besonderes Amphitheater ist für diese erstaunlichen Vorstellungen gebaut worden; der dem Publikum zugewandte Teil der Manege ist von einem mit Blumen cachierten doppelten Wassergraben umgeben, und an den das Dach tragenden Säulen sind oben Eisenhüllen befestigt, die elektrisch geladen sind. Im Gegensatz zu einer Zirkusmanege haben also hier die Schimpansen keine Fluchtmöglichkeit; die Bückseite der Bühne ist durch eine solide Wand mit eingelassenen Türen abgeschlossen. Die von diesen Schimpansen — durchwegs Jungtiere vor der Pubertät — vollbrachten Leistungen sind z. T. von tierpsychologischem Interesse, z. B. sind zwei zum freien Fahren auf Motorrädern abgerichtet, mehrere führen selbständig kleine, von starken Elektromotoren angetriebene «Jeeps», die mit großem Geschick gesteuert werden. Auch der Vor- und Rückwärtsgang wird von Schimpansen ein- und ausgeschaltet. Ausschließlich wissenschaftlichen Zwecken dienen die in idealem Klima lebenden 67 Schimpansen der Yerkes Laboratories of Primate Biology in Orange Park bei Jacksonville (Florida). Über einzelnen.

(8) H. Hediger, Seltene tropische Tiere und ihre Haltung. 103. die Bedeutung dieser einzigartigen Menschenaffenstation, in der bereits die dritte Schimpansengeneration erzüchtet worden ist, hat ihr Begründer und langjähriger Leiter, Prof. Robert M. Yerkes, 1945 ein vorzügliches Buch veröffentlicht. Unter seinem Nachfolger Dr. K. S. Lashley wurde eine besondere Abteilung für die Beobachtung. von Schimpansen außerhalb des Laboratorium-Milieus geschaffen, d. h. zur Aufzucht in menschlichem Milieu. Zu den besonders wichtigen Fragen der Vergleichenden Psychologie gehört ja die nach den Anteilen des Erworbenen und des Angeborenen im tierlichen und menschlichen Verhalten. WTas ist ererbt, was durch Tradition, durch das menschliche Milieu bedingt? Was den Menschen anbetrifft, so geben die seltenen und mehr oder weniger unkontrollierbaren Fälle von «Wolfskindern» nur wenig Aufschluß und lassen sich nicht experimentell wiederholen. Angesichts dieses Tatbestandes hat schon im Jahre 1909 Prof. Lightner Witmer darauf hingewiesen, daß das Experimentum crucis im Interesse der Forschung sehr wünschenswert wäre, nämlich die Aufzucht von Tieren in menschlichem Milieu. Verschiedene Forscher haben sich für kurze Zeit, maximal 8 Monate lang, dieser Aufgabe unterzogen, aber das in Orange Park lebende junge Ehepaar Dr. Keith and Cathy Hayes hat nun einen im Alter von drei Tagen den Yerkes Laboratories entnommenen weiblichen Schimpansen bereits seit über 4 Jahren im buchstäblichen Sinne an Kindes Statt in der Wohnung, und vor kurzem hat Cathy Hayes (1951) einen Bericht über die ersten drei Jahre an ihrem Pflegekind «Viki» in Buchform vorgelegt. Jeder Biologe weiß, daß aus der Yerkesschen Menschenaffenstation in Orange Park eine Fülle wertvollster wissenschaftlicher Untersuchungen hervorgegangen ist; das Home rearing experiment der beiden Hayes wird hier deswegen besonders erwähnt, weil ihm neben dem hervorragenden psychologischen auch ein wesentliches tiergartenbiologisches Interesse zukommt. Die Schimpansin «Viki», die bei meinem Besuch etwas über 4 Jahre alt war, wird bis ins letzte genau wie ein Kind aufgezogen. Es ist ihr mit unermüdlicher Geduld z. B. beigebracht worden, durch entsprechende Lippenbewegungen Papa und Mama und noch ein paar Wörter zu sprechen. Ihre Imitationsfähigkeiten werden nach Möglichkeit gefördert; sie erkennt — im Gegensatz zu vielen Eingeborenen primitiver Naturvölker — Bilder von Gegenständen und Menschen. Natürlich sieht man als Tiergärtner mit Spannung der Entwicklung des Verhaltens dieser Schimpansin nach der Pubertät entgegen und stellt sich die Frage, ob das jetzt so ordentliche und liebenswürdige Tier weiterhin in menschlichen Wohnräumen mit Büchern, Blumenvasen, Geschirr, gedecktem Tisch, Stehlampe usw. gehalten werden kann..

(9) 104. Ada Trop. IX,. 2, 1952. — Zoologie. 3. Nashörner.. Den bedeutendsten Nashornbestand hat der unter der umsichtigen Leitung von Robert Bean stehende Brookfield Zoo in Chicago aufzuweisen, dessen gewaltige künstliche Felsbauten — nebenbei bemerkt — von einem Schweizer namens John Hürlimann erstellt wTorden sind. Hürlimann lernte bei dem Zürcher Bildhauer und Tierfreund Urs Eggenschwyler (1849—1923), der auch Hagenbecks Tierfelsen in Stellingen errichtet hat, die Technik des Kunstfelsenbaues und hat seine ersten Arbeiten im Basler Zoo ausgeführt, von wo er nach Amerika verpflichtet worden ist. In ganz USA. gibt es zwar noch keine weißen Nashörner (Ceratotherium simum), aber eine beträchtliche Anzahl schwarzer (Diceros bicornis) und mehrere indische (Rhinoceros unicornis). Gerüchtweise hörte ich von der beabsichtigten Einfuhr eines Paares Sumatra-Nashörner (Cerathorhinus sumatrensis); später erfuhr ich, daß die beiden kostbaren Tiere an Bord des Transportdampfers zugrunde gegangen sind. Der Brookfield Zoo besitzt die erste Nashornzucht der Welt: Am 7. Oktober 1941 wurde das erste Kalb geboren; sein Geburtsgewicht war etwa 30 kg. Beim zweiten Jungen, das inzwischen gleichfalls erfolgreich aufgezogen und verkauft worden ist, dauerte die Tragzeit 14 Monate und 7 Tage. Während meines Besuches Mitte August 1951 wurde vom gleichen Paar das dritte Junge erwartet. Tiergartenbiologisch erwähnenswert ist, daß dem Bullen nach einer schweren Bißverletzung ein Stück des Schwanzes amputiert werden mußte. Das Tier wurde zu diesem Zwecke in einer Transportkiste fixiert und unter Lokalanästhesie ohne Schwierigkeiten behandelt; zum Schulz vor Fliegen wurde der Stumpf mit einem Gazesäckchen versehen. Der Brookfield Zoo besitzt — als einziger in USA. — gleichzeitig auch ein Paar indischer Nashörner aus dem 1906 gegründeten Kaziranga-Beservat in Assam, ca. 800 km nordöstlich von Kalkutta. Der Nashornbestand dieses etwa 410 km2 umfassenden Refugiums wird von der Forslverwaltung auf 400—600 Individuen geschätzt. Salim Ali (1950, S. 470), der bekannte indische Biologe, der das Gebiet gründlich bereist hat, ist hingegen weniger optimistisch und glaubt, daß in ganz Assam höchstens noch 200 Exemplare dieses größten asiatischen Nashorns leben. Das kostbare Nashornpaar wurde in Kaziranga vom stellvertretenden Direktor des Brookfield Zoo, Balph Graham (1949), abgeholt und auf der ganzen, oft recht mühseligen Reise begleitet, wie er das in einem wertvollen Bericht geschildert hat. Der Bulle war bei seiner Ankunft in Chicago 3450 Pfund schwer, das Weibchen 3340. In kurzer Zeit hat jedes Tier 2—300 Pfund zugenommen. Be-.

(10) H. Hcdiger, Seltene tropische Tiere und ihre Haltung. 105. sonders hervorzuheben ist der von ihm in einer kleinen Schrift (A Chicago Zoological Society Publication: Bhino, Bhino! 1949) erwähnte Umstand, daß das weibliche Nashorn «Kamala» am 16. Mai 1948, also an Bord des Transportschiffes, ein weibliches Junges zur Welt brachte. Allem Anschein nach handelt es sich um eine Totgeburt; die Placenta wurde von Hand extrahiert. Leider fehlen nähere Angaben über Aussehen und Gewicht des Jungen. Nach C. H. Stockley (1950) ist die Tragzeit des Rhinoceros unicornis wesentlich länger als die der afrikanischen Nashörner, nämlich etwas über 19 Monate. Leider gibt er nicht bekannt, wie er zu diesen Daten gekommen ist. S. A. Asdell (1946, S. 391) nennt in seiner umfassenden Darstellung von den asiatischen Nashörnern nur die Tragzeit des Sumatraners mit 7 Monaten und fügt hinzu, daß die Pubertät mit etwa 20 Jahren eintrete. Beide Zahlen muten sehr fragwürdig an und bedürfen dringend der kritischen Überprüfung.. Bedauerlicherweise kann das Brookfielder indische Nashornpaar nicht zusammengelassen werden, da sich die beiden Tiere in gefährlicher Weise bekämpfen. Bei einem Versuch wurde dem Weibchen das Horn völlig abgerissen, doch ist es später wieder nachgewachsen. Nach dem spärlichen Material zu urteilen, das heute über den temporären Verlust der Nasenhörner vorliegt, scheint es sich weniger um eine periodische Erneuerung als um den Ersatz traumatisch verlorener Hörner zu handeln (vgl. Hediger 1948, S. 63). A.. Okapi.. Im Jahre 1951 gab es in sämtlichen Zoologischen Gärten von USA. im ganzen nur zwei Okapis, nämlich die beiden Männchen im Bronx Zoo (New York). Eines davon ist das erste Okapi, das jemals nach Amerika gelangt ist, nämlich am 2. August 1937. Auf Grund einer Schätzung des Missionars, welcher das Okapi als Jungtier bekam, wird als Geburtsdatum der Oktober 1935 angegeben. Jedenfalls handelt es sich hier um das älteste z. Z. in Gefangenschaft lebende Exemplar. Seine Hufe und die Vorderextremitäten sind arthritisch) so stark deformiert, daß das Tier kaum mehr ein paar Schritte gehen kann. Das zweite Exemplar wurde 1949 durch Charles Cordier importiert; es befindet sich in sehr gutem Gesundheitszustand und zeichnet sich aus durch die Aufnahme großer Wassermengen. Ausgiebiges Trinken braucht also bei dieser Tierart durchaus kein pathologisches Symptom zu sein. Dieses Okapi, das von Stanleyville (Belgisch-Kongo) mit dem Flugzeug nach New York transportiert wurde, stammt aus der gleichen Serie, aus der auch der Basler.

(11) Ada Trop. IX,. 106. 2, 1952 — Zoologie. Zoo ein Exemplar erhalten hat (vgl. die Okapi-Nummer der Acta Tropica Vol. 7, Nr. 2, 1950) und deren Fang und Eingewöhnung ich 1948 in Angumu beobachten konnte (Hediger 1949). 5. Schweine.. Während in amerikanischen Zoos oft die in Europa selten gezeigten afrikanischen Warzenschweine (Phacochoerus) zu sehen waren, gab es Babirusa (Celebes) nur im Brookfield Zoo, Chicago. Das Paar hat sich wiederholt fortgepflanzt, aber jeweils nur ein Junges aufs Mal geboren. Der Brookfield-Eber zeichnet sich dadurch aus, daß die oberen Eckzähne nach dem Durchstoßen der Oberlippe übers Kreuz gewachsen sind und dadurch dem Tier ein noch phantastischeres Aussehen geben, als das normalerweise bereits. der Fall ist.. Afrikanische Biesenwildschweine (Huloehoerus meinertzhageni) gab es 1951 in Amerika keine. Als Seltenheit wird im Bronx Zoo ein Weißlippen-Pekari (Pecari tayassu) gepflegt. Wie mir Direktor Lee S. Crandall mitteilte, ist dieses Exemplar das einzige, das er im Laufe seiner jahrzehntelangen Tätigkeit im Bronx Zoo zu sehen bekommen hat. Es ist auch das erste, dem ich je begegnet bin. Manches deutet darauf hin, daß diese Pekari-Art, deren Terminologie reichlich verworren scheint, viel seltener ist, als man auf Grund gewisser Literaturangaben glauben könnte. Es fällt mir auf, daß schon William T. Hornaday (1914, Bd. 2, S. 123), der ehemalige Direktor des Bronx Zoo, in seiner vierbändigen amerikanischen Naturgeschichte auf die ungewöhnliche Seltenheit des Weißlippen-Pekaris hinweist: «Living specimens rarely reach zoological gardens, and during the first thirteen years of its existence the New York Zoological Park never succeeded in securing even one specimen.» — Frank M. Chapman (1936), der gewiß ein ausgezeichneter Beobachter ist, sah erst bei seinem fünften Besuch auf der Insel Barro Colorado (Panamakanal-Zone) die ersten Weißlippen-Pekaris, die u. a. viel größer und auch aggressiver als die häufigeren HalsbandPekaris sind. Die beiden einander sonst so ähnlichen Tiere unterscheiden sich u. a. auch hinsichtlich ihrer Aktivitätsperioden. Das Weißlippen-Pekari ist ein nachtsüber aktives Tier, während das Halsband-Pekari viel eher ein Tagtier ist. Es liegt also hier offenbar ein Fall von zeitlichem Ausweichen vor, wie das vor allem bei. Tieren vorkommt, die im gleichen Biotop und vom gleichen Futter leben. Tierpsychologisch besonders bemerkenswert ist noch der Umstand, daß das Weißlippen-Pekari unter Umständen vor Menschen nicht die geringste P'lucht-Beaktion zeigt, ja der Mensch solchen.

(12) //. Hediger, Seltene tropische Tiere und ihre Haltung. 107. muß sich diese sonderbaren Wildschweine zuweilen mit ernsten Drohungen vom Leibe hallen, wie das auch Chapman erlebt hat. Das New Yorker Exemplar ließ übrigens dauernd ein feines Knakken mit dem Gebiß hören, ohne daß es dabei einen aufgeregten Eindruck gemacht hätte. 6.. Elefant.. Merkwürdigerweise ist in den USA. die Zucht von Elefanten so gut wie unbekannt, während in Europa fast jeder größere Zoo indische Elefanten züchtet. Das bestätigt auch E. Heller (1934) in seinem ausgezeichneten Überblick über die Elefantenhaltung in aller Welt: «No attempt has been made to breed elephants in any of the leading American Zoos, so far as I know.» Ich war daher sehr überrascht, im Hogle Zoo in Salt Lake City anläßlich meines Besuches am 23. August 1951 bei einer offensichtlich alten, etwas primitiv untergebrachten indischen Elefantenkuh folgende (hier genau wiedergegebene), nichl völlig klare Anschrift zu finden, zu der leider keine weiteren Erklärungen erhältlich waren:. «,Princess Alice' Indian Elephant (Elaphus maximus). Habitat:. India. Weight: 3 Ton. Purchased from Sells. Floto-Circus by Donations from SchoolChildren, Sept. 1916. Age appr. 38 yrs. She is the first elephant to be bred and deliver a calf on American soil. 1910 — lived 2 months. 2nd calf born 1914 lived 29 days. 3rd calf born 1916 lived 6 months. ,Prince Utah' born April 29 1918 at Liberty Park died Mar. 29 1919.». Nach F. Knauer (1915, S. 47) wurde in Südamerika, nämlich im Zoo von Buenos Aires, am 23. Februar 1906 ein indischer Elefant geboren. Es wäre jedenfalls eine dankbare und reizvolle Aufgabe, die Geschichte der Elefantenhaltung, überhaupt der Tiergärten in Nordamerika, die ja noch keine 80 Jahre weit zurückliegt, darzustellen. Vermutlich wird der prachtvolle und von Mrs. Belle J. Benchley ausgezeichnet geleitete Zoo von San Diego (Kalifornien) demnächst Elefantengeburten zu verzeichnen haben. Es wurden mir dort zwei indische Elefantenkühe gezeigt, von denen man wohl zu Becht annehmen durfte, daß sie trächtig waren. Der Bulle mußte, da er gefährlich geworden war, getötet werden. In verschiedenen großen Zoos von Nordamerika findet man schöne Gruppen von afrikanischen und indischen Elefanten, in den kleinen Gärten hingegen ist meist nur eine alte Elefantenkuh vorhanden, die früher in einem Zirkus tätig war und für den Best ihrer Tage abgeschoben wurde. Bemerkenswert ist der Elefant im alten Belle Isle Zoo in Delroit, der — worauf mich Direktor Frank G..

(13) Ada Trop. IX,. 108. 2, 1952 — Zoologie. McInnis aufmerksam machte — unterhalb seiner beiden. Nasenlöcher. noch ein drittes unpaares und etwas kleineres Nasenloch Dieselbe indische Elefantenkuh ist auch deswegen bemerkenswert, weil sie bei einem Paarungsversuch mit einem Bullen derart zu toben begann, daß solide Eisenstangen von 5 cm Durchmesser fast wie Drähte verbogen wurden. Als größter indischer Elefant, ja als «the largest animal in captivity in America» gilt der Bulle «Zegfield» im Brookfield Zoo (Chicago), der laut Angaben im Guide Book 1951 eine Schulterhöhe von 305 cm (10 feet 2 inches) und ein Gewicht von ca. 11 000 Pfund hat. — Noch wesentlich größer war bekanntlich der berühmteste aller Elefanten, die je in Gefangenschaft gelebt haben, und bei weitem der mächtigste: «Jumbo». Sein Skelett — leider ohne die Stoßzähne — ist heute im Museum of Natural History in New York aufgestellt. Die Erinnerung an dieses gewallige Tier, das in der Nacht vom 15. September 1885 in St. Thomas, Canada, von einem Güterzug überfahren und getötet wurde, ist heute unter der Bevölkerung noch sehr lebendig: Alles, was von ungewöhnlichem Format ist, sei es eine Zigarre, eine Postkarte oder Konservendose, bekommt das populäre Attribut Jumbo. Jumbo heißt heute einfach riesenhaft. besitzt.. 7.. Nagetiere.. In den Kleinsäugetierhäusern der großen amerikanischen Zoos befinden sich viele tropische Seltenheiten; aber zu den größten Überraschungen, die ich diesbezüglich erlebte, gehört doch die Begegnung mit einem aus dem Amazonasgebiet stammenden Pakarana (Dinomys branickii Peters), einem Nagetier von der Größe eines Murmeltieres, das in Europa bisher nur in ganz wenigen Exemplaren vertreten wrar. Es handelt sich um eine so seltene Art, daß die Säugetierforscherin 13. Mohr noch 1937 von ihr sagte, daß sie «die wenigsten Zoologen je gesehen haben, weder lebend, noch als Balg, noch im Bild». Nicht nur das Tier selbst, das heute im Aussterben begriffen ist, auch seine Entdeckungsgeschichte ist ungewöhnlich. Die Art wurde von Peters 1873 auf Grund eines ausgestopften Präparates aus dem Museum Warschau beschrieben. Der Typus ist seither verlorengegangen, Stücke eines weiteren Exemplares sind beim Brand des Warschauer Museums 1935 verbrannt (E. Mohr). Hingegen ist die Originalabbildung, eine von Peters hergestellte farbige Lithographie, erhalten. Nach der Entdeckung dieses sonderbaren Geschöpfes hat es über ein Vierteljahrhundert gedauert, bis weitere Exemplare wissenschaftlich bekannt geworden sind. Das waren zwei Stücke, welche E. A. GÖLDI, der Gründer und langjährige Lei-.

(14) H. Hediger, Seltene tropische Tiere und ihre Haltung. 109. ter des Museums in Para, übrigens ein Schweizer, im Jahre 1904 erhalten und als Pakarana auch erkannt hat. Möglicherweise sind schon vorher, 1902, einige dieser Nager nach Deutschland (Hamburg) gelangt, wurden aber nicht richtig bestimmt, sondern galten als Pakas (Agouti paca), mit denen sie tatsächlich eine oberflächliche Ähnlichkeit haben. Neben den zahlreichen morphologisch-anatomischen Unterschieden, welche die Schaffung eines neuen Genus (Dinomys Schreckensmaus) rechtfertigten, fallen vor allen Dingen auch Verhaltensunterschiede auf. Alle Beobachter des lebenden Tieres waren überrascht von der «Gutmütigkeit» des Pakaranas, d. h. vom Fehlen jeder Fluchttendenz. Es gibt hier weder Flucht- noch kritische Beaktion, selbst ein frischgefangenes Tier läßt sich ohne Abwehr aufnehmen, trotzdem das Pakarana über ein furchterregendes Gebiß verfügt. Bei dem im Philadelphia Zoo lebenden Exemplar, das beim Öffnen seines kleinen Käfigs dauernd ein lautstarkes Meerschweinchengewimmer hören ließ, war gleichfalls der völlige Mangel an Abwehrreaktionen augenfällig. Bei unangenehmen Berührungen zeigte das Pakarana zwar sein kräftiges Gebiß, führte aber lediglich mit dem Pfötchen eine symbolische Abwehrbewegung aus. Es ließ sich ohne weiteres aus dem Haus tragen und in der Sonne photographieren. Tierpsychologisch isl diese aussterbende Tierart von besonderem Interesse. Es ist begreiflich, daß sie selten ist und aussterben muß, weil ihr die zum Leben in einer feindreichen Umgebung absolut erforderliche Fluchttendenz fehlt. Dieser Verhaltenszug ist nicht minder bedeutsam als etwa das Fehlen eines lebenswichtigen Organes. Wie es zum Verlust der Fluchttendenz kam, ist schwer zu sagen. Tiere, die in feindfreiem Milieu leben, wie z. B. die endemischen Arten der Galapagos-Inseln oder wie die antarktischen Pinguine und gewisse Robben, konnten ihre Fluchtendenz im Laufe der stammesgeschichtlichen Entwicklung aufgeben, weil sie dieselbe nicht brauchten. Aber die Rudimentierung des Fluchtverhaltens bei Anwesenheit von Feinden (Indianer, Jaguare, Boiden usw.) kommt einer Krankheit gleich; es scheint mir wahrscheinlich, daß hier Defektmutanten im Spiel sind, und vielleicht ist diese Ursache des Aussterbens von Tierarten sogar häufiger, als man denkt. B. VÖGEL.. Unter den vielen ornithologischen Rarilälen, welche die amerikanischen Tiergärten beherbergen, nimmt der Kongopfau (Afropavo congensis) eine ganz besondere Stellung ein. Er ist nicht nur.

(15) 110. Ada Trop. IX, 2,. 1952. — Zoologie. von einem amerikanischen Ornithologen — James Chapin — auf seltsame Art entdeckt worden, sondern der Bronx Zoo ist auch der erste und bisher einzige Tiergarten der Welt, welcher diesen spätbeschriebenen Vogel zeigt, dessen Nest bis heute noch unbekannt geblieben ist. Der Kongopfau ist in mancher Hinsicht gewissermaßen das ornithologische Gegenstück zum Okapi. Während das Okapi die letzte wirklich überraschende Neuentdeckung aid' dem Gebiete der Säugetiere darstellt, ist der Kongopfau wohl als die letzte Entdeckung eines Vogels von solcher Körpergröße zu betrachten. Bei dem in letzter Zeit populär gewordenen Notornis hochstetteri aus Neuseeland handelt es sich ja nicht um eine Entdeckung, sondern lediglich um eine — allerdings sehr überraschende — Wieder en tdeckung. Mit dem Kongopfau begann es im Jahre 1913. Damals bemerkte James Chapin (1937) anläßlich einer ornithologischen Forschungsreise im Belgischen Kongo bei einem Eingeborenen in Avakubi im Ituri-Wald einen seltsamen Kopfputz, bestehend aus zwei Federn, welche die Aufmerksamkeit des besten Kenners der Kongo-Vögel erregten. Chapin ließ sich die zwei unbekannten Federn geben und fahndete 24 Jahre lang nach dem zugehörigen Vogel. Im Jahre 1936 besuchte er das Kongo-Museum in Tervueren bei Brüssel, in dessen zoologischer Abteilung nur Tiere aus dem Belgischen Kongo gesammelt werden. Als verstaubte Exemplare fand er im Keller des Gebäudes auf einem Kasten zwei ausgestopfte «Pfauen», welche unter dem reichen Kongo-Material als Fremdkörper wirkten. Eine Prüfung ergab, daß es sich nicht um gewöhnliche Pfauen handelte, sondern um die Träger der vor Jahren im Kongo entdeckten Federn! Chapin kabelte seinen Fund an das Museum of Natural History in New York, setzte sich ins Flugzeug und fuhr sofort nach dem Belgischen Kongo, wo es ihm gelang, einige Bälge des bisher unbekannten Vogels zu bekommen, so daß er ihn als Afropavo congensis wissenschaftlich zu beschreiben vermochte. Kein Mensch hätte den Fund eines solchen Phasianiden im Kongo vermutet, besonders nicht nach der kurz vorher abgeschlossenen grandiosen Phasianiden-Monographie von William Beebe (1936).. Hinzu kam die Feststellung, daß der damalige Basler Wundarzt Samuel Braun im Jahre 1624 dem König des Kongo als Gastgeschenk u. a. ein Paar Pfauen überreicht hatte. Sollten die neuentdeckten Kongo-Pfauen etwa Abkömmlinge jener vor Jahrhunderten importierten indischen Pfauen sein? Chapins sorgfältige Untersuchung ergab jedoch völlig einwandfrei, daß es sich bei seinem Afropavo nicht um eine neue Art, sondern um eine neue Gattung handelte..

(16) H. Hediger, Seltene tropische Tiere und ihre Haltung. 111. Natürlich bemühten sich jetzt verschiedene Tiergärten, diesen neuentdeckten Vogel zu erwerben. Ein belgischer Tierhändler offerierte ihn zuversichtlich, ohne ein Exemplar zu besitzen und ohne zu ahnen, daß diese Seltenheit gemäß der Londoner Konvention in die Kategorie A eingereiht worden ist — wie Gorilla und Okapi. Es blieb dem Bronx Zoo (New York) vorbehalten, die allerersten Exemplare dieses außergewöhnlichen Vogels auszustellen. Die Zoological Society New York sandte 1948 ihren Spezialisten im Fang seltener Vögel, den Schweizer Charles Cobdier, aus, um Kongopfauen zu beschaffen. Cordier hat bisher noch jeden bestellten Vogel heimgebracht; für diesen anerkannten Künstler des Tierfangs ist das lediglich eine Frage der Zeit. Die zum Ziel führende Fangmethode entwickelt er jeweils an Ort und Stelle auf Grund der biologischen Eigenarten des Vogels. Im März und August 1948 hatte ich das Vergnügen, Charles Cordier im Kongo in seinen Fanglagern zu besuchen und der Eingewöhnung der ersten Kongopfauen beizuwohnen. 1949 war er in der Lage, die ersten Exemplare im Flugzeug nach New York zu bringen, wo ich sie 1951 in Bronx wiedersah. Leider waren damals nur noch 3 männliche Individuen am Leben, die sich überraschenderweise ausgezeichnet miteinander vertrugen. Sie waren in einer verhältnismäßig kleinen Volière untergebracht, wo ich sie dank der Unterstützung von Lee Crandall photographieren konnte. — Das Nest und die Jugendenlwicklung des Kongopfaus sind bis auf den heutigen Tag noch unbekannt. Unter den zoologischen Schätzen, welche die Vogelhäuser beherbergen, seien etwa die Quetzals, die Schirmvögel oder der groteskeste aller Glockenvögel, Procnias tricarunculata, erwähnt, der im Bronx Zoo fast dauernd seine drei wurmförinigen Zipfel aufblähte und dabei den Schlund weit öffnete. Lee Grandall hat darüber 1948 einen ausgezeichneten illustrierten Aufsatz veröffentlicht. Auch diese Kostbarkeit wurde von Charles Cordier aus Costa Rica beigebracht. Im San Diego Zoo sah ich ein Paar der seltenen Kagus oder Rallenkraniche (Rhinochetus jubatus) aus Neu-Kaledonien. Die hochinteressanten Vögel sind von Admirälen der amerikanischen Flotte geschenkt wTorden. Angesichts der dem flugunfähigen Vogel drohenden Ausrottungsgefahr hat Fritz Sarasin, der berühmte Basler Naturforscher, schon vor Jahrzehnten Vorschläge zur Rettung dieses Reliktes gemacht. In einem seiner Reiseberichte führt Sarasin (1931, S. 162) warnend folgendes aus: «Das Fleisch der Kagu wird von Weißen sowohl als von Eingeborenen geschätzt. Der Vogel ist daher sicherlich, seitdem es Menschen auf der Insel gegeben hat, verfolgt worden. Die für ihn wirklich kritische Periode begann aber erst, als.

(17) 112. Acta Trop. IX, 2, 1952 — Zoologie. die europäische Okkupation das Gewehr und den Hund nach Kaledonien brachte. Abgesehen von verfolgenden Menschen fallen viele Kagus freijagenden Hunden und auch verwilderten Katzen zum Opfer. Heute geht das herrliche Tier einem sicheren Untergang entgegen, zumal sein Hauptwohngebiet, die Berge der Serpentinformation, mehr und mehr von Minenunternehmungen in Beschlag genommen wird. Im Norden der Insel fehlt der Kagu. Nur eine streng gehütete Reservation könnte den interessanten Vogel noch vor der Ausrottung bewahren.» Die Ausrottungsgefahr ist um so größer, als das Gelege dieses sonderbaren Vogels jeweils nur aus einem einzigen Ei besteht. In europäischen und amerikanischen Tiergärten ist der Kagu meines Wissens noch nie gezüchtet worden; im Berliner Zoo kam es 1913 und 1933 lediglich zur Ablage unbefruchteter Eier, wie Steinmetz (1949) berichtet.. Den heute außerordentlich seltenen Yukatan-Truthahn (Meleagris ocellata) sah ich vor allem in San Diego, wo man die Zucht mit künstlicher Besamung aufrechtzuerhalten sich bemüht. Auch im Bronx Zoo werden einige wenige Exemplare gehallen. Die in Yukatan, Guatemala und Britisch-Honduras beheimatete Art ist heule nahe am Aussterben. Die Tiere zeichnen sich nicht nur durch die prachtvolle Augenzeichnung der Schwanz- und Schwanzdeckenfedern aus, sondern vor allem auch durch die eigenartigen orangefarbigen Protuberanzen, die wie gestielte Warzen der nackten, blauen Kopfhaut anhaften. Leider isl dieser interessante Vogel in Gefangenschaft sehr hinfällig. Er ist meines Wissens gegenwärtig in Europa überhaupt nicht vertreten, wurde aber schon 1859 zum erstenmal im London Zoo gezüchtet, wie Trouessart 1910 berichtet.. Es ist hier nicht möglich, die vielen Seltenheiten und Erstimporte aufzuzählen. Der Tiergärtner aus Europa wird auch nicht nur durch die nie zuvor gesehenen Arten beeindruckt, sondern auch durch die einstweilen in St. Louis und Philadelphia realisierte, überraschende Technik der Vogelhaltung. Vorher sei noch eine Spezialität aus dem landschaftlich von McInnis prachtvoll gestalteten Zoo. von Detroit erwähnt. Eine der großzügigsten und hübschesten gitlerlosen Freianlagen sind die African Swamps, ein weites Stück Buschsteppe mit malerischen Teichen und niedriger Absperrung durch Kunstfeisen. Allerlei Gazellen, Störche, Kraniche, Pelikane, Flamingos usw. beleben die schöne Parklandschaft — und dazu auch einige afrikanische Geier, die sich sehr harmonisch in das Gesamtbild einfügen. Es handelte sich um kupierte Exemplare. Hier ist also einmal der interessante Versuch gewagt worden, einen Großraubvogel zu kupieren, wie ich das auch in meinem Buch «Wild.

(18) us. H. Heiliger. Seltene tropische Tiere und ihre Haltung. * ÌS. i WMKF,. I. i. I. k. lai. I. «I. §. a. y. ..:. : S. "#. a. I. S. 'a.. iür ¦Sfi-t. y» -. Abb.. 1.. isSâaàaaà:. SêliS. Der älteste heute in Gefangenschaft lebende Gorilla «Bamboo» aus dem Phil¬ adelphia Zoo; erworben 1927. (Photo: Philadelphia Zoo.). Acta Tropica, IX, 2,1952. 8.

(19) Ill. Acta 'Prop. IX, 2, 1952 — Zoologie. )*S. me&.. ¦ài. m. mm. ». *. »«11. m. 9. am ¦ter'. 4 ""^*«**^ mm.. VS.. m. » AL: &¦.>.:'¦¦¦¦¦¦. TW^". %g. v=>. .-. *. K£SÏ. -;-. *?5 '¦*.....». «. /. WW*ffl;. ^^kT'. ¦;¦ ¦. ':. 'à«». aflaa. ¦R. IPS: ". 2*«. « ÜL*~~ «:. » îaaBaWaSïS,»;:,. Abb.2a. Babirusa-Paar aus dein Chicago Zoological Park Brookfield (Illinois). Die oberen Eckzähne des männlichen Excmplares sind nach dem Austreten aus der perforierten Oberlippe atypischerweise gekreuzt. (Photo: Philadelphia Zoo.) Abb. 2b. Pakarana (Dinomys branickii) aus dem Kleinsäugerhaus des Philadelphia Zoo. (Photo: I. de P. Hunt, Philadelphia.).

(20) //. / ê. î 'C. is. %. m. mm smsf.. ft. k. ;•«;&:;;. %,. A. mm. A¦>**:. BIP tmi. >. I. msA. *sï4ËLw «na. --:.. 4. i. oSiSaAÏE. M œ. ¦Sa". •. ^. P^.,\:. -. .Abb. 3a. Der. A. .;•:-. '::S;.-5S.S&--. dreizipflige Glockenvogel (Procnias tricarunculata) während des «Display» im Vogelhaus des Bronx Zoo (New York). (Photo: New York Zoological Society.).

(21) ^WB'\L«-f**. N,. -!. A/'t. Sti. Abb. Au. Der tiere Abb. Ab. Der gensisl. der. Schweizer Tierfänger Charles Cordier mit einem seiner Riesenschuppen¬ (Manis gigantca). (Photo: llediger 1948 im Belgischen Kongo.) im Bronx. Zoo erstmals ausgestellte, seltene Kongopfau (Afropavo con1949 durch Charles Cordier importiert worden ist. (Photo: New York Zoological Society.I.

(22) •. fi V«JK. ¦. 9'a». '. 5**i» >{.. A*. '"". i. *. ':'.. ¦¦ratas. •'. ¦bat**. :. ÎSa.» ms*. av"':.. ÄK. «&,. AA. "AU*/:. '. pAff«IîïP. ¦**. ilüi aalSÏ-a. S^V. ¦:='::;îIlSiillïllS,. ' -. .'. j. » -. ¦:$m. ¦a. S!0s:ss:mA^ei^imitism"ss. ¦il»/ rRiii;.-fe.i?=~';^TSs.. ¦-•. ^.^r^mA%i§M^mA. Abb. 5«. Blick auf den African Swamp in dem großzügig angelegten Zoo von Detroit. Am rechten Bildrand kupierte Geier. (Photo: H. Hediger.) .156. 5b. Die kupierten Geier im African Swamp des Detroit Zoo. sich in charakteristi¬ scher Haltung sonnend. (Photo: Hediger.).

(23) Acta Trop. IX.. 118. * ". '¦ '. If. •. 'dp*. -;•. Zoologie. ;. 1.1S. ¦,.'-'.. t*. 2. 1952. I. : v. *r-. B2«. I. ¦¦. •Ua. S* **•. *tr. -. — '. ¦¦¦. rmà). >. •. -'. ¦ H. laC..'. '•. c. "J. r* 3 •S!. -.

(24) //. Heiliger. Seltene tropische Piere und ihre llallung. t. ^¦^à.. E^ »"a.. i.. A. aA. "i.4. a. \. fì|!rl» k't. ¦'-. ¦. A-. ¦. :. I\. a. 119.

(25) 120. Acta Trop. IX, 2, 1952. --. Zoologìe. Animals in Captivity» (1950, S. 51) vorgeschlagen habe. Wer je in Afrika Gelegenheit halle, Geier an einem Aas zu beobachten, und wer die ganze anatomische Organisation dieser Vögel berücksichtigt, wird weniger Hedenken haben, einen dieser geschickt am Hoden schreitenden Aassucher zu kupieren als etwa einen Storch. Sonderbarerweise isl es aber in den Zoologischen Gärten seil jeher üblich. Störche und Kraniche ohne Zeigern zu kupieren, während Raubvögel paradoxerweise in der Regel nicht kupiert werden. Das Heispiel von Detroit zeigl aufs eindrücklichste, daß kupierte Geier sich durchaus harmonisch in eine afrikanische Gazellen- und Stelzvögelbiocönose einfügen. Das entspricht auch der allen Erfahrungstatsache, daß Geier nicht zu ihrem Vergnügen fliegen, sondern nur unler dem unerbittlichen Zwang der Nahrungssuche. Im Zoo. wo dieser Zwang wegfällt, fehlt auch der Zwang zum Fliegen Wer in das Vogelhaus des St. Louis Zoo eintritt, bleibt wohl fasziniert stehen vor dem herrlichen Anblick, der sich ihm überraschend darbietet: ein Stück tropischen Urwaldes mit prachtvoller Vegetation und scheinen Vögeln — das alles ohne jede optische Rehinderimg. Der Besucher steht wie vor einem dekorativen Balkongeländer, welches die symbolische Grenze bildet zwischen einem gefälligen Zuschauerraum und einer reichen tropischen Avifauna. Ein reizendes Bächlein, das kleine Inselchen aufweist und sich zu einein malerischen Teich erweitert, unierbricht die duftende Bodenfläche. Zwischen Palmen und tropischen Laubbäumen dringt der Blick in einen von grünglitzernden Quetzals belebten Biotop, bis in eine malerische Tukan-Gruppe, und verliert sich schließlich in einem geschmackvoll gemallen Hintergrund tropischer Waldschluchten. Erst nachträglich findet man heraus, daß der erste Flugraum vom zweiten mit den Quetzals nur durch ein feines, tatsächlich unsichtbares Fliegengitter getrennt isl. Hinter diesem liegt — unmerklich — ein Besuchergang: von ihm gibt eine große Glasscheibe den Blick auf den Tukan-Baum mil dem — es sei wiederholt — geschmackvoll dioramischen Hintergrund frei (nicht alle gemalten Käfighintergründe in den USA.-Zoos können als geschmackvoll bezeichnet werden). Links und rechts von dem offenen Flugraum befinden sich, erst beim Rundgang sichtbar werdend. Käfige mit farbenprächtigen Tangaren, Paradiesvögeln, Witwen usw. Während ich dieses Novum der Vogelschaustellung' bewunderte, beobachtete ich einen Felsenhahn, der sich aus dem tropischen Biotop löste und über die niedrige Abschrankung hinweg in den Zuschauerraum flog, wo er sich auf eine an der Wand befestigte Laterne setzte. Auch auf dem Türschließer ließ sich der kostbare.

(26) H Hediger, Seltene tropische Tiere und ihre Haltung. 121. Vogel vorübergehend nieder, bevor er in seinen Urwaldbiotop zurückflog.. Im neuen Vogelhaus. Philadelphia Zoo hat man sich derartige Erfahrungen bereits zunutze gemacht. Es handelt sich um einen Bau aus dem Jahre 1916, der 1949 modernisiert worden ist. In vielen amerikanischen Tiergärten hat man die unansehnliche Haltung von Vögeln in kleinen Einzelkäfigen aufgegeben zugunsten größerer, biologischer, d. h. mit lebender Vegetation bestandener Flugräume. Auch im Bronx Zoo ist man zu diesem Prinzip übergegangen, überall gibt man die Einzelhaltung in Kleinkäfigen auf, die nicht nur für die Vögel, sondern auch für die Beschauer beklemmend wirkt. Wer einen bestimmten Vogel auf bestimmte Einzelheiten hin ganz genau betrachten will, der soll sich eben ins Museum bemühen. Der Zoo hat andere Aufgaben: er will in erster Linie das lebende Tier in möglichst natürlichem Biotop zeigen. Das Vogelhaus im Philadelphia Zoo, welches als das modernste und schönste der Welt bezeichnet werden kann, überrascht den Besucher dadurch, daß er nur durch eine niedrige, 80 cm hohe, durchsichtige Barriere von einer farbenprächtigen tropischen Vogelgesellschaft getrennt ist. Hier wird das Prinzip der absperrungsfreien Vogelschaustellung am augenfälligsten: es beruht auf einem «Biotop-Gefälle», d. h. auf einer rein qualitativen Verschiedenheit der für die Vögel und für das Publikum bestimmten Räume. Der Publikumsraum ist biologisch völlig uninteressant, ja abstoßend. Der Vogel fände darin keine Möglichkeit zum Aufbäumen; es gibt darin keine vorstehende Lampe — nichts Derartiges, nur glatte Wände und nackten Boden. Es ist klar, daß sich unter solchen Umständen die Vögel lieber in dem ihnen zugedachten Abteil mit bequemen Sitz- und Nistmöglichkeiten aufhalten, mit Humusboden und Baumstrünken, Ästen und deckungsreichen Pflanzen. Wie mir der zuständige Curator of Birds, Mr. John A. Griswold, anläßlich seiner aufschlußreichen Führung mitteilte, bietet diese gefälligste Art der Vogelhaltung — abgesehen von der schaustellerischen Sensation — auch noch zwei biologische Vorteile: Die Vögel, welche ihr Flugbedürfnis unbehindert befriedigen können, zeichnen sich durch einen ausgezeichneten Gesundheitszustand aus und außerdem durch eine überraschende Brutfreudigkeit. Dort brüteten nicht nur Bartvögel in einer selbstgefertigten Höhle in einem alten abgestorbenen Baum, sondern in diesem einzigartigen Flugraum gelang es auch zum allerersten Mal, einen Vertreter der Motmotidae zur Fortpflanzung zu bringen. Unter einem dekorativ hingelegten modernden Baumstrunk hatte ein Motmot-Paar in einer Erdhöhle ein Gelege ausgebrütet und die Jungen mit Erfolg aufgezogen. Acta Tropica IX,. '?,. 1952. des. 9.

(27) 122. Ada Trop. IX,. 2, 1952 — Zoologie. Während der Stunden, die ich staunend vor dieser Vogelpracht zubrachte, in der Deckung einer Säule des Schauraumes, kam es verschiedentlich vor, daß einzelne Vögel ihren Raum verließen und kurze Exkursionen in den kahlen Publikumsraum ausführten. Darunter war vor allem ein Felsenhahn-Weibchen, das — sobald keine störenden Zuschauer im Haus waren — zu einem schräg gegenüberliegenden Käfig mit Glasabschluß flog, in dem drei männliche Felsenhähne lebten. Außerdem w7urde die symbolische Absperrung von einer Schamadrossel überflogen, ferner von einer Nikobarentaube und von den jungen, hier geschlüpften Bartvögeln. Sobald Besucher durch die Doppeltüre ins Haus eintraten, flogen alle diese Vögel sofort in ihren Biotop zurück. Ein Beo setzte sich zutraulich auf die niedrige Barriere, als eine Schulklasse sich andächtig vor dem prachtvollen Ausschnitt tropischen Vogellebens aufgestellt hatte, und begann, zum Ergötzen der Kinder, allerlei aufgeschnappte Redensarten von sich zu geben. — Es besteht wohl kein Zweifel, daß diese bei weitem gefälligste Art der Vogelschaustellung auch in Europa Eingang finden wird. Sie wurde, wie mir Direktor Vierheller mitteilte, von einem Liebhaber in der Umgebung von St. Louis, Mr. Edwin Lemp, inauguriert, vom dortigen Zoo übernommen und in Philadelphia in verbesserter Form angewandt. Offensichtlich handelt es sich dabei nicht nur um eine schaustellerische, sondern auch um eine biologische, d. h. im Interesse der gesunden Vogelhaltung liegende Neuerung.. Literatur. Ali, Salini (1950). The Great Indian One-Horned Rhinoceros in Assam Province, India. Proc. & Papers Inter. Techn. Conference Protection of Nature, Lake Success 1949. Paris-Bruxelles. Asdell, S. A. (1946). Patterns of Mammalian Reproduction. London. Eeebc, W. (1936). Pheasants. Their Lives and Homes. New York. Renchleg, Relie J. (1931—1940). Mountain Gorillas in the Zoological Garden San Diego, California. — (1942). My friends, the apes. Boston. Rraun, Samuel (1624). Schiffahrten, welche er in etliche new Länder und Insulen gethan. Basel. Carpenter, C. R. (1940). A Field Study in Siam of the Behavior and Social Re¬ lations of the Gibbon (Hylobaies lar). Comp. Psychol. Monogr. The Johns Hopkins Press Baltimore, Maryland. Chapin, James P. (1937). In pursuit of the Congo Peacock. Nat. Hist. S. 725 ff. Chapman, F. M. (1936). White-lipped Peccary. Natural History. New York, Vol. 38, S. 408—413. Conant,R. (1950). Official Illustrated Guide Book. Philadelphia Zoological Garden..

(28) IL Hediger, Seltene tropische Tiere und ihre Haltung. 123. Crandall, L. S. (1950). A new home for our great apes. Animal Kingdom Nr. 6. — (1951). The loss of Makoko. Ebenda Nr. 4. Frechkop, S. & Mitarbeiter (1941). Animaux Protégés au Congo Belge. Institut des Parcs Nationaux du Congo Belge. Bruxelles. Graham, R. (1949). Great Indian Rhinoceroses. Parks & Recreation. Vol.32, 3. Hages, Cathy (1951). The Ape in our House. Harper Brothers, New York. Heiliger, II. (1948). Kleine Tropenzoologie. Basel. — (1949). The Capture of Okapis. Zoo Life, London, Vol. 4, 2. — (1950). Wild Animals in Captivity. An Outline of the Biology of Zoological Gardens. London. Heller, E. (1934). Nature's Most Amazing Mammal. Nat. Geogr. Mag. Vol. 65, 729—759. Hornadaij, W. 'T. (1914). The American Natural History. New York. Knauer, F. (1915). Der Zoologische Garten. Leipzig. Moltr,E. (1937). Vom Pacarana (Dinomvs branickii Peters). Der Zoolog. Garten N. F. 9, S. 204—209. Ratcliffc. H. L. (1940). Diets for a Zoological Garden: Some Results During a Test Period of Five Years. Zoologica, 25, 4. Sarasin, F. (1931). Aus den Tropen. Basel. Steinmetz, H. (1949). Mitteilungen und Beobachtungen über den Kagu. Rhinochetus jubatus Verr. des Murs. Der Zoolog. Garten N. F. 16, S. 54—59. Stockleg, C. H. (1950). The Hook-Lipped Rhinoceros. Zoo Life London. Vol. 5, 3, S. 88—91. Trouessart, E. (1910). Le Dindon ocellé (Meleagris ocellata Cuvier). Bull. Soc. Nat. Acclimatation, S. 404 ff. Ulmcr,F. A., jr. (1946). «Man of the Woods». Fauna, Philadelphia. Yerkes, R. M. (1945). Chimpanzees, a Laboratories Colony. New Haven. — (1951). Gorilla census and study. J. Mammalogy, 32, S. 429—436. Yerkes, R.M. & Yerkes, A. W. (1934). The Great Apes. Yale University Press, New Haven. S.. Résumé.. Dans ce rapport figure un choix d'impressions zoo-tropicales ou plus zoo-biologiques, impressions recueillies au cours d'un voyage d'études organisé en 1951 par le Jardin Zoologique de Bâle. J'ai ainsi eu l'occasion de visiter 30 parmi les 150 Jardins Zoologiques et Aquariums des Etats-Unis. A cette époque, il y avait environ 40 gorilles dans les Jardins Zoologiques des Etats-Unis ; de même que pour l'orang. le chimpanzé et le gibbon, la notion de la nage n'est pas innée chez ces anthropoïdes. Le sexe du gorille est souvent très difficile à déterminer. — Le Jardin Zoologique de Brookfield (Chicago) est le seul qui ait, à plusieurs reprises, élevé des rhinocéros noirs (Diceros bicornis). — Les deux seuls Okapis des Etats-Unis (2 mâles) vivent dans le « Bronx Zoo » à New York, où l'on trouve également un Pécari à lèvres blanches Le Jardin de Brookfield possède un couple de Babirusa et (Pecari tayassu) ; celui de Philadelphie un Pacarana (Dinomys branickii). On ne connaît pour ainsi dire pas le succès dans l'élevage des éléphants aux Etats-Unis. Le « Bronx Zoo » nous offre les premiers paons du Congo (Afropavo congensis), importés en 1949 par Charles Cordier. A San Diego — où l'on élève des ours malais — se trouve un couple de Kagou (Rhinochetus jubatus). Dans les oiselleries de St. Louis et de Philadelphie il y a de magnifiques volières sans la moindre barrière mécanique, électrique ou lumineuse ; les oiseaux restent dans l'espace aménagé pour eux (leur biotope) et évitent la partie dénudée et non biologique, réservée au public. exactement.

(29) 124. Acta Trop. IX, 2, 1952 — Zoologie. Summary.. In this report. a selection of tropical-zoological and zoo-biological are recorded, impressions which the author collected during a study journey through about 30 of the 150 existing Zoological Parks and Aquariums of the USA. I made this journey at the request of the Zoological Gardens Basel in the Summer of 1951. At that time about 40 Gorillas were in the Zoos of the U.S.A.; these anthropoids, like Orang, Chimpanzee and Gibbon, have no hereditary ability to swim. The Brookfield Zoo (Chicago) is the only one where Rhinoceroses (Diceros bicornis) have been bred repeatedly. The only two Okapis of the U.S.A. (2 males) live in the Bronx Zoo (New York). This Zoo has among others a white-lipped Pecari (Pecari tayassu) ; Brookfield has a couple of Babirusa and Philadelphia has a Pacarana (Dinomys branickii). Successful breeding of elephants is nearly unknown in the U.S.A. The Bronx Zoo shows among others the first Congo Peacock (Afropavo congensis), imported in 1949 by Charles Cordier. San Diego—where among others Malay Sun Bears are bred—had a couple of Kagus (Rhinochetus jubatus). In the bird houses of St. Louis and Philadelphia there are magnificent aviaries without any mechanical, electrical or light-conditioned confinement; the birds remain, in their part of space, arranged as a biotope and avoid the bare, unbiological room of the public. impressions.

(30)

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Im Fal- le der „Spithälerin" wird es ein Schweißdrüsen-Abszeß oder eine Entzündung einer Drüse in der Ach- selhöhle gewesen sein, die mit der Bezeichnung

[r]

Oktober 2017, von 17 bis 18 Uhr zu einer ganz besonderen Führung durch die Ausstellungskapitel der Biennale für aktuelle Fotografie ein.. Dabei sind Fragen und

Januar 2017, eine Führung durch das Wasserwerk II der Stadt Ludwigshafen (zwischen Oggersheim und Maudach) an.. In Ludwigshafen gibt es zwei Wasserwerke, die die Bürgerinnen und

Januar 2017, eine Führung durch das Wasserwerk II der Stadt Ludwigshafen (zwischen Oggersheim und Maudach) an. Der Treffpunkt ist um 13.15 Uhr am Berliner Platz statt wie

Parasiten Nachweise und Infektionsgeschehen, Lokalität Autor und Jahr Taenia hydatigena Nachweis beim Elch in Nordamerika SAMUEL et al. 1979

für die seit längerer Zeit befischten Seen die Erträge pro Flächeneinheit wie auch die absoluten Fangmengen im Laufe der Jahrzehnte sich nicht allzu sehr geändert haben, so ist doch

Warum haben tropische Bäume praktisch keine Jahresringe?. • Weil es zu keinem Wachstumsstillstand kommt