S C H L U S S P U N K T
[92] Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 20½½18. Mai 2001
V
iele Anleger haben in den letzten Wochen und Monaten schmerzlich erfahren müssen, dass auch Investmentfonds bloß mit Wasser kochen. Die oft hoch- gepriesenen Portfolioverwal- ter waren selten in der Lage, sich dem Abwärtstrend an den Börsen zu entziehen. Al- leine im letzten Jahr verloren die meisten Aktienfonds zwi- schen 15 und 40 Prozent.Die Rache der Enttäusch- ten folgte auf dem Fuße. Die Fondsbranche musste mit enormen Rückflüssen in Mil- liardenhöhe zurechtkommen, weil Tausende von Sparern ih- re Anteile zurückgaben. Und da den Experten klar war, dass die Gelder so schnell nicht mehr zurückfließen würden, wenn nicht was Besonderes ge- schähe, wurde eben genau die- sem Umstand mit einem neuen Produkt Rechnung getragen.
Die Fondsgesellschaften bastelten flugs eine Finanz-
marktnovität und priesen die- se als das passende Invest- ment in schwierigen Börsen- phasen. Die Rede ist von der Koppelung eigentlich zweier Anlageformen zu einem Mischmasch: einerseits Fonds, andererseits hohe Zinsen.
Klar ist, dass es darum geht, zögerliche Anleger zum Schwur, genauer zur Unter- schrift zu bringen. Wer bereit ist, den Betrag X teilweise in Fonds zu investieren, kann ein Stück davon hoch verzinst als Tagesgeld oder Festgeld anlegen. Aber eben bitte schön alles zusammen.
Die Sache läuft prächtig. Die Advance Bank legte im März nach eigenen Angaben „sehr
erfolgreich“ im Rahmen ihrer Fondsvermögensverwaltung
„Masterplan“ als Nachfolge- produkt das „Garantiedop- pel“ auf. Dort kann der Anle- ger bei einer Mindestanlage von 10 000 Mark zwischen zwei Garantiefonds (Global oder Europa) auswählen und erhält für den Rest – also für den Nichtfondsanteil – eine Verzinsung von 8 Prozent.
Advance-Sprecher Timo Scheil bringt die Sache auf den Punkt. Das Angebot rich- te sich „an sicherheitsbewuss- te Anleger, die sich trotzdem gerne wieder an den Aktien- markt wagen würden“.
Andere Häuser haben längst nachgezogen. Mit un-
terschiedlichen Namen wer- den den Leuten prinzipiell gleichartige Anlageformen angedient.
Ob diese Kombi-Produkte den Anlegern wirklich wei- terhelfen, ist eher zu bezwei- feln. Generell halte ich die Koppelung zweier unter- schiedlicher Anlageprodukte immer für problematisch.
Zur möglicherweise feh- lenden Transparenz kommt aber bei den heute bespro- chenen Kombi-Produkten (Fonds & Zins) auch noch ein psychologischer Aspekt. Vie- le Investoren lassen sich mei- nes Erachtens von den op- tisch hohen Zinsen ver- führen. Bei ihrer Begeiste- rung bleibt völlig außen vor, dass die Ausgabeaufschläge der Fonds den Zinsvorteil vermutlich wieder auffressen oder wenigstens anfressen.
Wer schlau ist, geht dem neuen Produkt also eher aus
dem Weg. ✮
Kombi-Produkte
Doppelt gemoppelt lohnt selten
Post Scriptum
Börsebius
D
ie Bevölkerung von Madeira mag die dort einheimischeMauereidechse (Podar- cis dugesii) nicht. Die Ei- dechsen fressen nämlich Weintrauben und Ba- nanen. Deshalb (und weil viele Leute auf Madeira vor den klei- nen harmlosen Eidechsen ganz furchtbar Angst haben) werden auf Madeira jährlich viele Tausende Eidechsen mit einer Mischung aus Bananen und Strychnin vergiftet.
Kaum jemand weiß, dass die große Zahl an Eidechsen die Bevölkerung von Madeira vor Borreliose schützt. Der Auslöser dieser vor allem in den südlichen USA weit ver- breiteten Krankheit ist ein Bakterium (Borrellia burg- dorferi), das normalerweise in Mäusen und in anderen
Kleinsäugern lebt und für diese in keiner Weise schädlich ist.
Der wahre Übeltäter in dieser Geschichte ist die Zecke. Um zu wachsen und um sich fortzupflan- zen, muss eine Zecke drei- mal in ihrem Leben Blut sau- gen. Wenn sie erst Blut von ei- ner mit Borrellia infizierten Maus saugt und dann beim nächsten Mal Blut von einer nicht infizierten Maus saugt,
überträgt sie das Bakterium auf die zweite Maus. Wenn ei- ne Zecke mit Borrellia-Bakte- rien allerdings an einem Men- schen Blut saugt, überträgt sie das Bakterium auf den Men- schen und damit den Erreger der Krankheit Borreliose.
Untersuchungen haben ge- zeigt, dass es auch auf Madei- ra mit Borrellia infizierte Mäuse gibt. Zwar
nur wenige,
aber es gibt sie. Warum ist dann aber Borrelliose auf Madeira prak- tisch unbekannt? Dank der Madeira Mauereidechse!
Auf Madeira gibt es mehr Eidechsen als Mäuse. Eine
Zecke auf der Suche nach ei- nem „Blutspender“ wird also mit höherer Wahrscheinlich- keit auf eine Eidechse treffen als auf eine Maus. Zecken trinken durchaus auch an Ei- dechsen Blut. Eidechsen ent- halten aber niemals das Bor- rellia-Bakterium. Mehr noch:
Wenn eine bereits mit Borrel- lia infizierte Zecke Blut einer Eidechse saugt, sterben die Borrellia-Bakterien!
Die enorme Zahl von Ei- dechsen auf Madeira hat also gleich zwei Effekte: Sie ver- ringert die Wahrscheinlich- keit, dass sich Zecken mit Borrellia-Bak- terien infizieren, und sie reinigt ständig die Zeckenpo- pulation von Bakterien. Es ließ sich sogar eine Beziehung zwischen der Häufigkeit von Eidechsen und der Anzahl in- fizierter Mäuse zeigen: infi- zierte Ratten gibt es nur in Gebieten mit wenigen Ei- dechsen – wo es viele Eidech- sen gibt, gibt es keine infizier- ten Mäuse. Prof. Dr. Peter Wirtz