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Archiv "Chronopharmakologie und Chronotherapie" (20.12.1985)

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(1)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Medizin

Zur Fortbildung

Chronopharmakologie und Chronotherapie

Die Berücksichtigung biologi- scher Rhythmen bei der Diagno- se und Therapie eröffnet neue Möglichkeiten, ärztliche Maßnah- men direkt auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten abzu- stimmen. Ihre Erfassung und Be- schreibung ist heute mit moder- nen Meßverfahren und statisti- schen Auswerteroutinen möglich.

„Im ganzen Körper erscheint also, auch im Zustande der Gesundheit, einige wenn gleich nur bey ver- minderter Lebenskraft stärkere, von dem Kreislauf unabhängige belebte Oscillation."

Dieser Satz findet sich bereits im Jahre 1801 in Autenrieths „Hand- buch der empirischen mensch- lichen Physiologie" (5)*). Auten- rieth beschreibt an anderer Stelle in seinem Buch auch schon die rhythmischen Tagesschwankun- gen von Körpertemperatur (7) und Puls (6), deren Bedeutung aber erst in unserem Jahrhundert durch die systematische Untersu- chung von 24-Stunden-Rhythmen erkannt wurde (3). Menzel hat den Körpertemperaturverlauf bereits mit einem automatischen Meßge- rät verfolgt (20). Die Aufzeichnung diente als das, was man heute

„Markerrhythmus" nennt (13).

Bünning widmete sich 1958 aus- führlich der „physiologischen Uhr", die er für ein allgemeines biologisches Phänomen hielt (9).

Aschoff untersuchte die „Zeitge- ber", die die in Pflanzen, Tieren und Menschen endogen vorhan-

denen nur „circadianen" (lat: un- gefähr ein Tag) Perioden der bio- logischen Rhythmen mit der geo- graphischen Ortszeit synchroni- sieren (1, 2).

Nachdem erste Einblicke in das zeitliche Wirkungsgefüge von Steroiden, Peptiden und Indolen gewonnen wurden (22, 23), er- scheint es fraglich, ob es „die Uhr", also eine anatomische Struktur, die die biologischen Rhythmen zentral steuert, über- haupt gibt. Man kann ein Lebewe- sen, also zum Beispiel den menschlichen Körper, aber auch als ein System verschiedener ver- flochtener und aufeinander abge- stimmter Rhythmen auffassen.

Diese greifen nicht nur wie Zahn- räder ineinander, sondern durch- dringen sich auch gegenseitig.

In diesem System kann ein und dasselbe Molekül und/oder des- sen Aggregate komplementäre und konträre (Stimulierung und Hemmung), lokale und distante (Neurotransmitter und Hormon) Funktionen erfüllen. Obwohl sich dies offensichtlich zu widerspre- chen scheint, ergibt sich als Gan-

zes doch eine harmonisch inte- grierte Zeitstruktur, deren Kennt- nis Voraussetzung therapeuti- schen Handelns sein muß. Solch verflochtenes rhythmisches Ge- schehen erklärt bislang unerklär- bare Widersprüche. Es ersetzt die klassischen „Regelmechanis- men" durch ein Ineinandergreifen von Prozessen entlang Achsen (zum Beispiel Epiphyse — Hypo- thalamus — Hypophyse — Neben- nierenrinde), deren Wirkung letzt- lich zeitabhängig ist: zu einem Zeitpunkt Stimulierung, zu einem anderen Hemmung ein und des- selben Vorgangs. Die Strukturen bleiben dabei nicht hierarchisch geordnet, sondern können zusätz- lich zum „feed-back" durch den

„feed-sideward" auf einer niedri- geren Stufe modulierend eingrei- fen. „Krankheit" kann in diesem Zusammenhang sowohl durch ei- ne bestimmte zeitliche Konstella- tion als auch durch ein einseitig gerichtetes Durchbrechen des rhythmischen Auf und Ab zustan- de kommen, ja es scheint sogar

*) Die in Klammern stehendenZiffern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis des Son- derdrucks.

Von der experimentellen Forschung zur praktisch-klinischen Anwendung

Ekkehard Haen, Franz Halberg Aus dem Walther-Straub-Institut

für Pharmakologie und Toxikologie der Universität München (Direktor: Professor Dr. med. Wolfgang Forth)

und den Chronobiology Laboratories,

Department of Laboratory Medicine and Pathology, (Direktor: Professor Dr. med. Franz Halberg), University of Minnesota in Minneapolis

(2)

mmHg 170

160

150

130

• • • •• •• •

111111111111111 1111111111111111111111111111111111311111111111111111111111111111 WH1t-Grenze

für Hypertonie 140 1111111111111111111111111111111111111,.

•• •

• ••• ••• • • •

••

120

4 12 16 20 0 Uhrzeit

0

T

-

O

Einzelwert

4,,,, Einzelwert 13 h 30

2h-Mittelwert

und sein Standardfehler -■

111111111111IIIIIIIII pllilulilillllllulillil 11111 llllllp ilpuli

• 2a = 24,2 mmHg 4 = 141,6 mmHg WHO-Grenze 140 - 1111111111111111111 11111111111111111111 11

•• •

130 -

• • • mmHg

170 -

160 -

150 -

120 -

0 4 8

wo.

12 16 20 0 Uhrzeit

0 = - 236° (15 43)

Einzelwert mmHg

170-

160-

150

111111111111111111,111111111111111111111111111'

•• •

04 111111111111111 lllinll IIII1111

1111111111V:1111111 11

A = 7,1 mmHg M = 141,6 mmHg ..WHO-Grenze 140-

130

12o-

713

7113214 12 16 20 0 Uhrzeit

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Chronotherapie

möglich zu sein, ein bestimmtes Krankheitsrisiko sehr frühzeitig an Veränderungen der Rhythmuspa- rameter ablesen zu können.

Die Wissenschaft, die diese Phä- nomene untersucht, ist die quanti- tativ-objektivierende Chronobio- logie, die mit mathematischen Methoden versucht, das rhythmi- sche Geschehen durch objektive, vergleichbare Zahlenwerte zu be- schreiben und damit zum Beispiel für den Kliniker nutzbar zu ma- chen. Ein frühes Beispiel war die Beobachtung der rhythmischen Tagesschwankungen der Eosino- philenzahl im Blut und deren Be- schreibung mittels der Methoden der wertenden/analytischen Stati- stik (Inferenzstatistik) (14). Diese Untersuchung führte zur Entdek- kung des 24-Stunden-Rhythmus der Glucocorticoid-Hormone der Nebennierenrinde. Mittlerweile sind Rhythmen mit den unter- schiedlichsten Perioden in allen Bereichen der Biologie bis hin zum Einzeller nachgewiesen wor- den (24). Sie ermöglichen die An- passung der Lebewesen an ihre Umwelt, insbesondere an den Wechsel zwischen Tag und Nacht und zwischen den Jahreszeiten.

Man muß heute davon ausgehen, daß praktisch kein physiologi- scher Vorgang statisch verläuft.

Für die Medizin bedeutet dies, daß der Begriff der „Homöostase"

im obigen Sinne neu definiert werden muß: Normwerte ändern sich nicht nur mit der Tages- oder Jahreszeit, sondern auch mit an- deren körpereigenen Frequen- zen. Ebenso können Medikamen- te mit der Tages- und anderen Zei- ten grundsätzlich verschiedene, nicht nur verschieden starke Wir- kungen und Nebenwirkungen ha- ben: Stimulierung eines Mali- gnoms statt dessen Hemmung.

Dies ist das Aufgabengebiet der Chronopharmakologie. Im Fol- genden soll versucht werden, die Grundlagen und Begriffe dieser jungen Wissenschaft zu erklären und ihre Bedeutung für die prakti- sche Medizin darzulegen.

• Fortsetzung auf Seite 3842

Abbildung 1: Sy- stolische Blut- druckwerte eines 60jährigen unbe-

handelten Man- nes. (a) Einzel- werte, gemessen

alle 10 Minuten Man erkennt, daß aufgrund der Ein-

zelwerte und in bezug auf den WHO-Grenzwert sowohl die Dia- gnose „Hyperto- nie" als auch die

Beurteilung „ge- sund" zu stellen wäre; es handelt sich hierbei um den klassischen Fall einer „Grenz- wert-Hyperto- nie". (b) Einzel- messungen über Zeiträume von je-

weils 2 Stunden gemittelt. Da- durch wird es möglich, einen Tagesmittelwert )7, eine Schwan- kungsbreite 2a sowie den Zeit- punkt des durch- schnittlichen Blut- druckmaximums

anzugeben. Der Mittelwert unter- scheidet sich nur

geringfügig vom Mittelwert der Einzelmessungen;

die beiden ande- ren Parameter hängen jedoch sehr stark von der Einteilung der zu mittelnden Zeit- räume ab. (c) An- passung eines Modells (Cosinus-

kurve) an die sy- stolischen Blut- druckwerte. Diese

Darstellungsform nennt man auch Chronogramm.

Aus ihm können die Rhythmuspa- rameter Mesor M (Mittellinie der angepaßten Cosi- nuskurve), Ampli- tude A (größter Ausschlag der an-

gepaßten Kurve vom Mesor) sowie die Akrophase 0 (für den circadia- nen Rhythmus auf

Mitternacht Orts- zeit bezogen) sta-

tistisch abge- schätzt werden

3838 (30) Heft 51/52 vom 20. Dezember 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

(3)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

EDITORIAL

Zeitgerechte Beurteilung — Zeitgerechte Behandlung

In einem Editorial vom 11.

Juli 1983 (1) hatten wir auf die im ärztlichen Beruf über- ragende Rolle des Faktors

„Zeit" aus physikalischer, medizinischer und phi- losophischer Sicht hingewie- sen, auch auf die großen Verdienste von J. Aschoff und seinen Schülern bei der Schaffung einer modernen Chronobiologie. Heute sind wir in der Lage, aus der Fe- der eines anderen Pioniers der Chronobiologie, F. Hal- berg, einen Originalbeitrag zu den Grundbegriffen zu veröffentlichen, in dem er auch, gemeinsam mit dem Pharmakologen E. Haen, ei- nige Konsequenzen für die praktische Anwendung in der Arzneimitteltherapie, die Chronopharmakologie, ent- wickelt.

Der Beitrag ist trotz einiger mathematischer „Hüllen"

nach unserem Erachten leicht lesbar; auch wer den

„Cosinus" nicht (mehr) be- herrscht, wird den Inhalt mit seinen klaren Definitionen und Ableitungen der Begriffe gut verstehen (zusätzliche weiterführende Literatur am Schluß dieses Editorials).

Tag-Nacht-Rhythmen Diagnostisch zeigen Haen und Halberg am Beispiel des Blutdrucks — besonders für die sogenannte Grenzwert- hypertonie —, daß eine ein- zelne Messung zu einer be-

liebigen Tageszeit nicht aus- reicht: Der Amplitudenhoch- druck weist erhöhte Schwan- kungen bei einem annehm- baren Tagesmittelwert, der Mesor-Hochdruck einen er- höhten Durchschnitt bei an- nehmbaren Amplituden, der Phasenhochdruck verscho- bene Spitzenwerte bei an- nehmbaren Mesor und Am- plituden auf. Ähnliches gilt für viele Laborparameter, de- ren Zeitabhängigkeit zu sel- ten berücksichtigt wird. Als grobe Faustregel kann man davon ausgehen, daß am frü- hen Nachmittag die schon von F. Hoff herausgehobene sympath icoton-dissimilatori- sche Reaktionslage mit ih- rem Maximum in vielen Me- taboliten, in der Nacht die vagoton-assimilatorische Re- aktionslage vorherrschen.

Die in den meisten Kranken- häusern und Praxen geübten Blutentnahmen am frühen Morgen geben die noch stark von den Nachtwerten bestimmten Parameter wie- der; umgekehrt ist bei Blut- untersuchungen zu anderen Tageszeiten die veränderte vegetativ-metabolische Aus- gangssituation zu berück- sichtigen.

Zu wenig genutzte Möglichkeiten

Therapeutisch wirken — grob gesagt — fast alle Medika- mente zu verschiedenen Ta- ges- und Nachtzeiten ganz unterschiedlich — quantitativ und sogar qualitativ. Die ste- reotype Verordnung von 3 x 1 (oder bei manchen Präpa- raten: 2 x 1 bzw. 1 x 1) Ta- bletten schützt zwar vor gro- ben Fehlern und Überra- schungen, da die Hersteller ihre Konfektionierung so vor- nehmen, daß damit eine

mittlere Einzeldosis und eine mittlere Tagesdosis gewähr- leistet sind. Abgesehen von pharmakogenetisch recht unterschiedlichen Reaktio- nen (zum Beispiel Langsam- und Schnell-Acetylierer!), nützt damit der Therapeut die Möglichkeiten, die ihm die Natur mit ihrer Biorhyth- mik bietet, nicht aus. Je bes- ser er zum Beispiel bei Hor- monen (auch mit den phar- makologischen, meist unphy- siologischen Dosen!) die na- türliche Sekretion und damit die Akzeptanz der Rezepto- ren imitiert, um so stärker ist die Wirkung und um so ge- ringer sind die Nebener- scheinungen.

Obwohl dies bei wenigen Medikamenten, wie zum Bei- spiel den Kortisonderivaten (Einzelgabe jeden Morgen oder jeden zweiten Morgen!) schon weithin praktiziert wird, ist es für andere entwe- der noch nicht bekannt oder wird nicht angewendet. Der Chronopharmakologie ist un- schwer eine zunehmende weitere Entwicklung als Wis- senschaft ebenso wie eine zunehmende Bedeutung in der Praxis der Kenner und Könner zu prophezeien.

Übersichten

mit weiterführender Literatur (1) Gross, R.: Editorial DÄ 80, Heft 27/28/1983. Eine weitere Übersicht ist in der schweizerischen Zeitschrift „Pra- xis" im Druck

(2) Moore-Ede, M. L. u. a.: New Engl. J.

Med. 309, 350 u. 469 (1983) (3) Reinberg, A., Smolensky, M. H.

(Edit.): Biological Rhythmus and Medi- cine. Heidelberg, Springer (1983) 4) Lemmer, B.: Chronopharmakologie.

Stuttgart, Wiss. Verlagsges. (1984) (5) Herxheimer, H. u. a.: Chronophar- makologie. Arzneimittelbrief 19, 57 (1985)

Professor Dr. med.

Rudolf Gross

Haedenkampstraße 5 5000 Köln 41

(4)

Schläge pro min mmHg

160 (1) = – 42°II

72 -

1

41cp = –131° +.=,, 70 -

68-

Ap uls = 5,1 Schläge/min ARR = 7,1 mmHg Mp uis = 67,8 Schläge/min MRR = 141,6 mmHg 66 -

64 - 62 -

60 -120- 20 0 4 8 12 16 HALO

0 4 8 12 16 20 0 Uhrzeit --- Puls — systolischer Blutdruck

o

1

01

Abbildung 2: Referenzzeiten der Akrophase (Blutdruckmessungen aus der Abbil- dung 1 sowie gleichzeitig durchgeführte Pulsmessungen an derselben Person): be- rechnete Akrophase 0 (bezogen auf Mitternacht Ortszeit), externe Akrophase w (be- zogen auf den Beginn der Lichtphase – HALO = hours after lights on) sowie die inter- ne Akrophase 43 (bezogen auf die berechnete Akrophase der zirkadianen Pulskurve)

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Chronotherapie

• Fortsetzung von Seite 3838 In der Biologie sind Rhythmen mit unterschiedlichen Perioden be- kannt. Unter „Periode" versteht man den Zeitraum zwischen zwei Maxima einer rhythmischen Schwingung. Das wohl am besten bekannte und untersuchte Bei- spiel ist der 24-Stunden-Rhyth- mus (z. B. der Glucocorticoid-Hor- mone der Nebenniere oder der Körpertemperatur, von Blutdruck und Puls, der Schlaf-Wach-Rhyth- mus oder der Rhythmus der Nah- rungsaufnahme) (11). Versuchs- personen, die von Umwelteinflüs- sen (vor allem dem Tag-Nacht- Wechsel) isoliert etwa in Bunkern (4) oder Höhlen (17) leben, zeigen unter diesen Bedingungen eine Periode, die von 24 Stunden ab- weicht. Man sagt, die Rhythmen

„laufen frei", das heißt, sie wer- den nicht mehr durch „Zeitgeber"

synchronisiert.

Der wichtigste „Zeitgeber" (1) oder „Synchronisator" (15) der 24-Stunden-Rhythmen ist der Licht-Dunkel-Wechsel zwischen Tag und Nacht. Daneben, und wenn dieser ausfällt, sind aber auch andere Umweltreize wichtig, die in die physikalisch-chemi-

schen (meteorologische Größen wie etwa der Temperaturwechsel) und die soziologischen Zeitgeber (Einfluß des Geschlechtspartners, Zeitpunkt der Nahrungsaufnah- me, Geräuschreize durch Aktivi- tätsschwankungen in der Umge- bung und ähnliches) unterteilt werden (1). Rhythmen, die unter frei laufenden Bedingungen Peri- oden von ungefähr (lat: circa) 24 Stunden (1 Tag, lat: dies) zeigen (das heißt im Bereich von 20 bis 28 Stunden), werden als „circadian"

bezeichnet (15). Daneben gibt es Rhythmen mit anderen Frequen- zen (Tabelle), die in ultradian (Pe- rioden von weniger als 20 Stun- den) und infradian (Perioden von mehr als 28 Stunden) unterteilt werden. Frequenzen wie circa- septan oder circasemiseptan stel- len innerhalb der chronobiologi- schen Zeitstruktur circadian-sub- harmonische oder dem Monat (al- so der circatrigintanen Frequenz) gegenüber harmonische Kompo- nenten dar. Sie sind Eigenfre- quenzen sowohl des Einzellers als auch des Menschen und bilden als solche eine Brücke zu den der Umwelt anpaßbaren anderen Komponenten. Das Gesamtspek- trum der Rhythmen verschiedener

Frequenzen muß bei biologischen

Auswertungsverfahren berück- sichtigt werden. Dadurch erhält der Biomediziner neue Kennzei- chen, die dem Internisten zur dia- gnostischen Beurteilung und dem klinischen Pharmakologen als Markerrhythmen dienen. Mit ihrer Hilfe läßt sich sowohl der Zeit- punkt einer Chronotherapie be- stimmen als auch deren Wirkung beurteilen.

Die Cosinusfunktion zur statistischen

Rhythmusbeschreibung

Um einen Rhythmus zu untersu- chen, sind mehrere, soweit als möglich gleichmäßig über eine Periode verteilte Meßpunkte not- wendig. Die Blutdruckmessung sollte zum Beispiel nicht mehr einmal zu einer beliebigen Tages- zeit erfolgen, sondern mehrmals täglich zu genau bekannten Uhr- zeiten. Automatische Meßgeräte für diesen Zweck sind bereits ver- fügbar. Als Ergebnis erhält man (zum Beispiel bei Messung alle 10 Minuten) eine Punkteschar, wie sie in Abbildung 1 dargestellt ist.

Um daraus die Kenngrößen der untersuchten Periodik statistisch zu erhalten, bedarf es eines Mo- dells, das die beobachtete Peri- odik einfach und anschaulich, aber trotzdem verläßlich, das heißt hinreichend genau und re- produzierbar, beschreibt.

Bei der einfachen Betrachtung der Messungen entlang einer Zeitskala (Abbildung la) hängt ei- ne Aussage über die zeitliche La- ge des Maximums oder über die Schwankungsbreite sehr stark von einzelnen Ausreißern ab, die physiologischerweise ja zum Bei- spiel bei Blutdruckuntersuchun- gen sehr häufig auftreten. Über- haupt ist zu fragen, inwieweit die beobachtete Variabilität der Ein- zelwerte durch ein rhythmisches Phänomen erklärt werden kann, beziehungsweise wie stark ein zu- grunde liegender Rhythmus durch andere Einflüsse (psy- chisch, Lagewechsel, körperliche Anstrengung etc.) verdeckt wird („Maskierungs-Effekt") (26).

3842 (34) Heft 51/52 vom 20. Dezember 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

(5)

1

} = 1 Aa = 7,1 mmHg

Ab = 10,4 mmHg

— Mb = 136,1 mmHg

}

Aa = 4,4 mmHg M a = 119,6 mmHg

110 - I

— 90° — 180° — 270° — 360°

0 1 0 4 12 16 20 0 Uhrzeit

mmHg

150- = — 236°

— 248°

140- i

1

130-

I ..'‚

— 191 ° •• • • • ••

•••

I .... . .••••

120-

Abbildung 3: Chronobiologische Blutdruckformen (Daten des Patienten aus Abbildung 1 vor und nach einer salzarmen Kalorienreduktionskost bis zur zufriedenstellenden Senkung seiner Blutdruckwerte); (a) Mesor-Hypertonus (vor der Diät), (b) Amplituden- erhöhung bei gesunkenem Mesor unter Salz-Reduktion (Tendenz zum Amplituden- Hypertonus) und (c) annehmbarer systolischer Blutdruck unter Kalorien-Reduktion

Abbildung 4: Po- lardiagramm als Darstellung der Rhythmusparame- ter A und 0 des circadianen systo- lischen Blut- drucks aus der Abbildung 1. Auf dem Kreis ist die Uhrzeit in 24 Stunden entspre- chend 360° aufge- hen. Strecke OA: Amplitude entsprechend dem auf der y-Achse dargestellten Abbildungsmaß- stab. Die Verlän- gerung dieser Strecke schneidet den äußeren Kreis in 0, dem Zeit- punkt der Akro- phase. Die Ellipse stellt somit die Vertrauensregion des Parameter- paares (A, 0) dar

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Chronotherapie

Wesentlich besser ist es schon, die Messungen in einem Zeitraum von jeweils 2 Stunden zu mitteln (Abbildung 1b). Die Ausreißer be- halten aber auch so ein zu großes Gewicht, außerdem sind statisti- sche Schätzungen über die Unsi- cherheit der Angaben nicht mög- lich. Diese Schwierigkeiten kann

man umgehen, indem man die Einzelmessungen mit einer Cosi- nusfunktion vergleicht. Eine sol- che Kurve wird bei der „Cosinor- Auswertung" (8, 16) mittels der Methode der kleinsten Quadrate an die Schar der Meßpunkte ange- paßt (Abbildung 1c), genauso wie man durch eine Punkteschar eine

Ausgleichsgerade legt, wenn eine lineare Beziehung zweier Varia- bler untersucht werden soll. Die

„Cosinor-Auswertung" ist mit pro- grammierbaren Taschenrechnern oder einfachen Laborcomputern durchführbar (10, 25). Wenn die verfügbare Zeitreihe die Länge der angepaßten Periode vielmals überschreitet, kann sie direkt der Auswertung entnommen werden.

Ist dies nicht der Fall, lassen aber bereits vorhandene Informationen eine gewisse Periode voraussa- gen, dann kann bei der Auswer- tung die Periode vorgegeben wer- den, das heißt man prüft, ob die Schar der Meßpunkte zum Bei- spiel einem ungefähren Tages- oder Jahresrhythmus entspricht.

Die Rhythmusparameter:

Phase, Amplitude, Mesor

Zu jeder Periode gehören als Rhythmusparameter die Phase 0, die Amplitude A und der Mesor M (Abbildung 1c):

Die Phase wird in den bekannten Zeiteinheiten (Stunden, Tage, Mo- nate usw.) oder in Winkelgraden (1 Periode = 360°) angegeben.

Man unterscheidet zwischen der

„Akrophase" (griech. akros: die Spitze) und der Bathyphase (griech. bathmos: das Tal). Im er- sten Fall handelt es sich um den zeitlichen Abstand des Maximums der angepaßten Funktion, im letz- teren um den des Minimums von einem festgelegten Referenzzeit- punkt. Bei der statistischen Para- meterschätzung eines circadia- nen Rhythmus wählt man Mitter- nacht Ortszeit, für einen circan- nualen Rhythmus den vorange- gangenen Winteranfang (22. De- zember oder 22. Juli, je nachdem ob nördlich oder südlich des Äquators gemessen wurde).

In diesem Fall spricht man von ei- ner „berechneten" (engl. compu- tative) Phase 0 (Abbildung 2) im Gegensatz zur „externen" Phase cp, wenn die Referenzzeit ein Punkt des synchronisierenden

(6)

0 - 194°

Sch äge pro min 80 A 78 76

a b

M = 67,8

• A = 5,1 20

19 18 17

16 15

•••• ••• ••••

24efariei

r

I I

0 4 •• 8

60

62 -

— 180 ° 270° — 360°

H„,ife

12 16 20 0 h

58 Schlafzeit

Wachzeit 74 - Einzelwert

72 - 70 - 68 - 66 - ••

••

64 - •••

• • •

••

•• •

•• •

Chronotherapie

Abbildung 5: Chronogramm (a) und Po- lardiagramm (b) der circadianen Puls- kurve des Patienten aus Abbildung 1

Umgebungszyklus ist (der Beginn der Lichtphase). Von einer „inter- nen" Phase (c13) spricht man schließlich, wenn die Referenzzeit im untersuchten System gewählt wird (im Beispiel der Abbildung 2 die Akrophase der circadianen Pulskurve). Diese Möglichkeit ist vor allem für die Chronopharma- kologie interessant, wenn eine Medikation in Abhängigkeit von der Akrophase des Markerrhyth- mus gegeben werden soll.

Unter der Amplitude (A) versteht man die maximale Abweichung der Cosinuskurve von ihrer Mittel-

lage. Sie kann in der Einheit des untersuchten Systems (mm Hg bei Blutdruckmessungen, .tg/100 ml bei Hormonbestimmungen etc.) oder in Prozent des Mittel- wertes angegeben werden. Die

„doppelte Amplitude" ist das ge- samte Ausmaß der voraussagba- ren Schwankung.

Die Mittellage selbst wird auch als

„Mesor" (M) bezeichnet. Dieser Begriff ist aus den griechischen Wörtern „mesos" (die Mitte) und

„rhythmon" (des Rhythmus) ge- bildet worden, um den Rhythmus- charakter des Mittelwertes zu un- terstreichen. Die Einheit des Me- sors ist die des untersuchten Sy- stems.

In den Tabellen einer Cosinor- Auswertung taucht ferner noch ein Signifikanzwert P auf. Er gibt an, mit welcher statistischen Wahrscheinlichkeit die „Nullhy-

pothese" verworfen werden kann, also die Behauptung, daß die Am- plitude gleich Null ist, das heißt keine rhythmische Schwankung besteht.

Das „%R" bezeichnet den Anteil der Variation der Einzelmessun- gen, der durch die angepaßte Co- sinusfunktion erklärt werden kann. Dieser Wert stellt ein objek- tives Kriterium für die „Güte" der Anpassung dar.

Abbildung 6: Der Chronodesmos:

Normwertbereich zur Beurteilung von zeitlich spezi- fizierten Cortisol- einzelbestimmun- gen. Mit 95%iger Wahrscheinlich- keit werden in dem durch die beiden Kurven begrenzten Be- reich 90% aller annehmbaren Cortisolwerte er- wartet. Der Be- rechnung liegen 22 24-Stunden- Profile (Intervall:

20 Minuten) von acht jungen amerikanischen Frauen (Minneso- ta, 15 bis 22 Jah- re) aus allen vier Jahreszeiten zu- grunde

Die graphische Darstellung der „Cosinor-Auswertung"

Zur graphischen Darstellung der Cosinor-Auswertung gibt es ver- schiedene Möglichkeiten:

C)

Cosinuskurve mit „Chrono- gramm" (Abbildung 1c):

Dies ist die Darstellung der Origi- naldaten mit der angepaßten Kur- ve, um dem Betrachter eine intui- tive zusätzliche Beurteilung der

„Güte" der Anpassung zu ermög-

lichen, welche die Berechnung des P-Wertes und des Prozent- Rhythmus ergänzt. Dargestellt wird so die Schwankung von Ein- zelmessungen in Abhängigkeit von der Tageszeit. Mit Hilfe dieser Darstellung erlaubt die Chrono- biologie die Unterscheidung ver- schiedener Hochdruckformen:

Ein circadianer Amplituden-Hoch- druck weist erhöhte Schwankun- gen bei annehmbarem Tagesmit- telwert, ein Mesor-Hochdruck ein erhöhtes Tagesmittel bei an- nehmbarer Amplitude auf. Ein Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 51/52 vom 20. Dezember 1985 (39) 3845

(7)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Chronotherapie

Phasenhochdruck zeigt einen zeitlich verschobenen Spitzen- wert bei annehmbarem Mesor und Amplitude. Entsprechende Mischformen mit Veränderung mehrerer Parameter sind eben- falls zu erwarten (Abbildung 3).

Welche klinische Bedeutung die- se Unterscheidung für Therapie und Prognose hat, ist heute noch nicht ganz zu übersehen. Im Tier- versuch hat sich jedoch ergeben, daß ein Amplitudenhochdruck der Entwicklung eines „echten" Hy- pertonus (eines Mesor-Hyperto- nus) vorausgeht (19), also zur Früherkennung eine bedeutende Rolle spielen kann.

0 Das „Polardiagramm" (Abbil- dung 4):

Hierbei handelt es sich um ein Vektordiagramm, in dem nicht mehr die einzelnen Meßwerte, sondern nur die geschätzten Rhythmusparameter der Cosinor- Anpassung graphisch veran- schaulicht werden. Die Beziehung des Mesors (M) und der Amplitude (A) zur Akrophase (0) ergibt dabei ein dreidimensionales Ellipsoid, da die Phase als Kreisvektor (zum Beispiel 24-Stunden-Kreis jeder herkömmlichen Uhr) und Mesor und Amplitude als lineare Vekto- ren auf der z- bzw. y-Achse abge- tragen werden. Der Anschaulich- keit halber wird in Abbildung 4 je- doch nur die zweidimensionale x/y-Ebene für die Beziehung zwi- schen Amplitude und Phase ge-

zeigt. Der Abbildung liegen die Blutdruckmessungen der Abbil- dung 1 zugrunde. Zusätzlich zu den in Abbildung 1c bereits veran- schaulichten Schätzwerten der Rhythmusparameter kann jetzt die Aussagekraft anhand der Ver- trauensbereiche beurteilt werden.

Bei einem circadianen Rhythmus werden auf dem Kreis wie auf ei- ner Uhr 24 Stunden abgetragen.

Auf diese Weise entsprechen 24 Stunden den 360° (Winkelgrad) des Kreises, 1 Stunde 15° oder 4 Minuten 1°. Die mathematische Winkelmessung erfolgt gegen den Uhrzeigersinn, der Anschau- lichkeit halber wird aber die Akro- phase mit dem Uhrzeigersinn ab- getragen. Die Gradangabe der Akrophase ist somit mit einem Mi- nuszeichen zu versehen. Zum Zeitpunkt der Akrophase wird aus- gehend vom Zentrum („Pol") die Amplitude in absoluten Zahlen oder als Prozent des Mesors durch einen Vektor veranschau- licht, das heißt die Verlängerung dieser Strecke schneidet den Kreis zum Zeitpunkt der Akro- phase, und die Länge der Strecke entspricht dem Amplitudenwert.

Dazu wird der Abbildungsmaßstab auf der y-Achse angegeben. Die Vertrauensregion des Parameter- paares (A, 0) wird mit der angege- benen Wahrscheinlichkeit als Fehlerellipse um den Amplituden- wert dargestellt. Ein Rhythmus ist statistisch signifikant nachgewie- sen, wenn diese Fehlerellipse den Pol nicht einschließt, das heißt ein

Wert von A=0 mit der angegebe- nen Wahrscheinlichkeit ausge- schlossen ist. Die Vertrauensinter- valle für die Einzelparameter er- geben sich für A als Schnittpunkte des Amplitudenvektors mit der El- lipse und für 0 als Schnittpunkte der Poltangenten an die Ellipse mit dem 24-Stunden-Kreis. Durch andere Eichung dieses Kreises ist das Polardiagramm natürlich auch auf alle Rhythmen mit anderen Perioden anwendbar.

Abbildung 5 zeigt nochmals beide Darstellungstypen nebeneinan- der, diesmal allerdings mit den Daten der circadianen Pulskurve derselben Person wie in den Ab- bildungen 1 bis 4. Bei Vergleich der Abbildungen 4 und 5b erkennt man sofort, daß der circadiane sy- stolische Blutdruck der circadia- nen Pulskurve nachhängt, und zwar um etwa 3 Stunden. Die Akrophasen liegen am Spätnach- mittag oder frühen Abend, also beide gegen Ende der Aktivitäts- periode der untersuchten Person.

Solche Vergleiche sind für die un- ten noch näher erläuterte „Mar- kerrhythmometrie" in der „Chro- notherapie" wichtig. In der klini- schen Chronopharmakologie sind die Polardiagramme demzufolge von besonderer Wichtigkeit. In der Praxis fertigt man dazu das Polardiagramm auf durchsichti- gem Papier an. Durch einfaches Übereinanderlegen können die Parameter dann miteinander ver- glichen werden.

Tabelle: Perioden biologischer Rhythmen beim Menschen

Typ Länge der Periode Beispiel

ultradian unter 20 Stunden Herzfrequenz, Atemfrequenz, Sekretion von Wachs- tumshormon und Gonadotropin

20 bis 28 Stunden 23,8 bis 24,2 Stunden

Sekretion von Cortisol, systolischer und diastoli- scher Blutdruck, Körpertemperatur

wie circadian, jedoch mit Umgebung synchronisiert circadian

dian infradian

circaseptan circatrigintan circannual

über 28 Stunden 7 ± 3 Tage 30 ± 5 Tage 1 Jahr ± 2 Monate

Abstoßung von Allotransplantaten

Zyklus der Geschlechtsorgane bei Mann und Frau Sekretion von Aldosteron

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Chronotherapie

Abbildung 7: Minnesota-Paradesmos für Cortisol: In der Ellipse werden mit 90prozentiger Wahrscheinlichkeit 90 Prozent der Pa- rameterpaare Amplitude und Akrophase des cirkadianen Cortisolrhythmus einer Normalpopulation erwartet. Der Berechnung lie- gen dieselben 24-Stunden-Profile zugrunde, die bereits zur Berechnung des Chronodesmos in Abbildung 6 herangezogen wur- den. Verhältnismäßig unabhängig von Meß- und Ernährungsbedingungen, von Alter, ethnischen Unterschieden, Jahreszeit und geographischer Lage eignet sich dieser Paradesmos zur Charakterisierung des circadianen Cortisolrhythmus ab einem Alter von sechs Jahren. Die Amplitude-Akrophase-Paare der adipösen Münchner Kinder liegen im Paradesmos (links), diejenigen von Kin- dern mit Cushing-Syndrom außerhalb. Die Patienten mit Cushing-Syndrom sind dabei durch ein sehr kleines Verhältnis von Am- plitude zu Mesor gekennzeichnet (aufgehobener circadianer Rhythmus auf hohem Niveau)

Zeitlich spezifizierte

Normwertbereiche: Die Chrono- und Paradesmen

Es wurde eingangs erwähnt, daß Normwerte nicht statisch gesehen werden dürfen, sondern daß sie sich entsprechend der körperei- genen Zeitstruktur individuell zeit- abhängig verändern. Für den praktisch tätigen Arzt stellt sich al- so die Frage, welche Normwerte er seiner Diagnose und Therapie zugrunde legen soll. Zu diesem Zweck wurden die „Chronodes- men" als Normwertbereiche für Einzelmessungen und die „Para- meterdesmen" oder „Parades- men" als Normwertbereiche der Rhythmusparameter entwickelt.

Zu ihrer Erläuterung soll als Bei- spiel der Cortisolrhythmus und seine pathologischen Verände- rungen betrachtet werden. Die

„Desmen" (nach dem griechi- schen desmos = Band) sind stati- stisch gesehen Referenzinterval- le: Toleranz- und Prediktionsinter-

valle (t- . -desmos bzw. p- - desmos) (18, 21). Sie werden so berechnet, daß sie mit einer ange- gebenen Wahrscheinlichkeit (zum Beispiel 95 Prozent) einen eben- falls angegebenen Anteil (zum Beispiel 90 Prozent) aller in einer bestimmten Population erfolgen- den Messungen enthalten (der durchgeführten: Toleranzintervall, der zukünftigen: Prediktionsinter- vall). Eine Möglichkeit, sie zu be- rechnen, besteht darin, für jeden Zeitpunkt ein solches Intervall zu bestimmen. Das Ergebnis, den p-Chronodesmos des Cortisol-Ta- gesrhythmus gibt Abbildung 6 wie- der. Gezeigt wird der Bereich, in dem 90 Prozent aller zeitspezifi- zierten Cortisol-Einzelwerte zu er- warten sind.

Die Berechnung der Parameter- desmen ist an die Anpassung ei- ner Rhythmusfunktion an die Da- ten einer Zeitreihe gebunden. Mit ihrer Hilfe kann geprüft werden, ob die Rhythmusparameter eines

Patienten innerhalb annehmbarer Grenzen liegen. Dies ist beson- ders deshalb wichtig, da die Ver- änderung der Rhythmus-Kennzei- chen ein sehr frühzeitiger Hinweis auf einen beginnenden Krank- heitsprozeß ist. Für den bei der Cosinor-Auswertung erhaltenen Mesor wird ein normales Refe- renzintervall berechnet. Schät- zungen der Amplitude und der Akrophase können mittels einer Cosinor-Auswertung gemeinsam vorgenommen werden, weshalb für das A,O-Paar ein bivariates Re- ferenzintervall, der „Parameter- desmos", berechnet werden kann (18, 21).

Abbildung 7 zeigt den Minnesota- p-Paradesmos für Cortisol, dem über das ganze Jahr verteilte Mes- sungen an acht weiblichen Ju- gendlichen im Alter von 15 bis 20 Jahren zugrunde liegen. Die Pro- ben wurden alle 20 Minuten, je- weils für 24 Stunden, viermal im Jahr abgenommen. Grundsätzlich Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 51/52 vom 20. Dezember 1985 (41) 3847

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Chronotherapie NOTIZEN

können Desmen nicht von einer Population auf die andere übertra- gen werden, da Unterschiede des geographischen Ortes, der Ernäh- rung, ethnische Unterschiede und vor allem unterschiedliche Metho- den bei Sammlung und Bestim- mung der Proben zu berücksichti- gen sind. Trotzdem ist es mit Hilfe des Minnesota-Paradesmos mög- lich gewesen, in München eine Gruppe von adipösen Kindern im Alter von 5 bis 15 Jahren (Abbil- dung 7a) von Kindern derselben Al- tersgruppe mit Cushing-Syndrom abzugrenzen (Abbildung 7b).

Grundlage der Chronotherapie:

Der Markerrhythmus

Sind die Chronodesmen für die In- terpretation von zeitlich definier- ten Einzelmessungen notwendig, so benötigt man die Parameterdes- men für die sogenannte „Marker- rhythmometrie". Betrachtet man den Gesundheitszustand, wie oben schon einmal angesprochen, als System aufeinander abge- stimmter verflochtener Rhythmen, so ist es eventuell möglich, dieses System durch die Rhythmuspara- meter eines dieser Rhythmen (et- wa des Cortisols oder —einfacher—

der Körpertemperatur) hinrei- chend genau zu charakterisieren.

Diesen Rhythmus bezeichnet man als „Markerrhythmus". Eingriffe, zum Beispiel durch Medikamente in der Chronotherapie, werden auf die Parameter dieses Markerrhyth- mus abgestimmt und an ihnen überprüft.

Literatur beim Sonderdruck, zu beziehen über die Verfasser:

Dr. med. Ekkehard Haen, Diplom-Biochemiker Walther-Straub-Institut für

Pharmakologie und Toxikologie der Universität München

Nußbaumstraße 26 8000 München 2

Unterstützt durch das National Institute of General Medical Sciences, U.S.A. (GM 13981) und von Medtronic Inc., Minnea- polis, Minnesota, U.S.A.

Chronobiologie in der Neonatalogie

Zu dem Beitrag von Haen und Halberg hat uns Professor Hal- berg (Minneapolis, USA) noch ei- nen Beitrag geliefert, den wir in der auf einem Kongreß vorgetra- genen Form nicht bringen kön- nen. Dafür bringen wir aber von dieser aufregenden Untersu- chung im folgenden eine kurze deutsche Zusammenfassung.

Rudolf Gross Um erste Schritte in der Präven- tion erblich bedingter kardio-, ze- rebro- und bestimmter renovasku- lärer Krankheiten einleiten zu können, eignen sich dynamische chronobiologische Messungen an Neugeborenen. Zu diesem Schluß kommt eine klinische Studie von Halberg und Mitarbeitern.

Bei 15 Neugeborenen, von denen drei aus Familien mit hohem Blut- druck stammten, wurden begin- nend bis zu 26 Stunden nach der Geburt 48 Stunden lang der Blut- druck und die Herzfrequenz in In- tervallen von etwa 30 Minuten ge-

messen.

Für beide Gruppen ergab die sta- tistische Analyse der Meßergeb- nisse signifikante Unterschiede in den Mittelwerten, dem linearen Anstieg und den cirkadianen Am- plituden des systolischen, diasto- lischen und mittleren Arterien- blutdrucks. So weisen Neugebo- rene aus Familien mit Bluthoch- druck niedrigere Werte als in der Kontrollgruppe auf. Bei der Herz- frequenz jedoch neigen erblich vorbelastete Neugeborene zu hö- heren cirkadianen Amplituden.

Nach Ansicht der Autoren könn- ten die dynamischen Parameter auch dazu dienen, Effekte von In- terventionen bei Müttern und ih- ren Föten anzuzeigen. jv

Halberg, F.; Tarquini, B.; et al.: Neonatal Mon- itoring of Blood Pressure and Heart rate for early card iovascu lar chronorisk assessment.

Chicago, September 1985.

Chronobiology Laboratories, Department of Laboratory Medicine and Pathology, Univer- sity of Minnesota in Minneapolis

Pseudokrupp

und Luftverschmutzung

Zu der Stellungnahme des Wis- senschaftlichen Beirates der Bun- desärztekammer „Zusammen- hang zwischen stenosierender La- ryngitis (Pseudo-Krupp) und Luft- verschmutzung" in Heft 41/1985, Seite 2971 bis 2976, sowie zu dem Originalbeitrag von Privatdozent Dr. med. Dr. rer. nat. Heinz Erich Wichmann im gleichen Heft, Seite 2979 bis 2982, erhielten wir von dem Senior der Essener Kinder- ärzte, Dr. med. Otto Sprockhoff, Hohe Warte 30, 4300 Essen, die folgende Notiz, die wir unseren Lesern nicht vorenthalten möch- ten. MWR

„In Essen entstand der Psychoter- ror ,Pseudokrupp'. Der Obmann der Kinderärzte von Essen, Herr Dr. U. Kohns, und die leitende Amtsärztin des Gesundheitsamtes Essen, Frau Dr. Holtwick-Singen- donk, haben deswegen ein Infor- mationsblatt über den Pseudo- krupp herausgebracht, das sach- gerecht und hilfreich aufklärend wirkt. Es wird vom Gesundheits- amt und Kinderärzten kostenlos verteilt. Das Informationsblatt kann allen Ärzten, die irgendwie mit dem heute so ins Politische gezogene Pseudokrupp-Problem in Berührung kommen, dienlich

sein."

Zur Frühdiagnose des Melanoms

Nach einer Umfrage der Medizini- schen Universitäts-Hautklinik Göt- tingen (Dr. med. K. F. Kölmel), von-Siebold-Straße 3, 3400 Göttin- gen, werden Melanome in jedem dritten Fall vom behandelnden Arzt nicht frühzeitig erkannt. Die Frühdiagnose kann aber für die Prognose und Lebenserwartung entscheidend sein. Das Tumor- zentrum Göttingen hat daher eine kleine Broschüre über Pigment- naevi und Melanome herausge- bracht, die dort abgerufen werden kann. MWR

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