Krebshilfe
Mit Prävention Kosten sparen
Schipanski gegen Selbstbeteiligung von chronisch Kranken
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chwerstkranke Patienten dürften im Rahmen des ge- planten Gesundheitssystem- modernisierungsgesetzes nicht mit zusätzlichen Behandlungs- kosten belastet werden. Davor hat die CDU-Politikerin und Präsidentin der Deutschen Krebshilfe, Dagmar Schipans- ki, gewarnt. Chronisch Kranke seien ohnehin die schwächsten Glieder der Kette. „Die Ge-sundheitsreform darf für sie nicht noch zusätzliche finanzi- elle Bürden zu den körperli- chen und physischen Belastun- gen bringen“, sagte Schipanski bei der Jahrespressekonferenz der Deutschen Krebshilfe in Berlin.
Stattdessen sollte durch Präventionsprogramme auf eine gesunde Lebens- weise hingearbeitet wer- den, die letztlich auch Kosten senken würden.
Auch sei die Krebs- Früherkennung von gro- ßer Bedeutung, sagte Schipanski, denn eine früh erkannte Krebs- erkrankung sei mit ho- her Wahrscheinlichkeit heilbar.
Nach Angaben der Deutschen Krebshilfe wächst die Zahl der Krebs- Patienten jährlich um 350 000 Menschen. Rund 210 000 ster- ben an dieser Erkrankung.
Experten schätzen, dass rund zwei Drittel aller Krebser- krankungen durch Verzicht auf das Rauchen, gesunde Ernährung, Sport und durch einen vorsichtigen Umgang mit UV-Strahlen vermieden werden könnten.
A K T U E L L
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 3315. August 2003 AA2109
Hormontherapie
20 000 zusätzliche Brusttumoren
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ie in Europa üblichen Präparate zur Hormontherapie erhöhen das Brust- krebsrisiko in gleichem Maße wie die in den USA gebräuchlichen. In der Fach- zeitschrift „The Lancet“ (2003; 362: 419) beschreibt eine britische Gruppe die Er- gebnisse einer Studie an mehr als einer Million Engländerinnen. Die Forscher hatten die Frauen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren seit 1996 regelmäßig nach ihrer Hormoneinnahme gefragt und gleichzeitig verfolgt, wer an Brustkrebs erkrankte. Es bestätigte sich, dass bei Frauen, die jahrelang Hormone nehmen, das Brustkrebsrisiko nachweisbar steigt:Von 1 000 Frauen, die zehn Jahre lang Östrogen-Präparate nehmen, müssen fünf mit einem zusätzlichen Brustkrebs
rechnen; bei Frauen, die Östrogen-Ge- stagen-Kombinationen nehmen, sind es sogar 19 zusätzliche Erkrankungen.
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abei war nach fünfjähriger Einnah- me von Gestagenen wie Norethi- steron oder Norgestrel/Levonorgestrel das Brustkrebsrisiko ebenso erhöht wie unter Medroxyprogesteronazetat; mit Tibolon war sogar ein etwas höheres Ri- siko verbunden als mit Östrogen-Mo- nopräparaten. Aus den Zahlen errech- nete das Forscherteam, dass in England in den letzen zehn Jahren „20 000 zu- sätzliche Brusttumoren“ der Hormon- einnahme zuzuschreiben seien. Die Stu- die bestätigt Berechnungen, die Prof.Eberhard Greiser vom Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozial- medizin im Sommer 2000 für Deutsch- land vorgelegt hatte (DÄ 2000, 33: A- 2145–2146). Dem Argument, dass unter einer Hormontherapie auftretende Tu- moren leicht zu heilen seien, wider- spricht die Studie: Bei den Hormonein-
nehmerinnen war auch die Rate der Frauen um 22 Prozent erhöht, die an ihrem Brustkrebs gestorben sind. „Das sind beunruhigende Ergebnisse“, sagt Prof. Olaf Ortmann (Universitätsfrau- enklinik Regensburg), Koordinator ei- ner Expertengruppe der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Ge- burtshilfe. „Hormone sollten nur gegen schwere Wechseljahrsbeschwerden ein- gesetzt werden und dann so kurz wie möglich.“
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ast gleichzeitig zeigen weitere Daten der im Jahr 2002 in den USA abge- brochenen WHI-Studie (2003; 349: 523), dass die eingesetzte Östrogen-Gesta- gen-Kombination bei keiner Grup- pe von Frauen Herzkrankheiten vor- beugte: Ob die Hormoneinnehmerin- nen 50 waren oder 70, ob sie rauch- ten oder nicht, ob sie schlank waren oder dick – das Risiko für Herzin- farkte war durchweg eher erhöht stattvermindert. Klaus Koch
Akut
Gesundheitsreform
Arbeitsplätze bedroht
Apotheker und Pharma- industrie kritisieren Reform.
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ehr als 20 000 Arbeitsplät- ze werden deutsche Apo- theker allein in diesem Jahr als Folge der Sparpläne für das Gesundheitswesen streichen.Das sagte Hans-Günter Frie- se, Präsident der ABDA – Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, in Ber- lin. 10 000 Arbeitsplätze seien bereits dem Beitragssatzsiche- rungsgesetz zum Opfer gefal- len. Noch einmal so viele Ent- lassungen werde es binnen Jahresfrist wegen der nun be- kannt gewordenen Gesund- heitsreformpläne geben. Be- reits 2002 hätten 104 von rund 21 500 Apotheken schließen müssen. Für 2003 rechnet der Verband damit, dass zwischen 200 und 250 Apotheken aufge- ben müssen.
Zu den Hauptkritikpunk- ten der ABDA zählen die ge- plante Freigabe des Versand-
handels, die Aufhebung des Mehrbesitzverbotes sowie die Freigabe der Preise für nicht verschreibungspflichtige Arz- neimittel. Insbesondere die Regelung, Apothekern zu er- lauben, bis zu drei Filialen zu betreiben, sei eine tödliche Gefahr für die Individualapo- theke, sagte Friese. Verlierer seien vor allem die Patienten.
Unterdessen kündigte auch die Pharmaindustrie einen mas- siven Arbeitsplatzabbau als Folge der Gesundheitsreform- pläne an. Der Verband For- schender Arzneimittelherstel- ler (VFA) sprach von einem
„Frontalangriff“ auf die Bran- che. Der Standort Deutsch- land stehe auf dem Spiel, warn- te VFA-Hauptgeschäftsfüh- rerin Cornelia Yzer in Ber- lin. Der geplante staatliche Zwangsrabatt von 16 Prozent auf patentgeschützte Medika- mente bestrafe erfolgreiche Forschung.
Die Reformpläne sehen Einsparungen von 20 Milliar- den Euro vor, die vor allem von den Versicherten geschul- tert werden müssen. Die Indu- strie wird nach Angaben des VFA mit einer Milliarde Euro belastet.
Schipanski: „Chronisch Kranke sind die schwächsten Glieder der Kette.“
Foto:phalanx