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Archiv "Erster Rheinischer Ärztetag: Zwischen Optimismus und Resignation" (18.02.2005)

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ir wollen nicht jammern und klagen, sondern auf Fehlent- wicklungen aufmerksam ma- chen und dazu beitragen, diese wieder zu beseitigen.“ Bereits im Vorfeld des ersten Rheinischen Ärztetages hatte Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer und der Ärztekammer Nordrhein, gegen- über Journalisten die Position der Ärzte- schaft deutlich gemacht. Es sei jedoch eine wachsende Unlust unter den Kolle- gen zu verzeichnen. 40 Prozent der Ärz- te würden nicht noch einmal denselben Beruf ergreifen. Die enorme Bürokratie habe beispielsweise dazu geführt, dass einem Krankenhausarzt rechnerisch im Schnitt nur noch siebeneinhalb Minuten täglich für jeden Patienten zur Verfü- gung stünden. Eine tief greifende Verän-

derung der Arzt-Patienten-Beziehung sei spürbar. Das DRG-Abrechnungs- system habe zur Folge, dass ein Patient nicht mehr als ein kranker Mensch mit einer Vielzahl von gesundheitlichen Problemen gesehen werde, sondern als eine Diagnose, die einen stationären Aufenthalt rechtfertige.

Ziel des ersten Rheinischen Ärzte- tages mit dem Thema „Der Alltag des

Arztes“ war es, die Stimmung der Basis einzufangen. Etwa 200 Ärztinnen und Ärzte hatten sich am 11. Februar auf den Weg nach Düsseldorf gemacht, um eine Bestandsaufnahme der Situation im Gesundheitswesen vorzunehmen.

Die Veranstaltung stand allen Kammer- mitgliedern offen. Referenten waren Ärzte aus unterschiedlichen Tätigkeits- feldern, die Eindrücke ihrer täglichen Arbeit wiedergaben.

Immer schlechtere Entlohnung für mehr Leistung

„Wir leisten mehr und bekommen we- niger“, so die Sicht des Allgemeinmedi- ziners Bernd Zimmer aus Wuppertal.

Er wies auf die Verbesserungen von

Diagnostik und Therapie in Hausarzt- praxen hin, die in den vergangenen Jah- ren erreicht wurden. Die Bemühungen würden aber schlechter entlohnt denn je. „Gnade Ihnen, wenn Sie schwer chronisch Kranke gut behandeln und sich das herumspricht!“ Auch wenn die Einführung des EBM 2000plus die Gemeinschaftspraxis fördere, hätten seiner Ansicht nach auch Einzelpraxen

eine Überlebenschance, gerade in dünn besiedelten Gebieten. Zimmer gab sich trotz aller Widrigkeiten optimistisch:

Der Nachwuchsmangel führe dazu, dass Ärzte immer seltener und damit wert- voller würden, „wie Perlen oder Öl“.

Für ihn sei Hausarzt nach wie vor der schönste Beruf der Welt.

Dass im Gesundheitssystem nicht mehr die Patientenversorgung, sondern die Ökonomie im Vordergrund stehe, kritisierte die Anästhesistin Dr. med.

Anja Mitrenga. Die Zustände in Kran- kenhäusern seien weiterhin patienten- und ärztefeindlich. Bis zu 40 Prozent ihrer Arbeitszeit verbrächten die Ärzte heute mit Dokumentation und Kodie- rung, die Weiterbildung sei oft schlecht strukturiert. Zum Teil gewinne man in Krankenhäusern den Eindruck, ein Arzt werde vornehmlich nach seiner Kodierfähigkeit beurteilt. Mit unzäh- ligen Überstunden subventionierten die Ärzte das marode System.

Die Situation eines niedergelassenen Facharztes schilderte Dr. med. Rudolf Siepen aus Solingen. Der Neurologe und Psychiater monierte, die Ärzte hätten sich die Verantwortung für die Finanzierung des Gesundheitswesens in die Schuhe schieben lassen. Oft sehe er sich in der Situation, dass er, und nicht etwa die Krankenkassen, gegenüber den Patienten die Verknappung der Leistungen begründen müsse. Die Ein- schränkung des ärztlichen Handelns führe überdies dazu, dass eine rechtli- che Absicherung schwierig werde. Bei zivil- und strafrechtlicher Verfolgung müsse sich allein der Arzt rechtfertigen, Krankenkassen und Kassenärztliche Vereinigungen (KVen) blieben unbe- helligt.

Dr. med. Erich Theo Merholz, Leiter der Abteilung für Mund-, Kiefer-, Ge- sichtschirurgie und plastische Operatio- nen der St.-Lukas-Klinik in Solingen, beschrieb den enormen Aufwand und die Zusatzkosten, die den Krankenhäu- sern durch die Einführung der DRGs entstanden seien. Das Ideal der wohn- ortnahen, flächendeckenden Versorgung werde heute fälschlicherweise als Über- angebot dargestellt. Viele Kranken- häuser und Abteilungen seien in ihrer Existenz bedroht, und die „Jobmaschine Gesundheitswesen“ werde immer mehr

gebremst.

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A394 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 718. Februar 2005

Erster Rheinischer Ärztetag

Zwischen Optimismus und Resignation

Wachsender Kostendruck und ausufernde Bürokratie prägen den ärztlichen Alltag. Der Patient wird zur Randfigur.

„Wir haben uns nie gewehrt, son- dern immer alles geschluckt.“ Der Allgemeinmedizi- ner Dr. med. Chri- stoph Drechsler aus Gummersbach appellierte an sei- ne Kollegen, die Politik endlich ak- tiver mitzugestal-

ten. Foto:Jürgen Brenn

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Die Realität eines psychotherapeu- tisch tätigen Arztes stellte Dr. med.

Heiner Heister aus Aachen dem Ple- num dar. Er kritisierte eine zunehmen- de Schwächung der ärztlichen Psycho- therapie und zeigte sich diesbezüglich enttäuscht von Bundesärztekammer und Kassenärztlicher Bundesvereinigung.

Dass auch im öffentlichen Gesund- heitsdienst erheblicher Kostendruck herrscht, machte der Leiter des Kölner Gesundheitsamtes, Dr. med. Jan Leidel, deutlich.

Arzt als politischer Beruf

In der anschließenden Diskussion im Plenum erregte die Praxisgebühr nach wie vor die Gemüter. Dr. med. Christoph Drechsler, Facharzt für Allgemeinmedi- zin aus Gummersbach, bemerkte, ihm sei nicht klar, wieso die Ärzte nicht endlich auf die Straße gingen und sich wehrten.

Der Arztberuf sei nicht nur eine soziale, sondern auch politische Aufgabe.

Ein weiterer Diskussionspunkt war die Einführung von Disease-Manage- ment-Programmen. Diese seien nicht im Sinne des Patienten und gefährdeten den Erhalt der Therapiefreiheit.

Im Verlauf der Debatte machten eini- ge Ärztinnen und Ärzte ihrer Unzufrie- denheit über die ärztliche Interessenver- tretung Luft. Ein Diskussionsredner rief zur Gründung eines „Ärzte-Syndikates“

auf, das an die Stelle von Ärztekammern und KVen treten solle. Mehrere Ärzte in darauf folgenden Redebeiträgen al- lerdings sahen die Interessen der Ärzte- schaft durch die vorhandenen Instru- mente der Selbstverwaltung gut vertre- ten. Rudolf Henke, MdL und stellvertre- tender Vorsitzender des Marburger Bundes, appellierte an die Ärzte, endlich einheitlich zu agieren. Gleichwohl dürf- ten nicht nur die eigenen Probleme wahrgenommen werden, sondern auch die anderer Bevölkerungsgruppen.

„Das Experiment ist gelungen“, so das Fazit, das Kammerpräsident Hoppe den Teilnehmern mit auf den Heimweg gab. Der Austausch zwischen Kollegen aus unterschiedlichen Bereichen des Gesundheitswesens sei unerlässlich.

Gleichzeitig kündigte er den zweiten Rheinischen Ärztetag für das kommen- de Jahr an. Dr. med. Birgit Hibbeler

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A396 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 718. Februar 2005

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ützen strukturierte Behandlungs- programme der Versorgungsqua- lität, oder dienen sie Krankenkas- sen nur dazu, mithilfe von Ausgleichs- zahlungen Haushaltslöcher zu stopfen?

Streit über diese Frage entbrannte un- ter den Akteuren im Gesundheitswe- sen, lange bevor im März 2003 in Nord- rhein das erste Disease-Management- Programm (DMP) an den Start ging.

Hinweise für eine messbare Qualitäts- verbesserung durch die Behandlungs- programme liefert nun der bundesweit erste Qualitätsbericht zu DMP, den das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (ZI) im Auftrag der nord- rheinischen Krankenkassen, Kranken- häuser und der KV vorgenommen hat.

Der 40-seitige Bericht analysiert die Er- gebnisse der DMP Diabetes mellitus Typ II und Brustkrebs.

Beim DMP Diabetes wurden nach dem Bericht deutliche Verbesserungen der zentralen Indikatoren Blutzucker und Blutdruck erreicht. So sei der An- teil der Patienten mit einem hohen HbA1c-Wert von 8,5 Prozent auf 7,9 Prozent gesenkt worden. Zudem habe die Zahl der nach WHO-Klassifikation als hyperton einzustufenden Patienten um 4,1 Prozentpunkte abgenommen.

Auch beim DMP Brustkrebs habe man die selbstgesteckten Ziele erreicht und sogar übererfüllt, sagte der Vorsit- zende der KV Nordrhein, Dr. med.

Leonhard Hansen, bei der Vorstellung des Qualitätsberichts in Berlin. So wur- den rund 70 Prozent der Patientinnen mit einer Tumorgröße von maximal zwei Zentimetern brusterhaltend ope- riert. Bei einer Tumorgröße von zwei bis fünf Zentimetern sei es etwa die Hälfte der Patientinnen gewesen.

„Mit den Chroniker-Programmen wird Geld in Qualität investiert“, zeigte sich auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt erfreut. Doch endgültige Gewissheit über den Nutzen der DMP

kann die ZI-Studie schon wegen der kurzen Beobachtungsdauer nicht ge- ben. Dazu heißt es in dem Bericht: „Die Auswirkungen strukturierter Versor- gungsprogramme auf krankheitsspezi- fische Endpunkte wie Herzinfarkt, Er- blindung oder Amputationen bei Dia- betes lassen sich erst nach einer länge- ren Programmlaufzeit nachweisen.“

So sieht es auch Prof. Dr. med. Peter Sawicki, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheits- wesen. Seiner Ansicht nach sind die Vorgaben für eine gründliche Evaluati- on der DMP unzureichend. Wie jede andere medizinische Maßnahme sollten die DMP in kontrollierten Untersu- chungen anhand patientenrelevanter Endpunkte evaluiert werden. Für eine möglichst zentrale Überprüfung der DMP sprach sich gegenüber dem Deut- schen Ärzteblatt der Präsident des Bun- desversicherungsamtes (BVA), Rainer Daubenbüchel, aus. Kriterien hierzu habe das BVA mit wissenschaftlicher Unterstützung bereits formuliert.

Interesse an Programmen groß

Hansen wertet die Behandlungspro- gramme in Nordrhein dennoch als Er- folg. Dies belege auch das große Inter- esse von Patienten und Ärzten. Mehr als 70 Prozent der niedergelassenen Ärzte innerhalb der jeweiligen Fach- gruppen beteiligen sich an den DMP Diabetes und Brustkrebs. Etwa 200 000 Patienten sind für das Diabetes-Pro- gramm eingeschrieben. Rund 5 600 sind es beim DMP Brustkrebs. Für beide Programme sowie für das neueste DMP Koronare Herzkrankheit wurden Ver- träge mit allen gesetzlichen Kranken- kassen in Nordrhein geschlossen.

„Qualität in der medizinischen Ver- sorgung gab und gibt es auch ohne DMP“, betonte Hansen. Doch sorgten DMP für eine flächendeckende Qua- litätssicherung. Hansen widersprach Aussagen, strukturierte Behandlungs- programme seien „Kochbuchmedizin“.

Therapieentscheidungen träfen Arzt und Patient entsprechend der individu- ellen Anforderungen. Samir Rabbata

Disease Management

Zwischenbilanz

DMP-Studie in Nordrhein belegt Qualitätsverbesserungen. Aber noch stehen Langzeitanalysen aus.

Der DMP-Qualitätsbericht ist im Internet unter www.

aerzteblatt.de/plus0705 abrufbar.

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Hauptversammlung in der Kongreßhalle, Hafenstraße, 6600 Saarbrücken 10.00 Uhr Vorbesprechung der Delegierten des Marburger Bundes, die gleichzeitig Delegierte des Deutschen