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Archiv "Neue negative Komponenten für die Compliance" (29.04.1983)

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Der Arzneimittelmarkt ist irri- tiert. Ein Arzneimittelimpor- teur, der darauf spezialisiert ist, im Ausland hergestellte Arzneimittel deutscher Phar- mafirmen zu importieren und unter dem gleichen Na- men und in Konkurrenz zu den Inlandsprodukten auf den Markt zu bringen, hat in die „Lauer-Liste" Apothe- kenabgabepreise eintragen lassen, die bis zu etwa 15 Prozent unter denen des deutschen Herstellers lie- gen. Die Folgen sind noch nicht absehbar.

Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 17 vom 29. April 1983

Neue negative Komponenten für die Compliance

Konkurrenzkampf: Mit Auslandsprodukten gegen Inlandsprodukte — unter den gleichen Arzneimittel-Namen

Christian Wehle

Jeder Deutsche Bundestag und je- de Bundesregierung haben den gesundheitspolitischen Grundsatz bestätigt, daß Arzneimittel nicht den normalen Wettbewerbsbedin- gungen ausgesetzt werden dür- fen, weil Wettbewerb auf erhöhten Konsum abzielt, Arzneimittel aber keine gewöhnlichen Konsumgüter sind und ihr Verbrauch nicht über das Notwendige hinaus angeregt werden darf.

Wichtigste Komponenten des Wettbewerbs sind Werbung und Preisunterschiede. In Verfolg des Grundsatzes, daß gesundheitspo- litische Erfordernisse Vorrang ha- ben, sind für die Zulässigkeit von Publikumswerbung und Preiswett- bewerb klare Grenzlinien durch das Arzneimittelangebot gezogen.

Sie sind so angelegt, daß die Be- ziehung Arzt/Patient und der Re- gelkreis Arzt/Apotheker/Arzneimit- tel/Patient/Arzt ungestört bleiben sollen:

> Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf außer bei Arzt und Apotheker nicht geworben werden.

> Die Preise für verschreibungs- pflichtige und apothekenpflichtige Arzneimittel sind in der ganzen Bundesrepublik gleich. Dies wird durch ein staatlich festgelegtes Preisbildungssystem bewerkstel- ligt, das der pharmazeutischen In- dustrie die Kalkulationsfreiheit läßt, aber den pharmazeutischen

Großhandel an Spannen mit Höchstgrenzen und die Apothe- ken an Spannen, die fest sind, bindet.

Wettbewerb im Arzneimittelmarkt findet nicht durch von Tag zu Tag und von Apotheke zu Apotheke wechselnde Preise für das gleiche Arzneimittel statt, sondern durch die Position, die ein Arzneimittel im Hinblick auf objektive Wirksam- keit und therapeutische Wertstel- lung 4.1 den Augen des Arztes und auf seine Wirtschaftlichkeit, d. h.

das Verhältnis seines Preises zum erzielten Nutzen, im Verhältnis zu einem vergleichbaren anderen Arzneimittel oder einer anderen therapeutischen Maßnahme im Angebot einnimmt. Formale recht- liche Gleichheit für alle Arznei- mittel schafft das Arzneimittelge- setz.

Seine Bestimmungen orientieren sich konsequent an dem Ziel eines Höchstmaßes an Sicherheit für den Anwender und den Verbrau- cher von Arzneimitteln. Für die Krankenkassen ergibt sich aus der Preisgleichheit eine klare Abrech- nungsgrundlage für Arzneimittel mit den Apotheken, fernerhin für sie, die Kassenärztlichen Vereini- gungen und für alle an der Kosten- beobachtung und Kostendämp- fung im Gesundheitswesen betei- ligten Ministerien, Institutionen und Verbände eine sichere statisti- sche Grundlage, von der aus ge- zielte Maßnahmen formuliert wer- den können.

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 17 vom 29. April 1983 65

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Patienten-Compliance

Eine „Neuerung"

mit unabsehbaren Folgen

Diese Grundlagen für die tägliche Praxis des Arztes scheinen durch eine Neuerung auf dem Arzneimit- telmarkt in Frage gestellt.

Am 15. Januar 1983 hat ein Arznei- mittelimporteur, der darauf spe- zialisiert ist, im Ausland herge- stellte Arzneimittel deutscher Pharmaunternehmen zu importie- ren und unter dem gleichen Na- men und in Konkurrenz zu den Inlandsprodukten auf den Markt zu bringen, damit begonnen, für einige Arzneimittel — es handelt sich dabei fast ausschließlich um häufig verschriebene Arzneimittel

— einen Apothekenabgabepreis in die Große Deutsche Spezialitäten- taxe (Lauer-Liste) eintragen zu las- sen, der bis zu circa 15 Prozent unter dem des deutschen Herstel- lers liegt.

Gleichzeitig wurden Krankenkas- sen und eine größere Zahl prakti- zierender Ärzte von dieser Firma über diesen Schritt unterrichtet.

Aufgrund der Arzneilieferverträge werden die Apotheken, falls sie Regresse vermeiden wollen, durch die Krankenkassenverbände ange- halten, die importierte Ware abzu- geben und abzurechnen.

Es ist abzusehen, daß die Zahl sol- cher Arzneimittel sich ausdehnt.

Jetzt schon ergeben sich eine Rei- he von Problemen und Bedenken, die Anlaß waren, einzelne Beob- achtungen zu sammeln und sie den zuständigen Ministerien und Behörden vorzutragen. Denn so- lange diese nicht mit der gebote- nen Exaktheit und Ausführlichkeit geklärt sind, kann weder vom Arzt noch vom Apotheker erwartet wer- den, daß sie beurteilen können, ob das verordnete und abzugebende Arzneimittel der Norm des Arznei- mittelgesetzes entspricht.

Beobachtungen und Fakten, Probleme und Bedenken

Nachfolgend wird eine Folge von Sachverhalten wiedergegeben:

• Bei den importierten Präparaten handelt es sich fast ausnahmslos um hochwirksame verschrei- bungspflichtige Arzneimittel. Die Patienten, bei denen sie angewen- det werden, sind durch Krankheit erhöht sensibilisiert. Arzt und Apo- theker sehen sich vor der Schwie- rigkeit,

— unterschiedliche Konfektionie- rung hinsichtlich Farbe und Schriftbild,

—unterschiedliche Verblisterung,

— unterschiedliche Beschriftung (z. B. Pomada = Salbe),

— unterschiedliche Verwendung von kindergesicherten Ver- schlüssen,

— unterschiedliche Packungs- größen

zu erklären, um Verweigerungen zu vermeiden.

• Einige Tabletten bzw. Dragees werden im Ausland anders einge- färbt als namensgleiche Präparate in der Bundesrepublik. Dies führt zu erheblichen Irritationen bei Pa- tienten, die nicht davon überzeugt werden können, daß es sich — trotz unterschiedlicher Farben — um ein gleiches Medikament handelte.

Unterschiedliche Farbgebung kann darüber hinaus als ein Hin- weis gewertet werden, daß es sich

— entgegen den Aussagen des Importeurs — nicht um ein Produkt gleicher Zusammensetzung han- delt. Es besteht deshalb Anlaß zu bezweifeln, ob die pharmakokine- tischen Eigenschaften und die Bioverfügbarkeit genau mit denen des deutschen Arzneimittels über- einstimmen.

• Bei den importierten Arzneimit- teln ist auf den beigelegten deut- schen Beipackzetteln die Bezeich- nung des Arzneimittels nicht an- gegeben. Es bestehen Zweifel, ob dies den Anforderungen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 AMG 1976 entspricht.

Ein Patient, der z. B. zwei unter-

schiedliche Medikamente ein- nimmt, ist vermutlich nicht zuver- lässig in der Lage, die Gebrauchs- informationen dem richtigen Arz- neimittel zuzuordnen.

• In einigen Fällen sind differie- rende Aussagen in den Ge- brauchsinformationen festzustel- len. So weist z. B. importiertes Ta- gamet® andere Angaben über mögliche Wechselwirkungen auf als das deutsche Präparat. Bei Bactrim forte® gibt es z. T. gegen- über dem deutschen Produkt ab- weichende Indikationsangaben.

• Die Verfalldaten erweisen sich als schwer identifizierbar. Dazu gehören:

—die Angabe von Verfalldaten auf Blistern oder Vignetten,

—der Hinweis auf dem Umkarton, daß das Verfalldatum auf dem Bli- sterstreifen angebracht ist. Dort erkennt aber nur der Fachmann, daß es sich bei dieser Angabe um den Herstellungstermin handelt und nicht um das Verfalldatum (Euglucon 5®).

Wenn vom Hersteller Verfalldaten für notwendig erachtet werden, dann sollten sie auch vom Patien- ten als Verfalldaten identifiziert werden können.

Es wurde im übrigen festgestellt, daß Produkte importiert worden sind, die laut Aussage des deut- schen Herstellers drei Jahre halt- bar sind, im Ausland aber schon im Jahre 1979 hergestellt wurden (z. B. Aktiferrin® Kps.).

• Packungsgrößen stimmen nicht überein. Z. B. bei Canesten®-Sal- be, Segontin'® 60 Drg. und Taga- met® 200 Tbl. sind andere Pak- kungsgrößen als die auf dem deut- schen Markt befindlichen einge- führt worden. Die ärztlich verord- nete Mengeneinheit muß aber Vor- rang vor dem niedrigen Preis für eine größere Menge haben. In die- sem Zusammenhang ist der Hin- weis angebracht, daß seit gerau- mer Zeit eine Normierung der Pak- 66 Heft 17 vom 29. April 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Patienten-Compliance

kungsgrößen (N 1 , N2 , N3) ange- strebt wird, um es dem Arzt zu ermöglichen, eine Erkrankung mit einer adäquaten Arzneimittelmen- ge kostengünstig zu therapieren und so u. a. auch Arzneimittelfehl- gebrauch zu vermeiden. Die Spit- zenverbände der gesetzlichen Krankenversicherung haben an diesen Normierungsempfehlun- gen entscheidend mitgewirkt. Die- se Bemühungen werden durch die Förderung des Absatzes impor- tierter nicht normengerechter Arz- neimittel konterkariert.

• In einigen Fällen werden Pak- kungseinheiten auf den Markt ge- bracht, die den fremdsprachigen Hinweis tragen „Teil einer An- staltspackung". Andererseits gibt es Beispiele, daß eine in der Bun- desrepublik Deutschland ge- bräuchliche Verkaufseinheit aus mehreren Kleinpackungen und einzelnen Blisterstreifen zusam- mengebastelt wird (z. B. Mo- denot®).

• Es liegt mittlerweile eine aus- führliche Dokumentation vor, die zeigt, daß trotz gegenteiliger Be- hauptung des Importeurs dieser nicht die von pharmazeutischen Großhändlern gewährleistete un- verzügliche Versorgung der Apo- theken mit Arzneimitteln bewälti- gen kann. Die Folge ist, daß Pa- tienten erheblich lange Wartezei- ten in Kauf nehmen müssen, bis sie ihr Arzneimittel zur Verfügung haben, wenn sie mit importierten Arzneimitteln versorgt werden sol- len. Der Apotheker wird nicht in der Lage sein, dem Arzt oder dem Patienten ein konkretes Abgabe- datum für das jeweils erwünschte Arzneimittel zu benennen. Es ist nicht einmal in jedem Fall abzu- schätzen, ob die ärztliche Verord- nung überhaupt mit Importware ausgeführt werden kann, weil dies von den Vorräten des Importeurs abhängt.

• Statistische Daten der europä- ischen Marktsituation ergeben, daß zur Zeit der inländische Be- darf nicht durch Überschuß- bzw.

Ausverkaufsware anderer Märkte gedeckt werden kann. Schätzun-

gen liegen zwischen 10 bis 60 Pro- zent Deckungsfähigkeit, bezogen auf den Bedarf an den einzelnen Arzneimitteln.

Das von den Krankenkassen ins Feld geführte Argument, daß Apo- theken zur Bevorratung verpflich- tet sind, greift nicht. Es bezieht sich auch nicht auf einzelne Arz- neimittel, sondern Indikations- gruppen. Wenn rechnerisch nach- weisbar die Menge der zur Verfü- gung stehenden Importware zu gering ist, um den akuten Bedarf zu decken, würde eine Bevorra- tung aus einem Überschuß auch kaum möglich sein.

Insgesamt stellen sich also Fragen zu der für die Patienten in Deutschland gewohnten schnel- len, genauen und gleichbleiben- den Versorgung mit Arzneimitteln.

Für namensgleiche Arzneimittel mehrere Preise?

Es ist davon auszugehen, daß wei- tere Firmen einen Import von Arz- neimitteln in Erwägung ziehen, um sie als „pharmazeutischer Un- ternehmer" im Sinne des Arznei- mittelgesetzes mit eigenem Preis in den Markt zu bringen. Dies könnte zur Folge haben, daß für namensgleiche Arzneimittel meh- rere Preise vorhanden sein wer- den. Die Krankenkassen würden die Apotheken aus den Arzneilie- ferungsverträgen zwingen, ohne Rücksicht auf die tatsächliche Be- schaffenheit des Arzneimittels das Präparat mit dem niedrigsten Preis zu beschaffen und abzuge- ben. Die damit verbundenen Kom- plikationen würden bei Ärzten und Patienten zu erheblichen Verunsi- cherungen führen.

Für das Thema Patienten-Com- pliance treten neue negative Kom- ponenten auf. Nicht unerhebli- cher Argumentationsaufwand wird auch in die Arztpraxen getra- gen, wenn klargemacht werden soll, daß Kostendämpfung bei Arz- neimitteln nun durch Auslands- produkte zu besorgen ist, auch

wenn sie nicht mit den Vorstellun- gen von Arzt und Patient überein- stimmen.

Die geordnete Arzneimittelversor- gung wird nicht unerheblich tan- giert werden, wenn sie ausschließ- lich unter marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten beurteilt und be- trieben wird. Sollte der einheitli- che Apothekenabgabepreis nicht mehr gewollt sein und die ein- gangs erwähnte gesundheitspoli- tische Prämisse nicht mehr gelten, so stellte dies eine politische Ent- scheidung von außerordentlicher Tragweite dar.

Vernünftige Kostendämpfung darf ordnungspolitische Eckwerte nicht beseitigen. Es gibt andere Möglichkeiten, wie die Entwick- lung der letzten Jahre im Zusam- menwirken der Beteiligten gezeigt hat.

Anschrift des Verfassers:

Dr. rer. nat. Christian Wehle Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung

Deutscher Apothekerverbände ABDA

Beethovenplatz 1-3 6000 Frankfurt am Main 97

ZITAT

Neues Tätigkeitsfeld

„Von dem Begriff der Ko- stenexplosion ist in der jüng- sten Vergangenheit eine so außerordentliche Faszina- tion ausgegangen, daß fast modeartig viele Inhaber wirt- schafts- und sozialwissen- schaftlicher Lehrstühle in diesem Bereich ein neues Tätigkeitsfeld gefunden ha- ben. Dabei hat mancher be- reits nach wenigen Monaten geglaubt, den Stein der Wei- sen gefunden zu haben."

Prof. Dr. rer. pol. Siegfried Eichhorn, Vorstandsmitglied des Deutschen Kranken- hausinstituts (DKI), Düssel- dorf

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 17 vom 29. April 1983 69

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