V A R I A
Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 25⏐⏐24. Juni 2005 AA1839
Sturz einer
Heimbewohnerin
Pflichten im Pflegeheim müssen vernünftig zu realisieren sein.
Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage beschäftigt, in welchem Umfang die Träger eines Pflegeheims für den Schutz der körperlichen Un- versehrtheit der Heimbewoh- ner verantwortlich sind.Geklagt hatte eine Krankenkasse gegen den Träger eines Altenpflege- wohnheims. Sie machte einen nach § 116 Absatz 1 SGB X übergegangenen Schadenser- satzanspruch einer verletzten Heimbewohnerin geltend.
Die Frau, hochgradig seh- behindert, zeitweise desori- entiert und der Pflegestufe 3 zugeordnet, war während der Mittagsruhe gefallen und hat- te sich eine Oberschenkel- halsfraktur zugezogen. Die Kasse war der Auffassung, das Pflegepersonal habe es ver- säumt, die Bewohnerin im
Bett zu fixieren, mindestens aber die Gitter hochzufahren.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hielt diesen Vorwurf für unbegründet. Die Bewoh- nerin sei bereits mehrfach ge- stürzt. Deshalb hätten allen- falls Sicherheitsmaßnahmen auf Dauer getroffen werden müssen, um die Gefahr eines Sturzes zu bannen. Dies hätte sie über längere Zeit regel- mäßig in ihrer Freiheit ein- geschränkt, was der Geneh- migung durch das Vormund- schaftsgericht bedurft hätte.
Nach Auffassung des Bundes- gerichtshofs ist ein Heim zwar verpflichtet, für die körperli- che Unversehrtheit der ihm anvertrauten Bewohner zu sorgen. Diese Pflichten sei- en allerdings begrenzt auf die üblichen Maßnahmen, die mit einem vernünftigen finan- ziellen und personellen Auf- wand realisierbar sind. Maß- stab müssten das Erforderli- che und das für die Heimbe- wohner und Pflegepersonal Zumutbare sein. (Bundesge- richtshof, Urteil vom 28.April 2005, Az.: III ZR 399) Be
Rechtsreport
Mittellose Patientin
Krankenhaus geht mit seiner Forderung leer aus.
Im vorliegenden Fall ging es um die finanziellen Folgen der Einlieferung einer nicht kran- kenversicherten Patientin als medizinischer Notfall in eine Klinik. Sie starb dort. Ihre ge- setzlichen Erben schlugen die Erbschaft aus. Das zuständige Sozialamt lehnte die Übernah- me der Behandlungskosten ab, da sich die erforderliche sozial- hilferechtliche Hilfsbedürftig- keit der Patientin nicht mit Si- cherheit feststellen lasse.
Die Klinik verklagt dar- aufhin die Bundesrepublik Deutschland auf den Ersatz ihrer Behandlungskosten in Höhe von circa 16 000 Euro.
Die Klage hatte vor dem Bun- desgerichtshof (BGH) jedoch keinen Erfolg. Aufopferungs- ansprüche setzen nach Auffas- sung des BGH Eingriffe in nicht vermögenswerte Rechts- güter voraus, wie Gesundheit, Freiheit oder Privatsphäre.
Hier gehe es allein um den Ausgleich von Vermögens- nachteilen. Grundsätzlich be- stehe eine gesetzliche Aus- gleichsregelung, der zufolge öf- fentlich-rechtliche Leistungs- ansprüche gegen einen Sozial- hilfeträger zuerkannt werden.
Danach ist demjenigen, der in einem Notfall einem anderen Hilfe gewährt, die Aufwen- dung im gebotenen Umfang zu finanzieren, zumindest wenn sie der Träger der Sozialhilfe bei rechtzeitiger Kenntnis auch gewährt hätte. Dies schließt, ei- nen Eilfall im sozialhilferecht- lichen Sinne vorausgesetzt, die notwendigen Kosten einer Krankenhausbehandlung ein.
Für den Krankenhausträ- ger war im vorliegenden Fall bei der geltenden Rechtslage allein nachteilig, dass er die Beweiskraft für die Hilfsbe- dürftigkeit des Patienten zu tragen hat. Vermutlich sind in nicht wenigen Fällen ähnliche Ansprüche gegen Sozialhilfe- träger nicht durchzusetzen.
(Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Februar 2005, Az.: III
ZR 330/04) Be