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Archiv "Nationale Impfkonferenz: Impfstrategien sollen vereinheitlicht werden" (20.03.2009)

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A546 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 12⏐⏐20. März 2009

P O L I T I K

U

nter der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten und auf Beschluss der Gesundheitsminister- konferenz trafen sich in der vorletz- ten Woche in Mainz erstmals alle am Impfwesen beteiligten Akteure zu einer nationalen Impfkonferenz.

Einen solchen Meinungsaustausch unter der Ägide der Politik hat es in der Bundesrepublik noch nie gege- ben. Die Gesundheitsministerkon- ferenz war vor zwei Jahren dem An- trag der rheinland-pfälzischen Ge- sundheitsministerin Malu Dreyer gefolgt und hatte sich auf regelmä- ßige nationale Impfkonferenzen ver- ständigt. Gleichzeitig war Rhein- land-Pfalz mit der Durchführung der ersten Konferenz beauftragt wor- den. Auf der Basis der jetzt erfolgten Beratungen soll nun ein nationaler Impfplan entwickelt werden, über den die Gesundheitsministerkonfe- renz im Juni beraten wird.

Dass das Impfen auf die Agenda der Politik gekommen ist, hat viele Gründe: Das Bundesgesundheitsmi-

nisterium hatte im vergangenen Jahr ein Programm zur Förderung der Kindergesundheit vorgelegt, bei dem die Verbesserung der Impfbereit- schaft erklärtes Ziel ist. Vor wenigen Wochen wurde Deutschland von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gerügt, dass es nicht genug für die Eradikation der Masern tue. Deutsch- land zählt neben Großbritannien, der Schweiz, Italien und Rumänien zu den Ländern mit den höchsten Erkrankungszahlen für Masern in Europa. Ministerin Dreyer verwies auf die wachsende Impfmüdigkeit in der Bevölkerung: Es werde unter- schätzt, dass nur eine hohe Herdim- munität Kollektivschutz biete.

Lücken bestehen bei den Auffrischimpfungen

Die Bundesländer folgen beim Imp- fen keiner einheitlichen Strategie.

Es wird nach einem dezentralen Sys- tem innerhalb der föderalen und subsidiären Strukturen des Gesund- heitswesens geimpft. Neben dem für

die Zulassung und Überwachung der Impfstoffe zuständigen Paul-Ehrlich- Institut (Langen) und der Ständigen Impfkommission am Robert-Koch- Institut (STIKO, Berlin) sind an die- sem System Ärzte, Krankenkassen und der öffentliche Gesundheitsdienst beteiligt. Zwischen diesen Gruppen gibt es keine klaren Absprachen über die geplanten Gesundheitsziele und wie sie zu erreichen sind. Ein vor zehn Jahren verabschiedetes 10- Punkte-Programm ist ohne Wirkung geblieben. Die STIKO entscheidet zwar, welche Impfungen im Interes- se des Gemeinwohls sind und wann geimpft werden soll, eine öffentliche Empfehlung können aber nur die Bundesländer abgeben, denen Ge- sundheitsfragen obliegen und deren Pflicht es ist, nach der Empfehlung für anerkannte Impfschäden zu haften.

Eine Übernahme der STIKO-Emp- fehlungen geschieht nicht automa- tisch, obwohl sie im Infektionsschutz- gesetz ausdrücklich gewünscht ist.

Lange Zeit war auch die Kosten- erstattung ein Problem. Das GKV- Wettbewerbsstärkungsgesetz hat die gesetzlichen Krankenkassen inzwi- schen dazu verpflichtet, die Kosten der von der STIKO empfohlenen Schutzimpfungen zu übernehmen.

Die Details wurden in der Schutz- impfungs-Richtlinie des Gemein- samen Bundesausschusses geregelt.

Zuvor waren Schutzimpfungen nur freiwillige Satzungsleistungen der Krankenkassen. Seit der Einführung der Erstattungspflicht werde wieder verstärkt geimpft, trotzdem gebe es noch deutliche Defizite, sagte Prof.

Dr. Reinhard Burger, Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts (RKI).

Lücken gebe es bei den Auffri- schungsimpfungen gegen Tetanus und Diphtherie, der Immunisierung gegen Keuchhusten und Hepatitis B sowie der zweiten Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln. Des- halb erreiche Deutschland nicht alle Gesundheitsziele der WHO, deren Unterstützung sie per Unterschrift zugesagt habe. Die Inzidenz von Diphtherie, Masern und Röteln soll unter eine Erkrankung pro eine Mil- lion Einwohner gesenkt werden, die für Haemophilus influenza Typ B (Hib), Mumps und Pertussis auf eine Erkrankung pro 100 000 Einwohner.

NATIONALE IMPFKONFERENZ

Impfstrategien sollen vereinheitlicht werden

Viele Akteure, viel Föderalismus, wenig Abstimmung:

Die Defizite beim Impfen verdeutlicht die jüngste Masernepidemie. Jetzt wurde erstmals über

Empfehlungen zu einem nationalen Impfplan beraten.

Foto:dpa

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A548 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 12⏐⏐20. März 2009

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Für Hib und Diphtherie erreiche Deutschland dieses Ziel, so Burger, für Masern nicht. Bei den Masern habe man mit derzeit elf Erkrankun- gen pro eine Million Einwohner ei- ne höhere Inzidenz. Für Mumps, Röteln und Pertussis gebe es keine Daten, auf deren Grundlage man das Erreichen des WHO-Gesundheits- ziels überprüfen könne.

Dialog auch mit den Impfkritikern gesucht

Bei der Entwicklung eines Impfkon- zepts gehe es nicht nur um den Ein- zelnen, sondern um die Bevölkerung, betonte Priv.-Doz. Dr. med. Gérard Krause (Leiter der Abteilung Infekti- onsepidemiologie am RKI). Deshalb müsse geklärt werden, wie die Aus- breitung der Zielkrankheit durch eine allgemeine Impfempfehlung beein- flusst werde und wie die bevölke- rungsbezogene Wirksamkeit eines Impfkonzepts gemessen werden kön- ne. Dazu seien Informationen zur Ansteckung, zum natürlichen Krank- heitsverlauf, zur Impfeffektivität und zur Durchimpfungsrate nötig.

Bei den Masern beruht die Erfas- sung der Erkrankungsfälle im we- sentlichen auf den nach dem Infekti- onsschutzgesetz erhobenen Melde- daten sowie der Tätigkeit der Ar- beitsgemeinschaft Masern und dem Nationalen Referenzzentrum Ma- sern, Mumps, Röteln. Rückschlüsse auf die Durchimpfungsraten lassen sich lediglich bei den Schulein- gangsuntersuchungen ziehen. Vier Jahre zu spät, wenn man Impflücken rechtzeitig schließen will. So erhal- ten zwar die meisten Säuglinge die erste Impfung gegen Masern, die zweite, wenige Monate später anfal- lende Impfung, wird aber bei weit- aus weniger Kindern durchgeführt.

Um die Masern ausrotten zu können, sind aber beide Impfungen sowie eine bevölkerungsweite Durchimp- fungsrate von mehr als 95 Prozent nötig. Eine gesetzliche Impfpflicht, wie die „No vaccination, no school“- Strategie der Vereinigten Staaten sei in Deutschland, so der WHO-Con- sultant Sieghart Dittmann (Berlin), wegen der gesetzlichen Hürden nicht durchsetzbar. Das Beispiel an- derer Länder zeige aber, dass Impf- ziele durch ein qualifiziertes Pro-

gramm-Management und eine gute Surveillance erreicht werden könn- ten. Das Erfassen der Impfraten werde jetzt auch durch den Doku- mentationsschlüssel aus der Schutz- impfungs-Richtlinie erleichtert. Seit letzten Sommer gelten einheitliche Impfziffern. Ein zusammen mit der Ziffer aufgeführter Buchstabe zeigt zudem, ob es sich bei der Impfung um die erste oder die letzte Dosis ei- nes Impfzyklus handelt oder um eine Auffrischungsimpfung.

Auf ausdrücklichen Wunsch der rheinland-pfälzischen Gesundheits- ministerin Malu Dreyer wurde bei der Konferenz in Mainz auch der Dialog mit den Impfkritikern ge- sucht. Anders als Impfgegner sind Impfkritiker nicht grundsätzlich ge- gen Vakzinierungen, sie plädieren aber für ein individuelles Vorgehen auf der Basis der Selbstbestimmung.

Die Zahl der strikten Impfgegner ist mit ein bis drei Prozent zwar gering, allerdings gelingt es ihnen immer wieder, viel Aufmerksamkeit zu er- zeugen. So konnte Dr. phil. Cornelia Betsch (Universität Erfurt) in einer Studie belegen, dass schon eine kur- ze Suche auf impfkritischen Seiten im Internet zu einer veränderten Risi- kowahrnehmung führen kann. Prof.

Dr. med. Fred Zepp (Universitätskin- derklinik Mainz) nannte Gründe für die mangelnde Impfbereitschaft: So werde die Senkung der Kindersterb- lichkeit nur der verbesserten Hygie- ne zugeschrieben, nicht auch den Impfungen. Schwere, mit den Krank- heiten verbundene Komplikationen, wie Hirnhautentzündungen oder Lähmungen, seien heute so selten

geworden, dass sie gar nicht mehr als Bedrohung wahrgenommen wür- den. Stattdessen nehme die Auffas- sung zu, es sei für ein Kind besser, eine Infektionskrankheit durchge- macht zu haben, als durch eine Imp- fung geschützt zu sein. Impfschäden, die durch alte Impfstoffe verursacht worden seien, würden den moder- nen Impfstoffen ungeachtet ihrer Weiterentwicklung angelastet. Sogar Erkrankungen, die einmal als mög- licher Impfschaden im Gespräch ge- wesen seien, mit der Impfung aber nichts zu tun hätten, seien oft wei- terhin der Grund für mangelnde Impfbereitschaft. Dass offengelegt werden soll, wie sich die Pharma- industrie an der Weiterentwicklung des Impfwesens beteiligt, wurde bei der Konferenz von allen Seiten be- tont, besonders auch von der Politik.

Der Kollektivschutz hat zu geringen Stellenwert

Prof. Dr. med. Georg Marckmann vom Institut für Ethik und Geschich- te der Medizin an der Universität Tübingen sprach über die ethische Pflicht zur Impfung, wobei offen- sichtlich zwei Prinzipien gelten: das des Nichtschadens und das des Wohl- tuns. Die ethische Pflicht, nicht zu schaden, greife nur bei Epidemien, da müsse die Bevölkerung zur Imp- fung verpflichtet werden. Ansons- ten gelte die Pflicht des Wohltuns.

Man tue etwas Gutes, indem man durch die Herdimmunität zum Kol- lektivschutz beitrage. Diesem ethi- schen Prinzip fühlen sich in unserer Gesellschaft aber offensichtlich im- mer weniger Menschen verpflichtet.

Obwohl in Mainz noch keine kon- kreten Empfehlungen für einen na- tionalen Impfplan formuliert wurden, gab Staatssekretär Christoph Haber- mann vom Gesundheitsministerium in Rheinland-Pfalz einen ersten Aus- blick. Es sollten konkrete Impfziele formuliert und für mehr Aufklärung und Transparenz gesorgt werden, um das Vertrauen in die Impfungen zu stärken. Und dann müssten die Ver- sorgungsforschung und die Surveil- lance verbessert werden, um den Impferfolg überprüfen zu können.

Nur so sei eine Weiterentwicklung der Impfkonzepte möglich.

Dr. rer. nat. Hildegard Kaulen

NATIONALER IMPFPLAN

Was die Konferenzteilnehmer für nötig hielten:

Benennung von konkreten Impfzielen, Maßnahmen, Akteuren, Verantwortlichkeiten

Konzepte für eine bessere Aufklärung

Maßnahmen zum Ausbau der Infektionsepidemiologie und der Surveillance

Bekenntnis zu einer öffentlich geförderten Versorgungs- forschung

Größtmögliche Transparenz durch Studienregister Konzepte für ein Fallmanagement bei Ausbrüchen Instrumente für die Erfolgskontrolle

Keine Aufzählung von Einzelmaßnahmen

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