Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 108|
Heft 15|
15. April 2011 A 813 Heftige Kritik an ihrem Rahmen-programm Gesundheitsforschung muss derzeit die Bundesregierung einstecken. „Gesundheitsforschung soll nicht der Wirtschaft dienen, sondern dem Menschen“, betonte René Röspel (SPD) bei einer Dis- kussion am 7. April im Bundestag.
In einem entsprechenden Antrag fordert die SPD die Bundesregierung auf, „deutlicher herauszuarbeiten, dass Gesundheitsforschung nicht in erster Linie dazu dient, ökonomisch verwertbare Ergebnisse zu produzie- ren“, sondern vielmehr dazu, Krank- heiten zu lindern und zu verhindern.
Das von der Bundesregierung Ende 2010 vorgelegte Rahmenprogramm enthalte einen „einseitigen Fokus auf ökonomische Verwertbarkeit und technikorientierte Lösungsan- sätze“. Ferner weise das Programm Defizite in der Pflege- und Dienst- leistungsforschung, in der interna- tionalen Gesundheitskooperation und bei der Finanzierung auf.
GESUNDHEITSFORSCHUNG
Rahmenprogramm in der Kritik
Bundesforschungsministerin An- nette Schavan (CDU) verteidigte indes das Programm. Wenn darin von „Translation und Wissenstrans- fer“ auf der Basis der Gesundheits- forschungszentren die Rede sei, ge- he es nicht um verkaufbare Produk- te, sondern um neue Leitlinien und Verbesserungen für Patienten.
Das Bundesforschungsministeri- um will bis 2014 etwa sechs Millio- nen Euro in das Programm und die Neugestaltung der Forschungsland- schaft in Deutschland investieren. ER Die Deutsche Gesellschaft für Or-
thopädie und Orthopädische Chir - urgie (DGOOC) hat mit dem Deutschen Endoprothesenregister (EPRD) die europaweite größte Da- tenbank zu künstlichen Hüft- und Kniegelenken gestartet.
Pro Jahr werden circa 400 000 Knie- und Hüftprothesen einge- setzt. Bei nahezu 35 000 dieser Operationen handelt es sich um den Austausch einer Endoprothese. Im EPRD sollen Angaben zu Kompli- kationen, die bei den verschiedenen künstlichen Hüft- und Kniegelen- ken auftreten, gesammelt werden.
„Im Mittelpunkt steht dabei, die Standzeit von Kunstgelenken zu dokumentieren, also die Zeit, in der ein neues Knie- oder Hüftgelenk ab der Operation im Körper verbleibt“, erklärte Prof. Dr. med. Joachim Hassenpflug, Geschäftsführer des EPRD. „Beispiele aus anderen Ländern zeigen, dass sich mit Hilfe GELENKERSATZ
Register für Endoprothesen gestartet
eines Endoprothesenregisters die Rate der vermeidbaren Wechsel- operationen deutlich senken lässt“, sagte Hassenpflug.
Die Daten für das Register liefern zum einen die beteiligten Kranken- kassen aus ihren Routinedaten. Zum anderen leiten Krankenhäuser die Informationen über ihre Hüft- und Kniegelenkoperationen pseudony- misiert an das EPRD weiter. „Das Register ermöglicht durch eine na- hezu flächendeckende Erfassung, dass Auffälligkeiten bei Produkten oder in Kliniken schnell erkannt werden“, erläuterte Joachim M.
Schmitt, Geschäftsführer und Vor- standsmitglied des Bundesverban- des Medizintechnologie.
Unterstützt wird das Projekt vom AOK-Bundesverband, dem Ver- band der Ersatzkassen (VDEK) und dem BVMed. Erste Ergebnisse des Endoprothesenregisters werden bis Ende 2013 erwartet. mei
Forschung nach Wirtschafts - interessen? Für die SPD geht das
„Rahmenprogramm Gesundheitsfor- schung“ in eine falsche Richtung.
Foto: Superbild
RANDNOTIZ
Birgit Hibbeler
Der Grundsatz gilt für viele Lebens- bereiche – von der Beziehung bis zur Personalplanung: Mit Zwang bin- det man niemanden, zumindest nicht langfristig. Wirklich hinter einer Sache steht nur, wer überzeugt ist.
Und nicht der, der überredet werden muss. Auch wenn das jeder weiß, hält sich die Idee einer „Landarzt- quote“ im Medizinstudium hartnä- ckig. In den Eckpunkten zum Versor- gungsgesetz taucht sie wieder auf:
Bewerber sollen sich verpflichten, nach Studium und Weiterbildung in
unterversorgten Gebieten ambulant zu arbeiten. Dann bekommen sie (auch ohne Einser-Abi) einen Studien- platz, geplant sind zudem Stipendien.
Zwar betont Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP), im Versor- gungsgesetz gehe es um Anreize, die Landarztquote klingt allerdings eher nach Zwang. Junge Menschen sollen im Alter von 18 oder 19 Jahren mit Bestimmtheit sagen, wo sie nach sechs Jahren Studium und weiteren fünf Jahren Facharztweiterbildung arbeiten wollen. Rösler sollte aus ei- gener Erfahrung wissen: Das gelingt nicht immer. Einst Medizinstudent bei der Bundeswehr, steht er heute schließlich nicht in einem Feldlaza- rett in Afghanistan, sondern muss die FDP retten. Und Rösler ist nicht der Einzige. Die Bundeswehr hat trotz ihres Verpflichtungsmodells in den letzten Jahren viele Ärzte ver - loren, die sich lieber „freikaufen“.
Auch die Bundesvertretung der Medizinstudierenden hat mehrfach klargestellt: Der Nachwuchs hat keine Lust auf Zwang – ob nun be- zogen auf ein Pflichtfach Allgemein - medizin im praktischen Jahr oder die Landarztquote. Übrigens: Eine der erfolgreichsten Publikumszeit- schriften derzeit heißt „Landlust“.
Unter dem Titel „Landzwang“ wäre sie wohl kein Renner geworden.