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Folgen der Grundversorgerbaisse

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Academic year: 2022

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Folgen der

Grundversorgerbaisse

Dass es sich nicht um gewöhnliche Kan- tonspolizisten handelte, sondern um eine hochprofessionelle Elitetruppe, merkte man daran, wie sie vorgingen. Innerhalb von Minuten hatten sie das Dreiergrüpplein Ärzte von den anderen Ärzten isoliert, ihnen Handschellen angelegt, die Münder mit breitem Scotch Tape verklebt und blickdichte Stoffsäcke über die Köpfe ge- stülpt. Die Feiernden bemerkten kaum, dass drei ihrer Kollegen während des Jahresapéros der kantonalen Ärzteschaft gefangen genommen und verschleppt wurden. Nur drei halbleere Champagner- gläser und ein angebissenes Lachshäpp- chen zeugten noch davon. Wenige Stun- den später wurden die drei Mediziner von ihren Docnappern wieder freigelassen und in neu renovierten Landpraxen mit jeglichem Komfort ausgewildert: der eine im Puschlav, der andere im Napfgebiet und der dritte im Luzerner Hinterland. Die Proteste der Verschleppten verhallten ungehört, sie wurden per Lex specialis gezwungen, dort weiter zu praktizieren.

Auch die eidgenössischen Behörden rea- gierten nicht mehr auf Vermisstenanzei- gen von Angehörigen oder Interpellatio- nen von Standesorganisationen, denn in den meisten Fällen waren sie selbst ja die Auftraggeber der Docnapper. Tatsächlich blieb den Regierungen in diesen Zeiten des Ärztemangels nichts anderes übrig, als zu harten Massnahmen zu greifen, um die Basisversorgung der Bevölkerung noch halbwegs sicherzustellen. Numerus clausus, Schliessung medizinischer Fakul-

täten, Zulassungsstopp, Plethorapolemik, Taxpunktsenkung und Feminisierung hat- ten zu einem so extremen Absinken der Ärztezahl geführt, dass es fast keine GrundversorgerInnen mehr gab und als Folge insbesondere bei der Landbevölke- rung die Morbidität und Mortalität stieg.

In den ersten Jahren hatte man die ver- waisten Schweizer Hausarztpraxen noch mit deutschen Migranten gefüllt, die in Deutschland leer stehenden Praxen mit Migranten aus östlichen Ländern und die in östlichen Ländern mit Ärzten aus noch östlicheren Ländern. Doch da internatio- nal die Gesundheitspolitik im Argen lag, besserte dies das weltweite Grundversor- gerdefizit nicht. Neben dem Docnapping, welches vor allem in armen Kantonen immer mehr ausuferte, blühte der Schwarzmarkt für Weisskittel in finanziell starken Regionen. Im Auftrag des USZ streiften Headhunter durchs Land und lockten MedizinstudentInnen mit lukra- tiven Arbeitsverträgen, die die unerträg- lichen Zustände an dieser Institution der öffentlichen Gesundheit erträglich machen sollten. Diesen so genannten

«Zeitärzten», die sich für zehn Jahre ver- pflichten, bot man neben horrenden Schwarzgeldhonoraren Dienstwohnungen am Dolderberg und die Mitgliedschaft in einer Zunft an, plus eine Reihe von fringe benefits, wie die Befreiung von sämtli- chen Steuerabgaben und Versicherungs- prämien. In den Kantonen Basel-Stadt und Genf sponsorten Pharmaindustrie, beziehungsweise Rotes Kreuz, ein halbes

Dutzend Allgemeinärzte, die so genann- ten «Stadtphysici». In der Zentralschweiz schloss der katholische Klerus in seine Gebete stets die Fürbitte «Und gib uns unseren Grundversorger!» ein. Besonders krass war der Chirurgenmangel. Man ver- suchte, ihn mit Ersatzleuten zu beheben:

Manuell geschickte Paramediziner und Ärzte anderer Fachrichtungen wurden in Lagern auf invasives Arbeiten umge- schult. Einige Operationen wurden von Robotern ausgeführt, denen ein MRI die anatomischen Daten der PatientInnen ein- gab und die mit Hilfe von aufwändiger Software operierten. Die Sozialversicherer engagierten Drückerkolonnen von sexy Hostessen und Boys, die Hausärzte an- warben, welche dann exklusiv für die je- weilige Krankenkasse arbeiteten. Luxus- produkte wie die «Zusatzversicherung mit garantierter Grundversorgung durch einen Grundversorger» fanden reissenden Ab- satz. Trotz sinkenden Gesundheitsstan- dards war die Stimmung in Bevölkerung und Ärzteschaft ausgezeichnet: Die Pa- tientInnen waren dankbar, wenn sie zum Arzt durften und zahlten gerne noch drauf. Politiker und Versicherungsfunktio- näre waren zuvorkommend und freund- lich zu Ärzten. Eine im Gesetz verankerte

«Ärzteimmunität» schützte die Mediziner vor unsinnigen Rechtsverfahren. Und auf einmal wurden sogar Junge, Alte, Dunkel- häutige, Aufmüpfige und Frauen mit Respekt behandelt – vorausgesetzt, sie er- klärten sich dazu bereit, Hausarztmedizin zu praktizieren …

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