War Newton Opfer einer Bleivergiftung?
War Sir Isaac Newton (1642 bis 1727) Opfer einer Vergiftung mit Blei, oder sind wir die Opfer im- mer feinerer Bestimmungsme- thoden? In Newtons Haaren wurde Blei nachgewiesen.
Ob der Bleigehalt der Haare et- was mit den Leiden Newtons, der hochbetagt gestorben ist, zu tun hat oder nur das Spiegelbild der damaligen Umweltbelastun- gen mit Blei wiedergibt, ist nicht bekannt.
Sie war übrigens sicherlich viel größer als heute, zumal in jener Zeit Bleirohre als Wasserleitun- gen in Europa gang und gäbe waren.
Immerhin hat Newton in dieser Zeit die Prinzipien der Mechanik und der Optik erforscht und bis heute unwidersprochene Grund- lagen in der Physik erarbeitet.
1692 zog er sich, wohl aus Anlaß einer depressiven Ver- stimmung, aus dem akademi- schen Betrieb zurück. Immerhin war er danach noch in zwei Wahlperioden Mitglied des Par- laments. EB
Die Information:
Bericht und Meinung
„Giftskandale"
fall der schulischen Leistungen, Lernfähigkeit usw. in einen ur- sächlichen Zusammenhang mit der Bleibelastung zu bringen.
Wie kann man ausschließen, daß in Gegenden mit hoher Bleibela- stung sich eben nur „unterprivile- gierte Schichten" ansiedeln, de- ren Leistungen einerseits auf- grund genetischer Determinanten, andererseits aber auch aus Grün- den der soziologischen und öko- nomischen Umwelt bei den ange- wendeten Untersuchungsmustern von vornherein geringer sind als diejenigen scheinbar vergleichba- rer Untersuchungskollektive aus anderen Gegenden?
Man kann auch ganz boshaft fra- gen, ob nicht etwa die Lehrer in diesen Regionen, die ja ganz aus- schlaggebend den Ausbildungs- stand, die Lernmotivation, das dis- ziplinare Verhalten usw. der Kin- der prägen, auch unter der erhöh- ten Bleibelastung zu leiden ha- ben . Oder ist dabei etwa zu be- denken, daß auch hier die soziolo- gische Schichtung Platz greifen könnte und in Zonen hoher Blei- belastung ganz unabhängig von einer Bleischädigung sich eben nur Lehrer vergleichsweise minde- rer Qualität ansiedeln?
Besserer Parameter:
Bleigehalt der Zähne
Bis auf die letztgenannte sind der- lei Überlegungen in einer der kürz- lich veröffentlichten Studien aus den Vereinigten Staaten von Needleman et al., die in Boston durchgeführt wurde (New England Journal of Medicine, 300, 689;
1979), offensichtlich mit berück- sichtigt worden. In der Studie wird von Verhaltensstörungen im Klas- senzimmer, Beeinträchtigungen der Lernfähigkeit und einem ver- ringerten IQ der mit Blei belaste- ten Kinder im Vergleich mit nicht belasteten berichtet. Die Bleibela- stung wurde in diesen Untersu- chungen übrigens anhand des
• Fortsetzung auf Seite 1752 miker, Geologen, Toxikologen,
Mediziner und Biologen. Am Ende wird auch hier ganz unausweich-
lich die Raumordnung diskutiert werden müssen, weil es langfristig ohne eine Entflechtung von Wohn- und Industriegebieten mit einer möglichen Immission von Schadstoffen einfach nicht gehen kann.
Wenn man den Versuch machen will, die Belastung der in der Um- gebung der Hütten in Goslar le- benden Menschen mit Blei abzu- schätzen, dann ist zunächst fest- zustellen, daß es nicht um die Ge- fahr einer akuten Bleivergiftung geht. Die Belastung der Bevölke- rung ist auch nicht so groß, daß sogenannte chronische Bleivergif- tungen zu befürchten sind. Inter- essant ist, daß der „Spiegel" (Nr.
12, 34, 17. März 1980) bei der „Do- kumentation" einer im Rahmen ei- ner chronischen Bleivergiftung auftretenden Lähmung der Arm- muskulatur (Radialis-Lähmung) auf ein Archiv-Bild von 1908 zu- rückgreifen mußte: Auch manife- ste chronische Bleivergiftungen sind hierzulande offensichtlich so selten geworden, daß sie kaum noch in Erscheinung treten.
Es geht um die Abschätzung des Risikos kleiner und kleinster Men- gen von Blei, die bislang als harm- los betrachtet wurden, die jedoch neuerdings in Zusammenhang mit einer möglichen Leistungsminde- rung in der Schule und in be- stimmten Intelligenztests bei Kin- dern diskutiert werden. Die Bewer- tung der Ergebnisse derartiger Studien über sogenannte „low dose-effects" von Blei sind Ge- genstand wissenschaftlicher Kon- troversen.
Derartige Untersuchungen wur- den in den siebziger Jahren in den Vereinigten Staaten wiederholt durchgeführt. Ihre Beweiskraft wurde jedoch immer wieder in Zweifel gezogen, weil es einfach unmöglich schien, die beobachte- ten Veränderungen der untersuch- ten Kinder, die Minderung der Konzentrationsschwäche, den Ab-
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 28 vom 10. Juli 1980 1751