D
ie Steuerreform der Bundesregierung darf auch Anleger nicht kalt- lassen, müssen sie sich doch auf einige gehörige Änderun- gen gefaßt machen. Fast alle, und das ist schon mal die schlechte Botschaft vorne- weg, haben bei der Besteue- rung von privaten Kapitaler- trägen ziemliche Verschär- fungen hinzunehmen.Die Sparerfreibeträge, noch vor ein paar Jahren mit großem Trara erhöht, wer- dem ab dem Jahrtausend- wechsel empfindlich gekürzt.
Der für Eheleute zur Zeit noch geltende Pauschalbetrag von 12 000 Mark für Zins- einkünfte aus Kapitalvermö- gen wird dann glatt halbiert.
Kursgewinne auf Aktien bleiben nach wie vor steuer- frei, aber nur, wenn sie außer- halb der Spekulationsfrist von einem Jahr (vorher sechs Mo- naten) erzielt werden. Aber
auch hier hat der Fiskus eine Leimrute ausgelegt, auf der Anleger leicht ausrutschen könnten.
Beispiel: Willi Wendig kaufte am 10. Juni 1998 ei- nen Haufen Aktien, und am 15. Dezember des gleichen Jahres sitzt der schlaue Willi auf einem Gewinn von 4 000 Mark. Am 16. Dezember wollte Wendig aber dann doch nicht verkaufen, obwohl er einen satten Ertrag hätte einstreichen können. Und das alles steuerfrei, weil ja ein halbes Jahr bereits verstri- chen war. Hätte, wäre . . .
Im April 1999 fallen nun aber Willis Aktien, und die Gewinne schmelzen auf nur noch 2 000 Mark. Der gute Wendig verkauft nun auf der Stelle seine Papierchen, um wenigstens noch ein paar gute Mark zu verbuchen.
Entsprechend groß ist sein Erstaunen, daß der Fiskus auf diesen Gewinn die Hand auf- hält, weil nun ja plötzlich die einjährige Spekulationsfrist greift.
Das Fazit für ähnlich be- troffene Anleger ist klar: Wer letztes Jahr Aktien gekauft hat und sie noch besitzt, un-
terliegt bereits der neuen einjährigen Spekulationsfrist und sollte demnach genau nachschauen, wann die für ihn günstige Steuerfreiheit für Kursgewinne denn nun tatsächlich eintritt.
Bei allem Ungemach über die neuen Steuerhürden kön- nen clevere Wertpapiersparer vom neuen Gesetz auch durchaus profitieren. Und das geht so: Wer in 1999 einen Spekulationsverlust „erzielt“, kann diesen mit Spekulati- onsgewinnen aus dem Vor- jahr und gegebenenfalls den Folgejahren verrechnen.
Wer ganz pfiffig ist, sor- tiert sein Depot nach Werten mit steuerfreien Kursgewin- nen und solchen, bei denen ein Verlust nicht zu vermei- den ist. So kann eine falsche Anlageentscheidung, weil der Fiskus mitbeteiligt wurde, am Ende doch noch ein bißchen Spaß bringen. Börsebius
[52] Deutsches Ärzteblatt 96,Heft 16, 23. April 1999
S C H L U S S P U N K T
Börsebius rund ums Geld
Der Fiskus
bittet zur Kasse
Post Scriptum
A
ls beim letztjährigen Ärzteturnier erstmals die lebende Schach- legende Viktor Kortschnoi, vielen durch seine WM-Du- elle gegen Karpow bekannt und trotz seiner inzwischen 68 Jahre immer noch einer der Weltbesten (mit aufstei- gender Tendenz!), sich den Ärzten zum Simultanspielstellte, eilte Dr. Ortmann eigens vorzeitig aus Buenos Aires zurück, um sich mit ihm zu messen. Ebenso war es für Dr. Kynaß ein großer
Moment. Aber dann . . . Vor lauter Aufregung hatte er seinen Schreibstift zur No- tation der Partie vergessen, und gerade sie sollte doch unbedingt erhalten bleiben.
Hören wir ihn selbst: „Die ersten drei Züge waren getan. Ich bat fieberhaft die neben mir kämpfenden Spieler, mir aus der Verle- genheit zu helfen. Umher- stehende Kiebitze, Orga- nisatoren . . . keiner hatte einen Stift. Zwischendurch tauchte Kortschnoi, der in höchster Eile seine Kon- trahenten beschäftigte, wie- der bei meinem Brett auf.
Immer noch kein Stift.
Welch ein Alptraum! End- lich fand sich ein Schreib- gerät, voller Freude eilte ich an mein Brett zurück. In
diesem Moment setzte mich mein großer Gegner matt.“
Da es gleichzeitig ein tra- gikomischer Reinfall ist (ich selbst verlor einmal so eine Blitzpartie) sei auch er der Nachwelt überliefert: 1. e4 c6 2. d4 d5 3. Sc3 dxe4 4. Sxe4 Sd7 5. De2 Sgf6?? (prinzipiell ein guter Entwicklungszug, nur leider nicht in diesem Augenblick) 6. Sd6 matt.
Dr. Kynaß: „Konsterniert enteilte ich schnell dem Ort.
Nicht die Tatsache des Ver- lustes, sondern wie kläglich dies geschah, ärgerte mich noch lange. In diesem Jahr hatte ich fünf Stifte ein- stecken . . . und gewann. Die Freude darüber, gegen einen der Größten – wenn auch nur im Simultan – bestanden zu haben, lohnte allemal die
weite Reise in das wunder- schöne Bad Homburg.“
Hier der entscheidende Moment, als Kortschnoi trotz seiner furchterregenden Ti- gerkrawatte sich der Macht der fünf Stifte beugen mußte.
Zuletzt hatte er mit sei- ner Dame Turm d8 und Läu- fer e5 gleichzeitig bedroht, zudem ist der Läufer b7 durch den weißen Turm an- gegriffen. Dr. Kynaß als Schwarzer am Zug fand den- noch einen Weg, nicht nur all seine Figuren zu retten, son- dern sogar selbst den Läufer d3 zu erobern. Wie?
Lösung:
Mein Gott,
wo ist ein Stift?
DR. MED. HELMUT PFLEGER
Die listige V erteidigung 1. ..
.f6!
schützte nicht nur Turm d8 und Läufer e5, sondern griff gleich-
zeitig die weiße Dame an. Nach
2.Dg4 indes rettete sich auch der zweite bedrohte Läufer mit
einem Damenangriff: 2.. ..
Lc8, so daß sich Kortschnoi nach
3.
Dh4 Tcxd3 bald geschlagen
gab. Kommentar der Ehefrau
Petra: „Viktor macht Ärzte glücklich.“ Der gute Mensch aus
der Schweiz!