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Archiv "Deutsches Zentralregister für kindliche Hörstörungen: Bilanz nach den ersten zwei Jahren" (08.01.1999)

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eit 1996 werden im Deutschen Zentralregister für kindliche Hörstörungen (DZH) bun- desweit Kinder mit permanenten Hörstörungen erfaßt. Mittlerwei- le beteiligen sich in Deutschland die meisten pädaudiologischen Fachabteilungen sowie eine be- trächtliche Zahl von in diesem Bereich diagnostisch tätigen Kol- leginnen und Kollegen an der Datenerhebung. Damit ver- spricht das DZH, einen wichtigen Beitrag zu leisten bei der Beant- wortung einer Vielzahl bisher of- fener Fragen (Textkasten). Durch Vergleich der gemeldeten Zahlen in verschiedenen Regionen ist in naher Zukunft eine Abschätzung der Inzidenz persistierender Hörstörungen im Kindesalter in Deutschland möglich. Daneben bietet das Register die Ausgangs- basis für weiterführende wissen- schaftliche Studien zur besseren Ver- sorgung kindlicher Hörstörungen.

Der Aufbau des DZH hat inter- national große Beachtung gefunden.

In anderen europäischen Ländern (Finnland, Großbritannien, Italien, Österreich, Polen, Portugal, Tschechi- en, Rußland, Ungarn, Schweiz) sollen nach diesem Vorbild gleiche Register

aufgebaut werden, in denen ein analo- ger oder sehr ähnlicher Fragebogen verwendet wird. Dies läßt zukünftig internationale Vergleichsstudien zu.

Bisher kann die Zahl permanent hörgestörter Kinder in Deutschland nur grob geschätzt werden. Weltweit liegt die Häufigkeit kindlicher Hör- störungen zwischen 0,9 und 13 Pro-

zent (1, 2, 3, 4). Das Ausmaß steht in enger Wechselbeziehung zu dem je- weiligen Stand der medizinischen Versorgung. So finden sich in Ent-

wicklungsländern wesentlich häufiger permanente Hörstörungen aufgrund entzündlicher Innenohrschädigung und ototoxischer Einflüsse (4, 5).

Die schwerwiegenden Konse- quenzen einer permanenten kindlichen Hörstörung werden in der Bevölke- rung weitgehend unterschätzt. Betrof- fene ohne assoziierte Anomalien wir-

Deutsches Zentralregister für kindliche Hörstörungen

Bilanz nach den ersten zwei Jahren

Manfred Gross Ute Finckh-Krämer Maria-Elisabeth Spormann-Lagodzinski

Seit April 1996 sammelt und speichert das Deutsche Zen- tralregister für kindliche Hörstörungen bundesweit eine Reihe von Informationen zu persistierenden Hörstörungen des Kindesalters. Alle audiologisch Tätigen sind aufgefor- dert, jedes permanent hörgeschädigte Kind an das Deutsche Zentralregister für kindliche Hörstörungen zu melden. Ziel ist eine flächendeckende Erfassung sämtlicher betroffener Kinder in Deutschland. Durch die Beantwortung zusätzli-

cher Detailfragen ist es möglich, ein sehr differenziertes Bild über die Hör-

störung im Kindesalter zu skizzieren. Alle Landesdaten- schutzbeauftragten haben das Verfahren geprüft und für ei- ne sehr hohe Datensicherheit Sorge getragen.

Schlüsselwörter: Hörstörungen im Kindesalter, Datenschutz, Deutsches Zentralregister für kindliche Hörstörungen, Hör- störungsgrad, Diagnosealter

ZUSAMMENFASSUNG

German Register for Childhood Hearing Loss

Since April 1996, the German Register for Hearing Loss in Children collects and stores countrywide data on persisting hearing loss in children. Everyone working in audiology is requested to report cases to the German Register. The aim is to cover all affected children in Germany. By an- swering additional questions, it is possible to get a detailed

picture of childhood hearing loss. The data protection commissioners of all German states

have checked the procedure and taken care to establish a high degree of data protection.

Key words: Hearing loss in children, data protection, Ger- man Register for Hearing Loss in Children, extend of hear- ing loss, age of diagnosis

SUMMARY

S

Klinik für Audiologie und Phoniatrie (Leiter:

Prof. Dr. med. Manfred Gross), Freie Univer- sität Berlin

Auswahl offener Fragen im Zusammenhang mit kindlichen Hörstörungen 䊳Wie häufig sind kindliche Hörstörungen in Deutschland?

䊳Wie häufig sind die einzelnen Ursachen kindlicher Hörstörungen, und wie sind die jeweiligen Hörstörungen entstanden?

䊳In welchem Prozentsatz ist mit einem Fortschreiten der Hörstörung zu rechnen?

䊳In welchem Prozentsatz treten im Zusammenhang mit Syndromen zusätzlich Krankheitszeichen auf (zum Beispiel Erblindung, Nierenversagen, Herzstillstand, Krampfanfälle etc.)?

䊳Wie hoch ist das Risiko, daß weitere Kinder der betroffenen Familien diese Erkrankung haben werden?

䊳Durch welche Maßnahmen können kindliche Hörstörungen eher erkannt und behandelt werden?

䊳Unter welchen Bedingungen wird eine lautsprachliche Kommunikation möglich sein?

䊳Gibt es geeignetere Rehabilitationsverfahren, vor allem zur lautsprachlichen Förderung?

(2)

Abbildung 1: Ersterhebungsbogen des Deutschen Zentralregisters für kindliche Hörstörungen

(3)

ken nicht krank. Beeinträchtigte Kom- munikationsfähigkeit ist besonders bei kleinen Kindern nicht auffällig, zumal im ersten Lebensjahr die sprachlichen Fähigkeiten physiologisch stark redu- ziert sind und die Sprachentwicklung individuell extremen Schwankungen unterliegt. Mangelnde Hörreaktionen werden häufig als Vertieftheit in spiele- rische Aktivität oder individuelle Ei- genheit ohne bedeutsamen Hinter- grund fehlinterpretiert. Zudem haben

hörgestörte Kinder häufig Ersatzstrate- gien entwickelt, verfügen über ein überdurchschnittlich großes Situations- verständnis und wirken teils durch kon- zentrierten Blickkontakt besonders zu- gewandt. Vielfältige Deprivationsstu- dien (6, 7, 8, 9, 10) haben gezeigt, daß ohne (neural) weitergeleitete Stimuli in den ersten drei bis fünf Lebensjahren die Synapsensprossung und die Ausrei- fung des auditorischen Kortex nicht stattfinden. Schon nach wenigen Mo-

naten akustischer Stimulusreduktion kommt es im frühen Kindesalter daher zu irreversiblen Schäden. Dabei bleibt unerheblich, welcher Hörstörungstyp dieser Deprivation zugrunde liegt (11, 12). Legt man Prävalenzangaben aus anderen europäischen Ländern zu- grunde (1, 2, 3), so gibt es in der Bun- desrepublik Deutschland derzeit zwi- schen 20 000 und 35 000 Kinder und Ju- gendliche mit einer Hörstörung von mindestens 40 dB (HL) auf dem besser hörenden Ohr. Die Zahl der Kinder, deren Kom- munikationsfähigkeit auf- grund auditiver Defizite dauerhaft beeinträchtigt ist, wird jedoch wesentlich höher eingeschätzt. Denn bereits ab einem Hörver- lust von 25 dB (HL) auf dem besser hörenden Ohr über mehr als drei Mona- te können irreversible Schäden auftreten.

Die Problematik ver- schärft sich, wenn assozi- ierte Anomalien vorlie- gen. Im Kindesalter sind solche multifaktoriellen Erkrankungen mit einer Kombination aus Hör- störung und beispielswei- se Erblindung, Nierenin- suffizienz oder Dysmor- phien im Kopf-Hals-Be-

01 02 03 04 06 07 08 09 10 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 78 79 80 8182 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99

90 80 70 60 50 40 30 20 10 0

Region Anzahl Patienten

Grafik 1

Im DZH erfaßte Patienten (1 669) nach Regionen (erste zwei Ziffern der Postleitzahl)

160 140 120 100 80 60 40 20 0

1962 '66 '67 '68 '70 '71 '73 '74 '75 '76 '77 '78 '79 '80 '81 '82 '83 '84 '85 '86 '87 '88 '89 '90 '91 '92 '93 '94 '95 '96 '97 '98 Anzahl Patienten

1 1 2 1 1 2 2 1 5

12 8 6 14 20

33 40 44 57

76 95 93

117 151156

144136

90 106

125

86

43

1

Jahrgang Grafik 2

Im DZH erfaßte Patienten (1 669) nach Geburtsjahrgängen

(4)

reich, relativ gesehen, wesentlich häu- figer als im Erwachsenenalter (13).

Die zuvor geschilderte Situation verdeutlicht, welche Bedeutung eine Beschaffung zusätzlicher Informatio- nen besitzt, auf deren Grundlage me- dizinisch-wissenschaftliche und gege- benenfalls auch gesundheitspoliti- sche Maßnahmen ergriffen werden könnten. Dies war Anlaß, das Deut- sche Zentralregister für kindliche Hörstörungen (DZH) zu gründen.

Hier sollen geeignete Informationen gesammelt, ausgewertet und für wei- terführende Forschungsvorhaben be- reitgehalten werden. Da viele hörge- störte Kinder zur pädaudiologischen Diagnostik und Therapie in weit von ihrem Wohnort entfernte Einrichtun- gen überwiesen werden und auch das

Vorkommen extrem seltener mit Hörstörungen verbundener Syndro- me in Deutschland dokumentiert werden soll, ist eine flächendeckende Erfassung in ganz Deutschland not- wendig, um erstmals repräsentative Aussagen zuzulassen. Um die bisher fehlenden grundlegenden epidemio- logischen Daten zu kindlichen Hör- störungen zu ermitteln, ist zudem ei- ne langfristige Erhebung und Spei- cherung von Daten erforderlich.

Bevor das Deutsche Zentralregi- ster für kindliche Hörstörungen seine Arbeit aufnehmen konnte, wurde ein Erhebungsbogen entwickelt und in ei- ner Pilotphase mit einigen wenigen Kooperationspartnern auf Praktika- bilität getestet. Dabei wurde entschieden, die ursprünglich wesentlich größere Zahl an Fra- gen auf eine DIN-A4-Seite zu reduzieren. Parallel dazu wurde bei dem Berliner Datenschutz- beauftragten die datenschutz- rechtliche Prüfung beantragt.

Die Erfahrungen der Pilotphase und kleine Änderungswünsche des Landesdatenschutzbeauf- tragten bildeten die Basis für die endgültige Fassung des Ersterhebungsbogens. Diese wurde gemäß den Anforderun- gen des Berliner Datenschutz- beauftragten ein weiteres Mal leicht modifiziert, so daß von seiner Seite keine Bedenken mehr bestanden. Auf dieser Grundlage wurde für die Über- mittlung von Daten aus anderen Bundesländern das erforderliche Prü- fungsverfahren bei der Konferenz der Länder-Datenschutzbeauftragten ein- geleitet. Unter Berücksichtigung wei- terer Modifikationswünsche der an- deren Landesdatenschutzbeauftrag- ten konnte das Verfahren im Sommer 1996 abgeschlossen und mit der bun- desweiten Erhebung begonnen wer- den. Abbildung 1zeigt die endgültige Fassung des Ersterhebungsbogens.

Die Erfahrung hat gezeigt, daß Eltern mit hörgestörten Kindern von der Diagnose einer schwerwiegen- den Hörstörung bei ihrem Kind so erschüttert sind, daß sie einen ausge- prägten Wunsch nach einer Zweit- meinung haben. Da die Eltern oft nicht mitteilen, daß bereits an ande- rer Stelle eine Hörstörung diagnosti- ziert wurde, besteht die Gefahr einer beträchtlichen Verzerrung epide- miologischer Daten. Schon aus die- sem Grund war es dringend erfor- derlich, die erhobenen Informatio- nen personenbeziehbar zu erfassen, um Doppelmeldungen auszusch- ließen. Eine langfristige Erhebung und Speicherung macht ein schriftli- ches Einverständnis der Patienten beziehungsweise ihrer gesetzlichen Vertreter erforderlich. Die persönli-

chen Daten (Name und Adresse) sind auf dem Ersterhebungsbogen so angeordnet, daß sie nach Eingabe in den Computer abgetrennt werden können. Eine Durchschrift des Er- sterhebungsbogens bleibt in der Pa-

tientenakte, dokumentiert die über- mittelten Daten und erlaubt gegebe- nenfalls die spätere Nachmeldung neu hinzugekommener Informatio- nen. Gleichzeitig ist der Durchschlag eine kompakte Zusammenfassung der wichtigsten Daten zu Anamnese, Befund, diagnostischen und thera- peutischen Maßnahmen und somit eine hervorragende Grundlage für einen ausführlichen Arztbericht.

Nach Vorgabe der Datenschutzbe- auftragten werden die Daten nicht elektronisch (Fax oder E-mail), son- dern nur auf dem normalen Postweg übermittelt. An der Registerstelle in Berlin werden die Daten in eine Ac- cess 2.0 Datenbank eingegeben, die unmittelbar personenbeziehbaren Daten (Name und Adresse) von den übrigen Daten getrennt und auf Dis- kette separat unter Verschluß aufbe- wahrt. Als Verbindungsschlüssel dient eine Identifikationszahl aus 11 Buchstaben und Ziffern, die nach dem Vorschlag des Berliner Daten- schutzbeauftragten automatisiert von der Datentrennung erzeugt wird. Da gleiche Stammdaten glei- che I-Zahlen ergeben, werden even- tuelle Doppelmeldungen zuverlässig erkannt.

Anzahl Patienten

60 15

1 600 1 400 1 200 1 000 800 600 400 200

0Schalleitung

> 25 dB sensori-

neural kombiniert zentral 125

Hörstörungstyp 1 508 Grafik 3

Grafik 3: Aufschlüsselung nach Art der Hörstörung (1 669 Patienten, in Einzelfällen Doppelzählung durch unterschiedlichen Hörstörungstyp auf rechtem und linkem Ohr)

resthörig bzw. taub (>=95 dBHL)

34 %

hochgradig (70–94 dBHL)

17 %

mittel (40–69 dBHL)

30 % leicht (<=40 dBHL)

19 % Grafik 4

Aufschlüsselung nach Grad des Hörverlustes (beidseitig hörge- störte Patienten mit Angaben zum Hörverlust, n = 1 436)

resthörig bzw. taub (95 dB [HL])

34 %

leicht (40 dB [HL])

19 %

hochgradig (70 – 94 dB [HL])

17 %

mittel (40 – 69 dB [HL])

30 %

(5)

Wie werden die Informationen an das Zentralregister gemeldet?

In einer Vorstudie wurden alle Mitglieder der Deutschen Gesell- schaft für Phoniatrie und Pädaudiolo- gie und alle HNO-Kliniken befragt, ob sie selbst Hörgeräteversorgungen bei Kindern vornehmen beziehungs- weise wer dies im jeweiligen Umkreis von 50 Kilometern vornimmt. Es re- sultierte eine Liste von zirka 220 au- diologisch Tätigen, die in Deutsch- land Kinder mit Hörgeräten versor- gen. Diese potentiellen Kooperati- onspartner werden regelmäßig ange- schrieben.

Meldungen von Informationen an das Deutsche Zentralregister für kind- liche Hörstörungen erfolgen in zwei Schritten. In Anlehnung an ein be- währtes pädiatrisches Meldesystem namens ESPED (14) wird im ersten Schritt monatlich lediglich die Zahl neu diagnostizierter Fälle mit persi- stierender kindlicher Hörstörung er- fragt und von den beteiligten Koope- rationspartnern auf entsprechend vor- bereiteten Postkarten an das Zentral- register für kindliche Hörstörungen gemeldet. Anhand der Postkarten- rückantworten des ersten Erfassungs- schrittes läßt sich die Zahl der insge- samt erstdiagnostizierten Fälle mit ei- ner wesentlich höheren Genauigkeit als bisher abschätzen. Im zweiten Schritt wird der detaillierte Erst- erhebungsbogen an die meldende Stelle geschickt mit der Bitte, die er- fragten Detailinformationen zu lie- fern. Der Zeitaufwand für die Ant- wort per Meldekarte ist niedrig, so daß hierbei die Mitarbeit für die Koopera- tionspartner besonders leicht realisiert wird. Alle Kooperationspartner wer- den mit selbstdurchschreibenden Er- fassungsbögen, Einverständniserklär- ungen und Informationsmaterial für die Eltern hörgeschädigter Kinder ausgestattet. Zusätzlich wird seitens des DZH ein unter Windows zu instal- lierendes Computerprogramm zur Verfügung gestellt, das neben der ver- einfachten Datenerfassung automa- tisch einen ausführlichen individuellen Arztbericht erstellt und die Daten für den Versand an das DZH auf Diskette kopiert. Weiterhin wird auf Anforde-

rung ein Videofilm (20 min, Farbe, voll untertitelt) zur Aufklärung über die Tätigkeit des DZH kostenlos zur Ver- fügung gestellt. Die einfache zahlen- mäßige Auswertung der Ergebnisse erfolgt kontinuierlich, und alle teil- nehmenden Kooperationspartner er- halten in regelmäßigen Abständen ei- ne Rückmeldung über die Resultate des eigenen Patientenkollektivs im Vergleich zu den Ergebnissen des Ge- samtkollektivs.

Ergebnisse

Bis zum 31. März 1998 wurden 1 669 Kinder, 776 Mädchen (46,5 Pro- zent) und 893 Jungen (53,5 Prozent), an das DZH gemeldet.

Von den zirka 220 verschickten Meldekarten wurden nach einer An- laufphase jeweils etwa 120 zurückge- sandt (Rücklaufquote zirka 55 Pro- zent). Detaillierte Ersterhebungsbö- gen übermittelten in den ersten zwölf Monaten insgesamt 47 Kooperations- partner; inzwischen (März 1998) sind es 70. Die Zahl der Kooperationspart- ner steigt also, und in einigen Regio-

nen ist bereits eine hundertprozentige Erfassung der Zahl der Erstdiagnosen gewährleistet. Grafik 1zeigt eine Auf- gliederung der vom Deutschen Zen- tralregister erfaßten Patienten nach Postleitzahlregionen.

Die höchste Zahl gemeldeter Fälle stammt bisher aus Berlin, was auf den Zeitvorsprung bei der Erfassung zurückzuführen ist. Die Verteilung wird sich im Laufe der Zeit mit Sicher- heit nivellieren. Naturgemäß haben nur sehr wenige Kooperationspartner mehr als fünf erstdiagnostizierte Pati- enten pro Monat melden können, wor- aus sich unmittelbar ableiten läßt, daß das Deutsche Zentralregister für kind- liche Hörstörungen nur dann zu reprä- sentativen Ergebnissen gelangt, wenn sich möglichst alle auf diesem Gebiet Tätigen aktiv beteiligen. Es genügt nicht, sich nur auf Ko- operationspartner mit hohen Patientenzahlen zu konzen- trieren, sondern jede einzelne Meldung ist wichtig.

In Grafik 2ist die Vertei- lung der bisher erfaßten Pati- enten nach Geburtsjahrgang dargestellt. Momentan sind besonders viele Kinder der Geburtsjahrgänge 1989 und 1990 erfaßt. Dies liegt einer- seits daran, daß für das DZH auch retrospektiv Daten er- hoben werden, andererseits daran, daß leichte oder einsei- tige Hörstörungen oft erst um die Einschulung herum dia- gnostiziert werden(Grafik 5).

Die Verteilung der Hörstörungstypen ist in Gra- fik 3wiedergegeben. Der An- teil von Schalleitungsschwer- hörigkeiten ist mit derzeit 60 gemeldeten Fällen sehr ge- ring. Andererseits ist die Zahl nicht verwunderlich, da ganz bewußt nur nach persistieren- den Hörstörungen gefragt wird. Passagere Schalleitungsschwer- hörigkeiten, auch Paukenhöhlener- guß, Otitis media und andere, sind ausgeklammert. Die größte Gruppe bilden erfahrungsgemäß die sensori- neuralen Hörstörungen.

Grafik 4gibt die Aufschlüsselung nach dem Grad der Hörstörung wie- der. Dabei wird die Einteilung nach der gegenwärtig üblichen Nomenklatur Anzahl Patienten

Grad des Hörverlustes 10

9 8 7 6 5 4 3 2 1

0 resthörig

bzw. taub (ab 95 dB(HL)) hochgradig

(70–94 dB(HL)) mittel

(40–69 dB(HL)) leicht

(25–40 dB(HL))

Mittelwert Alter bei Vermutung Mittelwert Alter bei Diagnose Mittelwert Alter bei Therapiebeginn Grafik 5

Durchschnittliches Alter bei erstem Verdacht auf Vorliegen einer Hörstörung, Sicherstellung der Diagnose und Therapiebeginn (gruppiert nach Grad der Hörstörung; Auswertung aller 934 Da- tensätze von beidseitig hörgestörten Kindern, bei denen jeweils Angaben zu Monat und Jahr verfügbar sind). Die Fehlerbalken ge- ben die Standardabweichungen an

Alter (Jahre)

leicht (25 – 40 dB [HL])

mittel (40 – 69 dB [HL])

hochgradig (70 – 94 dB [HL])

resthörig bzw. taub (ab 95 dB [HL])

(6)

mit leicht, mittel, hochgradig, resthörig beziehungsweise taub und den zu- gehörigen Hörverlusten vorgenom- men. Auch wenn hier ein relativ hoher Anteil leichtgradiger Hörstörungen zu erkennen ist, so ist der Prozentsatz resthöriger oder tauber Patienten we- sentlich höher als bei Hörstörungen des Erwachsenenalters. Durch die be- sonders intensive retrospektive Erfas- sung von Kindern mit CI sind resthöri- ge Patienten derzeit allerdings vermut- lich überrepräsentiert.

Grafik 5 gibt Aufschluß über das Alter bei erster Vermutung der Hör- störung, bei Diagnose und Therapiebe- ginn in Abhängigkeit vom Hör- störungsgrad. Dargestellt sind die Mittelwerte und Standardabwei- chungen. Besonders auffällig ist die hohe Streuung in bezug auf das Alter bei Therapiebeginn. Mit zu- nehmendem Grad der Hörstörung liegen die Zeitpunkte für die erste Vermutung der Hörstörung, Dia- gnose und Therapiebeginn deut- lich früher. Dennoch ist evident, daß die Zeitpunkte in den einzel- nen Gruppen deutlich voneinan- der abweichen. Hier besteht offen- bar dringender Handlungsbedarf, diese Zeitpunkte künftig in we- sentlich geringere Lebensalter zu verlagern.

Grafik 6zeigt die Aufgliede- rung nach der vermutlichen Ursa- che der Hörstörung. Bisher ist sie nur bei einem Anteil von 55,3 Prozent der Patienten bekannt. In 22,2 Prozent der Fälle ist von der übermit- telnden Stelle die Hörminderung als erworben und in 20,9 Prozent als gene- tisch bedingt angegeben; weitere 12,3 Prozent lassen sich aufgrund der anamnestischen Angaben in vermut- lich erworbene (2,5 Prozent) bezie- hungsweise vermutlich genetisch be- dingte (9,8 Prozent) aufgliedern. Mit 44,7 Prozent bleibt eine erschreckend große Gruppe ätiologisch ungeklärt.

Ausblick

Trotz einer guten Zuarbeit einer Reihe von Kooperationspartnern ist die Rücklaufquote derzeit insgesamt noch zu niedrig, um von repräsentati- ven Werten sprechen zu können. Je Kooperationspartner ist die gemel-

dete Zahl von neuen Erstdiagnosen persistierender kindlicher Hör- störungen erfahrungsgemäß sehr niedrig und liegt meistens bei null bis fünf Fällen pro Monat.

Aus diesem Grund ist es erfor- derlich, jeden einzelnen Patienten an das Deutsche Zentralregister für kindliche Hörstörungen zu melden.

Die Datenerfassung an größeren Zen- tren alleine würde keinen vollständi- gen Überblick zulassen. Erst durch das Zusammenwirken sehr vieler Ko- operationspartner wird ein repräsen- tatives Gesamtergebnis möglich.

Das Deutsche Zentralregister

für kindliche Hörstörungen ist unse- res Wissens – abgesehen von diversen Tumor- und Krebsregistern, die auf Grundlage des Krebsregistergesetzes aufgebaut oder in eine neue Form überführt werden – eines von derzeit vier medizinischen Registern (außer dem Deutschen Zentralregister für kindliche Hörstörungen: die Register QuasiNiere, Qualitätssicherung Mu- koviszidose, Endoprothesenregister), die in Deutschland überregional per- sonenbeziehbare Daten erheben.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1998; 95: A-45–50 [Heft 1-2]

Literatur

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Anschrift für die Verfasser

Prof. Dr. med. Manfred Gross Klinik für Audiologie und Phoniatrie Registrierstelle des Deutschen Zentralregisters für kindliche Hörstörungen

Universitätsklinikum Benjamin Franklin Freie Universität Berlin Fabeckstraße 62–64 14195 Berlin vermutlich

erworben 2,5 % erworben

22,2 %

genetisch 20,9 % vermutlich

genetisch 9,8 % unbekannt

44,7 % Grafik 6

Aufschlüsselung nach vermutlicher Ursache der Hörstörung (n = 1 669)

Danksagung

Besonderer Dank gilt allen Kooperationspart- nern, die ohne jegliche Aufwandsentschädi- gung betroffene Kinder an das Deutsche Zen- tralregister für kindliche Hörstörungen mel- den. Nur diesem Idealismus ist es zu verdan- ken, daß das DZH einen wesentlichen Bei- trag zur Verbesserung der Situation hörge- schädigter Kinder leisten kann.

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