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Archiv "Interleukine: Lösliche Mediatoren der zellulären Immunität" (18.07.1988)

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Interleukine

Lösliche Mediatoren

der zellulären Immunität

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Stefan H. E, Kaufmann

Die zelluläre Immunität, die in allen Bereichen der kör- pereigenen Abwehr eine wesentliche Rolle spielt, hängt entscheidend von der komplexen Wechsel- wirkung zwischen ver- schiedenen Leukozyten- Populationen ab. In dieses zelluläre Kommunikations- netz sind häufig lösliche Botenstoffe - die Interleu- kine - zwischengeschal- tet. Die gentechnologische Produktion mehrerer Inter- leukine hat es ermöglicht, mit definierten Molekülen in das Immungeschehen einzugreifen. Dies könnte auf die Therapie von Infek- tion, Immundefizienz, Auto- aggression und Malignität tiefgreifende Auswirkun- gen haben.

F

ür die tägliche Ausein- andersetzung des Orga- nismus mit Fremdkör- pern ist die zelluläre Immunität von grundle- gender Bedeutung. Tumoren, Transplantate sowie Infektionen mit Viren, intrazellulären Bakterien, Pilzen und Parasiten werden auf die- se Weise bekämpft. Die spezifischen Träger der zellulären Immunität sind die T-Lymphozyten, die zusätz- lich noch die durch Antikörper ver- mittelte humorale Immunantwort kontrollieren.

T-Lymphozyten können auf Grund verschiedener Kriterien in

Interleukin - ein Sammelbegriff

Der Begriff soll auf die Ur- sprungszelle, den T-Lymphozyten, hindeuten. Analog dazu werden Faktoren, die von mononukleären Phagozyten gebildet werden und ebenfalls in das Immungeschehen eingreifen, als Monokine bezeich- net. Lymphokine und Monokine fungieren als Botenstoffe zwischen verschiedenen Leukozyten. Um die- ser Eigenschaft gerecht zu werden, setzt sich immer mehr der Begriff In- terleukine durch. Da häufig aber auch andere Zellen an diesem Kom- munikationsnetz beteiligt sind, wird manchmal auch der Begriff Zytoki- ne benutzt.

Interleukine sind Polypeptide, welche die Kommunikation zwi- schen verschiedenen Zelltypen er- möglichen. Sie werden von der pro- duzierenden Zelle in das Umfeld ab- gegeben und wirken über einen Re- zeptor auf die Zielzelle. Interleukine besitzen keine Enzymaktivität und ähneln in vielerlei Hinsicht Poly-

drei distinkte Untergruppen aufge- teilt werden, die entsprechend ihrer funktionellen Eigenschaften als Hel- fer-T-Zellen, zytolytische T-Zellen und Suppressor-T-Zellen bezeichnet werden (Tabelle). Helfer-T-Lym- phozyten sind in der Lage, in ande- ren Zellen eine Funktion abzurufen.

Dies geschieht jedoch nicht über di- rekten Zell-Zell-Kontakt. Vielmehr sondern die Helfer-T-Zellen nach antigenspezifischer Stimulierung lös- liche Mediatoren — die Lymphokine

— ab, welche dann antigenunspezi- fisch auf die Zielzellen einwirken.

Es sind die Lymphokine, die letzt- endlich die T-Zell-Hilfe vermitteln.

peptid-Wachstumgshormonen. Der Schwerpunkt der Interleukinwir- kung liegt jedoch auf dem Immunsy- stem. Diese Definition gliedert nie- dermolekulare Produkte, wie die von Makrophagen produzierten Arachidonsäure- und Sauerstoff- Metabolite , sowie klassische Enzy- me, wie die ebenfalls von Makro- phagen sezernierten lysosomalen Proteasen, aus. Schwieriger wird es dagegen beim Interferon und Kom- plement, welche zwar von Makro- phagen gebildete Polypeptide dar- stellen und auch an der Kommuni- kation innerhalb des Immunsystems teilnehmen können, aber auf Grund ihrer gut definierten Primärfunktion (Virusabwehr beziehungsweise Komplementaktivierung) in das In- terleukinsystem im engeren Sinne nicht mit einbezogen werden.

Man versucht, neu beschriebene Interleukine, welche nicht nur funk- Abteilung für Medizinische

Mikrobiologie und Immunologie (Leiter Professor Dr. med.

Hermann Wagner), Universität Ulm Dt. Ärztebl. 85, Heft 28/29, 18. Juli 1988 (37) A-2069

(2)

Tabelle: Die wichtigsten ,T-Zellpopulationen und ihre Funktionen T-Zellpopulationen

Helfer-T-Zelle

Phänotyp CD4

Funktion Zielzell-Aktivierung über Lymphokine

Rolle

Hilfe bei fast allen Immunreaktionen CD8

CD8 Zytolytische T-Zelle

Suppressor-T-Zelle

Zielzell-Lyse über direkten Zellkontakt Zielzell-Unterdrückung

Abtötung von virusinfizierten Zellen, Tumorzellen, Transplantaten

Kontrolle zahlreicher Immunreaktionen tionell definiert, sondern auch struk-

turell bekannt sind und möglichst in klonierter Form vorliegen, einheit- lich zu benennen, indem man ihnen die Bezeichnung IL-1, IL-2 etc. gibt.

Interleukine, deren funktionell ge- prägter Name sich bereits eingebür- gert hat, werden von dieser Verein- heitlichung jedoch ausgenommen, auch wenn ihre Struktur bekannt ist.

Beispiele hierfür sind das Interfe- ron-y (IFN-y) und der Tumor-Ne- krose-Faktor (TNF). Diese strenge IL-Definition könnte sich noch än- dern. So wurde aufgrund des Be- funds, daß IFNß2 (ein Fibroblasten- Interferon) unter anderem auch B- Zellen stimulieren kann, vorgeschla- gen, dieses mit IL-6 zu bezeichnen.

Wichtige Interleukine

Die wichtigsten Interleukine sind in der Abbildung zusammenge- faßt (1).

IL-1 ist ein Monokin, von dem man annimmt, daß es für die Akti- vierung von Helfer-T-Zellen wichtig ist (2). Heute weiß man aber auch, daß IL-1 mit dem endogenen Pyro- gen identisch ist und neben Fieber weitere Entzündungsreaktionen aus- lösen kann. IL-1 dürfte somit eine wesentliche Rolle bei der Entzün- dung spielen.

IL-2 ist ein Lymphokin mit der Fähigkeit, T-Zellen im Wachstum zu halten und hieß daher früher T-cell growth factor (3). Es ist für die Ent- wicklung zytolytischer T-Lymphozy- ten von essentieller Bedeutung, scheint aber auch auf B-Zellen zu wirken. IL-2 könnte zur Stimulie- rung einer ungenügenden T-Zell- Antwort zum Beispiel bei zellulärer Immundefizienz, therapeutisch ein- gesetzt werden.

IL-3 induziert die Leukozyten- Reifung aus pluripotenten Knochen- markstammzellen und heißt auch multi colony stimulating factor (Multi-CSF) (4). Andere Faktoren des auf die Hämopoese wirkenden CSF-Systems führen selektiv die Reifung von Granulozyten und Ma- krophagen (GM-CSF), Granulozy- ten (G-CSF) oder Makrophagen (M- CSF) herbei. Das Potential dieser Interleukine dürfte in der Therapie von Hämopoese-Störungen liegen.

IL-4 ist ein Differenzierungs- und Wachstumsfaktor für B-Lym- phozyten, der früher B-cell stimula- ting factor 1 (BSF-1) oder B-cell growth factor I (BCGF I) hieß. Un- ter geeigneten Bedingungen bewirkt IL-4 die Sekretion von IgGl- und IgE-Antikörpern. IL-4 wirkt außer- dem auf T-Lymphozyten, Makro- phagen und besonders auch auf Mastzellen. Da IgE- und IgGl-Anti- körper sowie Mastzellen Uberemp- findlichkeitsreaktionen vom Sofort- typ vermitteln, könnte IL-4 für die Allergieforschung Bedeutung erlan- gen.

IL-5 hieß früher T-cell replacing factor (TRF) oder B cell growth fac- tor II (BCGF II). Es wirkt — ähnlich wie IL-4 — auf B-Zellen differenzie- rungsfördernd. Die Zielzellen des IL-5 befinden sich aber in einem rei- feren Entwicklungszustand. Bemer- kenswert ist hier wiederum, daß auch IL-5 nicht nur auf B-Zellen, sondern auch auf T-Lymphozyten und besonders auch auf eosinophile Granulozyten wirkt.

IFN-y, das zusammen mit IFN-a und IFN-ß zur Interferon-Familie gehört, wird von T-Lymphozyten produziert (6). Alle Interferone be- sitzen antivirale Aktivität und spie- len daher bei der Infektabwehr ge-

gen Viren eine wesentliche Rolle.

Beim IFN-y dominiert aber die im- munregulatorische Aktivität, so daß es ein typisches Lymphokin dar- stellt. IFN-y besitzt u. a. die Fähig- keit, in Makrophagen und Natural- Killer-Zellen gesteigerte Effektor- funktionen hervorzurufen. Der zu- künftige Einsatzbereich von IFN-y könnte die Behandlung bestimmter Tumoren und Virusinfektionen sein.

TNF ist ein Monokin mit stark nekrotisierender Wirkung auf Tu- morzellen (7). Es wirkt in vielerlei Hinsicht ähnlich wie I1-1 und sollte für die Entzündungsreaktion gene- relle Bedeutung haben. TNF könnte zur Behandlung bestimmter Tumo- ren in Frage kommen. Es zeigt aber nicht nur tumorizide Wirkung, son- dern bewirkt auch allgemeine Man- gelerscheinungen und scheint mit Kachektin identisch zu sein.

Lymphotoxin (LT) ist ein Lym- phokin mit zytotoxischer Wirkung, das mit TNF sowohl funktionelle als auch strukturelle Ähnlichkeit be- sitzt (8). Man hat daher vorgeschla- gen, LT als TNF-ß und Makropha- gen-TNF als TNF-a zu bezeich- nen.

MAF und MIF, der Makropha- gen aktivierende Faktor und Migra- tion-Inhibitions-Faktor, , gehören zu den am längsten bekannten Lym- phokinen. Dennoch ist die Identität dieser Faktoren noch immer nicht völlig geklärt. MAF aktiviert Ma- krophagen zu gesteigerter Tumorizi- die und Bakterizidie, und MIF hemmt die Wanderung von Makro- phagen in vitro.

Obwohl IFN-y MAF- und MIF- Eigenschaften besitzt, ist die Exi- stenz weiterer Faktoren mit MAF- und MIF-Aktivität nicht auszu- schließen.

A-2070 (38) Dt. Ärztebl. 85, Heft 28/29, 18. Juli 1988

(3)

Zell-Destruktion

7 . Zell-Destruktion Zell-Destruktion

A

Differenzierung j„-•

Leukozyten- Reifung Zell-Destruktion

... •••

• --- t I ,•'

TNF-ct

Entzündung

Differenzierung von Mastzellen

4A

Antikörper- Produktion

Makrophagen-Aktivierung

Differenzierung von Eosinophilen

1

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Mögliche Einsatzbereiche von Interleukinen

Auf Grund ihrer hohen biologi- schen Wirkung und der Möglichkeit zur Großproduktion bieten sich re- kombinante Interleukine als Kandi- daten für eine immunologisch orien- tierte Therapie neoplastischer, in- fektiöser, autoaggressiver oder im- mungestörter Erkrankungen an. In der Tat wird der mögliche Einsatz von Interleukinen zur Zeit massiv experimentell bearbeitet und zum Teil auch bereits in klinischen Stu- dien untersucht. Im Prinzip ist an drei Einsatzarten zu denken:

Erstens: direkte Applikation von Interleukinen. Bei diesem ge- radlinigen und am weitesten fortge- schrittenen Vorgehen soll versucht werden, das Immunsystem durch In- terleukin-Gabe in geeigneter Weise zu modulieren. Hier ist zum Beispiel an die In-situ-Aktivierung von Ef- fektorzellen wie Makrophagen oder Natural-Killer-Zellen zur Bekämp- fung von Tumoren oder Virus- infektionen besonders bei Immun- geschwächten zu denken. Da das Wirkspektrum der Interleukine aber meist breiter ist als erwünscht, sind Nebenwirkungen unvermeidlich.

Weiterhin kann nicht ausgeschlossen werden, daß künstlich aktivierte Ef- fektorzellen auch gesunde Wirtszel- len attackieren.

Zweitens: In-vito-Aktivierung von Effektorzellen und deren an- schließende Applikation. Bei die- sem Vorgehen soll die Interleukin- Wirkung auf die Effektorzellen be- schränkt werden, um das Risiko un- erwünschter Nebenwirkungen zu verringern. Dadurch können die In- terleukin-Konzentrationen deutlich erhöht werden. Nach adoptivem Transfer in-vitro-aktivierter autolo- ger Effektorzellen sollen diese ihre biologische Aktivität in vivo entfal- ten. Das bekannteste Beispiel hier- für sind die lymphokine activated killer cells (LAK-Zellen).

Drittens: Vakzinierung mit In- terleukin exprimierenden Impfstäm- men: Dieser Ansatz ist noch völlig hypothetisch. Es ist aber technisch möglich, rekombinante Impfstämme (zum Beispiel Vaccinia-Viren) her- zustellen, die neben dem gewünsch- ten Antigen auch Interleukine expri- mieren. Auf diese Weise könnte die Immunogenität des Impfstoffs dra- stisch erhöht werden. Das könnte die Erfolgschancen für einen Impf- stoff aus besonders schwachen Anti- genen (beispielsweise Tumorantige- nen) wie auch die Möglichkeiten für eine Impfung immungeschwächter Zielgruppen (wie AIDS-Patienten) deutlich verbessern.

Während der letzte der drei ge- nannten Bereiche bis zu einem Ein- satz in der Praxis noch einen langen

Abbildung: Das biologische Aktivitätsspektrum der Interleukine.

Die dargestellten Interleukine liegen alle in klonierter Form vor.

Abkürzungen: Mo = mononukleärer Phagozyt; TH = Helfer-T-Lymphozyt;

ZTL = zytolytischer T-Lymphozyt;

G = Granulozyt;

KMV = Knochenmarkvorläuferzelle;

B = B-Lymphozyt; M = Mastzelle;

E = eosinophiler Granulozyt

Weg vor sich haben wird, sind die beiden anderen bei bestimmten In- dikationen in greifbare Nähe ge- rückt. Einer vierten Möglichkeit — nämlich durch direkte Reparatur von Interleukin-Genen bestimmte Immundefekte zu beheben — stehen indessen nach derzeitigem Erkennt- nisstand ethische, politische und rechtliche Gründe entgegen.

Literatur

1. Kaufmann, S. H. E.: Lymphokine, Interleu- kine, Zytokine• Funktion und Wirkmecha- nismus, Immun. Infekt. 5 (1987) 127 2. Dumm, S. K., Schmidt, J. A., Oppenheim,

J. J.: Interleukin 1: an immunological per- spective, Ann. Rev. Immunol. 3 (1985) 263 3. Smith, K. A.: Interleukin 2, Ann. Rev. Im-

munol. 2 (1984) 319

4. Metcalf, D.: The granulocyte-macrophage colony stimulating factors. Cell 43 (1985) 5 5. Paul, W. E., Ohara, J.: B cell stirnulatory

factor 1/Interleukin 4. Ann. Rev. Immunol.

5 (1987) 429

6. Trinchieri, G., Perussia, B.: Immune Inter- feron: a pleiotropic lymphokine with mul- tiple effects. Immunol. Today 6 (1985) 131 7. Old, L. J.: Tumor necrosis factor (TNF). Sci-

ence 230 (1985) 630

8. Buddle, N. H.: Lymphotoxin redux. Immu- nol. Today 6 (1985) 156

Anschrift des Verfassers

Professor Dr.

Stefan H. E. Kaufmann Universität Ulm

Abteilung für Medizinische Mikrobiologie und

Immunologie Oberer Eselsberg 7900 Ulm

A-2072 (40) Dt. Ärztebl. 85, Heft 28/29, 18. Juli 1988

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