Aufbewahrung von Unterlagen in der Arztpraxis
Z
um Jahresende stellt sich für jeden Arzt wieder die wichtige Frage, welche Unterlagen und Papiere er aus seiner Praxis entfernen und vernichten kann. Die „Pa- pierberge" nehmen Platz weg, der eventuell besser ge- nutzt werden kann. So bringt die Durchforstung des Ar- chivs auch wirtschaftliche Vorteile und schafft Raum, um die aktuellen Papiere schneller griffbereit zu ha- ben.Pflicht zur Aufbewahrung aus steuerlichen Gründen Die steuerliche Aufbe- wahrungspflicht ergibt sich für den Arzt aus der allge- meinen Ordnungsvorschrift des § 147 AO, welche die Aufbewahrung von Unterla- gen für das Finanzamt regelt.
Demzufolge hat der Arzt oder das Krankenhaus die folgenden Unterlagen geord- net aufzubewahren:
a) Bücher und Aufzeich- nungen, Inventare, Bilanzen sowie die zu ihrem Verständ- nis erforderlichen Arbeitsan- weisungen und sonstigen Or- ganisationsunterlagen,
b) Empfangene Handels- oder Geschäftsbriefe sowie Wiedergaben der abgesand- ten,
c) Buchungsbelege.
Die Unterlagen von a) hat der Arzt zehn Jahre lang auf- zubewahren, die von b) und c) sechs Jahre lang. Die zehn- bzw. sechsjährige Aufbewah- rungsfrist beginnt gemäß
§ 147 Abs. IV AO mit dem Schluß des Kalenderjahres, in dem die letzte Eintragung in das Buch gemacht, das In- ventar aufgestellt oder der Handels- oder Geschäftsbrief empfangen worden ist, ferner Aufzeichnungen vorgenom- men oder sonstige Unterla- gen entstanden sind.
Außer den genannten Un- terlagen sind nach § 147 Abs.
1 Nr. 5 AO auch noch soge- nannte sonstige Unterlagen steuerrechtlich ebenfalls sechs Jahre lang aufzubewahren, soweit sie für die Besteue- rung von Bedeutung sind.
Das ist der Fall, wenn sie für die Feststellung bzw. Über- prüfung der Besteuerungs- grundlagen (also z. B. Um- satz oder Gewinn) des steuer- pflichtigen Arztes Anhalts- werte oder Informationen ge- ben. Die steuerrechtliche Aufbewahrungspflicht der folgenden Unterlagen ist je- weils nach diesen Grundsät- zen zu beurteilen:
• Laborbefunde
• zytologische Abstriche
• Krankenjournale
• Karteikarten, ärztliche und Karteikartenunterlagen
• Röntgenbefunde und -aufnahmen, Kardiotokogra- phiebefunde, EKG
• Arztbriefe und Epikri- sen
• Unfallunterlagen für die Krankenkassen oder für die Berufsgenossenschaften
• Gutachten
• Krankenblattunterla- gen.
Rein medizinische Teile aus Unterlagen wie beispiels- weise EKG, Röntgen- und Laborbefunde fallen jedoch nicht unter die hier erörterte steuerrechtliche Aufbewah- rungspflicht. Die Frage, ob bzw. inwieweit eine Aufbe- wahrungspflicht nach außer- steuerlichen Vorschriften be- steht, soll im nächsten Ab- schnitt näher untersucht wer- den. Auch die anderen aufge- führten – also nicht rein oder primär medizinischen – Un- terlagen unterliegen nicht grundsätzlich der steuerli- chen Aufbewahrungspflicht, da darin ausschließlich solche Eintragungen enthalten sind, auf die sich das Recht des Arztes auf Auskunftsverwei- gerung nach § 102 Absatz I Nr. 3 c der Abgabenordnung erstreckt (vgl. dazu den BFH- Beschluß vom 11. 12. 1957, BStBl. 1958 III, Seite 86).
Das Finanzamt kann je- doch, wenn es berechtigte Zweifel an der Richtigkeit und Ordnungsmäßigkeit der Buchführung (Aufzeichnun-
gen) des Arztes hat, diesem zum Beispiel aufgeben, in ge- eigneter Form Auszüge und Zusammenstellungen über die einzelnen Besuche und sonstigen Leistungen aus sei- ner Patientenkartei mit Na- mensangaben für die Zwecke der Nachprüfung durch das Finanzamt zu erstellen. Die geforderten Angaben werden sich in erster Linie auf die fi- nanziellen Beziehungen zu den behandelten Patienten beschränken. Hierbei ist je- doch das Auskunftsverlangen des Finanzamtes bzw. des Betriebsprüfers wie bei allen Ermessensentscheidungen an die Grundsätze von Recht und Billigkeit gebunden (vgl.
dazu BFH-Urteil vom 12. 6. 1957, BStBl. 1957, III, S. 268 unter Nr. III).
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Abgabenordnung:
Fristen genau prüfen Außer den bisher geschil- derten Grundsätzen zur steu- erlichen Aufbewahrungs- pflicht von Unterlagen, die in der ärztlichen Praxis oder in einem Krankenhausbetrieb anfallen, sollte der Arzt noch folgende Besonderheiten be- achten:
• Nach einer beendeten steuerlichen Außenprüfung (vgl. §§ 193 ff A0), aufgrund derer für die geprüften Jahre die Steuern endgültig veran- lagt wurden, ist es nicht in al- len Fällen möglich, die be- treffenden Belege und Auf- zeichnungen gleich zu ver- nichten. Vielmehr muß auch in solchen Fällen geprüft wer- den, ob die genannten Fri- sten von 10 oder 6 Jahren ab- gelaufen sind. Erst dann ist dem Gesetz Genüge getan.
• Eine weitere Beson- derheit ergibt sich aus § 169 AO. Danach hat die Finanz- verwaltung vier Jahre lang Zeit, um zum Beispiel die Einkommensteuer endgültig zu veranlagen (vgl. § 169 Ab-
satz 2 Nr. 2 AO). Diese Vier- jahresfrist rechnet vom Be- ginn des Jahres ab, in dem die betreffende Steuererklä- rung abgegeben wurde.
Durch eine verspätete Abga- be der Steuererklärung und die erwähnte vierjährige Festsetzungsverjährung kann sich u. U. eine längere als sechsjährige Aufbewahrungs- frist ergeben. Denn die Auf- bewahrungsfrist beginnt steu- erlich erst mit dem Ablauf desjenigen Kalenderjahres, in dem die Steuern, für wel- che die Unterlagen und Ak- ten bedeutungsvoll sind, vom Finanzamt auch rechtskräftig veranlagt wurden.
Auch für die vom steuer- pflichtigen Arzt mit Rechts- behelfen angefochtenen Steuerbescheide gibt es eine Besonderheit. Denn auch in diesen Fällen verlängert sich die Aufbewahrungsfrist. In solchen Fällen müssen die entsprechenden Belege bis zum Ende des Kalenderjah- res aufbewahrt werden, in dem die Einspruchs- oder Finanzgerichtsentscheidung rechtskräftig wurde.
Jeder Arzt sollte sich überlegen, ob er nicht die Hilfsmittel der modernen Technik zur Aufbewahrung von Unterlagen in Anspruch nehmen kann, wie z. B. eige- ne Mikroverfilmung. Für be- stimmte Teile der Geschäfts- unterlagen bietet sich eine solche rationelle und raum- sparende Technik durchaus an. Inzwischen ist es ja mög- lich, daß auch kleinere Arzt- praxen ihre EDV-Dokumen- te z. B. vom Bildschirm auf Mikrofilm übertragen lassen können. Bei einer Mikrover- filmung muß jedoch sicherge- stellt sein, daß sich die Verfil- mung nach den sogenannten
„Grundsätzen für die Auf- zeichnung gesetzlich aufbe- wahrungspflichtiger Unterla- gen auf Bildträgern" orien- tiert. Um dies zu gewährlei- sten, ist darüber ein kurzes Protokoll anzufertigen.
Hingewiesen sei schließ- lich noch auf die Besonder- heiten bei EDV-Buchfüh- rung. Bei dieser Form müs- sen eventuell umfangreiche A-170 (62) Dt. Ärztebl. 85, Heft 4, 28. Januar 1988
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Programmdokumente, An- weisungen und Datenflußauf- zeichnungen aufbewahrt wer- den. Die Pflichten zur Aufbe- wahrung all dieser Unterla- gen können jedoch u. U.
auch auf den Programmher- steller übertragen werden.
Pflicht zur Aufbewahrung aus außersteuerlichen Gründen
Neben den steuerlichen Vorschriften zur Aufbewah- rung hat der Arzt bei Patien- ten- und Krankenunterlagen auch noch außersteuerliche Vorschriften zu beachten. So beantwortet sich die Frage, wie lange ein Arzt seine Pa- tientenunterlagen aufbewah- ren muß, zum einen aus öf- fentlich-rechtlichen und zum
anderen aus privatrechtlichen Vorschriften. Öffentlich- rechtliche Vorschriften über Mindest-Aufbewahrungsfri- sten für Krankenunterlagen finden sich zum Beispiel in den folgenden Gesetzen:
Röntgenverordnung Diese Verordnung aus dem Jahre 1973 (BGBl. 1973, I, S.
173) bestimmt in ihrem § 29 Abs. IV, daß der Betreiber einer Röntgeneinrichtung Aufzeichnungen über seine Röntgenbehandlungen 30 Jahre nach der letzten Be- handlung, über Röntgenun- tersuchungen 10 Jahre nach der letzten Untersuchung aufzubewahren hat.
Strahlenschutzverordnung Nach § 43 Abs. III dieser Verordnung aus dem Jahre 1976 (vgl. BGBl. I 1976, S.
2905) sind Aufzeichnungen
über die Untersuchung mit radioaktiven Stoffen oder ionisierenden Strahlen 10 Jahre, Aufzeichnungen über die Behandlung mit solchen Stoffen bzw. Strahlen 30 Jah- re nach der letzten Untersu- chung oder Behandlung auf- zubewahren.
Geschlechtskrankengesetz Aufzeichnungen über die Be- handlung von Geschlechts- kranken sind nach § 10 Ab- satz I S. 2 des Geschlechts- krankengesetzes i. V. mit § 2 Abs. 3 der Zweiten DVO zum Geschlechtskrankenge- setz insgesamt 5 Jahre aufzu- bewahren.
Richtlinien für die Bestel- lung von Durchgangsärzten
Besondere öffentlich- rechtliche Aufbewahrungs- pflichten bestehen weiter auf- grund der Bestimmung C 4
der sog. „Richtlinien für die Bestellung von Durchgangs- ärzten" in der Fassung vom 1. 4. 1982. Danach ist jeder Durchgangsarzt verpflichtet, alle Unterlagen über das Durchgangsarztverfahren — einschließlich der Röntgen- bilder — mindestens 15 Jahre lang aufzubewahren.
Berufsordnung für die Ärzte
Für die in Krankenhäu- sern angestellten und beam- teten Ärzte gelten ferner die besonderen berufsrechtlichen Bestimmungen. So sind nach der ärztlichen Berufsordnung die ärztlichen Aufzeichnun- gen mindestens 10 Jahre nach dem Abschluß der Behand- lung aufzubewahren, es sei denn, die gesetzlichen Vor- schriften — oder die ärztliche Erfahrung — gebieten im je- Dt. Ärztebl. 85, Heft 4, 28. Januar 1988 (63) A-171
Nehmen wir mal an, Sie haben eine Tochter erwartet und zwei Söhne bekommen
DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
weiligen Einzelfalle eine län- gere Aufbewahrung (vgl.
§ 11 Abs. 2 MuBO).
Die niedergelegten öffent- lich-rechtlichen Aufbewah- rungsvorschriften für Patien- tenunterlagen lassen jedoch die Verjährungsfristen des Bürgerlichen Gesetzbuches unberührt. So verjähren zivil- rechtliche Ansprüche des Pa- tienten gegen seinen Arzt aus dem Behandlungsvertrage nach 30 Jahren (vgl. § 195 BGB). Nach der Rechtspre- chung des Bundesgerichtsho- fes (vgl. dazu z. B. das BGH- Urteil vom 7. 5. 1985 — VI ZR 224/83) obliegt es dem Arzt, für eine ordnungsgemä- ße Dokumentation seiner Tä- tigkeit zu sorgen. Andernfalls können sich für den Arzt in einem späteren Haftpflicht- prozeß gravierende Prozeß- nachteile ergeben. Schon aus diesen Gründen und Überle- gungen muß es deshalb ein- deutig im Interesse des Arz- tes oder Krankenhauses lie- gen, die angefallenen Kran- kenhausunterlagen für die Dauer von insgesamt 30 Jah- ren aufzubewahren. Dann sind in einem Prozeß aus der sich u. U. ergebenden Be- weispflicht keine Nachteile zu erwarten und der Arzt ist besser gewappnet für eine Gerichtsverhandlung und Auseinandersetzungen mit der anderen Partei.
„Prozeßschwangere"
Unterlagen: 30 Jahre Deshalb ist es erforder- lich, die Kranken- und Pa- tientenunterlagen mindestens solange aufzubewahren, bis eindeutig feststeht, daß auf- grund der Krankenhaus- oder Arztbehandlungen keine Schadensersatz- oder Haft- pflichtansprüche mehr er- wachsen können. Das bedeu- tet leider, daß „prozeß- schwangere Unterlagen"
über Patientenbehandlungen dreißig Jahre lang gut aufbe- wahrt werden sollten.
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A-172 (64) Dt. Ärztebl. 85, Heft 4, 28. Januar 1988