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Archiv "Steuerung des Augenlängenwachstums durch Sehen" (05.12.1997)

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Die klare Darstellung der um- fangreichen und aufwendigen experi- mentellen Untersuchungen aus der Tübinger Arbeitsgruppe verdient An- erkennung, bedarf aber hinsichtlich der teilweise angedeuteten Übertra- gungen auf die praktische Augenheil- kunde am Menschen einiger Ergän- zungen aus der Perspektive der Praxis.

So muß zunächst die Frage er- laubt sein, ob Kurzsichtigkeit, wie im ersten Satz angeführt, überhaupt ein Augen-„leiden“ genannt werden soll- te; zweifelsohne trifft dies für die – eher seltenen – hochgradigen Myopien zu, ebenso unzweifelhaft kann aber eine Kurzsichtigkeit bis zu etwa –3 Dioptrien und deren statistische Zu- nahme durchaus auch als sinnvolle evolutionäre Anpassung an die Tatsa- che aufgefaßt werden, daß ein immer höherer Bevölkerungsanteil in den in- dustrialisierten Ländern einen immer größeren Teil seiner Lebenszeit unter Bedingungen visueller Anforderung im Nahbereich und nicht im Fernbe- reich erbringen muß. Hier kommt es in der täglichen Arbeit mit Patienten eher darauf an, Einsicht in die Notwen- digkeit einer Sehhilfe bei Anforderung an den Fernvisus (vor allem Auto fah- ren) und die Akzeptanz der Korrektur zu erreichen, als ein Krankheitsbe- wußtsein zu bewirken.

Ob es bei dieser Ausgangslage sinnvoll erscheint, auch nur die Option einer Behandlung der Myopieentwick- lung voranzutreiben, kann wohl nur im Falle der hochgradigen progressiven Myopie eindeutig bejaht werden.

Weitaus problematischer und von eher praktischer als medizinethischer Bedeutung ist die euphorische Darstel- lung der Möglichkeit der Infrarotfoto- skiaskopie und deren möglicher An- wendung am Menschen. Die Meßge- nauigkeit von ein Viertel Dioptrien ist nach eigener Erfahrung mit diesen

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M E D I Z I N DISKUSSION

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 49, 5. Dezember 1997 (57)

Evolutionäre Anpassung

Geräten nicht glaubhaft. Wäre es appa- rativ so einfach, müßte man unter dem Ziel der Amblyopiefrüherkennung und Prophylaxe das Fotoscreening schnellstmöglich in die Praxis umset- zen. Angesichts einer Inzidenz von je

nach Literaturstelle zwischen acht und 16 Prozent betroffener Kinder wäre dies von enormer gesundheitspoliti- scher Bedeutung. Nach eigenen Erfah- rungen und zahlreichen neueren Veröf-

fentlichungen ist aber weder jetzt noch in absehbarer Zeit der skiaskopierende Augenarzt apparativ zu ersetzen. Sollte es aber in Tübingen gelungen sein, die Infrarotvideoretinoskopie wirklich bis zu der geschilderten Präzision zu ent- wickeln, so wäre die umgehende Er- probung in großen Vergleichsreihen zur klassischen Skiaskopie zu fordern, um baldmöglichst durch verbessertes Screening die immer noch hohe Rate nicht oder zu spät entdeckter Amblyo- pien senken zu können. Dabei handelt es sich wirklich um ein Augenleiden.

Dr. med. K.-J. Ladwig Dr. med. W. Lange Augenärzte

Geigelsteinstraße 26 83209 Prien

Steuerung des

Augenlängenwachstums durch Sehen

Zu dem Beitrag von

Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Frank Schaeffel, Prof. Dr. med. Eberhart Zrenner in Heft 17/1997

Die These, daß durch Lesen die Häufigkeitszunahme der Kurzsichtig- keit verursacht wird, kann nicht ohne eine kritische Diskussion hingenom- men werden. Es muß davor gewarnt werden, Versuchsbedingungen, mit de- nen bei Tieren eine Steigerung des Augenlängenwachstums erreicht wurde, auf den Menschen zu übertra- gen. Bei den Tieren wird das Netzhaut- bild durch Linsen defokussiert, sie sind ohne zeitliche Unterbrechung zum Scharfsehen auch in die Ferne zu einer Akkomodation gezwungen. Das ist mit einer vorübergehenden Akkommoda- tion beim Lesen im Nahbereich nicht vergleichbar. Kinder lesen in der Wachstumsphase nicht stundenlang, ohne zumindest zwischendurch den Blick auf entferntere Ziele zu richten.

Auch unsere Vorfahren waren immer wieder gezwungen, ihre Augen für Ar- beiten im Nahbereich zu akkommodie- ren. Die Sehverhältnisse während der

Wachstumsphase in der Vergangenheit unterscheiden sich unter diesem Ge- sichtspunkt allenfalls geringfügig von den durch mehr Lesen geprägten heuti- gen Umständen. Der zeitliche Anteil, in welchem die Augen für den Nahbe- reich akkommodiert werden, ist heute nur wenig größer als früher. In keinem Fall rechtfertigen die Unterschiede die Annahme, daß durch Lesen die Häu- figkeitszunahme der Kurzsichtigkeit verursacht wird.

Bei dem Problem der Ursachen für die Zunahme der Kurzsichtigkeit ist auf einen anderen Gesichtspunkt hin- zuweisen. Es gibt mehrere Untersu- chungen, die einen Zusammenhang zwischen Kurzsichtigkeit und Intelli- genz finden (3, 8, 16, 19, 20, 24). Eine weitere Korrelation besteht zwischen Kurzsichtigkeit und Körperlänge (6, 19, 20). Der Kreis schließt sich mit einer gegenseitigen Abhängigkeit von Kör- perlänge und Intelligenz (19).

Nicht nur Kurzsichtigkeit, auch In- telligenz und Körperlänge der Men- schen nehmen im Augenblick durch- schnittlich deutlich zu. Dieses Phäno- men, das in allen hoch entwickelten In-

Säkulare Akzeleration

bei Entstehung der

Kurzsichtigkeit

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dustrieländern beobachtet wird (5), ist als „Psycho-physische Akzeleration“,

„Säkulare Akzeleration“ oder auch als

„Säkularer Trend“ (secular trend) be- kannt (9, 12, 15, 26). Beschrieben wur- de es erstmals 1935 von einem Schul- arzt namens Koch (11), der es für eine Erscheinung des 20. Jahrhunderts hielt.

Eine weitere Veränderung durch die Akzeleration ist die Beschleunigung von Wachstum und Reifung, die sich in einem früheren Beginn des Zahnwech- sels (7) und der Pubertät (1, 2, 12, 14, 15, 23, 24) zeigt (frühzeitige Menar- che). Die Annahme ist naheliegend, daß bei der Korrelation zwischen Kurz- sichtigkeit und Körperlänge bezie- hungsweise Intelligenz und der gleich- sinnigen Zunahme dieser drei Fakto- ren auch die Kurzsichtigkeit als eine Teilerscheinung der säkularen Akzele- ration zu betrachten ist. Als Ursache für die der Akzeleration zugrunde lie- genden Veränderungen der mensch- lichen Konstitution werden vor allem Verbesserungen der Umweltbedingun- gen im Wachstumsalter genannt wie Optimierung von Ernährung und me- dizinischer Versorgung. Die veränder- ten Bedingungen reichen jedoch nicht aus, die Größenzunahme seit Beginn des 19. Jahrhunderts zu erklären, die inzwischen 20 cm beträgt (9). Die An- nahme ist naheliegend, daß die Akzele- ration eine genetische Basis hat.

Für diese These spricht folgende Beobachtung: Die farbige Bevölke- rung in Nordamerika macht den Trend der Akzeleration mit (3). Ein durch- schnittlich großer farbiger Amerikaner überragt seine in Afrika verbliebenen fernen Verwandten heute deutlich.

Wären die Lebensumstände verant- wortlich, dann müßte ein Schwarzafri- kaner, der unter den heutigen westli- chen Bedingungen aufwächst, die Größe der amerikanischen Farbigen erreichen. Er bleibt jedoch etwa auf dem Größenniveau seiner in Afrika verbliebenen fernen Verwandtschaft (5). Das Ausmaß des Wachstums ist dementsprechend als genetisch gesteu- ert zu betrachten.

Die genetische Grundlage der Ak- zeleration wird durch eine Theorie er- klärt, welche die Ursache in den Ent- wicklungen der Geburtshilfe sieht (22):

Ein Grund für die früher hohe mütter- liche und kindliche Sterblichkeit unter der Geburt war die Größe des Kindes.

Bei einem Mißverhältnis zwischen kindlichem Kopf und mütterlichem Becken kam es zur tödlichen Uterus- Ruptur, wenn die Mutter nicht durch eine (das Kind) „zerstückelnde Opera- tion“ gerettet werden konnte. Die An- lagen zu großen Geburtsmaßen haben sich daher immer von selbst begrenzt.

Hier haben Fortschritte der Geburts- hilfe eine Wende gebracht: Frauen wurden unter der Geburt besser be- treut und in der Austreibungsperiode zu effektivem Mitpressen angeleitet.

Die Entwicklung der Geburtszange um 1670 in England war für viele große Kinder und deren Mütter lebensret- tend. Seit Beginn dieses Jahrhunderts kann insbesondere bei cephalopelvi- nem Mißverhältnis zahlreichen Müt- tern und Kindern durch Kaiserschnitt geholfen werden. Folge dieser Ent- wicklungen ist eine zunehmend unge- bremste Ausbreitung der Anlagen zu großen Geburtsmaßen. Das mittlere Geburtsgewicht, das zu Beginn dieses Jahrhunderts bei 3150 g lag (12), ist 1990 auf fast 3500 g angestiegen (22).

Die durchschnittliche Geburtslänge hat von der Mitte des Jahrhunderts bis 1990 von 50,33+/–1,83 auf 51,32+/–2,32 cm zugenommen. Daß sich diese Ent- wicklung noch fortsetzt, obwohl sich die Lebensumstände nicht entschei- dend ändern, wird aus den Perinatal- statistiken deutlich: 1986 hatten nach der Perinatalstatistik Baden-Württem- berg 8,8 Prozent der Geburten ein Ge- wicht über 4000 g, 1993 hat sich dieser Anteil auf 9,7 Prozent erhöht. 1986 er- reichten 3,4 Prozent der Neugebore- nen eine Geburtslänge von über 55 cm, 1993 waren dies bereits 4,1 Prozent. Bei der Abhängigkeit zwischen der Ge- burtsgröße und der Erwachsenengröße (18) ist auch eine Zunahme der allge- meinen Körpergröße zu erwarten.

Der Zusammenhang zwischen Körpergröße und Intelligenz liegt in der Evolution des Menschen: Es be- steht ein Zusammenhang zwischen Ge- hirngröße und Intelligenz (13). Weil dies gerade auch in früheren Zeiten mit einem Überlebens- und Fortpflan- zungsvorteil verbunden war, besteht ein evolutionärer Trend zur Ausbil- dung eines großen Gehirns. Vorausset- zung für ein großes Erwachsenenge- hirn ist ein großes Gehirn bei der Ge- burt. Evolutionsbiologisch betrachtet werden die Gefahren, die durch die

kindliche Kopf- beziehungsweise Ge- hirngröße bei der Geburt entstehen, in Kauf genommen, weil ein größeres Ge- hirn im Erwachsenenalter Überlebens- und Fortpflanzungsvorteile bringt. Die Frauen bezahlen mit dem Risiko der Geburt einen Preis für die menschli- che Intelligenz. Durch die operative Geburtshilfe entfällt die mütterliche Beckenenge als hemmender Faktor für die Entwicklung eines größeren Ge- hirns.

Die Zunahme der Kurzsichtigkeit als ein Symptom der Akzeleration steht in engem Zusammenhang mit der verstärkten Wachstumstendenz. Mit zunehmendem Größenwachstum ver- längert sich die Achse des Augapfels, was zu der Kurzsichtigkeit führt.

Während man früher annahm, daß die Ausdehnung der Längsachse des Aug- apfels schon vor Abschluß des Wachs- tums aufhört, zeigen neuere Untersu- chungen (6), daß diese Entwicklung die ganze Dauer des Körperwachstums an- hält. Es sollte beachtet werden, daß die Zunahme der Kurzsichtigkeit eine Teilerscheinung der Akzeleration ist und damit eine genetische Grundlage hat, bevor der Rat gegeben werden kann, „beim Lesen oder anderen Ar- beiten mit kurzer Sehdistanz keine volle Korrektur zu verwenden“, und bevor von der „Möglichkeit einer me- dikamentösen Intervention“ (17) Ge- brauch gemacht wird, um die Entwick- lung der Kurzsichtigkeit zu hemmen.

Literatur beim Verfasser

Dr. med. Bernd Warkentin Königsberger Str. 21 79539 Lörrach

Zu dem Beitrag von Dr. Ladwig und Dr. Lange Die Autoren stellen Folgendes fest: ¿ Myopie kann in den meisten Fällen nicht als Augenleiden bezeich- net werden, sondern stellt eine evolu- tionäre Anpassung an die immer gerin- geren Sehentfernungen dar. ÀDie eu- phorische Darstellung der Leistung der Infrarotphotoskiaskopie ist nicht ge- rechtfertigt.

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Schlußwort

(3)

Der Ausdruck „Leiden“ bedarf letztendlich der Definition. Die mei- sten myopen Patienten „leiden“ unter ihrer Myopie und wären sie gerne wie- der los. Ich gebe den Autoren recht, daß die zunehmende Myopisierung als Anpassungsprozeß an die Arbeit in der Nähe gesehen werden kann. Leider ist Myopie in vielen Fällen progredient und überschreitet den für die „Nahar- beit“ optimalen Refraktionswert.

Daß die Infrarot-Photoskiaskopie bei den bisher kommerziell verfügba- ren Geräten (die ohne unseren Einfluß auf den Markt kommen) nicht die Er- wartungen erfüllt, liegt zum Teil an mangelnder Analyse der optischen Grundlagen und unzureichender Ein- arbeitung automatischer Eichalgorith- men. Die Technik ist in unseren Hän- den sehr genau und löst mühelos Ak- kommodationsschwankungen von we- niger als 0,25 dpt. auf. Wir hoffen, in Zukunft mit einem befriedigenden tragbaren Gerät aufwarten zu können, und sind gegenwärtig an dessen Ent- wicklung.

Zu den Anmerkungen von Dr. Warkentin

Im wesentlichen stellt Herr Dr.

Warkentin Folgendes fest:

¿ Wenn Tiermodelle mit Bril- lengläsern eine Steigerung des Augen- längenwachstums erfahren, so darf daraus nicht geschlossen werden, daß Lesen oder Naharbeit einen Einfluß auf die Refraktionsentwicklung bei Kindern hat, da letztere zwischen dem Lesen auch Seherfahrungen in der Fer- ne haben. Sie müssen deshalb nicht im- mer akkommodieren.

À Es besteht eine Korrelation zwischen Intelligenz und Kurzsichtig- keit, aber auch zwischen Körperlänge und Kurzsichtigkeit. Die generelle, Akzeleration des Körperwachstums ist auch für verstärktes Augenwachstum verantwortlich. Bessere Geburtenfür- sorge erlaubt zudem auch eine weitere Vergrößerung des Gehirns, was auch bereits bei der Geburt zu größeren Au- gen führt.

Dr. Warkentin schließt daraus, daß Myopie eine Teilerscheinung der Akzeleration des generellen Wachs- tums ist und eine genetische Basis hat, Lesen als Grund jedoch nicht ange- führt werden kann.

Dazu möchten wir anmerken:

Zu ¿Wenn ein Zusammenhang zwischen retinaler Abbildungsqualität und Augenlängenwachstum bei zwei so entfernt verwandten Arten wie Affe und Huhn besteht, sollte man auch ei- nen solchen Zusammenhang beim Menschen vermuten. Es gibt tatsäch- lich viele klinische Beobachtungen (zum Beispiel Meyer und Mueller, 1996), die darauf hindeuten, daß das Netzhautbild einen Einfluß auf das Au- genwachstum hat. Experimente an Tiermodellen haben weiterhin gezeigt, daß der Akkommodationstonus selbst wenig Einfluß auf das Längenwachs- tum des Auges hat, während die Qua- lität des Bildes auf der Netzhaut kri- tisch ist. Beim Primaten ist nicht be- kannt, wie schlecht und auch wie lange das Bild so schlecht sein muß, damit es zu einer myopischen Wachstumsver- stärkung kommt. Wie gut oder wie schlecht das Bild ist (zum Beispiel während des Lesens), hängt von der Akkommodationsgenauigkeit ab. Kin- der akkommodieren in der Myopisie- rungsphase weniger genau in die Nähe (zum Beispiel Gwiazda et al., 1993).

Korrelationen können jedoch nie kau- sale Zusammenhänge beweisen. Des- halb können diese Beobachtungen auch nicht entgültig beweisen, daß Myopie bei Kindern und Jugendlichen tatsächlich eine Folge eines schlechten Netzhautbildes ist. Auf der anderen Seite erklärt Seherfahrung (im Gegen- satz zur „Säkularen Akzeleration“), warum zum Beispiel

1 die Myopieprogression wäh- rend des Schuljahres schneller ist als während der Ferien (zum Beispiel Beiträge zur jährlichen Tagung der

„Association for Research in Vision and Ophthalmology“, ARVO, 1997),

1 bei Fabrikarbeitern Myopie hochsignifikant häufiger entsteht, wenn sie für Tätigkeiten in der Nä- he abgestellt wurden (zum Beispiel ARVO; 1997),

1 innerhalb einer Generation ein Sprung in Richtung Myopie erfolgte, nachdem das Lesen eingeführt wurde (zum Beispiel Young et al.; 1969)

1 Myopie bei der Stadtbevölke- rung hochsignifikant häufiger ist als bei der Landbevölkerung (zum Beispiel ARVO; 1997).

Zu À Basierend auf der Analyse von etwa 50 Artikeln kommt B. J. Cur-

tin (1985) zu dem Schluß, daß es keinen Beweis für einen kausalen Zusammen- hang von Intelligenz und Myopie gibt.

Zwar ist die Korrelation zwischen Aus- bildungsstand und Myopie „bemer- kenswert konsistent“ (zum Beispiel Bear; 1990), aber ein hoher Ausbil- dungsstand basiert gewöhnlich auch auf viel Lesetätigkeit.

Zum Zusammenhang von „Kör- pergröße und Intelligenz“ und „Kör- pergröße und Augenlänge“ möchte ich nur drei Dinge anmerken:

1 Korrelationen von zwei Fakto- ren können nie beweisen, daß eine kau- sale Verknüpfung besteht (siehe oben).

1 Wäre das Auge in seiner Län- ge von der Körpergröße abhängig, oh- ne daß zusätzlich eine Abstimmung der optischen Komponenten erfolgte, könnte man diesen Text nicht lesen: das Auge darf sich weniger als ein Prozent Fehler in der Abstimmung seiner Län- ge erlauben, seine absolute Länge streut dagegen bei verschiedenen em- metropen Personen mindestens um 2 mm (etwa 8 Prozent), die Körper- länge mindestens um 20 cm (etwa 12 Prozent).

1 Daß das Auge prinzipiell die Fähigkeit hat, seine Refraktion unab- hängig von der Körpergröße abzustim- men, kann man zum Beispiel an der Emmetropie des Rhinozeros erkennen (Howland et al., 1993).

Literatur

1. Bear JC: Epidemiology and Genetics of Re- fractive Anomalies. In: Refractive Anoma- lies (Grosvenor T, Flom MC, eds), Butter- worth-Heinemann; 1991: 67.

2. Curtin BJ: The Myopias. Basic science and clinical management. Harper & Row Publi- shers, Philadelphia; 1985: 11–15.

3. Gwiazda J, Thorn F, Bauer J, Held R : Myo- pic children show insufficient accommodati- ve response to blur. Investigative Ophthal- mology and Visual Science 34; 1993: 690–694.

4. Howland HC, Howland M, Murphy CJ: The refractive state of the rhinoceros. Vision Re- search 1993; 18, 2649–2653.

5. Meyer C, Mueller M: Formdeprivationsmyo- pie durch Keratitis scrophulosa. Der Oph- thalmologe 1996; 93, 361–366.

6. Young FA, Leary GA, Baldwin WR et al: The transmission of refractive errors within Eski- mo families. American Journal of Optometry 1969; 46, 676–685.

Priv.-Doz. Dr. rer. nat. Frank Schaeffel Prof. Dr. med. Eberhart Zrenner Universitäts-Augenklinik

Abteilung für Pathophysiologie des Sehens und Neuroophthalmologie Schleichstraße 12–16

72076 Tübingen

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M E D I Z I N DISKUSSION

Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 49, 5. Dezember 1997 (59)

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M E D I Z I N DISKUSSION/FÜR SIE REFERIERT

(60) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 49, 5. Dezember 1997 Ältere amerikanische Bürger ge-

nießen den Schutz einer staatli- chen Krankenversicherung; dabei kön- nen sie ein Kostenerstattungssystem wählen (FFS – Fee For Service) oder sich einem Sachleistungssystem mit be- schränkter Arzt- und Krankenhaus- wahl anschließen (HMO – Health Maintenance Organization). Garan- tiert die Bezahlung der Einzelleistung eine bessere Versorgung? Um dies zu bestätigen oder zu widerlegen, unter- suchten die Autoren zwei fast gleich große Gruppen von Schlaganfall-Pati- enten aus HMO- und FFS-Versicher- ten. Dabei stellte sich heraus, daß es hinsichtlich der Sterblichkeit während

der stationären Behandlung und in ei- ner etwa dreißig Monate langen Nach- beobachtung zwischen beiden Grup- pen keinen signifikanten Unterschied gab. Sehr unterschiedlich war hingegen der Weg der Patienten nach der Entlas- sung aus dem Krankenhaus: 41,8 Pro- zent der HMO-Patienten wurden in Pflegeheime überwiesen, aber nur 27,9 Prozent der Selbstzahler. In Rehabilita- tionseinrichtungen hingegen kamen nur 16,2 Prozent der HMO-Patienten, jedoch 23,4 Prozent der FFS-Patienten.

Über die Gründe für diesen Un- terschied können die Autoren dieser Studie nur spekulieren. Möglicherwei- se decken die HMO weniger bereitwil-

lig physikalische Therapien ab – Selbst- zahler könnten eher bereit sein, Kosten für eine rehabilitative Therapie zu übernehmen (die, wie aus anderen Stu- dien referiert wird, zu einer schnelleren Rückkehr nach Hause führen kann).

Die Autoren räumen ein, daß bei der Randomisierung der untersuchten Fäl- le möglicherweise einige Faktoren übersehen worden seien – also Äpfel mit Birnen verglichen sein könnten. bt Retchin SM, Brown RS, Yeh SCJ, Chu D, Moreno L: Outcomes of Stroke Patients in Medicare Fee for Service and Mana- ged Care. JAMA 1997; 278: 119–124.

Dr Sheldon M. Retchin, Box 980270, Richmond, VA 23298-0270, USA.

Die Autoren, Priv.-Doz. Reker und Priv.-Doz. Eikelmann, haben mit Deutlichkeit und Engagement den sozialpsychiatrischen Versorgungsbe- darf unter Wohnungslosen beschrie- ben.

Anzufügen bleibt noch, daß bei Wohnungslosen auch aufgrund ko- gnitiver Störungen die Ressourcen zur Selbsthilfe oft gering sind. In un- serer in Berlin durchgeführten Studie zu Alkoholabhängigkeit unter Woh- nungslosen fanden wir fast 20 Prozent Sonderschulabgänger. Selbst bei Berücksichtigung der schulischen Qualifikation lagen 15,2 Prozent der Wohnungslosen in einem kognitiven Kurztest (Mini-Mental-State) mehr als eine Standardabweichung unter der Norm. Als Ursache hierfür erga- ben sich im klinischen Interview früh- kindliche Hirnschäden, erworbene Hirntraumen und vor allem alkohol- bedingte amnestische und dementiel- le Störungen der Betroffenen (1).

Literatur

1. Podschus J, Dufen P: Alkoholabhängigkeit unter Wohnungslosen in Berlin. 1995; 41:

348–354.

Dr. med. Jan Podschus Hertzbergstraße 2 12055 Berlin

Dem Hinweis des Kollegen Podschus kann ich nur zustimmen.

Kognitive Störungen sowohl als prä-

morbide Handicaps als auch als eine Folge eines exzessiven Alkohol- konsums sind häufig und begrenzen die Fähigkeit zu Selbsthilfe und eigenverantwortlichem gesundheits-

fördernden Verhalten bei den Be- troffenen. Die damit zusammenhän- gende klinische Problematik ist aller- dings nicht nur auf die Gruppe der wohnungslosen Suchtkranken be- schränkt. Vielmehr zeigt sich hier ein konzeptionelles Defizit in der Be- handlung von Suchtkranken ganz all- gemein.

Therapeutische Konzepte und praktische Hilfen für chronisch Ab- hängige mit ihren multiplen Folge- schäden sind bisher zu wenig ent- wickelt und praktisch erprobt wor- den. Dies gilt vor allem für außerkli- nische Angebote.

Im Vergleich zum Beispiel zu chronisch-schizophren erkrankten Menschen findet sich hier ein erheb- liches Versorgungsdefizit, das sich an den wohnungslosen psychisch Kran- ken in besonders dramatischer Weise zeigt.

Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Reker Klinik für Psychiatrie der

Universität Münster

Albert-Schweitzer-Straße 11 48149 Münster

Wohnungslosigkeit,

psychische Erkrankungen und

psychiatrischer Versorgungsbedarf

Kognitive Störungen unter Wohnungslosen

Schlußwort

Zu dem Beitrag von

Priv.-Doz. Dr. med. Thomas Reker, Priv.-Doz. Dr. med. Bernd Eikelmann in Heft 21/1997

Rehabilitation oder Pflegeheim: Vom Zahlungsmodus beeinflußt

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