Organtransplantation:
Ominöse Vereine untergraben
Spendebereitschaft
Trotz der erfreulichen Steigerung der Zahl von Organtransplantatio- nen -1982 wurden in der Bundes- republik Deutschland nahezu 1000 Nieren transplantiert - entspricht diese Quote noch nicht den tat- sächlichen Möglichkeiten der Transplantationschirurgie. Zudem hält die Transplantationsfrequenz einem Vergleich mit anderen europäischen Staaten, wie etwa Großbritannien, den Niederlanden und der Schweiz, nicht stand. Die- se Meinung vertrat Prof. Dr. med. Rudolf Pichlmayer, der Leiter der Klinik für Transplantationschirur- gie der Medizinischen Hochschule Hannover, auf dem diesjährigen Chirurgenkongreß Anfang April 1983 in Berlin.
Jährlich 3000 Nieren zuwenig transplantiert
Die Nierentransplantation ist welt- weit inzwischen 80 OOOmal mit großem Erfolg durchgeführt wor-
den; sie ist nunmehr eine "Routi-
nebehandlung". Durch die Mög- lichkeit der immunsuppressiven Therapie mit Cyclosporin A sind die Ergebnisse der Transplanta- tionschirurgie erfolgreicher und sicherer geworden, denn die bis- herigen Abstoßungsraten trans- plantierter Organe (30 bis 35 Pro- zent) konnten durch diese Art der Immunabwehr auf unter zehn Pro- zent gesenkt werden. Heute liegt die Sterblichkeit für die Nieren- transplantation zwischen einem und vier Prozent.
Beeindruckend sind auch die Er- folge auf dem Gebiet der Herz-, kombinierten Herz-/Lungen-, Kno- chenmarks- und Lebertransplan- tation. Heute liegen die Überle- bensraten nach einem Jahr für die Herztransplantation unter Verwen- dung von Cyclosporin A bei mehr als 80 Prozent.
Bedauerlicherweise entspricht die Häufigkeit durchgeführter Trans- plantationen nicht den eigentli- chen Möglichkeiten und dem Er- folg dieser probaten Behand- lungsmethode. Nach Auffassung des Arbeitskreises "Organspen- de", in dem auch die Bundesärzte- kammer federführendes Mitglied ist, könnten jährlich bis zu 4000 Nieren transplantiert und die dem- entsprechende Anzahl Nieren- kranker von der Dauerdialyse be- freit werden.
Um den dringenden "Bedarf" an transplantationsfähigen Organen decken zu können, muß nach Auf- fassung des Wissenschaftlichen Beirates "Arbeitskreis Organtrans- plantation" die Kooperation zwi- schen Krankenhäusern und den über 20 Transplantationszentren unbedingt verbessert werden. Vor allem ist es bei der erfreulich gro- ßen Spendebereitschaft der Bevöl- kerung notwendig, daß die ärztli- chen Kollegen in den Kliniken, vor allem diejenigen Ärzte, die auf In- tensivstationen und in Anästhe- sie-, chirurgischen und neurochir- urgischen Abteilungen tätig sind, potentielle Organspender schnell und umfangreich an die Trans- plantationszentren oder die "Or- ganisationszentrale Nierentrans- plantation" in Neu-lsenburg (Tele- fon 0 61 02/3 99 99) melden.
Die Transplantationshäufigkeit kann nur dann weiter gesteigert werden, wenn mögliche Organ- spender schneller und zahlreicher gemeldet werden.
Die gelegentlich vorhandene Zu- rückhaltung bei der Meldung po- tentieller Organspender durch Kli- nikärzte kann dadurch abgebaut werden, daß die bezüglich der To- deszeitfeststellung seit über ei- nem Jahr vorliegenden Kriterien des Hirntodes einen großen Be- kanntheitsgrad im klinischen All- tag erlangen.
Der Wissenschaftliche Beirat der Bundesärztekammer hat diese Entscheidungshilfen zur Feststel- lung des dissoziierten Hirntodes
Die Information:
Bericht und Meinung NACHRICHTEN
erarbeitet und im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT (Heft 14/1982) veröf- fentlicht.
..,.. Bei der Organspende und der Transplantation handelt es sich um eine Gemeinschaftsverpflich- tung im Sinne einer humanitären Hilfe. So stellt die Organspende im Tod eine freiwillige Lebensrettung dar.
Ärzte geschröpft - Spender verunsichert
Leider wird jedoch mit dem sozia- len Engagement der Bevölkerung und dem der Ärzte für die Organ- spende Mißbrauch getrieben. Die Bundesärztekammer hat in vielen Rundschreiben auf die zweifelhaf- ten, teilweise betrügerischen Ma- chenschaften verschiedener Ver- eine, die sich angeblich der "Or- ganspende" widmen, warnend hingewiesen.
Mittlerweile wurde durch eine Fül- le von Zeitungsmeldungen, so auch in einer zwölfseitigen Beila- ge in der "Rotkreuz Zeitung" (Heft 4/1983) auf die "Geschäftemacher mit der Organspende" unter ande- rem von Hans-Günter Hinz hinge- wiesen.
Der Chefredakteur von "medizin heute", Walter Burkart, sprach in Heft 4/1983 im Editorial die eindeu- tige Warnung aus, sich gegen Ge- bühren oder Spenden Organspen- derausweise aufschwatzen zu las- sen. Wie jetzt bekannt wurde, ha- ben etwa 5000 Ärzte- deren Daten gespeichert sind - zwischen 300 und 3000 DM an die "Deutsche Lebenswacht" gespendet, obwohl der Verwendungszweck der Gei- der bislang vollkommen unklar ge- blieben ist. Dieser und vier weite- re Vereine haben seit über zehn Jahren noch kein einziges Or- gan vermittelt, obwohl in der
"Datenbank" der "Lebenswacht"
25 000 (!)Personen mit umfangrei- chen Daten erfaßt sind. Der Zweck einer solchen Organspenderkartei wird vom "Arbeitskreis Organ- spende" eindeutig bestritten. I>
Ausgabe A DEUTSCHES ARZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 16 vom 22. April 1983 25
DIE ARZNEIMITTELKOMMISSION DER
DEUTSCHEN ÄRZTESCHAFT GIBT BEKANNT:
Auf Gerinnungsstörungen bei Lamoxactam achten!
Der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft gingen seit 1982 eine Reihe von Berichten über verstärk- te Blutungsneigung wäh- rend der Behandlung mit Lamoxactam, einem neuen Cephalosporinderivat, zu. In der Mehrzahl der Fälle war das Prothrombinpotential vermindert, in einzelnen Fäl- len bestand eine Thrombo- zytopenie. Auf diese uner- wünschten Wirkungen wird sowohl in der Literatur als auch vom Hersteller hinge- wiesen. Als Ursache wird, neben einer unspezifischen Schädigung der Thrombozy- ten, vor allem eine Vermin- derung der Vitamin-K-Bil- dung und -Resorption im Darm durch Störung der physiologischen Darmflora angesehen. Auch wird die Hemmung der Prothrombin- synthese in der Leber durch einen Metaboliten des La- moxactam diskutiert. Es scheinen vor allem zwei Gruppen betroffen:
— Patienten mit Niereninsuf- fizienz (erhöhter Lamox- actam-Plasma-Spiegel auf-
grund verminderter Aus- scheidung) und
— Patienten mit postoperati- ven Komplikationen (Malnu- trition, Nahrungskarenz, par- enterale Ernährung).
Die Blutungsneigung wird offenbar verstärkt, wenn gleichzeitig Heparin oder Acetylsalicylsäure gegeben werden.
Deshalb sollten bei Leber- und Nierenfunktionsstörun- gen, Verbrauchskoagulopa- thie, Malabsorption und Er- nährungsstörungen, regel- mäßig Blutungszeit, Throm- bozytenzahl und Gerin- nungsstatus geprüft werden.
Bedrohliche Blutungen kön- nen nur mit Prothrombin- Komplex beherrscht werden.
Das gleiche gilt insbesonde- re bei gleichzeitiger Heparin- Prophylaxe. Acetylsalicyl- säure sollte nicht zusammen mit Lamoxactam gegeben werden.
Handelspräparate: Festa- moxin®, Moxalactam®
Die Information:
Bericht und Meinung NACHRICHTEN
Noch kritischer bewertet wird die Aufforderung der „Lebenswacht", ihr Testamente und Versiche- rungspolicen im Original zu über- lassen, Angaben zu machen über Krankheiten, Arbeitgeber, Dro- gen-, Alkohol- und Medikamenten- abhängigkeit. Was soll mit diesen Informationen geschehen?
Spenden für die Organspende werden von bestimmten Vereinen sogar durch Werber — Handelsver- treter — auf Provisionsbasis einge- trieben mit der rechtswidrigen Be- hauptung, die Ausweise des „Ar- beitskreises Organspende" und der Bundesärztekammer seien nicht rechtsgültig. Das ist unwahr!
Bereits im Januar 1982 hat die Rechtsabteilung der Bundesärzte- kammer in einem Schreiben an ei- nen Verein festgestellt, daß des- sen Bezugnahme auf den § 2247 BGB deswegen rechtsunwirksam sei, weil es sich bei der Organ- spende nicht um die testamentari- sche Vererbung materieller Güter handele, sondern um die rechts- verbindliche und über den Tod hinaus wirksame Willenserklärung des Organspenders.
Diese Rechtsauffassung ist in der Bundesrepublik Deutschland all- gemein gültig und wird in einem kürzlich vom juristischen Seminar der Universität Göttingen erstell- ten Gutachten bestätigt. Für die Organspende ist die einfache, je- derzeit widerrufbare Willenserklä- rung (orangefarbener Ausweis des Arbeitskreises Organspende) voll- kommen ausreichend.
Es ist empörend, daß einige omi- nöse „Vereine" (die sich übrigens
„bis aufs Messer" bekämpfen und öffentliche Begleitmusik machen) die Organspende in Mißkredit bringen, die Bevölkerung verunsi- chern und der Organtransplanta- tion und somit vor allem auch den gegenwärtig fast 15 000 dialyse- pflichtigen Nierenkranken emp- findlich schaden.
Der Arbeitskreis Organspende, so auch die Bundesärztekammer, di-
stanziert sich von den Aktivitäten folgender Vereine:
> „Deutsche Lebenswacht e. V.", Frankfurt;
> „Deutsche Gesellschaft für Or- ganspende e. V.", Frankfurt;
> „Verein zur Förderung der Or- ganspende e. V.", Frankfurt am Main;
> „Deutsche Rettungshilfe GmbH" und
> „Wir retten Dein Leben e. V.", Gräfelfing bei München.
Dr. med. Michael F. R. PopoviC Bundesärztekammer
Haedenkampstraße 1 5000 Köln 41 (Lindenthal) 26 Heft 16 vom 22. April 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A