• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Lebendtransplantationen: Hohe Stabilität der Spendebereitschaft" (18.02.2005)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Lebendtransplantationen: Hohe Stabilität der Spendebereitschaft" (18.02.2005)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

V

or drei Jahren hat sich in Mainz ein Arbeitskreis in der Transplan- tationsmedizin, bestehend aus Vertretern der Medizin, der Psychoso- matik, der Ethik und des Rechts mit dem Ziel gegründet, die Langzeitergeb- nisse der Lebendorganspende bei Nie- ren und Leber in Rheinland-Pfalz und dem Saarland zu verfolgen. Bei allen Falldiskussionen standen zwei Fragen immer im Vordergrund: „Wie ist der dramatische Organmangel und damit der Tod auf der Warteliste zu behe- ben?“ und: „Ist das Transplantationsge- setz bezüglich der Lebendspende noch zeitgemäß, oder lassen nicht Entwick- lungen wie eine Erweiterung des Spen- derkreises, das bessere Transplantat- überleben und die Frage der Subsi- diarität der Lebendspende gegenüber der postmortalen Spende eine Anpas- sung wünschenswert erscheinen?“ Eine Antwort auf diese und viele andere, bis heute ungeklärte ethische Fragen ver- sprachen sich die Veranstalter von ei- nem Workshop und einem Symposium mit circa hundert Vertretern von Trans- plantationszentren, der Deutschen

Transplantationsgesellschaft, der Deut- schen Stiftung Organspende, niederge- lassenen Ärzten und Nephrologen, Pa- tienten und Vertretern aus dem Bereich der Medizinethik.

Befragungsinstrumente

Zunächst hatten die Chirurgen das Wort: Priv.-Doz. Dr. med. Manfred Stangl, München, und Prof. Dr. med.

Bernd Krämer, Regensburg, stimmten darin überein, dass im Frühstadium der chronischen Niereninsuffizienz vor Dialysebeginn die Lebendspende der postmortalen Spende auch ohne volle Übereinstimmung der HLA-Merkmale eindeutig überlegen sei. Bei allgemei- ner Stagnation der postmortalen Trans- plantation betragen die anteiligen Le- bendspenden deutschlandweit zwi- schen 16 und 17 Prozent, in manchen Zentren (München, Freiburg) 30 bis 40 Prozent. In den USA werden inzwi- schen mehr als 50 Prozent der Nieren- transplantationen in Form einer Le- bendspende durchgeführt. Prof. Dr.

med. Xavier Rogiers, Hamburg, berich- tete über 132 Fälle pädiatrischer Splitle- bertransplantationen ohne Kranken- hausmortalität, ein weltweit herausra- gendes Ergebnis.

Bei der (Teil-)Leberspende vom Le- benden sei zwischen Lebend- und post- mortaler Transplantation, auch bezüg- lich akuter und chronischer Abstoßung, inzwischen ebenfalls kein Unterschied mehr feststellbar. Ein Problem bestehe allerdings in der oft fehlenden Nach- kontrolle der gesunden Spender, sagte Prof. Dr. med. Gerd Otto, Mainz. Die Mortalität liege beim Erwachsenen bei einem Prozent, die Morbidität bei 20 Prozent. Es sei aber auch die Solidarge- meinschaft betroffen, da es bei Trans- plantatversagen ein Back-up durch ein Leichenorgan gäbe, das jedoch nur in 7,25 Prozent der Fälle in Anspruch ge- nommen werden müsste.

Wer kann bei der Entscheidungsfin- dung helfen? Die Kommission nach Landesrecht, die neben der Prüfung der Freiwilligkeit und dem Freisein von Or- ganhandel auch die Nutzen-Risiko-Re- lation überprüfen solle? Oder ein Spen- deradvokat? Auch der Ehrgeiz der Zen- tren, die „punkten“ müssten, sei nicht zu unterschätzen. Die heute oft disku- tierte Indikationserweiterung könnten allein Spender und Empfänger ent- scheiden; eine Grenzüberschreitung durch den Chirurgen dürfe es nicht ge- ben, forderte Otto.

Zur psychologischen Voruntersu- chung von Spendern und Empfängern werden valide Befragungsinstrumente (Fragebögen, videogestützte Inter- views, Szenarien) entwickelt, die geeig- net sind, die Stabilität der Beziehung und des Spender- und Empfänger-Wun- sches zu überprüfen. Das berichtete Priv.-Doz. Dr. med. Jochen Jordan, Frankfurt/Main. Einbezogen werden etwa 400 Variable. Dabei bestätigte sich T H E M E N D E R Z E I T

A

A414 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 718. Februar 2005

Lebendtransplantationen

Hohe Stabilität der Spendebereitschaft

Circa hundert Experten suchten bei einem Symposium in Mainz nach Antworten auf bis heute ungeklärte ethische und juristische Fragen.

Eine frisch implantierte Niere wird vom Blut des Empfängers durchströmt.

Foto:dpa

(2)

der internationale Trend: Frauen spen- den, Männer empfangen. Die Nachbe- fragung ergab eine hohe Stabilität der Spendebereitschaft: Fast alle sagten, sie wären wieder dazu bereit. Die Nachhal- tigkeit des Spendeereignisses beweist sich auch darin, dass es bei circa 70 Pro- zent noch immer eine herausragende Rolle in ihrem Leben spielt. Dies ist umso wichtiger, als Spender oft darüber Klage führen, dass ihrer später nicht mehr gedacht wird. Problematisch ist noch immer die Betreuung, wenn der Spender aus einem anderen Kultur- raum kommt. Hier fehlt nicht nur der sprachliche Zugang. Prof. Dr. jur. Hans- Ludwig Schreiber, Göttingen, diskutier- te auch als Vorsitzender der Transplan- tationskommission der Bundesärzte- kammer die Frage der Erweiterung des Spenderkreises. Er plädierte dafür, die Begrenzung auf familiäre und persönli- che Verbundenheit fallen zu lassen und auch eine unentgeltliche, anonyme Le- bendorganspende an einen Pool zuzu- lassen.

Modell der anonymen Paarspende

Ulrike Riedel, Berlin, bekräftigte als Mitglied der Enquetekommission des Bundestages „Ethik und Recht der mo- dernen Medizin“ den Schutz vor Selbst- schädigung. Die anonyme ungezielte Lebendspende sei verboten und straf- bar. Auch bezüglich der Überkreuz- spende bei blutgruppenunverträglichen Paaren habe das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 10. Dezember 2003 einer Spende von dritter Seite eine Ab- sage erteilt, allerdings eine weiterge- hende Interpretation des Näheverhält- nisses der Paare vorgenommen. Prof.

Dr. med. Günter Kirste, Freiburg, erläu- terte das Modell der AB0-inkompa- tiblen und Kreuzlebendnierenspende.

Sein Gebot lautet: „Wir müssen versu- chen, den Menschen zu helfen.“ Nach der Entwicklung von Filtern, die AB0- inkompatible Antikörper auswaschen, sei eine solche Überkreuztransplantati- on nicht problematischer als bei Blut- gruppenverträglichkeit. Die Kosten ei- ner solchen Transplantation (die dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 10. Dezember 2003 zugrunde lägen)

würden jedoch von der Gesetzlichen Krankenversicherung unter Berufung auf die Empfehlungen der Bundesärz- tekammer (Verteilung nach Blutgrup- penregeln) nicht übernommen.

Dr.Guido Persijn,Eurotransplant/Lei- den, stellte das niederländische Modell der anonymen Paarspende vor, dessen Zulässigkeit durch eine gesetzliche Neuregelung ab 1. Januar 2004 gegeben ist. Auswahlkriterium aus dem Pool ist die match probability nach Überein- stimmung im AB0- und HLA-System.

Unter 53 Paaren wurden 22 zur Trans- plantation ausgewählt

und inzwischen zehn davon durchgeführt.

Von ihnen hatten alle die Anonymität von Spender und Empfän-

ger gewünscht, waren allerdings an all- gemeinen Informationen (Geschlecht, Alter, Organüberleben) interessiert.

Das Referat von Hans-Georg Kraus- haar, Schwalbach, stellte die Defizite der finanziellen Absicherung der Le- bendspender in der Vordergrund. Die behandelnden Ärzte sind dazu ver- pflichtet, über den Versicherungsschutz aufzuklären. Wie sie aber die Aufgabe weiterhin wahrnehmen sollen, auch die vermögensrechtlichen Folgen anzu- sprechen, lässt der Gesetzgeber offen.

Die Beschaffung der Organe ist Be- standteil der stationären Behandlung und muss von den Kassen (meist der Unfallversicherung) übernommen wer- den. Fraglich ist aber, wer die Vorunter- suchungen bezahlt, wenn sie nicht zur Transplantation führen. Und wer trägt die – lebenslangen – Kosten der Nachuntersuchungen und medizini- schen sowie psychologischen Beglei- tung der Spender? Ist die Unfallversi- cherung zuständig oder die Kranken- kasse? Und was ist mit privat oder gar nicht versicherten Spendern? Wer trägt den Ausgleich für den Einkommensver- lust des Spenders? Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs muss der Ein- kommensverlust ersetzt werden. War- um wird der Lebendspender nicht wie der Blutspender oder wie auch Kinder, Schüler und Studenten gesetzlich (un- fall-)versichert? Hier sieht Kraushaar dringenden Klärungsbedarf.

Leichen- und Lebendspende sind un- trennbar miteinander verbunden. Dar-

aus folgert Prof. Dr. phil. Hartmut Kliemt, Duisburg-Essen: „Unseren Re- spekt für die Opferbereitschaft der Le- bendspender können und müssen wir als Gesellschaft deshalb insbesondere durch eine aktive Teilnahme an der För- derung der Leichenspende erweisen“.

Kliemt weiter: „Man kann sehr wohl der Meinung sein, dass es eigentlich kei- ne durchschlagenden Argumente gegen die Einführung monetärer Anreize in der Organgewinnung gibt, und zugleich die Auffassung vertreten, dass beim ge- genwärtigen Stand öffentlicher Über- zeugungsbildung jeder konkrete gesetzgebe- rische Reformversuch in dieser Richtung ab- zulehnen ist.“ Gleich- wohl müsse die Mone- tarisierung der Organgewinnung im Blick auf die Zukunft theoretisch re- flektiert werden. Argumentiere man mit der „Unverfügbarkeit menschli- chen Lebens“, müsse man gleichzeitig jegliche Lebendorganspenden verbie- ten. Dies wollten aber weder der Ge- setzgeber noch die Kirchen. Aber auch die Motivation zur Spende könne keine einheitliche Richtschnur geben: So ein- fach sei die Unterscheidung zwischen altruistischer und egoistischer Hand- lung des Spenders nicht. Monetäre An- erkennungen sollten keine Tabus sein.

Gegner des Anreizmodells machten allerdings geltend, dass die Übergänge zum Organhandel fließend seien. Auch müsse man bedenken, dass finanzielle Anreize auch kontraproduktiv sein könnten und eher zur Ablehnung von Organspenden führen könnten. Or- ganspenden dürften nicht zur ethischen Pflicht werden. Die in der Bevölkerung vorhandene hohe Akzeptanz dürfe nicht durch den Anschein eines Organ- handels verspielt werden. Dr. phil. Carl Friedrich Gethmann, Bad Neuenahr- Ahrweiler, stellte die Anwendung uti- litärer Kriterien infrage. Auch Prof. Dr.

theol. Johannes Reiter, Mainz, befürch- tete, dass die Einführung monetärer Anreize die Akzeptanz und das Ver- trauen in die Lebendorganspende ver- spielen könnte.

Ein Nachfolge-Symposium ist für den 11. und 12. März geplant. Anfragen an: rittner@mail.uni-mainz.de.

Prof. Dr. med. Christian Rittner T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 718. Februar 2005 AA415

Leichen- und Lebend-

spende sind untrennbar

miteinander verbunden.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Der Studie Wellcome Global Monitor über die Einstellungen von Menschen auf der ganzen Welt zu Wissenschaft und gro- ßen gesundheitlichen Heraus- forderungen zufolge halten

Schmidt ist jedoch davon über- zeugt, dass all diese Maßnahmen kaum etwas bewirken, wenn es in der Bevölkerung Vorbehalte und Ängste gegenüber der Organspende gibt oder sich viele

[r]

Nur wenn die zulässigen Inanspruchnahmen in einem solchen Verhältnisse stehen, daß 417 <a <?, ist eine Konstruktion mit noch weniger Eisen als ad d) durchführbar (bei

Lediglich in dem Fall, in dem der ausscheidende Vertrags- arzt den Planungsbereich verlassen und sich in einem anderen Planungs- bereich niederlassen will, benötigt er für den

Ein Patient, der dringend auf ein Spenderherz wartet, berichtet: „Bei mei- ner Auseinandersetzung mit der Frage nach einem neuen Herz beziehungsweise nach dem Herz eines Menschen,

über ein Online-Forum, und hat eine motivierende Benutzeroberfläche (wei- terführende Informationen bei Schwab 2006, auf der Programm-Website wird auf weitere Publikationen

Von dort aus schickten sie den frisch Operierten ohne weitere medizinische Versor- gung und obwohl er über „uner- trägliche Schmerzen“ klagte, kurze Zeit später mit einem