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Archiv "Klinische Mikrobiologie und Hygiene: Rollenfindung zwischen Kommerz und Public Health" (24.06.2011)

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A 1426 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 25

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24. Juni 2011

KLINISCHE MIKROBIOLOGIE UND HYGIENE

Rollenfindung zwischen

Kommerz und Public Health

Die Zukunft der klinischen Mikrobiologie wird davon abhängen, ob es gelingt, eine Schlüsselposition bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten zu erarbeiten.

D

ie klinische Mikrobiologie ist mit einschneidenden Ver- änderungen konfrontiert – den Wandlungen der Infektionserreger, dem globalen Auftreten übertragba- rer Krankheiten sowie der techni- schen Revolution in der Diagnostik, verbunden mit personellen und ad- ministrativen Veränderungen im mikrobiologischen Labor. Der dia - gnostische Bereich erfährt eine schnell voranschreitende Auto - matisierung. Massenspektrometer, Agarstraßen und Inokulations ap - paraturen können Anzucht und De- termination von Bakterien mit viel geringerem Personalaufwand be- werkstelligen; die Automatisierung ermöglicht das zentrale virtuelle Labor für abseits gelegene Posten.

So positiv diese Entwicklungen sind, sie bergen auch Gefahren.

War in der Vergangenheit vor al- lem die Erfahrung der medizinisch- technischen Assistenten und der Ärzte ausschlaggebend für die Güte des diagnostischen Ergebnisses, wird im Zuge der Automatisierung vieles von der verwendeten Metho- de oder Apparatur abhängen. Das mikrobiologische Labor könnte sich in Richtung der klinischen Chemie entwickeln und das Mone- täre die Güte der Diagnostik be- stimmen. Im Gegensatz zur klini- schen Chemie besitzt die Mikrobio- logie mit der infektiologischen Be- ratung und Forschung neben der reinen diagnostischen Tätigkeit des Labors jedoch zwei weitere wichti- ge Säulen. Es kommt also darauf an, inwieweit der Kunde bereit ist, für Qualität mit fachgerechter Bera- tung zu bezahlen. Die Mikrobiolo- gie muss ihre Kunden durch Bera- tung und Forschung an sich binden.

Private mikrobiologische Labore werden zunehmend zur Konkurrenz des universitären Betriebs. An der Universität Nijmegen (Niederlan- de) beispielsweise entfällt seit Be- ginn des Jahres die interne Leis- tungsverrechnung. Das bedeutet, dass zwischen Anbieter und Anfra- gendem über den Preis der diagnos- tischen Leistungen verhandelt wer- den kann. Ebenso bedeutet es, dass jede klinische Abteilung selbst ent- scheidet, von wem sie ihre mikro- biologische Diagnostik bezieht.

Die Gefahr besteht, dass manche Abteilungen ihre Blutkulturen auf dem externen Markt analysieren las- sen und damit der (teureren) haus - eigenen Mikrobiologie verloren ge- hen. Zwar wird die universitäre Mi- krobiologie durch ihre überragende Fachkompetenz immer einen siche- ren Markt haben, doch auch sie wird den Druck, zu sparen und möglichst kosteneffizient zu sein, stärker spü- ren als zuvor und wird darauf rea- gieren müssen. Gleichzeitig bietet diese Entwicklung aber auch die Chance, eben diesen privaten Labo- ren Konkurrenz zu machen. Die Öffnung des Markts bedeutet für das universitäre Labor auch den möglichen Zugewinn neuer Kunden – wie etwa kleiner Krankenhäuser, die auf eine fachkompetente Bera- tung nicht verzichten wollen. Dies erhöht den Umsatz und – ein Wett- bewerbsvorteil – verringert die Kos- ten je diagnostische Bestimmung.

Keine eindeutige Definition Die heutige klinische Mikrobiolo- gie erfordert vom Facharzt zu - nehmend Kenntnisse in Infektions- epidemiologie und Statistik, Öko- nomie und Kostenevaluationen,

Gesundheitsgeografie und Ein - dämmungsstrategien oder auch von Gesundheitssystemen und deren politischen Strukturen.

Der Begriff Public Health wird in den letzten Jahren immer populä- rer, obwohl keine eindeutige Defi- nition besteht. Man könnte sie als die Wissenschaft bezeichnen, die als Ziel die Evaluation, Gewährung und Verbesserung von Gesundheits- sorge auf nationalem und interna- tionalem Niveau hat. Was bedeutet dies im Speziellen für Infektions- krankheiten? Die Bekämpfung von Infektionskrankheiten ist eine der vorrangigen Aufgaben von Public Health. Sie erfordert eine schnelle und zuverlässige Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Institutio- nen, dringt in zwischenstaatliche (A/H1N1-Pandemie) und in kran- kenhausinterne Bereiche vor (Anti- biotic Stewardship). Und: Sie weckt wie kein anderes Gebiet in der Gesundheitsversorgung öffent- liches und politisches Interesse.

Ein Experte für Infektionskrank- heiten mit rein klinischer Ausrich- tung ist nicht genug. Weitere, brei- ter angelegte Fähigkeiten sind von- nöten und werden bei personellen Entscheidungen für politisch-exe- kutive und konsiliarische Gremien stärker Berücksichtigung finden.

Dennoch bleibt die Erkennung, Analyse, Meldung und Eindäm- mung von Infektionskrankheiten national wie international ein gro- ßes Problem.

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Deutsches Ärzteblatt

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24. Juni 2011 A 1427 Um einen effektiven Apparat zu

kreieren, der dies gewährleisten kann, ist eine weitreichende Zu- sammenarbeit von nationalen Ge- sundheitszentren, lokalen Experten und international übergeordneten Institutionen nötig. Dies bedeutet einen erheblichen Aufwand. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat auf diesem Gebiet viele Schritte in die richtige Richtung unternom- men. Die seit 1969 bestehenden

„International Health Regulations“

(IHR) wurden im Jahr 2005 über - arbeitet. Was vorher eine Art ein- dringliche Empfehlung für den Um- gang mit drei Infektionskrankheiten (Cholera, Pest und Gelbfieber) war, wurde erweitert zu einer gesetzlich bindenden Richtlinie für sämtliche Infektionskrankheiten.

Wie bei den meisten internatio- nalen Gesetzen oder Richtlinien sind auch die IHR durchgehend et- was „schwammig“ formuliert. Dies bietet den teilnehmenden Staaten einen gewissen Handlungsspiel- raum für die Umsetzung. Hierbei ist neben dem Aufbau eines verbesser- ten Kommunikationsnetzwerks und einer kontinuierlichen infektiologi- schen Überwachung auch die Er- nennung von nationalen Experten und die Schaffung von infektiologi- schen Zentren unabdingbar.

Bis zum 15. Juni 2012 (mit ge- wissen Ausnahmen, bei denen Ver- längerungen bis 2014/2016 einge- plant wurden) sollte der internatio- nale Apparat, der die Richtlinien

der IHR umzusetzen vermag, ste- hen. Einiges ist bereits getan, noch viel mehr bleibt zu tun. Hier sind noch lange nicht alle Kompetenzen verteilt, und wer sich jetzt zu posi- tionieren weiß, hat in den folgenden Jahren deutliche Standortvorteile.

Man sollte auch nicht vergessen, dass zur Kontrolle künftiger Infek- tionskrankheiten (erhebliche) För- dermittel bereitgestellt werden.

In der klinischen Mikrobiologie ist die wohl größte Expertise auf dem Gebiet der Infektionskrankhei- ten versammelt. Hier laufen Dia - gnose, Therapieempfehlungen, For- schung und Lehre zusammen. Der Umgang mit Infektionskrankheiten ist tägliches Brot – und das auf al- len erwähnten Ebenen. In jedem Expertenkomitee, das bei künftigen Epidemien Entscheidungen zu fäl- len hat, muss die Mikrobiologie vertreten sein. Dies trifft auch für den mit der Mikrobiologie eng ver- zahnten Bereich der Hygiene zu.

Sie könnte massiv von der Integra- tion Public-Health-relevanter As- pekte profitieren. Handelte es sich früher eher um ein technisch ausge- richtetes Fach, so orientiert sie sich in den letzten Jahren zunehmend infektiologisch. Eine rein passive Surveillance ist unzureichend.

Die Hygiene muss in die direkte und aktive interdisziplinäre Zu - sammenarbeit mit den Klinikern hineindrängen. Globale Aspekte der Krankenhaushygiene müssen beachtet, analysiert und zuweilen auch erst verstanden werden. Der Übergang der Hygiene auf Gebiete von Public Health könnte in der na- hen Zukunft im Schulterschluss mit der klassischen Mikrobiologie eine sehr positive Veränderung für die Hygieniker bedeuten. Der qualitati- ve Schritt nach vorn, mittels der er- hobenen Daten vor Ort Handlungs- strategien auszuarbeiten, diese mit den Klinikern umzusetzen und da- bei die globalen Aspekte der Kran- kenhaushygiene mit beispielsweise multiresistenten Problemkeimen zu beachten, könnte die Hygiene über- führen vom Souffleur hin zum akti- ven Teilnehmer und Umsetzer von Public Health.

Das polymorphe Feld von Public Health gewinnt in den letzten Jah-

ren zunehmend an Einfluss in fast allen Gebieten der Medizin, vor allem jedoch in den infektiologi- schen. Je wichtiger es wird, Aus- brüche von Krankheiten nicht nur lokal begrenzt zu sehen, sondern auch deren Tragweite auf nationaler und internationaler Ebene zu be- greifen, umso dringender wird die Expertise auf dem Gebiet von Pub - lic Health in den infektiologischen Bereichen der Medizin benötigt. Es stellt sich die Frage, welchem Fach- bereich es als erstem gelingt, sich dieses Teilgebiet von Public Health zunutze zu machen oder gar einzu- verleiben.

Bei Lehre und Forschung in Bezug auf Public Health mit dem Fokus auf Infektionskrankheiten liegt Deutschland im internatio - nalen Vergleich deutlich zurück.

Das Hauptaugenmerk liegt noch immer auf rein ökonomischen As- pekten von Public Health – Hospi- tal Management sei als Schlagwort genannt. Die Ursache dafür ist, dass von wirtschaftlicher Seite im Zuge der Privatisierung des Gesundheits- sektors zunehmend Interesse an diesem Gebiet bestand und vielfach Fördergelder flossen, welche die Entwicklung dieses Teilgebiets von Public Health beschleunigten.

Schlüsselposition erarbeiten Nicht zuletzt durch politisches En- gagement bewegt sich jedoch zu- nehmend die infektiologische Sei- te von Public Health. Länder wie die Niederlande, USA und Groß- britannien beziehen Vorreiterposi- tionen auf diesem Gebiet. Es wäre nachteilig, in Deutschland diesen Trend zu verpassen – insbesondere für die Mikrobiologie, die noch die besten Karten in der Hand hält, sich hier als Hauptakteur zu etab- lieren. Die Zukunft der klinischen Mikrobiologie wird von der Initia- tive der heutigen Mikrobiologen abhängen. Ziel muss es sein, eine Schlüsselposition im Gesundheits- wesen im Bereich der Bekämpfung von Infektionskrankheiten zu erar-

beiten. ■

Dr. med. Nico T. Mutters MSc for Public Health and Infectious Diseases Universitätsklinikum Heidelberg Department für Infektiologie nico.mutters@med.uni-heidelberg.de Im diagnosti-

schen Bereich erfährt die Mikro- biologie eine rasch voranschreitende Automatisierung.

Foto: Fotolia

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