Was sind Krankheitserreger?
Unter Krankheitserreger verstehen wir heute Mikroorganismen und kleinere biologisch aktive Einheiten (Viren, Virusoide, Viroide, Prionen), die unter bestimmten Bedingungen einen höher entwickelten Organismus (Wirt) infizieren und eine Krankheit erzeugen können.
Medizinische Mikrobiologie
Die Koch-Henleschen Postulate (1878)
• Krankheitserreger sind aus Patientenmaterial isolierbar und in Reinkultur zu züchten
• Sie lösen in Versuchstieren entsprechende Krankheitssymptome aus
• Sie sind aus den erkrankten Versuchstieren wieder (re)isolierbar
• Das Patientenserum agglutiniert den verantwortlichen Erreger (K. Shiga, 1898)
Auf molekularer Ebene (nach Falkow, 1988):
• Ein bestimmtes Gen (oder Merkmal) kommt bei pathogenen Mikroorganismen vor
• Eine Inaktivierung des korrespondierenden Gens muss zu einer Reduktion der Virulenz führen
• Eine Rückführung des Gens in die avirulente Mutante stellt das ursprüngliche
Virulenzpotential wieder her
Dilemma der Infektionsbiologie
Auch die molekularbiologische Variante der Koch-Henleschen Postulate berücksichtigt nicht, dass
1. Pathogenität auch eine Empfänglichkeit des Wirtes voraussetzt (Abwehrschwäche) 2. durch ökologischen Anpassungsdruck u.U. neue Infektionskrankheiten entstehen 3. immer wieder neue Krankheitserreger auftauchen (z.B. Legionärskrankheit,
disease of human progress )
• es neue Typen bekannter Infektionserreger (horizontaler Gentransfer, EHEC),
• neue Resistenzen bei der Bekämpfung von Infektionskrankheiten (MRSA, evolution under the microscope),
6. ein Defizit in der Untersuchung von in vivo exprimierten Pathogenitätsgenen
• und einen Zusammenhang von Infektionsbiologie und sozialer Entwicklung gibt (Hygiene, Ernährung, Krieg)
Eine Infektion ist an bestimmte Erregereigenschaften gebunden
Eine Infektion bedeutet
das Haften (Adhäsion), das Einringen (Invasion),
die Ansiedlung (Kontamination), das Wachstum,
die Vermehrung und
die Ausbreitung (Organotropie)
von Mikroorganismen in einem Makroorganismus, einschließlich der Überwindung der lokalen Abwehr.
Medizinische Mikrobiologie
Die Pathogenitätsdeterminanten
Infektionserreger müssen daher in der Lage sein,
• in den Wirt einzudringen (Invasion: Adhäsine, Invasine)
• die spezifische Immunabwehr zu unterlaufen (Subversion/Evasion: Impedine, Moduline)
• die Zellen/den Wirt zu schädigen (Toxine, Aggressine)
• sich im Wirt zu vermehren
Medizinische Mikrobiologie
Übersicht verschiedener Pathogenitätsmechanismen
W irtszelle
Zytotoxische T-Zelle
B-Zelle Bakterium
Siderophore Siderophilin - Bindungsproteine,
Reduktasen Moduline
Impedine Adhäsine
Inhibition der Immunantwort Eindringen
Zellschädigungen
Versorgung mit Eisen-Ionen Veränderungen
im Zytokinmuster Anheftung
Invasine
Toxine,
Aggressine
Offensive, defensive und unspezifische Pathogenitätsfaktoren.
Pathogenitätsfaktoren
Medizinische Mikrobiologie
Sie werden sowohl von Bakterien als auch von Viren, Parasiten und Pilzen gebildet.
Meistens sind Adhäsine Proteine, die mit Kohlenhydratrezeptoren der Wirtszelle spezifisch interagieren.
Fimbrienadhäsine (Pili):
major, minor subunits ; tip structures Fimbrillen:
feinere Strukturen als Fimbrienadhäsine Nicht-Fimbrienadhäsine (NFA) oder A -Fimbrienadhäsine (AFA):
sind immer integrale Membranproteine Mikrobielle Saccharide:
Lipopolysaccharide (LPS), Lipooligosaccharide (LOSs), Exopolysaccharide (EPS) Lipoteichonsäuren (L T A s):
Gram-positive Bakterien
Offensive Pathogenitätsfaktoren: Adhäsine
Biologische Bedeutung der Adhärenz
Bildung von Mikroorganismen und Biofilmen (Schleimsubstanzen, Dauerkatheter) Oberflächenvariation zur Umgehung der Immunantwort (antigene Variabilität) Bindung an extrazelluläre Matrix und Plasminogenaktivierung (Gewebsauflösung) Signaltransduktion in Wirtszellen (Apoptose)
Induktion von Invasionsvorgängen (nicht phagozytierende Zellen)
Induktion von bakteriellen Signaltransduktionsvorgängen (Induktion von Fe-Aufnahme) Aufnahme von Toxin codierenden Bakteriophagen (z.B. Choleratoxin)
Synthetische Anti-Adhäsine als mögliche Strategie zur Verhinderung der Kolonisierung von Krankheitserregern? Rezeptoranaloge Moleküle; Eingriff in die Biogenese der Fimbrien.
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Invasion (Eindringen):
• Überwindung von Epithelien
• Eindringen und Überleben in Phagozyten
Chlamydien Coxiella burnetii
Ehrlichien Rickettsien Mycobakterium leprae
Mycobakterium tuberculosis Legionellen Salmonellen Shigellen Yersinien
Obligat intrazelluläre Bakterien Fakultativ intrazelluläre Bakterien
Offensive Pathogenitätsfaktoren: Invasine
Zipper-Mechanismus:
Internalisierung eines Bakterium
Trigger-Mechanismus:
Signalkette wird aktiviert Umbau der Zellmembran Membranpermeabilität steigt Bindung an Wirtszellrezeptor:
Integrine, E-Cadherin Bakterielle Liganden:
Invasin, Internalin, Opa/Opc
Invasine: Trigger- und Zipper-Mechanismus
Die Bakterien bilden an der Oberfläche Invasionsproteine, die mit Rezeptormolekülen auf der Wirtszelle interagieren.
Es kommt zum direkten Kontakt, Die Wirtszelle bildet faltenförmige Ausstülpungen, die die Bakterien umschließen ( Yersinia ).
Die Bakterienzelle hat keinen Kontakt mit der Wirtszelle.
Sezernierte Invasionsproteine (Ipa) führen zur faltenförmigen Ausstülpung bei der Wirtszelle und zum Einschluss der Bakterien (Shigella ).
EPEC Bindungsmechanismus
An diesen bindet spezifisch das bakterielle Intimin.
Die anfängliche Bindung von EPEC* an die Zellen des Darmepithels erfolgt über Pili.
Danach scheidet EPEC einen eigenen translozierten Intimin-Rezeptor (Tir) aus, der in die Zelloberfläche des Darmepithels eingelagert wird.
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Tir
*(EPEC = Enteropathogene E. coli)
Offensive Pathogenitätsfaktoren: Toxine
Einteilung bakterieller Toxine
Endotoxine Exotoxine
Gram (-), hitzestabile Lipopolysaccharide
entstammen abgestorbenen Bakterien funktionelle Zellwandbestandteile (essentiell!) Pathogenitätsfaktor (O-Antigene) induzieren unspezifische Immunantworten
Endotoxinschock
Gram (+) und (-) hitzelabile Proteine intrabakterielle Synthese Phagen oder Plasmid codiert
werden aktiv sezerniert
sind übertragbar aber nicht essentiell (!) erkennen spezifische Rezeptoren
spezifische Symptomatik
Infektion Intoxikation
extrazelluläre Gifte: intrazelluläre (A-B) Gifte:
Porenbildner (Lysine) ADP-Ribosyltransferasen α-Toxin aus Staph. aureus Diphtherietoxin
Streptolysin O Pertussistoxin
Pneumolysin Choleratoxin
Tetanolysin Botulinumtoxin Typ C
2indirekt wirkende Gifte Glykosidasen Enterotoxine aus Staph. areus Shigatoxin
(= Exotoxine) Shiga-like Toxine (Verotoxine)
neurotoxische Proteasen (= Neurotoxine) Tetanustoxin
Botulinum-Neurotoxine der Typen A - G
Bakterielle Exotoxine wirken als:
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Offensive Pathogenitätsfaktoren: Toxine
Defensive Pathogenitätsfaktoren: Kapseln und Schleime
Kapsel und Schleime dienen zum Schutz des Erregers, weil
ihre negative Oberflächenladung die Aufnahme durch Phagocyten verhindert (Phagozytenresistenz)
die komplementvermittelten Lyse (C3b wird nicht angelagert) verhindert wird und somit keine Opsonierung durch Komplement und Antikörper geben kann es in einigen Fällen zu einer Nachahmung wirtseigener Oberflächenstrukturen kommt (molekulares Mimikry)
sie zur Bildung starker Biofilme führen
Medizinische Mikrobiologie
Die mikrobiellen Pathogenitätsfaktoren, die eine Wirtsabwehr erfolgreich umgehen oder verhindern, werden auch Impedine genannt.
Unter Molekularem Mimikry versteht man die Eigenschaft bestimmter Erreger, wirtseigene Antigene nachzuahmen, um so der Immunantwort zu entgehen.
Eine Immunantwort gegen „eigene“ Antigene unterbleibt meist oder kann zu schweren Autoimmunkrankheiten führen, wie z.B. bei:
Coxsackieviren und Herzmuskelantigen (Myocarditis) Yersinien und HLA-B27 Antigen (Arthtritis)
Defensive Pathogenitätsfaktoren: Impedine
Wirkungen:
Septischer Schock Inaktivierung von Komplementfaktoren
Apoptose Zytokine:
Interleukine Interferone zytotoxische Zytokine
Wachstumsfaktoren Chemokine Kolonie-stimulierende
Faktoren
Moduline:
Lipopolysaccharid Lipid A Peptidoglykane
Moduline verändern das Zytokinmuster des Wirtes, indem sie bestimmte Enzymfunktionen nachahmen
Defensive Pathogenitätsfaktoren: Moduline
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Weitere Defensive Pathogenitätsfaktoren
Membranproteine zum Schutz gegen Komplement und antimikrobieller Peptide Surface-(S)-Layer schützen physikalisch gegen Bakteriophagen und Proteasen IgA-Proteasen spalten die zur Abwehr gebildeten IgA Antikörper
SOD (Superoxid-Dismutasen) zur Abwehr von ROS
M-Proteine von Streptokokken
Das M-Protein der Streptokokken
(aus Fischetti, Spektrum der Wissenschaft, August 1991)